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LG München: Wettbewerbswidrige Werbung für Bier Wunderbräu mit Münchner Adresse auf Bieretikett wenn Bier woanders gebraut wird

LG München
Urteil vom 08.12.2023
37 O 2041/23


Das LG München hat entschieden, dass die Werbung für das Bier Wunderbräu mit Münchner Adresse auf dem Bieretikett eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung ist, da das Bier woanders gebraut wird.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Klimaneutrales Bier?“
Die für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 37. Zivilkammer hat heute ein Handelsunternehmen für Getränke dazu verurteilt, es zu unterlassen, das von ihm vertriebene Bier als WUNDERBRAEU zu bezeichnen, wenn dies in Zusammenhang mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse geschieht, an welcher das Bier jedoch nicht gebraut wird. Dies stelle eine Herkunftstäuschung dar.

Zudem muss das beklagte Unternehmen in Zukunft die Bewerbung des Biers mit „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche unterlassen (Az. 37 O 2041/23). Die Bewertungsmaßstäbe, aufgrund derer diese Äußerungen getroffen würden, seien auf den Etiketten der Flaschen nicht hinreichend transparent offengelegt.

Die Beklagte hatte argumentiert, dass die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ für sich nicht irreführend sei. Zudem habe sie ihren Verwaltungssitz an der angegebenen Münchner Adresse und es sei gesetzlich vorgeschrieben, die Adresse auf der Flasche abzudrucken.

Dem folgte das Landgericht München I nicht. Die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ sei jedenfalls mit der auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Adresse einer für Brauereien bekannten Straße in München irreführend. Durch die fragliche Aufschrift werde ein Bezug des Produktes mit einer Anschrift in München hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte, sondern allein der Sitz des Handelsunternehmens sei. Zwar möge die Bezeichnung für sich gesehen auch für die Beklagte als Vertriebsunternehmen zulässig sein und die Angabe auch insgesamt den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Das ändere aber nichts daran, dass die Aufschrift im Zusammenhang den Eindruck erwecke, die angegebene Anschrift bezeichne den Herkunftsort des Produktes selbst. Dies sei unzulässig.

Eine Täuschung über die Herkunft des Bieres sei auch geeignet, die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu beeinflussen.

Die weiteren, von dem klagenden Verband beanstandeten Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ stellen laut Gericht ebenfalls eine unzulässige Irreführung dar und wurden dem beklagten Unternehmen deshalb, so wie es die Angaben verwendet hatte, verboten.

Die Beklagtenseite hatte angeführt, dass ein QR-Code auf der Flasche zu den gewünschten Informationen über die Bedeutung der beanstandeten Angaben zur Klimabilanz führe.

Dies reichte der Kammer nicht aus. Gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen in den Verdacht des sogenannten „Greenwashing“ kämen und in dem Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert würden, sei es wichtig, die Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären. Verbraucher hätten daher ein maßgebliches Interesse daran, inwieweit behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und wenn ja durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht würden. Daher müssten den Verbrauchern die Bewertungsmaßstäbe für die werbenden Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche offengelegt werden:

Die 37. Zivilkammer führte hierzu aus: „Im vorliegenden Fall enthält die entsprechende Werbung zur Klimaneutralität und CO2 positiven Bilanz jedoch schon keinen Hinweis darauf, dass weitere Informationen auf der Homepage verfügbar sind. Der abgedruckte QR-Code ist auch nicht in so engem räumlichen Zusammenhang zu der umweltbezogenen Werbung aufgedruckt, dass es sich dem Kunden ohne weiteres erschließen würde, dass die für ihn notwendigen Informationen auf diese Weise verfügbar wären.“ Für einen etwaig zulässigen sog. „Medienbruch“ sei eine Verweisung mit einem klaren und eindeutigen Link erforderlich. Zudem führe der fragliche QR-Code auch nicht direkt auf eine Seite zur Erläuterung der klimaschonenden Maßnahmen, sondern allgemein auf die Homepage der Beklagten, von wo aus die Verbraucherinnen und Verbraucher sich dann zu den gewünschten Informationen erst durchklicken müssten, so die Kammer.

Letztendlich bestünden zudem erhebliche Zweifel daran, ob die auf der Homepage des beklagten Unternehmens aufgeführten Informationen ausreichend wären. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, fänden sich dort gerade nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.



Volltext LG München liegt vor: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Wir hatten bereits in dem Beitrag LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter ist auch das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen.

1. Die Feststellungsklage dient der Erlangung von Rechtsgewissheit dort, wo eine Durchsetzung subjektiver Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1). Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO besteht daher grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 256 Rdnr. 1).

2. Im Streitfall stellt die Beklagte die Berechtigung der Klägerin zur Nutzung des Zeichens „Spezi“, die diese aus der Vereinbarung 1974 ableitet, in Frage. Die Klägerin, die primär aus eigenem und nur hilfsweise („vorsorglich“) aus abgetretenem Recht der … GmbH & Co. KG vorgeht, hat daher ein greifbares eigenes Interesse an der Feststellung des Fortbestands dieser Vereinbarung. Anderweitige Rechtsschutzmöglichkeiten zur Klärung dieser Frage stehen der Klägerin nicht zur Verfügung, insbesondere ist das Begehren der Klägerin nicht deckungsgleich mit den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen der Beklagten.

B. Die Feststellungsklage ist - so weit nicht bereits in den Klageanträgen Ziffern I. und II. übereinstimmend für erledigt erklärt - begründet. Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der … AG Partei der Vereinbarung 1974 geworden (dazu nachfolgend I.). Diese Vereinbarung, die als Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung und nicht als Lizenzvertrag einzuordnen ist (dazu nachfolgend II.), konnte von der Beklagten weder durch die mit dem als Anlage LSG 37 vorgelegten Schreiben vom 25.05.2021 noch durch die in der Duplik vom 27.04.2022 ausgesprochene Kündigung wirksam beendet werden (dazu nachfolgend III.).

I. Als Rechtsnachfolgerin der … AG ist die Klägerin an deren Stelle als Vertragspartnerin der Beklagten in die Vereinbarung 1974 eingetreten.

1. Ursprüngliche Vertragsparteien der am 05.03./15.03.1974 geschlossenen Vereinbarung sind die Beklagte und die … AG.

2. Mit zwischen der … AG und der … Brauerei AG geschlossenem Einbringungsvertrag vom 09.05.1994, vorgelegt als Anlage LSG 3, wurde der Getränke-Teil der … AG im Wege der Einzelrechtsnachfolge (vgl. dazu B.I.1 des Einbringungsvertrages) in die … Brauerei AG eingebracht. Ziel dieser Transaktion war ausweislich der Präambel des Einbringungsvertrages die Trennung des Betriebsteils „Getränkeherstellung und Vertrieb“ vom nicht notwendigen Grundbesitz und den Beteiligungen ohne überwiegend getränkespezifische Bedeutung, um damit einen höheren Grad der Spezialisierung der jeweiligen Aufgabenbereiche, mehr Ergebnisklarheit und auch Flexibilität vor dem Hintergrund der Konzentrationsbewegungen in der Branche, z.B. durch Knüpfung strategischer Allianzen, zu erreichen (vgl. dazu A. des Einbringungsvertrages). Gegenstand der Einbringung waren gemäß B.I.1 des Einbringungsvertrages alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die in der Einbringungsbilanz zum 01.01.1994 einzeln oder als Sachbegriff verzeichnet sind, abzüglich der Abgänge bzw. zuzüglich der Zugänge, die nach dem Stichtag gemäß Ziffer III. des Einbringungsvertrages erfolgt sind. Die Einbringungsbilanz wurde von der Klägerin im Verfahren nicht vorgelegt. Übertragen wurden ausweislich des Einbringungsvertrages insbesondere die in B.I.2 näher bezeichneten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, darunter gemäß B.I.2.h) „die für den Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ bestehenden Verträge und Vertragsangebote, insbesondere Lieferungs- und Leistungsverträge mit Lieferanten und Abnehmern, vor allem Bier- und Getränkelieferungsverträge, sowie auch Kauf-, Miet-, Pacht-, Leasing-, Beratungs-, Finanzierungs-, Lizenz- und Kooperationsverträge (insbesondere […]), Verträge mit Handelsvertretern, Kommissionären und Vertriebshändlern, Herstellervereinbarungen und alle sonstigen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten“ sowie gemäß B.I.2.j) „alle mit dem Betriebsteil „Getränkeherstellung und Vertrieb“ zusammenhängenden immateriellen Vermögensgegenstände, insbesondere alle öffentlichen und privaten Rechte und Gestattungen, gewerbliche Schutzrechte (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen etc.) und ähnliche Rechte (einschließlich Know-How sowie ein eventuell vorhandener Geschäftswert), sowie Benutzungsrechte an vorgenannten Rechten Dritter. Die vorgenannten Warenzeichen sind in der Anlage 4 im einzelnen aufgeführt. Die Umschreibungen in den entsprechenden Registern werden bewilligt und beantragt.“ Von der … AG auf die … Brauerei AG übertragen wurden mithin auch die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung 1974 als „Gestattung“ i.S.v. B.I.2.j) bzw. „sonstiges zivilrechtliches Rechtsverhältnis“ i.S.v. B.I.2.h) des Einbringungsvertrages.

In dieser Übertragung nicht nur von Rechten, sondern auch entsprechender Verpflichtungen - nämlich etwa der Verpflichtung, die Verwendung der den Gegenstand der Vereinbarung bildenden Kennzeichnungen durch den Vertragspartner unbeschadet eigener Rechte zu dulden (vgl. dazu etwa BGH GRUR 1981, 591 - Gigi-Modelle) - aus der Vereinbarung 1974 auf die … Brauerei AG liegt eine Schuldübernahme i.S.v. § 415 BGB, deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers, mithin der hiesigen Beklagten, abhängt. Eine solche Genehmigung, die auch als vorherige Zustimmung (Einwilligung) vorab erteilt werden kann (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25 m.w.N.), kann nicht schon in der Rechtsnachfolgeklausel gemäß Ziffer 10 der Vereinbarung 1974 gesehen werden. Sie liegt aber - da die Genehmigung i.S.v. § 415 Abs. 1 BGB auch konkludent erteilt werden kann (vgl. etwa MüKo/Heinemeyer, BGB, 9. Auflage, § 415 Rdnr. 12) - jedenfalls im nachfolgenden jahrelangen schlüssigen Verhalten der Beklagten, mit dem diese unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht mehr die … AG als ihre Vertragspartnerin betreffend die Vereinbarung 1974 ansieht, sondern deren Rechtsnachfolger, etwa die … wie sich beispielsweise dem als Anlage LSG 44 vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 16.03.2015 entnehmen lässt, in dem es im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Kündbarkeit der Vereinbarung 1974 ausdrücklich heißt: „[…,] ist die Vereinbarung zwischen unserem und Ihrem Haus über die Lizenzierung von … vom März 1974 außerordentlich kündbar. […].“ oder schließlich die hiesige Klägerin, dergegenüber die Beklagte die als Anlage LSG 37 vorgelegte Kündigung vom 25.05.2021 erklärt hat (vgl. zum Fall der Zustimmung zur Vertragsübernahme auch BGH NJW-RR 2002, 191). Dass der Beklagten dabei der Einbringungsvertrag aus dem Jahre 1994 als solcher nicht bekannt gewesen sein mag, steht einer wirksamen Genehmigung der Schuldübernahme nicht entgegen. Denn die Zustimmung des Gläubigers zur Schuldübernahme muss sich schon nicht auf eine bestimmte Person als Übernehmer beziehen (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 25); erst recht aber müssen dem Gläubiger nicht die Einzelheiten der Übertragung auf der Schuldnerseite bekannt sein. Eine Berufung auf die fehlende Mitteilung der Schuldübernahme i.S.v. § 415 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Beklagten in Anbetracht der Gesamtumstände verwehrt, denn sie hat mit ihrem Verhalten über Jahre hinweg den Anschein erweckt, vom Wechsel ihres Vertragspartners bereits umfassend Kenntnis erlangt zu haben (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 415 Rdnr. 40). Im Übrigen erfolgte eine entsprechende Mitteilung auch mit dem als Anlage PBP 02 vorgelegten Schreiben der Klägerin vom 04.07.2017, dem sich entnehmen lässt, dass die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, Rechtsnachfolgerin der … und mithin auch der seinerzeitigen Vertragspartei … AG zu sein. Ebenfalls nicht durchgreifend ist die Argumentation der Beklagtenseite, sie habe eine etwaige Schuldübernahme nicht genehmigen können, weil sie nicht gewusst habe, dass die Klägerin keinerlei Verpflichtungen übernommen habe; dass auf die … Brauerei AG und nachfolgend die Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten aus der Vereinbarung 1974 übergegangen sind, wurde bereits oben festgestellt und ist in B.I.2.h) des Einbringungsvertrages ausdrücklich geregelt.

3. Die … Brauerei AG wurde ausweislich der als Anlagen LSG 4 und LSG 5 vorgelegten Handelsregisterauszüge Ende 1998/Anfang 1999 formwechselnd umgewandelt in die … Sodann wurde die persönlich haftende Gesellschafterin dieser … die … ausweislich des als Anlage LSG 6 vorgelegten Handelsregisterauszugs als übertragende Gesellschaft aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 30.05.2017 durch Aufnahme verschmolzen mit der … & Co. KGaA. Mit der Verschmelzung wurde die … & Co. KGaA einziger verbleibender persönlich haftender Gesellschafter der … Gleichzeitig wurde der einzige Kommanditist der … nämlich die … als übertragende Gesellschaft aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 30.05.2017 ebenfalls durch Aufnahme mit der … & Co. KGaA verschmolzen. Infolge dieser Verschmelzungen hat der einzige verbleibende Gesellschafter der … nämlich die … & Co. KGaA, das Geschäft der … mit allen Aktiven und Passiven im Wege der Anwachsung übernommen. Die … & Co. KGaA wiederum firmierte ausweislich des als Anlage LSG 8 vorgelegten Handelsregisterauszugs im Jahr 2017 um in … Brauerei Gruppe GmbH & Co. KGaA, die hiesige Klägerin. Die Klägerin ist mithin Rechtsnachfolgerin der … (vgl. auch notarielle Bescheinigung, Anlage LSG 7), welche aus der … Brauerei AG nach formwechselnder Umwandlung hervorgegangen ist. Soweit nicht ohnehin nur eine bloße Umfirmierung stattgefunden hat, ist für die weiteren Rechtsübergänge durch formwechselnde Umwandlung und Anwachsung und Verschmelzung eine Zustimmung der Beklagten nach § 415 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, weil es sich insoweit um Gesamtrechtsnachfolgen handelt, auf die die §§ 414 ff. BGB keine Anwendung finden (vgl. BeckOGK/Heinig, BGB, Stand: 01.03.2022, § 414 Rdnr. 135).

II. Die Vereinbarung 1974 zwischen der … AG und der Beklagten, in die die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG eingetreten ist, stellt weder nach heutiger Rechtslage noch unter Geltung des WZG einen Lizenzvertrag dar, sondern ist als klassische Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung - geschlossen im Vergleichswege - auszulegen.

1. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits besteht Uneinigkeit darüber, ob die Vertragsparteien der Vereinbarung 1974 einen Lizenzvertrag oder eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung abgeschlossen haben, was für die Frage einer Kündbarkeit dieser Vereinbarung von Belang ist. Der Wortlaut der Vereinbarung 1974 scheint diesbezüglich widersprüchlich, so dass es einer Auslegung bedarf (vgl. zum Kriterium der Auslegungsbedürftigkeit bzw. -fähigkeit etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 6 und 6a).

2. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 133 BGB gilt seinem Wortlaut nach zwar für die Auslegung der einzelnen Willenserklärung, er ist aber auch auf Verträge anzuwenden. Umgekehrt betrifft § 157 BGB seinem Wortlaut nach nur den bereits zustande gekommenen Vertrag. Auch die einzelnen Willenserklärungen und einseitigen Rechtsgeschäfte sind aber nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Rechtsprechung und Lehre haben aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitgehend allgemein anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt (allg. M., vgl. nur Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 1). So hat die Auslegung trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation zunächst vom Wortlaut auszugehen, und sind nach der Ermittlung des Wortsinns in einem zweiten Schritt die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie die Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien sowie die Interessenlage in die Auslegung einzubeziehen (vgl. etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 14 ff.). Die Auslegung ist rechtliche Würdigung. Das Gericht hat diese von Amts wegen durchzuführen und ist an Parteivorbringen nicht gebunden (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 29).

3. Nach Entstehungsgeschichte und Regelungsgehalt ist die Vereinbarung 1974 trotz ihres missverständlichen Wortlauts nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung einzustufen.

a) Wie sich aus der von den Parteien vorgelegten umfangreichen Korrespondenz im Vorfeld der Vereinbarung 1974 ergibt, bestand der Sinn und Zweck dieser Vereinbarung in der Beilegung und - endgültigen - Regelung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten über die Berechtigung zur Benutzung des Zeichens „Spezi“ für ein colahaltiges Mischgetränk. Insbesondere bestand schon im damaligen Zeitpunkt einige Unsicherheit darüber, ob die Bezeichnung „Spezi“ für das in Rede stehende alkoholfreie Mischgetränk aus Cola und Limonade überhaupt Schutz als Warenzeichen beanspruchen konnte, wie etwa der als Anlage LSG 20 vorgelegten Zurückweisungsbeschluss des DPA vom 03.06.1973 oder auch die als Anlage LSG 15 vorgelegte Stellungnahme der IHK München vom 07.09.1967 belegt. Vor dem Hintergrund dieser Unwägbarkeiten, die auch den im Warenzeichenrecht ausgesprochen versierten anwaltlichen Vertretern der damaligen Vertragsparteien - Rechtsanwalt K. auf Seiten der … AG und Rechtsanwalt Dr. P. auf Seiten der Beklagten - wohl bewusst waren (siehe insoweit - exemplarisch - etwa Schreiben vom 11.09.1972, im Anlagenkonvolut PBP 11 sowie Schreiben vom 23.11.1973, Anlage PBP 16), entschlossen sich die … AG und die Beklagte zum Abschluss der Vereinbarung 1974. Bei Abschluss dieser Vereinbarung waren zugunsten der Beklagten die in der Präambel dieser Vereinbarung aufgelisteten Warenzeichen Nr. 698 130 „Spezi“, Nr. 698 129 „Spezi, die Flasche mit dem Rechten Maß“, Nr. 705 093 „Ein Spezi muß dabei sein“ sowie Nr. 889 780 eingetragen, nicht aber ein reines Wortzeichen „Spezi“ für „alkoholfreie Getränke“.

b) Kernstück der Vereinbarung 1974 ist die in Ziffer 1 enthaltene Gestattung der Beklagten zur warenzeichenmäßigen und schlagwortartigen Benutzung des Wortes „Spezi“ für ein alkoholfreies, kolahaltiges Mixgetränk in einer bestimmten bildhaften Aufmachung durch die … AG. Bei dieser „Gestattung“ handelt es sich nicht um eine Lizenz, sondern um ein pactum de non petendo im Sinne einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung.

aa) Eine Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG beinhaltet die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen an der Marke Berechtigten an den Lizenznehmer. Der Lizenznehmer partizipiert insoweit an den dem Markeninhaber ausschließlich zugewiesenen Nutzungsrechten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7 m.w.N.). Gegenstand einer Lizenz nach § 30 Abs. 1 MarkenG ist das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke begründete Recht. Die Erteilung einer Markenlizenz ist im Falle der Eintragung einer Marke nach § 4 Nr. 1 MarkenG auf die eingetragene Marke beschränkt. Diese umfasst nicht das Recht, Lizenzen an verwechselbaren Zeichen i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu erteilen (vgl. BGH GRUR 2001, 54 - SUBWAY/Subwear, Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 7).

bb) Von der Lizenz im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die Vereinbarung zwischen dem Markeninhaber und einem Dritten, dass der Markeninhaber gegen die (oder eine bestimmte) Benutzung der Marke durch den Dritten nicht vorgehen, insoweit also die Rechte aus der Marke nicht geltend machen werde (pactum de non petendo). Diese auch als „Negativlizenz“ bezeichnete Abrede hat mit der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG nichts zu tun. Dies zeigt sich schon daran, dass Gegenstand eines solchen pactum de non petendo - anders als bei der Lizenz i.S.v. § 30 MarkenG - ohne Weiteres auch ein (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliches Zeichen für (wirklich oder vermeintlich) nur ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen sein kann. Derartige Abreden kommen vor allem im Rahmen von Abgrenzungsvereinbarungen vor (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 8).

cc) Eine solche Abgrenzung von Lizenzen und Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen findet nicht erst seit Inkrafttreten des MarkenG, mit welchem die Markenlizenz im deutschen Recht erstmals eine - wenn auch lückenhafte - gesetzliche Regelung erfahren hatte (hierzu näher Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 1), statt. Vielmehr gelten diese Grundsätze seit jeher und insbesondere auch schon unter Geltung des WZG, wie beispielsweise eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 22.09.1899 (RGZ 44, 71 - Victoria) belegt, in der bereits das Reichsgericht eine entsprechende Abgrenzung zwischen einem Lizenzvertrag und einem Versprechen der dortigen Beklagten, die ihr aus der Eintragung des Warenzeichens „Victoria“ künftig erwachsenden Rechte gegen den dortigen Kläger nicht geltend machen zu wollen, vorgenommen hat. Auch unter Geltung des WZG war eine Abgrenzung von Lizenzverträgen zu Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mithin danach vorzunehmen, ob ein Nutzungsrecht an einem eigenen Warenzeichen des Lizenzgebers eingeräumt wird, oder ob (lediglich) die Benutzung einer tatsächlich oder vermeintlich verwechselbaren Bezeichnung gestattet wird (in diesem Sinne auch v. Gamm, WZG, § 8 Rdnr. 22, vorgelegt als Anlage LSG 43 sowie Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 10. Auflage, Anh zu § 8 Rdnr. 6, vorgelegt als Anlage PBP 3).

dd) Dies zugrunde legend ist die Vereinbarung 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung zu bewerten. Denn mit dieser Vereinbarung hat die Beklagte der … AG nicht etwa ein Nutzungsrecht an ihren vier eingetragenen Warenzeichen eingeräumt, sondern der … AG die Benutzung eines eigenen, von den Warenzeichen der Beklagten deutlich abweichenden Zeichens in der nachfolgenden Aufmachung
gestattet. Für diesen Befund spricht zudem, dass die Überschrift der Vereinbarung 1974 von „Lizenzvertrag“ (wie noch im als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf vorgesehen) von den auf das Warenzeichenrecht spezialisierten anwaltlichen Vertretern der Vertragsparteien abgeändert wurde in „Vereinbarung“, und dass die Vereinbarung keine Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten vorsieht (so auch Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357 m.w.N.) und darüber hinaus auch - anders als im Entwurf, in dem noch eine Zahlung „zur Abfindung der Lizenzgebühr“ vorgesehen war - von einer Lizenzgebühr abgesehen und stattdessen eine einmalige Abstandszahlung vereinbart wurde. Gegen die Einräumung einer Lizenz spricht zudem, dass die … AG nach der getroffenen Vereinbarung eine starke Stellung behält, die die Beklagte ihren Lizenznehmern - wie die als Anlagen PBP 35 bis PBP 41 vorgelegten Lizenz- und Abfüllverträge beispielsweise hinsichtlich der Vorgaben zum Bezug des bei der Herstellung zu verwendenden Grundstoffes (§ 3) oder zu den zu verwendenden Gebinden und deren Aufmachung (§ 6) sowie zur Unterwerfung unter ständige und regelmäßige Kontrollen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung des Zeichens und der einheitlichen Qualität und Zusammensetzung des Getränkes (§ 3) belegen - üblicherweise nicht zugesteht.

Dass in der Tat in der unterschriebenen Fassung an einigen Stellen der Begriff „Lizenz“ enthalten ist (etwa in Ziffern 2, 4 und 9), steht der Einordnung der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nicht entgegen und mag entweder redaktionellen Ungenauigkeiten oder dem Umstand geschuldet sein, dass Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen mit Nichtangriffsabreden mitunter auch als „Negativlizenz“ bezeichnet werden. Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet, vgl. dazu etwa Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage, § 133 Rdnr. 8 mit Verweis auf BGH NJW 1658 Tz. 12; grundlegend RG BeckRS 1920, 100367 - Haakjöringsköd). Und auch der Umstand, dass sich die … AG in Ziffer 2 der Vereinbarung 1974 zur Anbringung eines Lizenzvermerks „Lizenz Spezi Wz 705 093“ verpflichtet hat, vermag an der Rechtsnatur der Vereinbarung als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung nichts zu ändern. Denn nach dem übereinstimmenden Parteivortrag sollte mit der Anbringung dieses Hinweises auf den Etiketten der … AG nach außen hin eine Schwächung der Warenzeichen der Beklagten verhindert werden, ohne dass dies einen tieferen Sinn im Verhältnis der beiden Vertragsparteien gehabt hätte - das nach diesem Vermerk vorgeblich lizenzierte Zeichen „Ein Spezi muS dabei sein sollte von der … AG zu keinem Zeitpunkt benutzt werden.

4. Dass Gegenstand der Vereinbarung 1974 Zeichennutzungen sind, die - je nach vertretener Rechtsauffassung - nach § 23 MarkenG freigestellt sein könnten, steht der Wirksamkeit dieser Vereinbarung darüber hinaus nicht entgegen, weil durch diese gerade etwaige rechtliche Zweifel beseitigt werden sollten (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 30 Rdnr. 43 mit Verweis auf BGH GRUR 2012, 910 - Delcantos Hits).

III. Die Vereinbarung 1974 konnte als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung von der Beklagten nicht wirksam gekündigt werden.

1. Vertragliche Regelungen zur Dauer bzw. Laufzeit sowie zu etwaigen Kündigungsmöglichkeiten enthält die Vereinbarung 1974 nicht.

2. Nach überwiegender und auch von der erkennenden Kammer vertretenen Auffassung sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar (arg. ex §§ 314, 544 BGB). Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte kann durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen besteht deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn - wie im Streitfall - mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt war, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt haben (vgl. zu Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarungen BGH GRUR 2011, 641 Rdnr. 47 - Jette Joop sowie BGH GRUR 2002, 703 - VOSSIUS & PARTNER; BeckOK/Mielke, MarkenG, 30. Edition, Stand: 01.07.2022, § 14 Rdnr. 29; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 55; Fezer, MarkenG, 4. Auflage, § 14 Rdnr. 1101; Harte-Bavendamm/v. Bomhard GRUR 1998, 530; Elemenhorst/Schopp WRP 2012, 1356, 1357, 1360; offenlassend („jedenfalls aus wichtigem Grund“) Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rdnr. 302 mit Verweis auf § 15 Rdnr. 37; zur Geltungsdauer von Unterlassungsverpflichtungen allgemein BGH NJW 2012, 3162). Die Vereinbarung 1974 konnte daher durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.05.2021 bzw. 27.04.2022 nicht ordentlich gekündigt werden.

Diesem Ergebnis stehen die von der Beklagten zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen, lange vor Einführung des § 314 BGB durch das SchuldRModG ergangenen Entscheidungen BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender und BGH GRUR 1970, 528 - Migrol nicht entgegen:

In der Entscheidung BGH GRUR 1959, 384 - Postkalender ging es um die Frage der Kündbarkeit eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet auf die Überlassung der drucktechnischen Herstellung eines Kalenders auf unbestimmte Zeit. Eine solche ständige Vertragsbeziehung ist aber schon ihrem Wesen nach nicht mit einer kennzeichenrechtlichen Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung vergleichbar, die gerade die Rechtsbeziehung zweier Parteien in Bezug auf die jeweiligen Zeichennutzungen endgültig regeln und die Schutzbereiche voneinander abgrenzen soll. Zudem knüpfte der BGH im Falle „Postkalender“ die ordentliche Kündbarkeit des dortigen Dauerschuldverhältnisses an die Berücksichtigung aller wesentlichen Begleitumstände unter Abwägung der Interessenlage der Vertragsparteien nach Treu und Glauben und den Verkehrssitten. Im Streitfall aber würde eine ordentliche Kündbarkeit schon an den an einer endgültigen Streitbeilegung ausgerichteten Interessen der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung 1974 scheitern.

Der Entscheidung BGH GRUR 1970, 528 - Migrol hingegen lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem es um die Kündigung einer Vereinbarung ging, durch die einem anderen die Benutzung einer Bezeichnung ohne zeitliche Begrenzung gestattet worden war. In diesem Fall hat der BGH eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit wegen der Besonderheiten des Falles in Erwägung gezogen, denn der dortigen Beklagten wurde die Benutzung einer eng an den bekannten und wertvollen Firmennamen „Migros“ angelehnten Bezeichnung unentgeltlich gestattet; zudem stellte die getroffene Vereinbarung ein noch ergänzungsbedürftiges Provisorium dar. Beides trifft auf die Vereinbarung 1974 indes nicht zu. Weder wurde diese unentgeltlich geschlossen, noch hat diese einen lediglich provisorischen Charakter; im Gegenteil beinhaltet die Vereinbarung 1974 vielmehr eine dauerhafte Konfliktlösung.

3. Auch die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der miet- und pachtrechtlichen Vorschriften der §§ 581 Abs. 2, 544 BGB greift im Streitfall nicht. Die genannten Vorschriften sind auf kennzeichenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht analog anzuwenden. §§ 581 Abs. 2, 544 BGB sollen sicherstellen, dass die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zeitlich begrenzt ist. „Ewige“, vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. „Erbmieten“ oder ähnliche Verhältnisse sollen hierdurch verhindert werden, weil die Verkehrsfähigkeit des Grundeigentums außerhalb des numerus clausus der Sachenrechte und des Buchungszwangs der Grundstücksrechte nicht schuldrechtlich gefährdet werden soll. Verpflichtungen für darüberhinausgehende Zeiträume sollen jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden (vgl. BeckOGK/Mehle, BGB, Stand: 01.04.2022, § 544 Rdnr. 2 sowie BGH NJW 2012, 3162 Rdnr. 16). Mit der Vereinbarung 1974 werden aber gerade keine Nutzungsrechte an einem etwaigen (Waren-) Zeichen der Beklagten eingeräumt, sondern es wurde - lediglich - ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) in Form einer Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung getroffen (siehe dazu B.II.3.). Die Interessenlage ist daher nicht im Ansatz vergleichbar, weshalb sich die von der Beklagten in Erwägung gezogene Analogie verbietet.

4. Aus den genannten Gründen scheidet eine außerordentliche Kündigung der Beklagten in analoger Anwendung der §§ 581 Abs. 2, 543 Abs. 1 BGB ebenfalls aus; die Vereinbarung 1974 hat keine Gebrauchsüberlassung zum Inhalt.

5. Einer wirksamen außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung 1974 nach § 314 Abs. 1 BGB steht jedenfalls entgegen, dass kein wichtiger Grund für eine solche außerordentliche Kündigung der Beklagten gegeben ist. Bei der Definition des wichtigen Grundes i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB hat sich der Gesetzgeber bewusst an § 626 Abs. 1 BGB angelehnt. Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt danach vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten ist (vgl. BeckOGK/Martens, BGB, Stand: 01.07.2022, § 314 Rdnr. 26). Der Kündigungsgrund muss außerdem aus dem Einflussbereich des Kündigungsgegners kommen und ihm zurechenbar sein (vgl. etwa BeckOK/Wiederhold, BGB, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 543 Rdnr. 7). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall: Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.

6. Und schließlich besteht auch keine ordentliche oder außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der Beklagten nach §§ 705, 723 Abs. 1 BGB. Denn die Parteien der Vereinbarung 1974 haben anders als die Parteien in den Entscheidungen RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I und BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen oder ein gesellschaftsähnliches Verhältnis begründet, sondern haben sich im Gegenteil voneinander abgegrenzt. In der Entscheidung BGH GRUR 2006, 56 - BOSS-Club haben die Parteien einen unentgeltlichen Lizenz- oder Gestattungsvertrag über die Nutzung der klägerischen Marke geschlossen, was eine Anwendung gesellschaftsvertraglicher Vorschriften rechtfertigt. In der Entscheidung RG GRUR 1940, 560 - strickende Hände I hingegen hat die Rechtsvorgängerin der dortigen Beklagten der dortigen Klägerin die Benutzung deren eigenen Warenzeichens gestattet. In dieser Gestattungsvereinbarung verpflichteten sich die Vertragsparteien gegenseitig, das in Rede stehende Motiv gegen Verletzungen von dritter Seite zu schützen und ggf. Widerspruch gegen Eintragungen Dritter einzulegen sowie sich wechselseitig über Zeichenverletzungen Dritter zu informieren und bei der Rechtsverfolgung zu unterstützen. Diese Verpflichtungen gehen weit über das hinaus, was die Parteien der Vereinbarung 1974 in der dortigen Ziffer 6 - die im Vergleich zum als Anlage LSG 24 vorgelegten Entwurf (dort Ziffer 5) nochmals stark abgeschwächt worden war - vereinbart haben. Beide Fallgestaltungen unterscheiden sich daher deutlich von der hier zu entscheidenden Konstellation, in der die Parteien der Vereinbarung 1974 sich gerade dazu entschlossen haben, nach Leistung einer einmaligen Abstandszahlung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin endgültig getrennte Wege zu gehen.

C. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten stehen die gegen die Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin mit der von der Beklagten beanstandeten Zeichennutzung die Widerklagemarken nicht verletzt. Weil die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der … AG (dazu oben B.I) Vertragspartei der Vereinbarung 1974 geworden ist, die durch die Beklagte nicht wirksam gekündigt werden konnte (dazu oben B.III), erfolgt die Zeichennutzung durch die Klägerin, die unbestritten die Vorgaben dieser Vereinbarung einhält, schon nicht „ohne Zustimmung des Markeninhabers“ i.S.v. § 14 Abs. 2 MarkenG, sondern vielmehr mit ausdrücklicher Zustimmung der Beklagten. Auf die weiteren zwischen den Parteien hochstreitigen, diffizilen kennzeichenrechtlichen Fragen einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerklagemarken, eines Verfalls der Widerklagemarken wegen Wandels zur gebräuchlichen Bezeichnung, einer markenmäßigen Benutzung des beanstandeten Zeichens auf den Etiketten der Klägerin und des Bestehens von Doppelidentität oder Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne zwischen den sich jeweils gegenüberstehenden Zeichen kommt es nach alledem im Streitfall nicht an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG München: Brauerei Paulaner darf Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin verwenden - markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung gilt im Regelfall zeitlich unbegrenzt

LG München
Urteil vom 11.10.2022
33 O 10784/21


Das LG München hat entschieden, dass Paulaner die Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiterhin für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola verwenden darf. Die Brauereien Riegele und Paulaner hatten in der Vergangenheit eine markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarung geschlossen, an dies sich Riegele nach einer Kündigungserklärung nicht mehr gebunden fühlte. Markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen gelten - wie das Gericht ausführt - im Regelfall zeitlich unbegrenzt und können nicht ordentlich gekündigt werden. Für eine außerordentliche Kündigung bestand kein Grund.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Spezi“
Die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat mit Urteil vom 11.10.2022 festgestellt, dass die zwischen zwei Brauereien getroffene Vereinbarung zur Berechtigung der Nutzung der Bezeichnung „PAULANER Spezi“ für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola aus dem Jahr 1974 fortbesteht (Az. 33 O 10784/21).

Damit darf die Klägerin die Bezeichnung „PAULANER Spezi“ weiter nutzen.

Die beklagte Brauerei aus Augsburg hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der Klägerin hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und zudem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie begehrte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Feststellungsklage.

Dieser gab das Landgericht München I heute statt.

Die Kammer erkannte die klägerische Brauerei als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete sie die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.

Zur Überzeugung des Gerichts ist die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, so die Kammer, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von „Lizenzvertrag“ in „Vereinbarung“ abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. So sei mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.

Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden, so die Kammer.

Das berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.

Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, so die Kammer, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe.

Das Gericht führt hierzu in seinem Urteil aus: „Die Klägerin hält die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein, und Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue als Ausfluss des Wunsches der Beklagten, am beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu partizipieren, stellt keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.“

Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.


BGH: In Kartellverfahren spricht Vermutung dafür dass Abstimmung durch Informationsaustausch das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen beeinflusst - Bierkartell

BGH
Beschluss vom 13.07.2020
KRB 99/19
Bierkartell
GWB § 1, § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; AEUV Art. 101 Abs. 1; EGV Art. 81 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; MRK Art. 6 Abs. 2; OWiG § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3


Der BGH hat im Bierkartell-Verfahren entschieden, dass in Kartellverfahren eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass eine Abstimmung durch Informationsaustausch das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen beeinflusst.

Leitsätze des BGH:

a) Der Tatbestand der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ist zweigliedrig; er verlangt neben einem Abstimmungsvorgang (Fühlungnahme) eine tatsächliche Verhaltensweise im Sinne einer praktischen Zusammenarbeit auf dem Markt, das heißt ein konkretes Marktverhalten in Umsetzung der Abstimmung. Typisches Mittel einer verbotenen Abstimmung ist der Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Mitbewerbers auszuräumen.

b) Im Kartellzivil- und -verwaltungsverfahren spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Abstimmung durch Informationsaustausch das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen beeinflusst. Diese Vermutung hat ihren sachlichen Grund in dem Erfahrungssatz, dass ein Unternehmen Kenntnisse über beabsichtigtes oder erwogenes Marktverhalten eines Mitbewerbers regelmäßig bei der Bestimmung des eigenen Marktverhaltens berücksichtigt.

c) Die - potentiell starke - Indizwirkung dieses Erfahrungssatzes ist auch bei der Beweiswürdigung im Kartellbußgeldverfahren zu beachten. Vermag sich das Tatgericht nicht von einem Kausalzusammenhang zwischen Abstimmung und Marktverhalten zu überzeugen, erweist sich die Beweiswürdigung grundsätzlich als lücken- und damit rechtsfehlerhaft, wenn der Erfahrungssatz in den Urteilsgründen nicht erörtert ist.

d) Der Tatbestand der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise fasst den Abstimmungsvorgang und die hierauf beruhende Verhaltensweise im Sinne einer praktischen Zusammenarbeit auf dem Markt zu einer Bewertungseinheit als Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit zusammen. Solange das Marktverhalten fortdauert, ist die Tat nicht im Sinne des § 31 Abs. 3 OWiG beendet.

BGH, Beschluss vom 13. Juli 2020 - KRB 99/19 - OLG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Hamm: Kein Anspruch auf Löschung der Krombacher-Marke Felsquellwasser wegen Verfalls - Nutzung im Rahmen von Werbeslogan ist rechtserhaltende Nutzung

OLG Hamm
Urteil vom 24.01.20191
4 U 42/18


Das OLG Hamm hat entschieden, dass kein Anspruch auf Löschung der Marke Felsquellwasser der Brauerei Krombacher wegen Verfalls gegen die Markeninhaberin besteht. . Die Nutzung der Wortmarke im Rahmen des Werbeslogans "mit Felsquellwasser gebraut" stellt eine rechtserhaltende Nutzung dar.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Oberlandesgericht Hamm: Wortmarke "Felsquellwasser" muss nicht gelöscht werden

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat heute in dem Markenrechtsstreit eines Hobbybrauers gegen eine bekannte Brauerei aus Kreuztal über die Wortmarke "Felsquellwasser“ entschieden (Az. 4 U 42/18). Der Senat hat auf die Berufung der beklagten Brauerei - anders als noch das Landgericht Bochum in erster Instanz - die Klage abgewiesen.

Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Senat herausgestellt, dass die beklagte Brauerei den Begriff "Felsquellwasser“ unstreitig fortlaufend seit den 1960er-Jahren in dem Werbeslogan "mit Felsquellwasser gebraut“ benutzt habe.

Diese Art der Benutzung innerhalb des Werbeslogans habe die Grundlage dafür dargestellt, dass das Deutsche Patent- und Markenamt - ob zu Recht oder Unrecht sei vom Senat nicht zu entscheiden - die Wortmarke "Felsquellwasser“ im Juni 2010 in das deutsche Markenregister eingetragen habe.

Wenn dieselbe Nutzung innerhalb des Werbeslogans, die bereits zu der Eintragung in das Markenregister geführt habe, nach der Eintragung in das Register - wie hier von der beklagten Brauerei - fortgesetzt werde, müsse dies genügen, die Wortmarke auch zu erhalten. Daher könne keine Rede davon sein, dass die beklagte Brauerei die Wortmarke nicht rechtserhaltend genutzt habe. Dies habe zur Folge, dass der Hobbybrauer die Löschung der Wortmarke nicht verlangen könne.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Senat allerdings dennoch der beklagten Brauerei auferlegt, da erst ihr Vorbringen in der zweiten Instanz dazu geführt hat, dass sie diesen Rechtsstreit gewinnt. Den Streitwert hat der Senat auf 500.000 Euro festgesetzt. Nach diesem Streitwert berechnen sich grundsätzlich sowohl die Gerichts- als auch die Rechtsanwaltsgebühren.

Für weitergehende Einzelheiten der Begründung des Senats sind die schriftlichen Urteilsgründe abzuwarten, die bislang noch nicht vorliegen.


Volltext BGH: Bier darf nicht als "bekömmlich" beworben werden - wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung

BGH
Urteil vom 17.05.2018
I ZR 252/16
Bekömmliches Bier
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Bier darf nicht als "bekömmlich" beworben werden - wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vorgesehene Verbot gesundheitsbezogener Angaben für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent ist nicht auf Angaben auf Behältnissen beschränkt, in denen diese Getränke vertrieben werden, sondern gilt auch für gesundheitsbezogene Angaben in
der Werbung für derartige Getränke.

b) Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt außerdem dann vor, wenn mit der Angabe zum Ausdruck gebracht wird, der dauerhafte Verzehr eines Lebensmittels sei der Gesundheit nicht abträglich.

c) Wird in der Werbung Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent als "bekömmlich" bezeichnet und versteht der angesprochene Verkehr diesen Begriff im konkreten Zusammenhang als "gut oder leicht verdaulich", liegt darin eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe.
BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - I ZR 252/16 - OLG Stuttgart - LG Ravensburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Nürnberg: Blickfangmäßige Werbung mit Bezeichnung Brauerei auf Etikett nur zulässig wenn Anbieter Bier auch selbst braut

LG Nürnberg
Urteil vom 13.09.2018
19 O 219/18

Das LG Nürnberg hat entschieden, dass die blickfangmäßige Werbung mit der Bezeichnung "Brauerei" auf dem Etikett nur zulässig ist, wenn der Anbieter Bier auch selbst braut. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.

BGH: Bier darf nicht als "bekömmlich" beworben werden - wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung

BGH
Urteil vom 17.05.2018
I ZR 252/16


Der BGH hat entschieden, dass Bier nicht als "bekömmlich" beworben werden darf. Insofern liegt ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordndung (HCVO) vor.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Für Bier darf nicht mit der Angabe "bekömmlich" geworben werden

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Mai 2018 entschieden, dass die Verwendung des Begriffs "bekömmlich" in einer Bierwerbung unzulässig ist.

Die Beklagte betreibt eine Brauerei im Allgäu. Sie verwendet seit den 1930er Jahren für ihre Biere den Werbeslogan "Wohl bekomms!". In ihrem Internetauftritt warb sie für bestimmte Biersorten mit einem Alkoholgehalt von 5,1%, 2,9% und 4,4% unter Verwendung des Begriffs "bekömmlich".

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, hält die Werbeaussage "bekömmlich" für eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei alkoholischen Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent unzulässig sei. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bei alkoholischen Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent gesundheitsbezogene Angaben nicht nur in der Etikettierung der Produkte, sondern auch in der Werbung für diese Getränke verboten sind. Eine "gesundheitsbezogene Angabe" liegt vor, wenn mit der Angabe eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs eines Lebensmittels versprochen wird. Eine Angabe ist aber auch dann gesundheitsbezogen, wenn mit ihr zum Ausdruck gebracht wird, der Verzehr des Lebensmittels habe auf die Gesundheit keine schädlichen Auswirkungen, die in anderen Fällen mit dem Verzehr eines solchen Lebensmittels verbunden sein können. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird der Begriff "bekömmlich" durch die angesprochenen Verkehrskreise als "gesund", "zuträglich" und "leicht verdaulich" verstanden. Er bringt bei einer Verwendung für Lebensmittel zum Ausdruck, dass dieses im Verdauungssystem gut aufgenommen und - auch bei dauerhaftem Konsum - gut vertragen wird. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird dieser Begriff auch im Zusammenhang der beanstandeten Werbung so verstanden. Der Werbung lässt sich nicht entnehmen, dass mit dem Begriff "bekömmlich" nur der Geschmack des Bieres beschrieben werden soll.

Vorinstanzen:

LG Ravensburg - Urteil vom 16. Februar 2016 - 8 O 51/15

OLG Stuttgart - Urteil vom 3. November 2016 - 2 U 37/16

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
Der Ausdruck "gesundheitsbezogene Angabe" bezeichnet jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen."


Volltext OLG Stuttgart Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden liegt vor - Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung

OLG Stuttgart
Urteil vom 03.11.2016
2 U 37/16


Der Volltext dieser Entscheidung liegt nunmehr vor. Wir hatten bereits in dem Beitrag "OLG Stuttgart: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden - Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung" über die Entscheidung berichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bekömmlich“ mag zwar dem mittelhochdeutschen Wort „bekomlich/bekomenlich“ mit dem Ausgangsverständnis „bequem“, „passend“ entstammen (B 5 = Bl. 152). Seine heutige Wortbedeutung ist jedenfalls „zuträglich“, „leicht verdaulich“, „gesund (für den Magen)“ (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache), „gesund“, „zuträglich“ (so Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Nichts nennenswert anderes lässt auch das von der Beklagten in Bezug genommene Wörterbuch erkennen (Bl. 142). Danach wird diesem so bezeichneten Lebensmittel eine Eigenschaft, nämlich die von „gesund, zuträglich, leicht verdaulich zu sein“, zugeschrieben.
(2)
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Selbst wenn bei dem einen Begriffsverständnis von zuträglich - wie nicht - nur eine Aussage zum allgemeinen Wohlbefinden vorherrschen würde, so herrscht doch auch bei erheblichen Teilen des angesprochenen maßgeblichen Verkehrs das Verständnis von „gesund“ und „gut verdaulich“ vor. Da wie auch sonst im Irreführungsrecht Mehrdeutigkeit zu Lasten des Verwenders geht (BGH GRUR 2012, 1053 [Tz. 17] - Marktführer Sport), ist gerade eine solche Verunklarung in der werblichen Rezeption zu verbieten. „Bekömmlich“ bedeutet wenn nicht schon direkt „gesund“ und damit zwanglos von unmittelbarem Gesundheitsbezug, so doch, dass einem dieses Lebensmittel - naturgemäß - gut bekommt, man es gut verträgt, es im Verdauungssystem gut aufgenommen wird, aber auch, dass ein nur geringer Grad an sonst möglicherweise vorherrschenden Nebenwirkungen oder physiologischen Störungen eintritt, weshalb auch in der Dauereinnahme mit keinen negativen Auswirkungen, Begleiterscheinungen oder gar Abhängigkeitstendenzen zu rechnen ist. Nichts anderes erschließt sich aus „zuträglich“. Zuträglich schließt nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein, sondern auch, dass sich etwas zuträgt, etwas geschieht, dass etwas bewirkt wird, also das Versprechen eines Wirkzusammenhanges im Sinne der günstigen Beeinflussung der Gesundheit, dass mit diesem Lebensmittel ein Beitrag geleistet wird für eine günstige Beeinflussung psychischer oder physischer Funktionen. Der Begriff enthält auch ein Langzeitversprechen dahin, dass die dauerhafte Zusichnahme stärkend wirkt und frei von Nebenwirkungen ist, oder dass bei der Einnahme dieses Lebensmittels diese vernachlässigbar sind und mit Folgewirkungen auch im Sinne von Abhängigkeitsrisiken nicht zu rechnen ist oder dass diese praktisch außer Betracht bleiben können, dass einem dieses Lebensmittel auch bei längerem Konsum in keiner Weise schadet.

Damit wird ein Wirkzusammenhang hergestellt zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit. Damit liegt eine (unspezifische) gesundheitsbezogene Angabe vor.



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Stuttgart: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden - Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung

OLG Stuttgart
Urteil vom 03.11.2016
2 U 37/16


Auch das OLG Stuttgart hat entschieden, dass Bier nicht als bekömmlich beworben werden darf (zur Vorinstanz Volltext LG Ravensburg: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden ). Es liegt insofern ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung vor. Die Revision wurde zugelassen, so dass sich der BGH voraussichtlich mit der Frage beschäftigen wird.

Die Pressemitteilung des OLG Stuttgart:

Bier darf nicht als „bekömmlich“ beworben werden

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat heute ein Urteil des Landgerichts Ravensburg bestätigt, das die beklagte Brauerei zur Unterlassung von Werbung für drei ihrer Biersorten mit dem Begriff „bekömmlich“ verpflichtet. Geklagt hatte ein Verband, zu dessen Aufgaben u. a. die Durchsetzung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für seine Mitglieder gehört. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 16. Februar 2016 hat der 2. Zivilsenat unter dem Vorsitz von Gerhard Ruf mit seinem heute verkündeten Urteil zurückgewiesen.

Über den Sachverhalt informiert die Pressemitteilung vom 21. Oktober 2016. Gegenstand der Entscheidung sind nur die konkret angegriffenen Werbeaussagen.

Zur Begründung seines Urteils hat der Senat – wie zuvor schon das Landgericht Ravensburg – ausgeführt, dass die beanstandete Werbung gegen § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit den Vorschriften der „Health-Claims-Verordnung“ des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 verstoße. Nach dieser Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5).

Der Senat stützt sich u. a. auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2012 (Rs. C-544/10 – Deutsches Weintor). Diesem Urteil sei zwar keine generelle Aussage zur Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ für alkoholische Getränken zu entnehmen, denn im konkreten Fall habe der Begriff – anders als hier – im Zusammenhang mit einem Hinweis auf den reduzierten Säuregehalt des beworbenen Weins gestanden. Dem Urteil lasse sich aber in allgemeiner Form entnehmen, dass Angaben zu den (von der Verordnung erfassten) alkoholischen Getränken frei von jeder Mehrdeutigkeit sein müssen. Zudem habe der Gerichtshof einen Gesundheitsbezug auch dann bejaht, wenn mit einer Angabe impliziert wird, dass negative oder schädliche Auswirkungen für die Gesundheit, die normalerweise mit dem Konsum verbunden sind, bei dem beworbenen Produkt fehlen oder geringer ausfallen.

Soweit der Bundesgerichtshof in einem Vorlagebeschluss vom 13. Januar 2011 (I ZR 22/09 – Gurktaler Kräuterlikör) die Bezeichnung „bekömmlich“ in anderem Kontext für zulässig gehalten habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser Beschluss vor dem genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen ist.

Nach den gängigen Wörterbüchern sei „bekömmlich“ gleichzusetzen mit „zuträglich“, „leicht verdaulich“ oder „gesund“. Auch der Begriff „zuträglich“ schließe nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein, sondern sei im Sinne eines „Langzeitversprechens“ zu verstehen, dass das beworbene Lebensmittel auch bei längerem Konsum in keiner Weise schade. Dass manche Konsumenten die Brauerei der Beklagten mit dem Werbespruch „Wohl bekomm‘s“ in Verbindung brächten, schränke den Aussagegehalt nicht ein. „Wohl bekomm‘s“ sei – im Sinne eines Trinkspruchs – ein Wunsch, „bekömmlich“ dagegen ein Versprechen.

Schließlich wies der Senat auf das Antragsverfahren nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung hin. Nach dieser Vorschrift kann für Bezeichnungen, die „traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten“, eine Ausnahme vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben zugelassen werden. Der Senat führte aus, er halte es nicht für fernliegend, über dieses Verfahren einen Interessenausgleich zu finden. Ohne eine solche Befreiung, die bislang nicht erteilt worden sei, könne vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben jedoch nicht abgesehen werden.

Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat zugelassen

Aktenzeichen
2 U 37/16 - Oberlandesgericht Stuttgart
8 O 51/15 KfH - Landgericht Ravensburg

Relevante Normen:
§ 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – früher § 4 Nr. 11 UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung) – Auszug
Im Fall allgemeiner Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten, kann auf Antrag der betroffenen Lebensmittelunternehmer eine Ausnahme … erlassen werden. Der Antrag ist an die zuständige nationale Behörde eines Mitgliedstaats zu richten, die ihn unverzüglich an die Kommission weiterleitet.

Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung)
Ferner bezeichnet der Ausdruck … „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung)
Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.
Bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind nur nährwertbezogene Angaben zulässig, die sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder eine Reduzierung des Brennwerts beziehen."



Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Brauereien, Kaffee- und Süßwarenhersteller sowie Handelsunternehmen wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung im Lebensmittelhandel

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen Brauereien, Kaffee- und Süßwarenhersteller sowie Handelsunternehmen wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung im Lebensmittelhandel verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Vertikale Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel – Nun auch Bußgeldverfahren in der Warengruppe Bier weitgehend

Das Bundeskartellamt hat im sog. Vertikalfall im Lebensmittelhandel weitere Kartellverfahren abgeschlossen und erneut Bußgelder gegen Handelsunternehmen in einer Gesamthöhe von 90,5 Mio. € verhängt. Im Fokus der Ermittlungen standen in diesem Teil des Gesamtverfahrens Absprachen zwischen der Brauerei Anheuser Busch InBev Germany Holding GmbH, Bremen (AB InBev), und Händlern über die Ladenpreise von Bieren, insbesondere der Marken „Beck’s“, „Franziskaner“ und „Hasseröder“.

Bußgeldbescheide wurden gegen die folgenden Unternehmen verhängt: A. Kempf Getränkegroßhandel GmbH, Offenburg, EDEKA Handelsgesellschaft Minden-Hannover mbH, Minden, EDEKA Handelsgesellschaft Rhein-Ruhr mbH, Moers, EDEKA Handelsgesellschaft Südbayern mbH, Gaimersheim, EDEKA Handelsgesellschaft Südwest mbH, Offenburg, EDEKA Nordbayern-Sachsen-Thüringen GmbH, Rottendorf, METRO AG, Düsseldorf, und NETTO Marken-Discount AG & Co. KG, Maxhütte. Gegen AB InBev und das Handelsunternehmen REWE Zentral – Aktiengesellschaft, Köln, wurden wegen frühzeitiger und umfassender Kooperation mit dem Bundeskartellamt im Rahmen der Ermittlungen keine Bußgelder verhängt.

Außerdem erging noch je ein Bußgeldbescheid im Bereich Süßwaren wegen Preisbindungen bei Haribo-Produkten gegen das Unternehmen Lidl Stiftung & Co. KG sowie im Bereich Kaffee wegen Preisbindungen bei Melitta-Produkten gegen die Dirk Rossmann GmbH (vgl. zu den Absprachen in diesen Warengruppen auch Pressemitteilung vom 18.06.2015).

Der gesamte Verfahrenskomplex, der mit Durchsuchungen im Januar 2010 seinen Anfang nahm und zu den aufwändigsten Bußgeldverfahren des Bundeskartellamtes zählte, ist damit nahezu abgeschlossen. Wegen verbotener Absprachen zwischen Herstellern und Handelsunternehmen über die Ladenpreise in den Warengruppen Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung, Bier und Körperpflegeprodukte hat das Bundeskartellamt ein vorläufiges Gesamtbußgeld in Höhe von gut 242 Mio. € verhängt. Gegen drei Unternehmen in den Bereichen Süßwaren und Bier ist das Verfahren vor dem Bundeskartellamt noch offen und wird voraussichtlich in den nächsten Monaten abgeschlossen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die betroffene Brauerei hat beim Absatz ihrer wichtigsten Biermarken mehrfach Erhöhungen der Ladenpreise mit den Händlern abgesprochen und die Einzelheiten, insbesondere die Stichtage und die Höhe der jeweiligen Preisanhebung, zwischen diesen koordiniert. Die Händler hatten die Erwartungshaltung, dass die Brauerei dafür sorgt, dass die Erhöhung gleichzeitig auch bei konkurrierenden Händlern umgesetzt wird. Leidtragende solcher systematischen Preisbindungspraktiken sind die Endverbraucher.“

Bußgeldmindernd hat sich ausgewirkt, dass die Bescheide mit Ausnahme des Bescheids gegen Rossmann im Wege der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) ergangen sind. Rossmann hat gegen den an das Unternehmen gerichteten Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden wird. Soweit in einem weiteren Fall das Bußgeld noch nicht rechtskräftig ist, kann gegen diesen Bescheid ebenfalls Einspruch eingelegt werden.


Volltext LG Ravensburg: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden

LG Ravensburg
Urteil vom 25.8.2015
8 O 34/15 KfH


Wir hatten bereits in dem Beitrag "LG Ravensburg: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden - Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung" über die Entscheidung berichtet.

Der Volltext:

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 16.06.2015 wird bestätigt.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 20.000,-- EUR

Tatbestand


Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Brauerei und verkauft ihre Biere nahezu ausschließlich in Oberschwaben, im Allgäu und am östlichen Bodensee.

Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere das Interesse daran, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu den Mitgliedern des Verfügungsklägers zählen keine Brauereien, allerdings die Lebensmittelfilialbetriebe Lidl und Norma, die auch Bier im Sortiment haben, sowie weitere Unternehmen, die Getränke verschiedener Art (z. B. Mineralwasser, Wein) in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee vertreiben.

In ihrem Internetauftritt hat die Verfügungsbeklagte am 18.05.2015 drei ihrer Biersorten, mit der Angabe „bekömmlich“ beworben. Das Wort bekömmlich tritt dabei in folgenden konkreten Passagen auf:

1. Bei der Sorte „H.-Gold“ wird unter anderem ausgeführt:

Das würzig-frische Spitzenbier.

Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer.

So richtig nach dem Geschmack der

Biertrinkerinnen und Biertrinker

in Oberschwaben und im Allgäu.

2. Bei der Biersorte „Hl.“ wird unter anderem ausgeführt:

Das ist das Bier für den unbeschwerten

Genuss: feinwürzig und herzhaft im

Geschmack, erfrischend bekömmlich für

den großen und kleinen Durst.

3. Bei der Sorte „H.-Hell“ wird unter anderem ausgeführt:

Das bekömmliche „Blaue“: H.-Hell

(...)

Früher hieß dieses Bier „Lager“ - und es

hat alle Eigenschaften, die diesen alten

Biertyp auszeichnen: mild, süffig,

ausgewogen. Bei Temperaturen knapp

über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus,

wodurch es besonders bekömmlich wird.

Die vorgenannten drei Biersorten haben jeweils einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten vom 18.05.2015 (Anlage A 3) verwiesen.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht am 16.06.2015 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten erlassen, in der dieser unter Androhung von Ordnungsmittel untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent, insbesondere für die Biersorten „Härle-Gold“, „Hopfenleicht“ und/oder „Härle-Hell“ mit der Angabe „bekömmlich“ zu werben, sofern dies geschieht wie in Anlage A 3 wiedergegeben.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Verfügungskläger zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs nicht berechtigt sei, da er nicht über eine erhebliche Anzahl von Unternehmen als Mitglieder verfüge, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Verfügungsbeklagte vertrieben.

Die Verfügungsbeklagte meint, dass auch materiell kein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers bestehe, da sich die Angabe „bekömmlich“ im Kontext ihres konkreten Internetauftritts vom 18.05.2015 nur auf den Geschmack und die Genusswürdigkeit ihrer Biere beziehe. Vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher könne „bekömmlich“ in der Werbung der Beklagten nicht als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstanden werden, so dass Art. 4 Abs. 3 Satz 1 dieser Verordnung, der gesundheitsbezogene Angaben bei alkoholischen Getränken verbiete, nicht eingreife. Die Verfügungsbeklagte steht dabei auf dem Standpunkt, das Wort „bekömmlich“ sei für sich genommen neutral und beziehe sich allenfalls dann auf die Gesundheit, wenn es im Zusammenhang mit bestimmten Eigenschaften eines Lebensmittels verwendet werde.

Schließlich ist aus Sicht der Verfügungsbeklagten auf den örtlichen Markt abzustellen, und es sei den von ihrer Werbung angesprochenen Verbrauchern klar, dass die Angabe „bekömmlich“ einzig für die geschmackliche Hervorgehobenheit der Biere der Verfügungsbeklagten gelte, zumal diese schon seit den 1930er-Jahren mit dem Slogan „Wohl bekomm´s“ werbe.

Zudem ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass der Verfügungsantrag erkennbar zu weit gefasst sei, weil er die Angabe „bekömmlich“ generell verbieten wolle, ohne die Einschränkung hinzuzufügen, dass nur die Verwendung des Wortes „bekömmlich“ nur bin einem gesundheitsbezogenen Zusammenhang untersagt werden solle; es könne aber nicht richtig sein, dass auch die neutrale Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ nicht mehr zulässig sein solle.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Verfügungskläger meint, dass es sich bei der Angabe „bekömmlich“ um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handle, und dass die Werbung gem. § 4 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent deshalb unzulässig sei.

Der Verfügungskläger meint, dass unter einem bekömmlichen Getränk vom Verbraucher ein solches verstanden werde, das er gut vertrage, nicht aber ein „besonders geschmackvolles“ Getränk oder dergleichen, und dass die Angabe „bekömmlich“ dem Verbraucher eine gesundheitsfördernde Wirkung suggeriere. Der Verfügungskläger verweist auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06.09.2012 (Az. C-544/10) und meint, dass die dort formulierten Erwägungen auch für den vorliegenden Sachverhalt Geltung beanspruchten; es treffe zwar zu, dass sich die Angabe „bekömmlich“ dort auf den geringen Säuregehalt des beworbenen Weines bezogen habe; es sei dort aber im Kern um die allgemeine Frage gegangen, ob die Angabe „bekömmlich“ in Bezug auf Wein zulässig sei. Nach Ansicht des Verfügungsklägers kann es rechtlich auch keinen Unterschied machen, ob zugleich mit der Angabe „bekömmlich“ auch eine Begründung dafür geliefert werde, warum das Getränk bekömmlich sei.


Entscheidungsgründe


Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1; 4 Nr. 11 UWG die Unterlassung der Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verlangen.
1.

Die Antragsbefugnis des Verfügungsklägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Dem Verfügungskläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben räumlichen Markt wie die Verfügungsbeklagte vertreiben. Bereits die Mitgliedschaft der Lebensmitteldiscounter Lidl und Norma ist ausreichend, um diese Voraussetzung zu bejahen. Beide vertreiben in ihren Filialbetrieben unter anderem auch Bier und sind in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee, in der die Verfügungsbeklagte ihren Hauptumsatz macht, repräsentativ vertreten.
2.

Die Unlauterkeit der Werbung mit der Angabe „bekömmlich“ ergibt sich aus § 4 Nr. 11 UWG, wonach insbesondere derjenige unlauter handelt, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Vorschrift ist Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), der im Interesse des Gesundheitsschutzes der Verbraucher gebietet, dass Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürfen.

Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit der Angabe „bekömmlich“ für Biere mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verstößt gegen diese Vorschrift.
a)

Das in Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG) normierte Verbot gilt auch für die Werbung. Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen“, umfasst über die Kennzeichnung und Aufmachung hinaus auch die Werbung.

Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und der Systematik der Verordnung (OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 29).
b)

Bei der Angabe „bekömmlich“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe nach der Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), wonach der Begriff der „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe bezeichnet, „mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“.

Aus dieser sehr weit gefassten Definition ergibt sich, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht dahin gehen muss, ein Lebensmittel sei gesundheitsförderlich, sondern dass es ausreicht, wenn angegeben wird, es habe keine oder geringe negative Wirkungen auf die Gesundheit. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.09.2012 (Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz; - Juris Rz. 34) genügt jeder Zusammenhang, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes trotz des genannten, potentiell schädlichen Verzehrs. Der EuGH betont, dass der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen ist. Er führt aus, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen seien.

Im vorliegenden Fall wird durch die Angabe „bekömmlich“ ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel „Bier“ einerseits und der Gesundheit andererseits hergestellt. Mit dem Wort „bekömmlich“ wird suggeriert, dass der menschliche Körper und seine Funktionen durch den Bierkonsum keine Nachteile erleiden, also selbst beim Konsum größerer Mengen intakt bleiben. Die Behauptung eines solchen Zusammenhangs ist für den Bierkonsumenten auch von Bedeutung, denn mit dem Bierkonsum werden, insbesondere für den Fall übermäßigen Genusses, auch negative Folgen für den Körper in Zusammenhang gebracht; bei Dauerkonsum kann Bier den menschlichen Organismus sogar dauerhaft schädigen.
aa)

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Angabe „bekömmlich“ bei einem Lebensmittel in dem Sinne verwendet, dass es dem Konsumenten gut bekommt, also bei der Nahrungsaufnahme gut vertragen wird und dem Körper entweder förderlich oder wenigstens nicht abträglich ist. Es bedeutet „leicht verträglich, gut verdaulich [und daher gesund]“ (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010) oder auch „gesund, zuträglich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Als Verwendungsbeispiele werden genannt: „eine bekömmliche Mahlzeit“ oder „fette Speisen sind schwer bekömmlich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006).

Das Wort „bekömmlich“ meint daher die objektive Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen. Es bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine Funktionen (etwa die Verdauung und Resorption des Getränks in den Organen) nicht belasten oder beeinträchtigen wird (so auch OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 22).

Auch bezogen auf den örtlich relevanten Markt, den Bereich „Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee“, kann nicht festgestellt werden, dass das Wort „bekömmlich“ eine andere Bedeutung hätte.
bb)

Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, das Wort bekömmlich sei für sich genommen in gesundheitlicher Hinsicht neutral, es beziehe sich allenfalls im Kontext weiterer Aussagen auf die Gesundheit, kann nicht gefolgt werden. Gegen eine derart enge Auslegung spricht die weit gefasste Definition des EU-Verordnungsgebers in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die es auch genügen lässt, wenn ein Zusammenhang des Lebensmittels mit der Gesundheit „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird“. Danach genügt also ein „lockerer“ Zusammenhang mit der Gesundheit. Bereits durch die bloße Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für das Getränk Bier liegt ein solcher Zusammenhang vor, da „bekömmlich“ die Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen meint. Ob dieser Zusammenhang im weiteren Kontext der Werbung dann noch näher bestimmt und erläutert wird, spielt dagegen keine Rolle. In Bezug auf die Verwendung der Angabe „bekömmlich“ bei Wein das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 19.08.2009 (Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 21) fest:

Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an, das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.
c)

Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass das ausnahmslose Werbeverbot bezüglich gesundheitsbezogener Angaben für Anbieter alkoholischer Getränke mit Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag vereinbar ist, wonach die Europäische Union die in der EU-Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt. Der EuGH hat hierzu in der oben genannten Entscheidung vom 06.09.2012 ausgeführt, dass dieses absolute Werbeverbot selbst dann mit dem EU-Vertrag konform ist, wenn die gesundheitsbezogene Angabe bezogen auf eine konkrete Eigenschaft für sich genommen zutrifft, im entschiedenen Fall die Bezeichnung eines Weins als „bekömmlich“ mit der auf einen reduzierten Säuregehalt hingewiesen wird. Der EuGH führt aus, dass das Verbot sich durch die Verfolgung des in Art. 35 der EU-Charta anerkannten Ziels des Gesundheitsschutzes der Verbraucher rechtfertigt, und der Wesensgehalt der Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1 EU-Charta) oder der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 EU-Charta) in keiner Weise tangiert sei, da nur die Etikettierung und Werbung innerhalb eines klar abgegrenzten Bereichs geregelt werde und die Herstellung und der Vertrieb alkoholischer Getränke weiterhin erlaubt seien.

Gleiches gilt sinngemäß auch für die vorliegende Bierwerbung. Auch wenn wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass der maßvolle Konsum von Bier die Gesundheit fördert oder wenigstens nicht beeinträchtigt, wäre das Verbot gesundheitsbezogener Angaben durch Belange des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, nämlich das Ziel, die mit einem übermäßigen Bierkonsum einhergehenden Gefahren für die Gesundheit zu reduzieren, gerechtfertigt (EuGH vom 06.09.2012, Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz - Juris Rz. 34).
3.

Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin sei zu weit gefasst, weil damit das Wort „bekömmlich“ generell untersagt werden soll, also etwa auch für den Fall, dass dieses Wort in einem „neutralen“ Zusammenhang gebraucht werden sollte, kann nicht gefolgt werden.

Die Formulierung des Unterlassungsantrags darf zwar keine Handlungen einbeziehen, die nicht wettbewerbswidrig sind. Daher muss derjenige, der Unterlassung begehrt, die Umstände, unter denen eine Verhaltensweise ausnahmsweise erlaubt sein soll, so genau umschreiben, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem Verbot ausgenommen werden sollen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 12 Rn. 2.44).

Im vorliegenden Fall bedarf der Unterlassungsantrag jedoch keines einschränkenden Zusatzes. Es ist zwar eine Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für Bier in einem subjektiven Sinne denkbar (z. B. „Ich finde das Bier bekömmlich“), wobei mehr das allgemeine Wohlbefinden als die Wirkungen auf den Körper gemeint sind. Eine solche Verwendung lässt sich aber von der objektiven Bedeutung nicht trennen. Durch die Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für das Getränk Bier wird auch in einem solchen Fall gleichzeitig eine objektive Unbedenklichkeit in Bezug auf den Körper und seine Funktionen suggeriert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Adjektiv auch „neutral“, also nicht gesundheitsbezogen verwendet werden könnte.

Kosten: § 91 ZPO

LG Ravensburg: Bier darf nicht als bekömmlich beworben werden - Verstoß gegen Health-Claims-Verordnung

LG Ravensburg
Urteil vom 25.08.2015
8 O 34/15


Das LG Ravensburg hat entschieden,dass Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol.% nicht mit der Werbeaussage "bekömmlich" beworben werden darf. Insofern liegt ein Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung vor.

Die Pressemitteilung des LG Ravensburg

Urteil im Rechtsstreit um Bier-Werbung - Kurzbeschreibung: Brauerei darf ihr Bier nicht als "bekömmlich" bewerben

In dem Rechtsstreit zwischen einem Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und einer oberschwäbischen Brauerei um die Zulässigkeit der Werbeaussage „bekömmlich“ in Bezug auf das von der Brauerei angebotene Bier hat die 2. Kammer für Handelssachen beim Landgericht Ravensburg heute ein Urteil verkündet. Darin hat sie die bereits erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, mit der es der beklagten Brauerei untersagt worden war, ihr Bier mit dem Wort „bekömmlich“ zu bewerben.

Der Vorsitzende Richter am Landgericht Dr. Göller begründete die Entscheidung mit einem Verstoß der Werbeaussage gegen eine EG-Verordnung, welche gesundheitsbezogene Angaben zu Bier mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Vol.% verbietet. Das Kriterium des Gesundheitsbezugs sei bereits nach dem Wortlaut der EG-Verordnung weit gefasst. Es reiche aus, wenn ein Zusammenhang des Lebensmittels mit der Gesundheit „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht“ werde.

Das Wort „bekömmlich“ bringe in seiner Hauptbedeutung die Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen zum Ausdruck und weise damit objektiv - unabhängig von weiteren Erläuterungen - Gesundheitsbezug auf. Deshalb habe die Kammer die bereits erlassene einstweilige Verfügung bestätigt.

Gegen das Urteil kann binnen eines Monats ab Zustellung an die Parteien das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden."