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OLG Rostock: Absendung einer E-Mail begründet keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail

OLG Rostock
Hinweisbeschluss vom 03.04.2024
7 U 2/24


Das OLG Rostock hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass die Absendung einer E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Auch auf die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg stützten. Dieser hilfsweise Argumentationsstrang der Klägerin scheitert jedenfalls daran, dass nach Beweislastgrundsätzen nicht von dem beklagtenseits bestrittenen Zugang (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) des vermeintlichen Bestätigungsschreibens ausgegangen werden kann. Die Beweislast für den Zugang liegt – darüber besteht im Ausgangspunkt auch zwischen den Parteien Konsens – bei der Klägerin. Dabei kommt der Klägerin die von ihr reklamierte Beweiserleichterung eines Anscheinsbeweises nicht zu Gute. Taugliche Beweisantritte liegen nicht vor.

a) Für die Annahme eines Anscheinsbeweises für den Zugang einer feststehendermaßen abgesandten (einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten) E-Mail sieht der Senat keine Grundlage. Die von der Klägerin für ihren gegenteiligen Standpunkt zuletzt in der Berufungsbegründung zitierte instanzgerichtliche Entscheidung (AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.10.2008 – 30 C 730/08, BeckRS 2009, 5792), die einen Anscheinsbeweis bejaht hat, ist vereinzelt geblieben und hat sich nicht durchgesetzt. Hierauf hat bereits die Beklagte in der Berufungserwiderung unter Fundstellenangabe zutreffend hingewiesen. Es entspricht in der (insbesondere auch obergerichtlichen) Rechtsprechung sowie im Kommentarschrifttum nahezu einhelliger Auffassung, dass für den Zugang einer (im vorbezeichneten Sinne einfachen) E-Mail allein aufgrund des Feststehenden Absendens, auch in Verbindung mit dem feststehenden Nichterhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders, kein Anscheinsbeweis streitet (etwa: OLG Hamm, Beschluss vom 10.08.2023 – I-26 W 13/23 [Juris; Tz. 5 ff.]; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2018 – 2 Sa 403/18 [Juris; Tz. 39]; LAG Köln, Urteil vom 11.01.2022 – 4 Sa 315/21, MDR 2022, 392 [Juris; Tz. 58 f.]; LG Hagen, Beschluss vom 31.03.2023 – 10 O 328/22 [Juris; Tz. 9]; Erman/Arnold, BGB, 17. Aufl. 2023, § 130 Rn. 33; jurisPK-BGB/Reichold, 10. Aufl. 2023 [Stand: 15.05.2023], § 130 Rn. 65; Staudinger/Singer/Benedict, BGB, Neubearbeitung 2021, § 130 Rn. 110; BeckOK IT-Recht/Borges, 13. Edition – 01.05.2021, BGB § 130 Rn. 58; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 130 Rn. 21; BeckOGK BGB/Gomille, Stand: 01.09.2022, § 130 Rn. 135, m.w.N.). Diese Auffassung teilt auch der Senat. Der Zugang mag unter den genannten Voraussetzungen – sofern sie ihrerseits unbestritten oder erwiesen sind und damit prozessual feststehen – „die Regel“ darstellen, ist aber letztlich jedenfalls unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch, dass die Bejahung einer prima-facie-Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre.

b) Soweit die Klägerin zum Beweis des E-Mail-Zugangs bei der Beklagten auf eine Vorlage bzw. Offenlegung der gesamten elektronischen Posteingänge der Beklagten im hier interessierenden Zeitraum durch die Beklagte verweist, war und ist diesem Beweisantritt nicht nachzugehen. Nicht anders als in der „analogen“ Welt, in der ein Zugangsnachweis in einem Zivilprozess unstreitig nicht dadurch geführt werden könnte, dass die Briefkästen oder gar Wohn- und Geschäftsräume des vermeintlichen Empfängers umfassend auf den in Rede stehenden Brief „durchforstet“ werden und der Prozessgegner diese Maßnahme zu dulden bzw. an ihr gar aktiv mitzuwirken hätte, kann der Beweis des Zugangs einer E-Mail nicht dadurch erbracht werden, dass der vermeintliche Adressat selbst seinen E-Mail-Account mit dem virtuellen Posteingangskorb und ggf. weiteren Ablageordnern („Gelöschte Elemente“ o.ä.) zu Beweiszwecken gleichsam zur Verfügung stellen müsste (auch nicht indirekt im Rahmen einer sachverständigen Begutachtung; LG Duisburg, Beschluss vom 28.06.2010 – 12 S 67/10, RRa 2011, 25 [Juris; Tz. 10]). Ob für die Beklagte hinsichtlich des in Rede stehenden (E-Mail-) Schreibens eine steuer- oder handelsrechtliche Aufbewahrungspflicht bestanden hätte, spielt insoweit keine Rolle. Unabhängig hiervon bieten für eine entsprechende Beweisführung weder die §§ 371 ff. ZPO noch die §§ 142 ff. ZPO eine Grundlage. Die Klägerin selbst hat auch keine rechtliche Grundlage für ihren Beweisantritt benannt (…).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Gratiszeitungen und Anzeigenblätter dürfen in den Briefkasten eingeworfen werden, wenn lediglich ein Aufkleber "Keine Werbung" angebracht wurde

BGH
Beschluss vom 16.05.2012
I ZR 158/11



Der BGH hat im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass Gratiszeitungen und Anzeigeblätter in den Briefkasten eingeworfen werden dürfen, wenn lediglich ein Aufkleber "Keine Werbung" angebracht wurde. Damit hat der BGH die Entscheidung des OLG Hamm bestätigt (siehe dazu unseren Beitrag: OLG Hamm: Aufkleber "Keine Werbung" auf Briefkästen bezieht sich nicht auf kostenlose Zeitschriften und Anzeigenblätter).

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Berufungsgericht, dessen Urteil in GRUR-RR 2011, 469 und NJW 2011, 3794 veröffentlicht ist, hat mit Recht angenommen, dass das Verhalten der Beklagten nicht gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstößt. Die genannte Bestimmung setzt einen erkennbar entgegenstehenden Willen des Empfängers der Werbung voraus. Hieran fehlt es bei kostenlosen Anzeigenblättern, die ei-nen redaktionellen Teil enthalten, wenn ein Aufkleber auf einem Briefkasten sich lediglich gegen den Einwurf von Werbung richtet. Dies gilt auch dann, wenn in den Anzeigenblättern lose Werbeprospekte einliegen. Eine denkbare Belästigung wäre zudem nicht unzumutbar, weil der Empfänger ihr ohne weite-res durch das Anbringen eines entsprechenden Aufklebers "Keine Werbeprospekte und keine Anzeigenblätter" oder "Keine Werbeprospekte und keine Anzeigenblätter mit einliegenden Werbeprospekten" entgegentreten könnte."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Hamm: Aufkleber "Keine Werbung" auf Briefkästen bezieht sich nicht auf kostenlose Zeitschriften und Anzeigenblätter

OLG Hamm
Urteil vom 14.07.2011
I-4 U 42/11


Das OLG Hamm hat entschieden, dass sich ein Aufkleber mit dem Aufdruck "Keine Werbung" auf Briefkästen nicht auf kostenlose Zeitungen und Anzeigenblätter bezieht.

Das OLG führt in den Entscheidungsgründen aus:

"Die auf Werbeprospekte bezogene ablehnende Willensbekundung ist dabei nicht so auszulegen, dass den betreffenden Verbrauchern auch Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil als solche unerwünscht wären (OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 502). Der Begriff "Werbung" hat aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers keinen eindeutigen Erklärungsinhalt und lässt somit für den Verleger eines Anzeigenblattes nicht sicher erkennen, ob derjenige, der keine Werbeprospekte im Briefkasten haben will, auch den Einwurf von Anzeigenblättern ausschließen will oder nicht (vgl. Harte / Henning / Ubber, UWG, 2. Auflage, § 7 Rdn. 74). Erfasst von dem Sperrvermerk ist im Übrigen auch nicht die Zeitungsbeilagenwerbung, die regelmäßig mit dem Bezug von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften verbunden ist. Denn der Abonnent bezieht die Zeitung in der Form und in dem Umfang, in dem sie der Verleger vertreibt, also auch mit den überwiegend sogar auf der ersten Seite der Zeitung vermerkten Werbebeilagen."

Tip: Wer auch die üblichen Gratiszeitungen und Werbeblätter nicht erhalten möchte, sollte auf seinem Briefkasten auch einen Hinweis "Keine Gratiszeitungen/-zeitschriften" ergänzen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: