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OLG Frankfurt: Zur Zulässigkeit vergleichender Werbung mit Testergebnissen wenn sich die Bewertungsmaßstäbe geändert haben

OLG Frankfurt
Beschluss vom 22.04.2021
6 W 26/21


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit vergleichender Werbung mit Testergebnissen befasst, wenn sich die Bewertungsmaßstäbe geändert haben.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Im Hinblick auf den Antrag I. 1. a) („besser als“ ...) hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu Recht abgelehnt.

a) § 5 UWG

Eine Irreführung des Verkehrs über die Ergebnisse von Warentests im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist nicht zu erkennen. Die Emma-Matratze der Antragsgegnerin ist besser getestet als die Bodyguard-Matratze der Antragstellerin.

Die Emma-Matratze der Antragsgegnerin ist im Test 10/19 (AS 11) besser getestet werden als die Bodyguard-Matratze der Antragstellerin im Test 03/21 (AG 15). Soweit die Irreführung nach Auffassung der Antragstellerin darin besteht, dass die Antragsgegnerin die Behauptung „besser“ aufgestellt habe, obwohl die Bewertungskriterien der Test nicht vergleichbar seien und damit ein gänzlich anderes Testverfahren vorliege, kann dies eine Irreführung nicht begründen. Ein anderes Testverfahren hat die Stiftung Warentest nicht angewendet, sondern vielmehr die Bewertungskriterien geändert. Sie hat bei den Tests im Jahre 2015 und 2019 bei zweiseitigen Matratzen jeweils nur eine Seite getestet. Erstmals 2021 wurden bei zweiseitigen auch beide Seiten getestet. Durch das schlechte Testergebnis der zweiten Seite fiel die Bewertung der Matratze der Antragstellerin so herab, dass die Bewertung der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2019 jetzt besser war. Es lag also eine Veränderung des Bewertungsmaßstabes vor, auf den die Antragsgegnerin indes nicht hinweisen musste. Die Stiftung Wartentest hat sich im neuen Test entschieden, bei beidseitigen Matratzen auch beide Seiten zu testen und zu bewerten. Hieran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat, warum die fehlende Information hierüber den Verkehr in die Irre führen soll. Die (bessere) Note der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2019 wurde nämlich durch das neue Bewertungsverfahren im Jahr 2021 nicht verändert, da einseitige Matratzen naturgemäß auch weiterhin nur auf einer Seite getestet werden. Die Stiftung Warentest hat im Übrigen auch selbst ausgeführt, dass die Testergebnisse aus dem alten Test vergleichbar sind.

Soweit die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin müsse zur Vermeidung einer Irrführung auch mitteilen, dass die schlechtere Bewertung „nur“ durch die schlecht bewertete zweite Seite erfolgt sei, während die andere Seite „besser“ bewertet worden sei, vermag der Senat dies nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin kann mit dem Testergebnis werben, ohne Teilergebnisse mitteilen zu müssen. Zwar kommt eine Unlauterkeit in Betracht, wenn mit Teilergebnisse geworben wird, ohne das Gesamtergebnis darzustellen (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2019, 316). Bei der Werbung mit Gesamtergebnissen von Warentests ist der Werbende jedoch grundsätzlich nicht gehalten, auch Teilergebnisse mitzuteilen bzw. von der Werbung abzusehen, wenn Teilergebnisse gegenüber dem Wettbewerber zu einem anderen Ergebnis führen. Dies gilt erst recht, wenn die Stiftung Warentest - wie hier - gerade keine Teilnote für eine Liegeseite vergeben hat, sondern die fiktive Teilnote erst das Ergebnis eines umfangreichen Rechenprozesses der Antragstellerin ist, den der Verkehr naturgemäß nicht vornimmt. Anders formuliert: Stiftung Warentest hatte die Bewertung zwar geändert; auch danach wäre die Matratze der Antragsgegnerin jedoch besser gewesen als die die Antragstellerin, weil auch nach der neuen Testbewertung die schlechte Rückseite der Matratze zu einer Abwertung geführt hätte. Soweit die Antragstellerin meint, der Verkehr müsse darüber informiert werden, dass nach der alten Testbewertung die Matratze der Antragstellerin besser war, erschließt sich dies dem Senat nicht. Der Verkehr hat Interesse an aktuellen Tests, nicht am Archiv der Stiftung Warentest. Im Übrigen hat die Stiftung Warentest im Test 03/21 selbst auf das Testergebnis 10/19 der Matratze der Antragsgegnerin Bezug genommen und ausführt: „In der aktuellen Prüfung würden die Ergebnisse weitgehend vergleichbar ausfallen“ (Anlage AS 15, s. 4).

b) § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG

Die Aussage der Antragsgegnerin stellt auch keine unzulässige vergleichende Werbung nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 UWG dar.

(1) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die vergleichende Werbung nicht etwa schon deshalb unzulässig, weil es sich bei der Formulierung „besser als ...“ um eine eigene Meinungsäußerung der Antragsgegnerin handelte.

Der Vergleich muss Tatsachenbehauptungen und darf nicht bloße Werturteile zum Inhalt haben (BGH GRUR 2010, 161 Rn 28 - Gib mal Zeitung). Daher sind rein subjektive Werturteile nicht nachprüfbar und somit unlauter. Bei der Abgrenzung ist allerdings zu beachten, dass auch Werturteile einen nachprüfbaren Tatsachenkern haben können (BGH GRUR 1999, 69, 71 - Preisvergleichsliste II; BGH GRUR 2005, 172, 175 - Stresstest; BGH GRUR 2010, 161 Rn 28 - Gib mal Zeitung). So verhält es sich hier. Die Formulierung „besser als...“ stellt keine subjektive Beurteilung dar, sondern enthält den Tatsachenkern, dass die Matratze der Antragsgegnerin im Test besser abgeschnitten hat als die Matratze der Antragstellerin. Durch den Hinweis „Der neue Test in Heft 03/2021 bestätigt das“ und das eingeblendete „Testsieger“-Logo wird dieser Tatschenkern deutlich hervorgehoben.

(2) Soweit die Antragstellerin rügt, es fehle an einem objektiven Vergleich im Sinn des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da Testnoten aus nicht vergleichbaren Tests miteinander verglichen würden, teilt der Senat aus den oben dargelegten Gründen dieser Auffassung nicht.

Es kann dahinstehen, ob eine unzulässige vergleichende Werbung dann vorliegen würde, wenn der Testbericht der Stiftung Warentest nicht den dafür geltenden Grundsätzen entsprechen würde, da der Verbraucher davon ausgeht, dass sich um einen ordnungsgemäß durchgeführten Test handelt (so Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 6 Rn 210); dies ist nämlich nicht der Fall.

Der Veranstalter eines Warentests hat einen weiten Ermessensspielraum, wenn die Untersuchung neutral und sachkundig vorgenommen wird. Zudem muss sie objektiv sein, wobei nicht die objektive Richtigkeit eines gewonnenen Ergebnisses im Vordergrund steht, sondern das Bemühen um diese Richtigkeit (BGH GRUR 1976, 268 Rn 31 - Warentest II; BGH GRUR 1987, 468 Rn 13 - Warentest IV; BGH GRUR 1989, 539 Rn 11 - Warentest V; BGH GRUR 1997, 942 Rn 10 - Druckertest). Sind diese Anforderungen erfüllt, hat der Testveranstalter einen erheblichen Spielraum bei der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und bei der Darstellung der Untersuchungsergebnisse, wie dies dem Einfluss des Rechts der freien Meinungsäußerung auf die rechtliche Beurteilung einer nachteiligen Äußerung im Wertungsbereich entspricht (BGH GRUR 1976, 268 Rn 32 - Warentest II). Die Grenze der Unzulässigkeit ist erst dann überschritten, wo es sich um bewusste Fehlurteile und bewusste Verzerrungen, insbesondere auch unrichtige Angaben und einseitige Auswahl der zum Vergleich gestellten Waren und Leistungen handelt, aber auch dort, wo die Art des Vorgehens bei der Prüfung und die sich aus den durchgeführten Untersuchungen gezogenen Schlüsse als sachlich nicht mehr vertretbar („diskutabel“) erscheinen (BGH GRUR 1976, 268 Rn 32 - Warentest II). Eine weitere Grenze des Testveranstalters besteht bei objektivierbaren Aussagen zu einzelnen Merkmalen der getesteten Produkte (BGH GRUR 1989, 539 Rn 12 - Warentest V).

Diese Grenzen sind hier nicht überschritten. Insbesondere die Entscheidung, bei Duo-Matratzen beide Seiten zu bewerten, stellt sich als vertretbar dar. Die Antragstellerin bietet die Matratze als auf beiden Seiten benutzbar an, wobei hier unterschiedliche Härtegrade vorhanden sind. Es liegt auf der Hand, dass diese - Mehrkosten in Entwicklung und Produktion auslösende - Ausstattung der Matratze als Verkaufsargument gewählt wurde. So liegt ein erkennbarer Vorteil für den Verkehr darin, dass er über den für ihn passenden Härtegrad einer Matratze oft im Unklaren ist und somit die Möglichkeit, durch den Kauf nur einer Matratze zwei Härtegrade auszuprobieren, als wesentliches Verkaufsargument gesehen werden kann. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entscheidung der Stiftung Wartentest, dann auch beide Seiten mit einer Gesamtnote - ohne Einzelnoten - zu bewerten, als sachlich vertretbar dar. Auch die vorgenommene Abwertung ist als vertretbar anzusehen. Sie dient dazu, für den Verkehr wesentliche Kategorien stärker in das Gesamtergebnis einzubeziehen.

(3) Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, der Test habe nur die Größe 90 x 200 umfasst, während die Werbung sich auf die Matratzen in allen Größen beziehe, übersieht sie, dass im deutlich hervorgehobenen Testsiegel dargestellt ist, dass die Matratzen in der Größe 90 x 200 cm getestet wurden. Dies ist ausreichend. Eine Darstellung in der kurzen, naturgemäß verkürzten Überschrift ist nicht erforderlich.

(4) Soweit die Antragstellerin eine fehlende Vergleichbarkeit moniert, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt dem Vergleich nicht deshalb die Objektivität, weil Noten der Stiftung Warentest aus verschiedenen Tests mit grundlegend verschiedenen Bewertungssystemen verglichen würden. Zwar ist es zutreffend, dass die Stiftung Warentest in früheren Tests auch bei Wendematratzen/Duo-Matratzen - so auch bei der Bodyguard-Matratze - stets nur eine Liegeseite getestet und bewertet, im Test aus März 2021 erstmals bei Duo-Matratzen beide Seiten getestet, diese jeweils mit Rubriknoten versehen und aus diesen eine Gesamtbewertung der Matratzen insgesamt gebildet hat. Ebenso weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass die Testergebnisse der schlechteren Seite der Bodyguard-Matratze dazu geführt haben, dass die Gesamtbewertung der Matratze unterhalb der Testergebnisse der besseren Seite der Matratze der Antragstellerin liegt, da die Stiftung Warentest keine eigene Gesamtnote für jede der beiden Seiten, sondern nur eine Gesamtnote aus den Ergebnissen beider Liegeflächen vergeben hat. Dies hat die Antragstellerin jedoch hinzunehmen. Es obliegt allein der Stiftung Warentest, wie sie Tests organisiert und durchgeführt, welche Punkte sie in diese Tests einbezieht und insbesondere auch nach welchen Kriterien sie diese Produkte testet. Auch entscheidet allein die Stiftung Warentest, ob sie ihre Testkriterien im Vergleich zu früheren Tests ändert. Es liegt daher im weiten Ermessen der Stiftung Warentest, ob sie bei Wendematratzen nur eine oder beide Liegeseiten testet, ob sie für jede Liegeseite jeweils eine Gesamtnote vergibt oder aus den Testergebnissen beider Seiten eine Gesamtnote der Matratze insgesamt - also unter Einbeziehung beider Liegeseiten - bildet. Aus diesem Grunde ist es der Antragstellerin von vornherein verwehrt, aus den einzelnen Rubriknoten eine der beiden Liegeseiten eine Einzelnote zu bilden und diese von ihr selbst gebildete Note dem Testergebnis der Stiftung Warentest gegenüberzustellen. Maßgeblich ist und bleibt das Qualitätsurteil der Stiftung Warentest, dass für die Bodyguard Matratze mit der Gesamtnote befriedigend ausgefallen ist, mithin wesentlich schlechter als im früheren Test der Stiftung Warentest.

2. Antrag I. 1. b) („jetzt nur noch Mittelmaß“)

Im Hinblick auf den Antrag zu I. 1. b) steht der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG zu

Hier suggeriert die Antragsgegnerin - im Gegensatz zur Formulierung oben - eine Abwertung der Matratze im Vergleich zum früheren Ergebnis. Durch die explizite Bezugnahme auf Tests seit 2015 führt die Antragsgegnerin aus, die Matratze sei jetzt „nur noch“ Mittelmaß. Das kann der angesprochene Verkehr nur so verstehen, dass es sich um dieselbe Matratze handelt - was zutrifft - und von der Stiftung Warentest die gleichen Bewertungskriterien angelegt wurden - was nicht zutrifft. Die Matratze der Antragstellerin ist nicht schlechter geworden; die Testkriterien haben sich nur so geändert, dass die identische Matratze nunmehr anders bewertet wird. Dies dem Verkehr nicht mitzuteilen führt zu einer Irreführung, wenn auf bisherige Test Bezug genommen wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: