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OLG Braunschweig: Spieler hat gegen Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta Anspruch auf Erstattung der verlorenen Einsätze

OLG Braunschweig
Urteil vom 23.02.2023
9 U 3/22


Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass ein Spieler gegen den Betreiber eines in Deutschland illegalen Online-Casinos aus Malta einen Anspruch auf Erstattung seiner verlorenen Einsätze hat.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Online-Glücksspieler bekommt Geld zurück

Ein Spieler aus Braunschweig verlor in den Jahren 2018 und 2019 über 40.000 Euro bei Casino-Glücksspielen im Internet. Auf die Klage des Spielers verurteilte das Landgericht Braunschweig den in Malta ansässigen Veranstalter zur Erstattung des verlorenen Einsatzes.

Der Veranstalter ging dagegen in Berufung, die jedoch ohne Erfolg blieb. Das Oberlandesgericht Braunschweig wies nun mit Urteil vom 23. Februar 2023 (Az. 9 U 3/22) die Berufung zurück. Die Rückforderung sei berechtigt. In Niedersachsen war es nach damaliger Gesetzeslage verboten, Online-Glücksspiele anzubieten. Der Spielvertrag mit dem Kläger sei deshalb nichtig. Der Kläger könne demzufolge seinen Spielverlust erstattet verlangen.

Eine abweichende Bewertung ergebe sich auch nicht durch den bloßen Hinweis in der Werbung oder auf der Homepage des Veranstalters, dass sich das Spielangebot nur an Einwohner Schleswig-Holsteins richte. Denn daraus folge nicht zwingend, dass die Glücksspielteilnahme für Teilnehmende anderer Bundesländer verboten sei. Im Übrigen habe der beklagte Veranstalter auch nicht bewiesen, dass der in Braunschweig wohnende Kläger anderweitig von diesem Verbot Kenntnis erlangt habe. Als Beweis genüge es nicht, lediglich allgemein auf Berichte in den Medien zu verweisen, da der Kläger diese nicht zwangsläufig wahrgenommen habe und auch dazu nicht verpflichtet gewesen sei.

Das Berufungsurteil ist nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat wegen der Bedeutung für zahlreiche ähnliche Verfahren in Deutschland die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.



LG Bielefeld: Teilnehmer an illegalem Online-Glücksspiel hat Anspruch gegen Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB

LG Bielefeld
Urteil vom 21.11.2022
8 O 386/21


Das LG Bielefeld hat entschieden, dass der Teilnehmer an einem illegalen Online-Glücksspiel einen Anspruch gegen den Online-Glücksspielbetreiber auf Rückzahlung der Einsätze aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB hat.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Anwendbarkeit deutschen Rechts ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Rom I-VO. Danach ist bei Verträgen mit Verbrauchern – wie hier – das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies betrifft auch die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrags sowie etwaige Folgen der Nichtigkeit des Vertrags, vgl. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, e Rom I-VO, einschließlich der bereicherungsrechtlichen Folgen, vgl. Art. 10 Abs. 1I Rom II-VO (OLG Frankfurt Beschl. v. 08.04.2022, 23 U 55/21).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 15.176,00 € gegen die Beklagte.

Dieser ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.

a) Unstreitig hat die Beklagte im Zeitraum von 24.09.2019 bis 08.04.2021 aufgrund von Einzahlungen des Klägers – unter Berücksichtigung von entsprechenden Auszahlungen - einen Betrag von 15.176,00 € als Vermögensvorteil erlangt. Diesem Vorbringen des Klägers ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

b) Die Leistung erfolgte allerdings ohne Rechtsgrund, da die Spielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und gemäß § 134 BGB nichtig sind.

Nach vorstehender Norm ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Gegen dieses Verbot hat die Beklagte verstoßen, indem sie ihre Online-Glücksspiele auch Spielteilnehmern in Nordrhein-Westfalen zugänglich gemacht hat. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. steht in Einklang mit Unionsrecht (BGH Urt. v. 28.09.2011, I ZR 92/09; BVerwG Urt. v. 26.10.2017, BVerwGE 160, 193). Der EuGH hat entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, C-46/08, NVwZ 2010, 1422). Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021. Dass die Beklagte eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden ist, trägt sie jedoch nicht vor. Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Im Übrigen ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 2019-2021 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (BGH Urt. v. 23.02.2012, I ZR 231/10). Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH Urt. v. 03.07.2008, III ZR 260/07).

c) Auch steht § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB dem nicht entgegen. Dieser setzt einen grundsätzlich wirksamen Vertrag voraus, der nur gem. § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet. Bei anderweitig begründeter Unwirksamkeit des Spiel- oder Wettvertrags, insbesondere bei Nichtigkeit gemäß § 134 BGB, bestimmt sich die Rückerstattung geleisteter Einsätze nach den allgemeinen Regeln des Bereicherungs- und Deliktsrechts (Habersack in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 762 Rn. 24).

d) Dem Rückzahlungsanspruch steht auch keine Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 BGB entgegen. Gem. § 817 S. 2 BGB ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt.

Neben den objektiven müssen die subjektiven Voraussetzungen erfüllt sein. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben (vgl. BGH Urt. v. 22.04.1997, XI ZR 191/96). Für die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB sind die bereicherten Beklagten darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, 817 Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2021,12 W 13/21).

Diese ist jedoch beweisfällig geblieben. Der Beklagten ist es nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass dem Kläger bewusst war, dass er an einem illegalen Glücksspiel teilnimmt und mithin wusste, selbst strafbare Handlungen zu begehen.

aa) Der Kläger hat hierzu im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe nie daran gedacht, dass seine Teilnahme an Online-Glücksspielen strafbar sein könnte. Die Internetpräsenz der Beklagten hätte für ihn den Eindruck erweckt, als handele es sich um ein völlig legales Angebot. Es habe sich schließlich um eine deutsche Website gehandelt, auf der er sich mit seinem Personalausweis verifizieren musste. Zudem seien die Einzahlungen von seinem deutschen Bankkonto abgebucht worden, ohne dass seine Bank etwas dagegen eingewendet habe. Er sei das erste Mal im Sommer 2021 durch eine Werbeanzeige darauf aufmerksam geworden, dass es sich um ein illegales Glücksspielangebot handeln könnte.

bb) Die Angaben des Klägers waren nachvollziehbar und plausibel, Zweifel an der Richtigkeit haben sich nicht ergeben. Hiernach ergab sich auch kein Anhaltspunkt dafür, der Kläger habe sich der Einsicht in die Strafbarkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen.

cc) Die Beklagte hat ihrerseits auch keinen Beweis für Vorsatz oder Leichtfertigkeit angetreten.

Die erforderliche Kenntnis des Klägers ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass es im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Spieleinsätze bereits Medienberichte zur Frage der Legalität sowie erste Urteile über Rückerstattungen aus illegalem Online-Glücksspiel gegeben hat. Denn allein das Vorhandensein dieser Berichterstattung lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass der Kläger die Berichte und Informationen auch inhaltlich wahrgenommen hat.

Auch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich die erforderliche Kenntnis des Klägers nicht. Es entspricht bereits der Lebenserfahrung, dass Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen im Internet regelmäßig nicht positiv zur Kenntnis nehmen. Letztlich kann dies dahinstehen. Denn auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich nicht hinreichend eindeutig, dass die Teilnahme an den angebotenen Glücksspielen am Wohnort des Klägers gesetzlich verboten war. Vielmehr folgt hieraus lediglich, dass der Kläger hierzu eigene Nachforschungen anzustellen habe. Die vom BGH (BGH Urt. v. 26.01.2006, IX ZR 225/04) geforderte Eindeutigkeit des gesetzlichen Verbots folgt hieraus jedenfalls nicht.

dd) Im Übrigen kann dahin stehen, ob der Kläger sich der Erkenntnis, dass er an einem illegalen Glücksspiel teilnimmt, leichtfertig verschlossen hat.

Denn eine Anwendbarkeit des § 817 Abs. 2 BGB ist - selbst das Vorliegen seiner Voraussetzungen unterstellt - aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion ausgeschlossen (so auch LG Paderborn, Urteil vom 08.07.2021, 4 O 323/20; LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021, 4 O 84/20; LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, 2 O 616/20; LG Aachen, Urteil vom 28.10.2021, 12 O 510/20).

Sinn und Zweck des § 817 S. 2 BGB ist es, dass derjenige, der sich selbst außerhalb der Rechtsordnung bewegt, hierfür keinen Schutz erhalten soll. Dieser Schutzzweck kann im Einzelfall mit den Steuerungszielen kollidieren, die das gesetzliche Verbot verfolgt (Schwab in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 817 Rn. 22). Ziel des Glücksspielstaatsvertrags und konkret des § 4 Abs. 4 GlüStV ist der Schutz des Spielers vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels (vgl. LG Aachen, a.a.O.). Die Gefährdung des Spielers besteht fort, solange diese Angebote für ihn verfügbar sind. Ein Ausschluss der Rückforderung, wie ihn § 817 S.2 BGB eigentlich vorschreibt, würde die Anbieter von Online-Glücksspielen zum Weitermachen geradezu ermutigen, denn sie könnten die erlangten Gelder - ungeachtet der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden Illegalität ihres Geschäftsmodells und somit der Nichtigkeit des Vertrages – behalten.

Aus diesem Gesichtspunkt ist auch eine Rückforderung nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Formnichtiger Heil- und Kostenplan eines Zahnarztes schließt auch Ansprüche des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung aus

BGH
Urteil vom 03.11.2016
II ZR 286/15
BGB § 125 Satz 1, § 126 Abs. 2 Satz 1, § 242; GOZ § 2 Abs. 3 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein formnichtiger Heil- und Kostenplan eines Zahnarztes auch Ansprüche des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung ausschließt.

Leitsätze des BGH:

a) Zur Anwendbarkeit des § 242 BGB bei formnichtiger Honorarvereinbarung für eine über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende zahnärztliche Versorgung.

b) Bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag
oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.

BGH, Urteil vom 3. November 2016 - III ZR 286/15 - LG Wuppertal - AG Wuppertal





BGH: Zahler und Zahlungsdienstleister können wirksam vereinbaren einen in Auftrag gegebenen aber noch nicht vollendeten Zahlungsvorgang nicht auszuführen

BGH
Urteil vom 16.06.2015
XI ZR 243/13
BGB §§ 675p, 675u, 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2

Leitsätze des BGH:


a) Zahler und Zahlungsdienstleister können wirksam vereinbaren, einen in Auftrag gegebenen, aber noch nicht vollendeten Zahlungsvorgang nicht auszuführen.

b) Im Anwendungsbereich des § 675u BGB kann ein Zahlungsdienstleister im Fall eines vom Zahler nicht autorisierten Zahlungsvorgangs den Zahlungsbetrag im Wege der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) vom Zahlungsempfänger herausverlangen, auch wenn diesem das Fehlen der Autorisierung
nicht bekannt ist.

BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 - XI ZR 243/13 - LG Traunstein - AG Rosenheim

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: