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KG Berlin: Für Beschwerde gegen einen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss gilt Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO

KG Berlin
Beschluss vom 11.07.2023
5 W 69/23


Das KG Berlin hat entschieden, dass für die Beschwerde gegen einen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss nach § 78 Abs. 1 ZPO der Anwaltszwang gilt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unzulässig, da sie dem Anwaltszwang gem. § 78 Abs. 1 ZPO unterliegt und von dem nicht postulationsfähigen Antragsteller eingelegt worden ist.

1. Eine Beschwerde gegen einen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss unterliegt dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO. Die Vorschriften der §§ 78 Abs. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO sehen eine Ausnahme vom Anwaltszwang nur dann vor, wenn der Rechtsstreit im ersten Rechtszug „nicht als Anwaltsprozess zu führen“ ist oder war. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

a) Eine Ansicht meint allerdings unter Hinweis auf §§ 936, 920 Abs. 3 in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO sowie § 922 Abs. 1 und 3 ZPO, das zulässigerweise ohne anwaltliche Beteiligung abzuschließende erstinstanzliche Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei nicht Anwaltsprozess im Sinne von §§ 78 Abs. 1, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO (vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 22. Januar 2009 – 13 W 135/08 –, Rn. 7, juris; OLG München, Beschluss vom 12. Juli 1995 – 28 W 1948/95 –, Rn. 2, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Mai 1993 – 6 W 23/93 –, Rn. 3, juris; Kammergericht – ZS 25 -, Beschluss vom 15. August 1991 – 25 W 4373/91 –, Rn. 11, juris).

b) Nach der Gegenansicht ändert die nur für den Arrest- oder Verfügungsantrag geltende Befreiung vom Anwaltszwang gem. §§ 936, 920 Abs. 3 ZPO nichts daran, dass das Verfahren über den Erlass eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung, wenn es vor dem Landgericht anhängig ist, gem. § 78 Abs. 1 ZPO grundsätzlich ein Anwaltsprozess sei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Januar 2021 – 6 W 120/20 –, Rn. 2 ff., juris; Beschluss vom 28. Juni 2010 – 6 W 91/10 –, Rn. 2 ff., juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. März 2020 – 9 W 13/19 –, Rn. 16 ff., juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29. November 2007 – 8 W 40/07 –, Rn. 7 ff., juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 17. März 1998 – 4 W 79/98 - 10 –, Rn. 7, juris; OLG Düsseldorf OLGZ 1983, 358; Heßler in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 569 Rn. 14).

c) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung.

Aus dem Umstand, dass das erstinstanzliche Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne Anwalt eingeleitet, betrieben und beendet werden kann, folgt noch nicht, es handele sich um ein Verfahren, das „nicht als Anwaltsprozess zu führen ist”. Abgesehen davon, dass die Partei nach der etwa persönlich vorgenommenen erstinstanzlichen Antragstellung vor dem Landgericht nicht mehr beeinflussen kann, ob das Verfahren einen vom Anwaltszwang (weiterhin) freien Verlauf nimmt oder nicht, ist der Begriff „Anwaltsprozess” in § 78 Abs. 1 ZPO durch die amtliche Überschrift vom Gesetzgeber festgelegt. Er umfasst danach alle Verfahren vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten.

Dieser Charakter des Verfahrens vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten als Anwaltsprozess ändert sich nicht durch die Regelung der §§ 920 Abs. 3, 936, 78 Abs. 3 ZPO. Diese nimmt lediglich eine bestimmte Prozesshandlung vom Anwaltszwang aus und führt nicht dazu, dass das erstinstanzliche Eilverfahren insgesamt „nicht als Anwaltsprozess zu führen“ sei. Sie beruht auf der Erwägung, dass im Einzelfall wegen der besonderen Eilbedürftigkeit nicht genügend Zeit zur Verfügung stehen kann, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (so auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Januar 2004 – 2 W 1/04 –, Rn. 1, juris). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass diese Eilbedürftigkeit während des gesamten weiteren Verfahrens (und sogar noch im Beschwerdeverfahren) gegeben ist.

Die auf einzelne Prozesshandlungen beschränkte Befreiung vom Anwaltszwang verwandelt den Rechtsstreit damit nicht in einen Parteiprozess. Das muss auch dann gelten, wenn das Gericht von einer mündlichen Verhandlung absieht und das Verfahren im schriftlichen Verfahren beendet wird, ohne dass auf Seiten der antragstellenden Partei ein Anwalt beteiligt werden müsste. Ob das Gericht eine mündliche Verhandlung anberaumt oder nicht, ist nämlich von Umständen abhängig, die nicht notwendig im inneren Zusammenhang mit der Frage des Anwaltszwanges stehen (OLG Hamm, Beschl. v. 29.11.2007 – 8 W 40/07, Rn. 8, juris). Denn das Landgericht ist nach Eingang eines Eilantrages prozessual nicht gehindert (sondern nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG sogar eher gehalten), den Antrag dem Antragsgegner zur schriftlichen Stellungnahme zuzuleiten (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage, § 12 Rn 2.23). Diese Stellungnahme des Antragsgegners unterliegt ebenso dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO wie eine etwa erforderlich werdende Gegenäußerung des Antragstellers. Jedenfalls kann die Ausnahmevorschrift des § 920 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO nach ihrem klaren Wortlaut auf diese weiteren Prozesshandlungen nicht erstreckt werden. Auch diese Erwägungen sprechen dafür, dass das erstinstanzliche Eilverfahren (auch ohne mündliche Verhandlung) „Anwaltsprozess“ ist.

Auch der Sinn und Zweck der Regelung in §§ 569 Abs. 3 Nr. 1; 78 ZPO betreffend das Beschwerdeverfahren spricht für das dargelegte Verständnis dieser Vorschriften. Der Anwaltszwang dient einer geordneten Rechtspflege und der Sorge für eine interessengerechte Geltendmachung der Parteibelange. Beide Gesichtspunkte kommen auch in der vorliegenden Konstellation zum Tragen und sprechen für die Geltung des Anwaltszwanges im vorliegenden Fall. Dieses Verständnis der in § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO enthaltenen Regelung wird schließlich auch gestützt durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Juli 1997 – 16 W 33/97, Rn. 3, juris). Sie entspricht inhaltlich der vor der Reform der Zivilprozessordnung bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Vorschrift des § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der Fassung der Familienrechtsnovelle vom 14. Juni 1976. Vor dieser Novelle ordnete § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Ausnahme vom Anwaltszwang für die Einlegung der Beschwerde nur an, "wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist oder anhängig war". Der Anwaltszwang für Beschwerden gegen die im Beschlusswege ergangenen, ablehnenden Entscheidungen der Landgerichte in Arrest- oder Verfügungsverfahren war demzufolge außer Streit. Mit der Familienrechtsnovelle ist § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF. in die inhaltlich bis heute geltende (und nunmehr in § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO niedergelegte) Fassung geändert worden, weil die Zuweisung der Familiensachen zum Amtsgericht statt zum Landgericht dies wegen der unverändert beabsichtigten Ausklammerung dieser Sachen aus den in § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten Ausnahmen vom Anwaltszwang erforderlich machte. Die Gesetzesänderung bezweckte also die unveränderte Aufrechterhaltung des Anwaltszwangs in Beschwerdesachen auch in den Familiensachen. Dazu musste der Anwaltszwang auch auf Beschwerden in diesen nunmehr vor dem Amtsgericht durchzuführenden Verfahren ausgedehnt werden. Eine Einengung des Anwaltszwanges in Beschwerdesachen war mit der Gesetzesänderung demgegenüber gerade nicht beabsichtigt. Eine Auslegung der Vorschrift, die in Teilbereichen eine Einengung des Anwaltszwanges zur Folge hätte, ist daher mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbaren (OLG Hamm, Beschluss vom 29. November 2007 – 8 W 40/07 –, Rn. 9 f., juris).

Soweit sich die Vertreter der Gegenmeinung insoweit durch die Regelung des § 571 Abs. 4 ZPO gestützt sehen, wonach im Beschwerdeverfahren, wenn das Gericht eine schriftliche Erklärung anordnet, diese zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden kann, wenn die Beschwerde als solche von der Partei zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden darf, ist das nicht überzeugend. Die Argumentation beruht auf einem Zirkelschluss, weil es ja gerade um die Frage geht, ob für die Einlegung der Beschwerde die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich ist. Im Übrigen handelt es sich auch bei der Abgabe einer womöglich angeordneten schriftlichen Erklärung lediglich um eine einzelne Prozesshandlung und nicht um das Beschwerdeverfahren als Ganzes. Zudem haben die Parteien auch keinen Einfluss darauf, ob das Beschwerdegericht einzelne schriftliche Erklärungen überhaupt anfordert. Schließlich ist es Sache der Legislative, den Aspekt der Eilbedürftigkeit, den der Gesetzgeber bisher nur zum Anlass genommen hat, das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch ohne Rechtsanwalt in Gang bringen zu lassen (vgl. § 920 Abs. 3 ZPO), für eine Befreiung auch des weitergehenden Verfahrens als solches vom Anwaltszwang heranzuziehen. Zudem hätte eine andere Auslegung von § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO als hier vertreten zur Konsequenz, dass nach § 571 Abs. 4 ZPO das gesamte schriftliche Beschwerdeverfahren vom Anwaltszwang freigestellt wäre. Dies erscheint systemwidrig, wenn - wie ausgeführt - im erstinstanzlichen Verfahren die Ausnahme vom Anwaltszwang nur für die Stellung des Eilantrages, nicht aber für die Einreichung weiterer Schriftsätze gilt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LAG Köln: Beschluss einer arbeitsrechtlichen Einigungsstelle auch wirksam wenn durch Verwendung des Videokonferenzsystems Cisco Webex möglicherweise gegen DSGVO verstoßen wurde

LAG Köln
Beschluss vom 25.06.2021
9 TaBV 7/21


Das LAG Köln hat entschieden, dass der Beschluss einer arbeitsrechtlichen Einigungsstelle auch wirksam ist, wenn durch Verwendung des Videokonferenzsystems Cisco Webex möglicherweise gegen die Vorgaben der DSGVO verstoßen wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

1.) Der Beschluss der Einigungsstelle begegnet keinen durchgreifenden formellen Bedenken. Dass die Einigungsstelle den Beschluss am 14.05.2020 im Rahmen einer Videokonferenz gefasst hat, führt nicht zu dessen Unwirksamkeit.

a) Die Zulässigkeit von Videokonferenzen im Rahmen von Betriebsratssitzungen und zur Durchführung von Einigungsstellenverfahren war umstritten, wurde zuletzt aber zunehmend bejaht (etwa Fündling/Sorber, NZA 2017, 552; Thüsing/Beden, BB 2019, 372; Lütkehaus/Powietzka NZA 2020, 552; kritisch hingegen Däubler/Klebe, NZA 2020, 545, 546). Gemäß der rückwirkend für die Zeit ab dem 01.01.2020 zunächst bis zum 31.12.2020 befristeten und derzeit bis zum 30.06.2021 verlängerten Vorschrift des § 129 Abs. 1 und 2 BetrVG hatte der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass die Teilnahme an Einigungsstellensitzungen sowie die Beschlussfassung während der Corona-Pandemie mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen können, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Letzteres dient dem Datenschutz und konkretisiert zugleich den „elementaren Verfahrensgrundsatz“ (BAG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 –, BAGE 75, 261-266, Rn. 17), dass die Einigungsstelle einen Spruch in Abwesenheit der Betriebsparteien auf Grund nichtöffentlicher mündlicher Beratung. Dies entspricht dem Prinzip der Nichtöffentlichkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 4 BetrVG (Däubler/Klebe, NZA 2020, 545, 548; ErfK/Kania, 21. Aufl. 2021, § 129, Rn. 2). Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz würde den Spruch der Einigungsstelle unwirksam machen (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 –, BAGE 75, 261-266, Rn. 17; Fitting, 30. Aufl. 2020, § 76 BetrVG, Rn. 74).

b) Die heutigen marktgängigen Konferenzsysteme bieten durchweg die Möglichkeit einer hinreichend sicheren und verschlüsselten Kommunikation (Althoff/Sommer, ArbRAktuell 2020, 250, 252). Auch C W gehört zu den hinreichend sicheren Konferenzsystemen, wie sie der Gesetzgeber bei der Einführung des § 129 BetrVG vor Augen hatte. So heißt es in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass die Regelung „für einen begrenzten Zeitraum, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen wie Webex Meetings oder Skype“ ermöglichen soll (BT-Drs. 19/18753, S. 28). Mit dieser Einschätzung steht der Bundesgesetzgeber nicht allein. Auch der Landesbetrieb IT.NRW, der für die IT-Infrastruktur der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung zuständig ist, stellt den Behörden C W zur Durchführung von Online-Konferenzen und Gerichtsverhandlungen zur Verfügung. Eine mutwillige, heimliche und damit unzulässige Aufzeichnung durch Teilnehmer mag zwar technisch nicht ausgeschlossen sein. Dies wäre jedoch kein taugliches Kriterium, um im Einigungsstellenverfahren die Zulässigkeit einer Videokonferenz verneinen zu können. Denn eine technische Aufzeichnung wäre mit Smartphones und Tablets auch bei Präsenzsitzungen nicht ausgeschlossen (Althoff/Sommer, ArbRAktuell 2020, 250, 252).

c) Dass das Videokonferenzsystem C W nach Darlegung der Arbeitgeberin personenbezogene (Daten) ein Land außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums wie die U übermittelt, schloss seine Nutzung für die Einigungsstelle nicht aus.

aa) Eine Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer ist gemäß Art. 44 Satz 1 DSGVO nur zulässig, wenn der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter die Bestimmungen der DSGVO einhalten. Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 DSGVO darf eine Übermittlung personenbezogener Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation vorgenommen werden, wenn die Kommission beschlossen hat, dass das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau bietet. Mit Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1250 (ABl. L 207 vom 01.08.2016, S. 1-112) hatte die Kommission festgestellt, dass die USA mit der EU-US-Datenschutzvereinbarung (Privacy Shield) ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten gewährleisten. Der Europäische Gerichtshof hat diesen Durchführungsbeschluss zwar für unwirksam erklärt (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 – C-311/18 –, NJW 2020, 2613 – Schrems II). Jedoch darf ein Verantwortlicher oder ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten an ein Drittland gemäß Art. 46 DSGVO auch dann übermitteln, wenn er geeignete Garantien vorgesehen hat und den betroffenen Personen durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. So können die von der Kommission gemäß Art. 46 Abs. 2 Buchst. c DSGVO erlassenen Standarddatenschutzklauseln grundsätzlich weiterhin genutzt werden. C beruft sich insoweit auch darauf, dass die C Datenschutz-Rahmenvereinbarung („Master Data Protection Agreement - MDPA“) schon vor der Schrems-II-Entscheidung die EU-Standarddatenschutzklauseln enthalten habe (https://konferenzen.t .de/fileadmin/Redaktion/conference/c -W /C -Datenschutz-Statement.pdf).

bb) Ob dies ausreicht, um die Anforderungen der DSGVO zu erfüllen, kann hier aber dahin stehen, da die Nutzung des Videokonferenzsystems C W jedenfalls keinen Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze darstellt, die zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenbeschlusses führen könnte. Denn der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung in § 129 BetrVG Rechtssicherheit schaffen wollen. An die notwendige Sicherstellung der Nichtöffentlichkeit dürfen daher keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Solange für den Geschäftsverkehr gängige Konferenzsysteme verwandt werden, die über eine Verschlüsselung nach dem Stand der Technik verfügen, wie dies bei Cisco Webex im Mai 2020 der Fall war, sind keine zusätzlichen technischen Sicherungsmaßnahmen erforderlich (ErfK/Kania, 21. Aufl. 2021, § 129, Rn. 2).

d) Im Übrigen hatte die Einigungsstelle hinreichend sichergestellt, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Nach der unwidersprochenen Darlegung des Betriebsrats hatten sich die Sitzungsteilnehmer mit ihrem Namen oder den ihnen zugeordneten Zugangsdaten angemeldet, wobei das Konferenzsystem ständig eine Liste der teilnehmenden Person angezeigt hatte. Die Mitglieder der Einigungsstelle waren belehrt worden, dass sie mitzuteilen hätten, wenn eine andere Person den Raum betrete, indem sie sich befänden. Jeder Teilnehmer hatte zudem auf Nachfrage bestätigt, dass er sich allein in einem geschlossenen Raum befinde. Die Einigungsstelle ist damit den in der Literatur aufgeführten Empfehlungen gefolgt (etwa Däubler/Klebe, NZA 2020, 545, 548 f.).


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BGH: Anhörungsrüge gegen einen eine Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss unzulässig

BGH
Beschluss vom 16.02.2021
VI ZR 354/19
ZPO § 321a


Der BGH hat entschieden, dass eine Anhörungsrüge gegen einen eine Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss unzulässig ist.

Leitsatz des BGH:
Eine Anhörungsrüge gegen einen eine Anhörungsrüge als unzulässig verwerfenden Beschluss ist nicht zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2017 - IV ZR 391/16 Rn. 2, juris, mwN).

BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 - VI ZR 354/19 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

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BGH: Beschlüsse die der Rechtsbeschwerde unterliegen sind aufzuheben wenn sie nicht den maßgeblichen Sachverhalt, Streitgegenstand und Anträge erkennen lassen

BGH
Beschluss vom 19.01.2021
VI ZB 41/20
ZPO § 3, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt., § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6


Der BGH hat entschieden, dass Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, aufzuheben sind, wenn sie nicht den maßgeblichen Sachverhalt, den Streitgegenstand und die Anträge erkennen lassen.

Leitsatz des BGH:

Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Anderenfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangels aufzuheben.

BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZB 41/20 - OLG Dresden - LG Görlitz

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OLG Frankfurt: Beschluss mit vollstreckbarem Inhalt ist mit seinem Erlass und nicht erst aufgrund richterlicher Anordnung vollstreckbar

OLG Frankfurt
Beschluss vom 05.10.2020
26 W 22/20


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Beschluss mit vollstreckbarem Inhalt mit seinem Erlass und nicht erst aufgrund richterlicher Anordnung vollstreckbar ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch der Einwand der Antragstellerin, der die Kostengrundentscheidung enthaltene Beschluss des Landgerichts vom 23. Dezember 2019 sei nicht gemäß § 708 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden, ist nicht stichhaltig. Auf Beschlüsse findet § 708 ZPO bereits nach seinem Wortlaut keine Anwendung (s. Kindl, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 8. Aufl. 2019, § 708, Rdnr. 1). Dies ist auch in systematischer Hinsicht stimmig, da die Vollstreckbarkeit von Beschlüssen grundsätzlich in § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geregelt ist (vgl. Kindl, in: Saenger (Hrsg.), ZPO, 8. Aufl. 2019, § 708, Rdnr. 1). Soweit ein Beschluss einen vollstreckbaren Inhalt hat, ist er grundsätzlich mit seinem Erlass kraft Gesetzes und nicht erst aufgrund richterlicher Anordnung vollstreckbar (s. etwa Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 12. Aufl. 2015, Kapitel B, Rdnr. 65). Eine gegen einen Beschluss eingelegte Beschwerde hindert die Vollstreckung nur, wenn ihr ausdrücklich aufschiebende Wirkung beigelegt ist (§ 570 Abs. 1 ZPO) oder die Aussetzung der Vollziehung angeordnet wurde (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.11.2005 - IX ZR 179/04 -, NJW 2006, 443, 445; Geimer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 794, Rdnr. 21). Dies bedeutet, dass im Streitfall der Beschluss des Landgerichts vom 23. Dezember 2019 ohne Weiteres vollstreckbar war und ist.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin stand dem Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses auch nicht entgegen, dass die diesem zugrundeliegende Entscheidung des Landgerichts Marburg vom 23. Dezember 2019 noch nicht rechtskräftig ist. Der Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses setzt nämlich die Rechtskraft der Kostengrundentscheidung nicht voraus (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 27.10.2009 - 17 W 291/09 -, MDR 2010, 104; Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, 38. Edition, Stand: 01.09.2020, § 103, Rdnr. 3).

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OLG Düsseldorf: Pflicht zu Anhörung des Antragsgegners vor Erlass einer einstweiligen Verfügung wenn vorprozessual keine Abmahnung erfolgt ist

OLG Düsseldorf
Urteil vom 27.02.2019
15 U 45/18


Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass eine Pflicht zu Anhörung des Antragsgegners vor Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht, wenn vorprozessual keine Abmahnung durch den Antragsteller erfolgt ist

Aus den Entscheidungsgründen:

"Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist die einstweilige Verfügung nicht etwa deshalb insgesamt aufzuheben, weil das Landgericht ohne Anhörung der Verfügungsbeklagten - die unstreitig zuvor auch nicht abgemahnt worden war - eine Beschlussverfügung erlassen und damit deren grundrechtsgleiches Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 3 GG verletzt hat.

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (GRUR 2018, 1288 - Die F.-Tonbänder; vgl. GRUR 2018, 1291 - Steuersparmodell eines Fernsehmoderators) ergibt sich aus dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, dass ein Gericht (auch) im Presse- und Äußerungsrecht der Gegenseite vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag einer Partei im Zivilrechtsstreit Recht auf Gehör gewähren muss: Von der Erforderlichkeit einer Überraschung oder Überrumpelung des Gegners kann bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Presse- und Äußerungsrecht jedenfalls nicht als Regel ausgegangen werden. Auch wenn insoweit häufig eine Eilbedürftigkeit anzuerkennen ist, folgt hieraus kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als solche dem Schuldner verborgen bleibe. Jedenfalls in den Fällen, in denen es um eine bereits veröffentlichte Äußerung geht, besteht regelmäßig kein Grund, von einer Anhörung und Äußerungsmöglichkeit eines Antragsgegners vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung abzusehen. Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über einen Verfügungsantrag grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern. Dabei kann nach Art und Zeitpunkt der Gehörsgewährung differenziert und auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden. Dabei ist auch die Möglichkeit einzubeziehen, es der Gegenseite vorprozessual zu erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann - unter bestimmten Voraussetzungen - auch auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Von alledem zu unterscheiden ist die Frage, wann über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 937 Abs. 2 ZPO).

10
Vorstehende Grundsätze sind auf das Verfahrensrecht des unlauteren Wettbewerbs zu übertragen (vgl. Schlüter, in: GRUR-Prax 2018, 530). Die prozessuale Situation, für die das Bundesverfassungsgericht die vorgenannten Kriterien entwickelt hat, unterscheidet sich nicht von der vorliegenden. Auch im Wettbewerbsprozess darf das Gericht den Antragsgegner regelmäßig nur dann auf eine nachträgliche Anhörung verweisen, wenn im Einzelfall ansonsten der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verhindert würde. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - auf der Basis des Lauterkeitsrechts die Unterlassung von Äußerungen in einer bereits veröffentlichten Pressemitteilung geltend gemacht wird.

b)

Demnach hätte das Landgericht mangels einer vorprozessual erfolgten Abmahnung der Verfügungsbeklagten dieser vor dem Erlass der Beschlussverfügung zunächst rechtliches Gehör gewähren müssen. Irgendwelche Gründe, die einer selbst kurzfristigen Möglichkeit zur Stellungnahme der Verfügungsbeklagten entgegenstanden, sind von der Verfügungsklägerin (auch in der Berufungsinstanz) nicht aufgezeigt worden. Solche sind in Anbetracht der Tatsache, dass die streitgegenständliche Pressemitteilung im Zeitpunkt der Einreichung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung schon veröffentlicht war, auch nicht im Ansatz zu erkennen. Dass die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlussverfügung noch nicht ergangen waren, ist für die rechtliche Beurteilung belanglos.

c)

Aus alledem folgt allerdings nicht, dass der Verstoß des Landgerichts gegen das rechtliche Gehör bei Erlass der Beschlussverfügung einen unheilbaren Verfahrensfehler begründete, der per se zur Aufhebung der Beschlussverfügung oder gar des - nach erfolgtem Widerspruch der Verfügungsbeklagten - auf eine mündliche Verhandlung hin ergangenen Urteils des Landgerichts führt.

aa)

Da das Landgericht die einstweilige Verfügung unter Berücksichtigung des gesamten (erstinstanzlichen) Sach- und Rechtsvortrages der Verfügungsbeklagten bestätigt hat, ist der ursprüngliche Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör noch vom Landgericht selbst geheilt worden:

Nachdem die Verfügungsbeklagte die Beschlussverfügung gem. §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO nämlich mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs angegriffen hatte, erhielt die Verfügungsbeklagte schon erstinstanzlich Gelegenheit, in den vorbereitenden Schriftsätzen und in dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch (§ 924 Abs. 2 S. 2 ZPO) ihre sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Argumente vorzubringen. Über die Rechtmäßigkeit des Widerspruchs der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht alsdann durch Endurteil entschieden und mit diesem die Beschlussverfügung bestätigt (§ 925 ZPO). Dieses die einstweilige Verfügung bestätigende Endurteil des Landgerichts ist als solches - was auch die Verfügungsbeklagte nicht bezweifelt - folglich unter Wahrung ihres rechtlichen Gehörs ergangen. Insoweit ist zu beachten, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer einstweiligen Verfügung stets ohne jedwede Bindung an die vorhergehende Entscheidung erfolgt und sich nicht etwa in der Klärung der Frage erschöpft, ob diese seinerzeit zu Recht erlassen worden war. Das Gericht hat auf den Widerspruch hin vielmehr zu prüfen, ob im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch sämtliche Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben sind (BFH NJW 2004, 2183; OLG Köln WRP 1994, 50; MünchKommZPO/Drescher, 5. A., 2016, § 925 Rn 3 ff; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. A., § 925 Rn 5).

Vorstehende Grundsätze hat das Landgericht beachtet und der Verfügungsbeklagten folglich nachträglich rechtliches Gehör in vollem Umfang gewährt, so dass jedenfalls das in der Berufungsinstanz allein verfahrensgegenständliche Endurteil nicht auf einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs beruht.

bb)

Ebenso belegt die Vorschrift des § 321a ZPO, dass Gehörsverstöße durch den iudex a quo selbst heilbar sind. Zwar handelt es sich hierbei um einen Rechtsbehelf eigener Art, mit dem Gehörsverletzungen in anderweitig nicht anfechtbaren Entscheidungen geltend gemacht werden können. Jedoch manifestiert sich darin der allgemeine Grundsatz der Heilbarkeit von Gehörsverletzungen durch die Fachgerichte.

cc)

Davon abgesehen kann die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des Landgerichts nur darauf gestützt werden, dass gerade diese Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Hingegen ist - analog zur Situation im Widerspruchsverfahren - in der Berufungsinstanz nicht etwa „isoliert“ zu prüfen, ob die durch das Endurteil bestätigte Beschlussverfügung für sich betrachtet seinerzeit rechtmäßig (insbesondere verfahrensfehlerfrei) ergangen war. Soweit die Verfügungsbeklagte ihr Rechtsmittel unter Hinweis auf den aufgezeigten Verstoß gegen das rechtliche Gehör bei Erlass der Beschlussverfügung gründet, fehlt es an dem erforderlichen „Beruhen“ der angefochtenen Entscheidung auf diesem - ursprünglichen - Verfahrensfehler. Eine Rechtsverletzung muss - wie sich auch § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO entnehmen lässt - indes kausal für das Entscheidungsergebnis sein, um der Berufung zum Erfolg verhelfen zu können. Bei einer Verletzung prozessrechtlicher Maßstabsnormen kommt es insoweit darauf an, ob die Entscheidung ohne die Rechtsverletzung für den Berufungskläger günstiger ausgefallen wäre (MünchKommZPO/Rimmelspacher, 5. A., 2016, § 513 Rn 12).

Wie sich überdies aus § 538 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO ergibt, berechtigt allein der Umstand, dass ein erstinstanzliches Urteil an einem wesentlichen Verfahrensfehler - zu denen anerkanntermaßen auch Gehörsverstöße zählen (statt aller: BGH WM 2013, 1210) - leidet, als solcher nicht schon zu einer Abänderung oder gar Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, nur dann unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn zusätzlich eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Zudem setzt eine Aufhebung / Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO voraus, dass eine weitere Verhandlung der Sache vor dem erstinstanzlichen Gericht erforderlich ist. Eine solche Erforderlichkeit liegt u.a. dann nicht vor, wenn der Rechtsstreit keiner weiteren Sachaufklärung bedarf oder er unschwer in zweiter Instanz zur Entscheidungsreife gebracht werden kann. Auch Gehörsverstöße können immer nur dann zur Abänderung oder gar Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung führen, wenn selbige auf diesem Mangel beruht (s. auch § 513 ZPO). Die Rechtsverletzung muss mithin kausal für das Entscheidungsergebnis sein. Bei einer Verletzung materiell- oder prozessrechtlicher Maßstabsnormen kommt es insoweit darauf an, ob die Entscheidung ohne die Rechtsverletzung für den Berufungskläger günstiger ausgefallen wäre; das Berufungsgericht muss also (soweit nicht ausnahmsweise eine Zurückverweisung in Betracht kommt) das Verfahren stets selbst fehlerfrei wiederholen (MünchKomm ZPO/Rimmelspacher, 5. A., § 513 Rn 12). Folglich sind Gehörsverstöße jedenfalls durch Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht heilbar.

dd)

All dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Auffassung des Senats zu einer mit der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbaren „Perpetuierung“ des Gehörsverstoßes im Rahmen der Beschlussverfügung führe.

Zunächst ist festzuhalten, dass auch gemäß ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gehörsverstöße durch nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs heilbar sind (vgl. BVerfGE 96, 27; 104, 220). Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit betraut zunächst die Fachgerichte mit der Korrektur bereits verwirklichter Grundrechtseingriffe. Dies gilt insbesondere für die Durchführung der mündlichen Verhandlung, die auf den Widerspruch gemäß § 924 Abs. 2 S. 2 ZPO zwingend zu erfolgen hat (BVerfGE BeckRS 2017, 123654).

Die von der Verfügungsbeklagten gesehene Gefahr, die Auffassung des Senats könne dazu führen, dass die Erstgerichte mangels zu befürchtender Sanktionen weiterhin Beschlussverfügungen ohne die notwendige Beteiligung des Antragsgegners erlassen könnten, besteht nicht. Denn gerade im Falle eines bewussten und systematischen Übergehens prozessualer Rechte, das die Fachgerichte im Vertrauen daraufhin praktizieren, dass diese Rechtsverletzungen angesichts später eröffneter Verteidigungsmöglichkeiten folgenlos blieben und deshalb nicht geltend gemacht werden könnten, ist dem Antragsgegner unmittelbar der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlussverfügung eröffnet (BVerfG GRUR 2018, 1291 Rn 23 - Steuersparmodell eines Fernsehmoderators). Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten, dass die Erstgerichte ihre frühere Praxis fortsetzen, sondern Beschlussverfügungen ohne Anhörung des Antragsgegners zukünftig die absolute Ausnahme bilden werden.
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BGH: Übereinstimmende Erledigung der Hauptsache kann noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde erklärt werden

BGH
Beschluss vom 15.12.2017
I ZR 258/14Aquaflam
UMV Art. 55 Abs. 2; ZPO § 91a Abs. 1, § 544


Der BGH hat entschieden, dass eine übereinstimmende Erledigung der Hauptsache noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde erklärt werden kann.

Leitsätze des BGH:

a) Erklärt der Kläger in einem durch den Beklagten eingeleiteten Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und stimmt der Beklagte der Erledigungserklärung nicht zu, ist zunächst zu prüfen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig und begründet gewesen wäre. Erst wenn diese Frage vom Revisionsgericht bejaht wird, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob die Klageforderung bis zum erledigenden Ereignis bestanden hat, die Revision also zurückzuweisen gewesen wäre. Ergibt die Prüfung auf der ersten Stufe, dass kein Zulassungsgrund vorliegt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen. Auf die Frage der Erledigung der Hauptsache kommt es in diesem Fall nicht mehr an.

b) Die (übereinstimmende) Erledigung der Hauptsache kann noch in der Rechtsmittelinstanz, auch noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde, erklärt werden. Bei der gemäß § 91a ZPO vorzunehmenden Ermessensentscheidung ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und gegebenenfalls des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen. Eine für den Kläger günstige Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Tatsacheninstanzen kommt nur in Betracht, wenn nach dem Sach- und Streitstand bei Eintritt des erledigenden Ereignisses seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Erfolg gehabt und die Durchführung der Revision zu einer Verurteilung der Beklagten geführt hätte. Hätte dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg gehabt, weil kein Zulassungsgrund vorliegt, sind dem Beschwerdeführer gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen; auf die Erfolgsaussichten der Revision kommt es dann nicht mehr an.

BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - I ZR 258/14 - OLG Nürnberg - LG Nürnberg-Fürth

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OLG Koblenz: Zustellung einer beglaubigten Abschrift einer einfachen Abschrift genügt nicht zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung

OLG Koblenz
Beschluss vom 04.05.2017
9 W 650/16


Das OLG Koblenz hat entschieden, dass zur wirksamen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung eine Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift der Verfügung im Parteibetrieb zugestellt werden muss. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift einer einfachen Abschrift der Verfügung genügt nicht.

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BGH: Gericht kann in Zivilsachen nicht beteiligten Dritten anonymisierte Abschriften von Urteilen auch ohne rechtliches Interesse nach § 299 Abs. 2 ZPO zusenden

BGH
Beschluss vom 05.04.2017
IV AR(VZ) 2/16
ZPO § 299 Abs. 2


Der BGH hat entschieden, dass ein Gericht in Zivilsachen nicht beteiligten Dritten anonymisierte Abschriften von Urteilen auch ohne rechtliches Interesse nach § 299 Abs. 2 ZPO zusenden darf.

Leitsatz des BGH:

In Zivilsachen kann der Gerichtsvorstand am Verfahren nicht beteiligten Dritten regelmäßig anonymisierte Abschriften von Urteilen und Beschlüssen erteilen, ohne dass dies den Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO unterliegt.

BGH, Beschluss vom 5. April 2017 - IV AR(VZ) 2/16 - OLG Frankfurt am Main

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KG Berlin: Fristverlängerung für Beschwerdebegründung kann Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren widerlegen

KG Berlin
Beschluss vom 20.09.2016
5 W 147/16


Das KG Berlin hat entschieden, dass eine Antrag auf Fristverlängerung für die Beschwerdebegründung im einstweiligen Verfügungsverfahren die Dringlichkeitsvermutung wiederlegen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortlaufend drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert, hat damit zu erkennen gegeben, dass die Sache für ihn nicht so eilig ist. Dann lässt sich die Dringlichkeit nicht mehr vermuten (Hess in: Ullmann, juris BK-UWG, 4. Auflage, § 12 Rn. 122 mwN). Die aus § 12 Abs. 2 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung kann dabei nicht nur durch zögerliche Verfahrenseinleitung, sondern auch dann widerlegt sein, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch ein späteres Verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (Senat, KGR Berlin 2008, 551 f; Hess, aaO, § 12 Rn. 121 ff mwN). Eines Verfügungsanspruchs kann sich etwa begeben, wer die beim Eingangsgericht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung seines Eilantrags nicht begründet, sondern dort mitteilt, eine Beschwerdebegründung erst nach der erstinstanzlichen Nichtabhilfe beim Beschwerdegericht einreichen zu wollen (Senat, aaO; Hess, aaO, § 12 Rn. 134).

[...]

Vorliegend hat die Antragstellerin mit ihrer am letzten Tag der Beschwerdefrist versendeten sofortigen Beschwerde beantragt, die Frist zur Begründung der Beschwerde um 15 Tage zu verlängern. Die Beschwerdebegründung ist dann am letzten Tag dieser Frist bei Gericht eingegangen. Dieses Verhalten führt vorliegend zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung.

a)

Nach § 571 Abs. 1 ZPO "soll" die Beschwerde begründet werden. Das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel - angesichts der vorangegangenen ablehnende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts - eine Beschwerdebegründung voraus. Auch wenn es eine gesetzliche Frist zur Begründung der Beschwerde nicht gibt, führt ein Gesuch um ein Nachreichen einer Beschwerdebegründung regelmäßig - nicht zuletzt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs - zu einer Verzögerung der Abhilfeentscheidung des Landgerichts und damit der Befassung der nächsten Instanz mit der Sache. Angesichts einer Beschwerdefrist von 14 Tagen ist eine weitere Verzögerung - wie vorliegend - um 15 Tage erheblich (jedenfalls, wenn schon die Beschwerdefrist vollständig ausgenutzt worden ist).

b)


Ein hinreichender Anlass für die zeitliche Verzögerung hat nicht bestanden.

aa)


Auch die Antragstellerin macht nicht geltend, die krankheitsbedingten Einschränkungen in der Belastbarkeit ihres Verfahrensbevollmächtigten seien völlig überraschend eingetreten. Im Übrigen verblieb ihrem Verfahrensbevollmächtigten eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 14 Stunden.

Die krankheitsbedingten Personalengpässe mögen zwar die Arbeitsbelastung ihres Verfahrensbevollmächtigten erhöht haben. Die Antragstellerin trägt aber nicht konkret vor, ihr Verfahrensbevollmächtigter sei durch zeitlich vorrangige oder jedenfalls zeitlich gleichrangige dringliche Angelegenheiten an der Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens innerhalb der Beschwerdefrist gehindert gewesen.

bb)

13
Die nachgereichte Beschwerdebegründung umfasst nur sieben Seiten und sie wiederholt im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag zur fehlenden Widerlegung der Dringlichkeit (im Zusammenhang mit der Kenntnis vom Testlauf im November 2015) sowie zur wettbewerblichen Eigenart ihres Gesundheitstickets. Auch unter Berücksichtigung der größeren Arbeitsbelastung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, dass dieser Vortrag nicht - unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der vorliegenden Eilsache und unter Zurückstellung weniger dringlicher (etwa einer Fristverlängerung ohne weiteres zugänglicher) Sachen - innerhalb der Beschwerdefrist gehalten werden konnte.

c)

In einer Gesamtbetrachtung können zwar verschiedene einzelne - für sich nicht erhebliche - Verzögerungen insgesamt zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung führen. Ein vorangegangenes, an sich selbstverständlich verzögerungsfreies Vorgehen eines Antragstellers kann aber eine spätere erhebliche Verzögerung nicht rechtfertigen, auch nicht in einer Gesamtbetrachtung. Denn eine solche spätere Verzögerung legt - wie erörtert - die Annahme nahe, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Sache für den Antragsteller nicht mehr eilig ist.

hier:

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BGH: Zum Prüfungsumfang bei übereinstimmender Erledigungserklärung bei einer Unterlassungsklage nach einer Gesetzesänderung

BGH
Beschluss vom 20.01.2016
I ZB 102/14
Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung
ZPO § 91a Abs. 1


Leitsatz des BGH:
Wenn die Parteien bei einer Unterlassungsklage die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Gericht bei der gemäß § 91a Abs. 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung grundsätzlich keinen Anlass zu prüfen, ob die Erledigungserklärung des Gläubigers auch auf die Vergangenheit bezogen war, wenn die Parteien keine gegenteiligen Anträge stellen.

BGH, Beschluss vom 20. Januar 2016 - I ZB 102/14 - OLG München - LG München I

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BGH: Wird Berufung über erstinstanzlichen Streitgegenstand einstimmig zurückgewiesen so verliert im Berufungsverfahren erfolgte Klageerweiterung ihre Wirkung

BGH
Beschluss vom 06.11.2014
IX ZR 204/13
ZPO § 522 Abs. 2, § 533

Leitsatz des BGH:


Wird die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen, verliert eine im Berufungsverfahren verfolgte Klageerweiterung entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.

BGH, Beschluss vom 6. November 2014 - IX ZR 204/13 - OLG Köln - LG Köln

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BGH: Zurückweisung des Antrags Klageschrift in Domainstreitigkeit dem Admin-C bei im Ausland ansässigem Beklagten zuzustellen nicht mit sofortiger Beschwerde anfechtbar

BGH
Beschluss vom 06.11.2014
I ZB 48/13
ZPO § 567 Abs. 1

Leitsatz des BGH:

Die gerichtliche Zurückweisung des Antrags, die Klageschrift in einer Streitigkeit um einen Domainnamen dem im Inland wohnenden Admin-C der im Ausland ansässigen Beklagten zuzustellen, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - I ZB 48/13 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

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Störerhaftung und WLAN-Nutzung - Justizminister der Länder fordern Einschränkung der Störerhaftung

Auf der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 13. und 14. Juni 2012 in Wiesbaden haben die Justizminister der Länder in einem Beschluss gefordert, dass die Störerhaftung von Betreibern (offener) WLAN-Netze und mobiler Internetzugänge eingeschränkt werden soll.

Der Beschluss:

Rechtssicherheit für Inhaber von WLAN-Netzen und mobilen Internetzugängen
Berichterstatter: Hamburg

1. Die Zahl der WLAN-Internetzugänge und der mobilen Internetnutzung im privaten und öffentlichen Raum nimmt zu. Die Justizministerinnen und Justizminister sind sich darüber einig, dass die Haftung des Anschlussinhabers für die von ihm freigegebenen Nutzungen klarer und rechtssicher geregelt werden muss. Damit würde zugleich ein Beitrag gegen den Abmahnmissbrauch geleistet werden.

2. Ziel muss es sein, verlässliche und berechenbare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es erlauben, das erhebliche soziale, kulturelle und wirtschaftliche Potenzial des mobilen Internets auszuschöpfen. Dabei muss anerkannt werden, dass die Rechte und Rechtsverfolgungsmöglichkeiten der Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums gewahrt werden.

3. Die Justizministerinnen und Justizminister halten es für erforderlich, die sog. „Störerhaftung“ für Inhaber von WLAN!Internetanschlüssen und mobilen Internetzugängen einer Überprüfung zu unterziehen. Sie bitten das Bundesministerium der Justiz, sich dieser Problematik an!zunehmen.