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EuGH zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen - Vertrieb von Cheat-Software/-Hardware zulässig sofen keine unzulässige Vervielfältigung ermöglicht wird

EuGH
Urteil vom 17.10.2024
C-159/23
Sony Computer Entertainment Europe ./. Datel Design and Development Ltd, Datel Direct Ltd, JS


Der EuGH hat sich zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen geäußert und entschieden, dass der Vertrieb von Cheat-Software/-Hardware zulässig ist, sofen durch die Produkte keine unzulässigen Vervielfältigungen der Software erstellt werden können.

Tenor der Entscheidung:
Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass der durch diese Richtlinie gewährte Schutz nicht den Inhalt von variablen Daten erfasst, die ein geschütztes Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermöglicht.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen erlaubt es dem Schutzberechtigten nicht, einem Dritten den Vertrieb einer Software zu untersagen, die nur den Inhalt von vorübergehend im Arbeitsspeicher einer Spielkonsole angelegten Variablen verändert

Sony vertreibt PlayStation-Videospielkonsolen und Spiele für diese Konsolen. Bis zum Jahr 2014 bot sie u. a. die Konsole PlayStationPortable und das Spiel „MotorStorm: Arctic Edge“ zum Kauf an.

Sony verklagte vor deutschen Gerichten das Unternehmen Datel, das Software und ein Gerät anbietet , die mit dieser PlayStation kompatibel sind und dem Benutzer in einer bestimmten Phase des Spiels von Sony nicht vorgesehene Spieloptionen bieten. Sony ist der Ansicht, dass die ihrem Spiel zugrunde liegende Software mit diesen Produkten von Datel umgearbeitet und so ihr ausschließliches Recht verletzt werde, derartige Umarbeitungen zu gestatten. Sie beantragte daher bei den deutschen Gerichten, Datel den Vertrieb der fraglichen Produkte zu untersagen und Datel zum Ersatz des Schadens, der ihr entstanden sein soll, zu verurteilen.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ersucht.

Der BGH weist darauf hin, dass die Software von Datel vom Benutzer auf der PlayStation installiert werde und gleichzeitig mit der Spielsoftware ablaufe. Sie verändere oder vervielfältige weder den Objekt- noch den Quellcode noch die innere Struktur und Organisation der Software von Sony. Sie beschränke sich darauf, den Inhalt von Variablen, die die Computerspiele von Sony vorübergehend im Arbeitsspeicher der Konsole angelegt hätten und während des Ablaufs des Spiels verwendeten, zu verändern. Das Spiel laufe so auf Basis dieses veränderten Inhalts der Variablen ab.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass der durch die Richtlinie spezifisch gewährte Schutz nicht den Inhalt von variablen Daten erfasst, die ein Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermöglicht. Die Richtlinie schützt nämlich nur die geistige Schöpfung, wie sie sich im Text des Quellcodes und des Objektcodes des Computerprogramms widerspiegelt. Hingegen schützt sie nicht die Funktionalitäten des Programms und auch nicht die Elemente, mittels deren die Benutzer solche Funktionalitäten nutzen, wenn diese keine Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichen.


Den Volltext der Entscheidung finden SIe hier:

Volltext BGH Vorlagebeschluss an EuGH: Zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen und zur Zulässigkeit des Vertriebs von Cheat-Software vor - Action Replay

BGH
Beschluss vom 23.02.2023
I ZR 157/21
Action Replay
Richtlinie 2009/24/EG Art. 1 Abs. 1 bis 3, Art. 4 Buchst. b; UrhG § 69a Abs. 1 bis 3, § 69c Nr. 2 Satz 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH legt EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen und zur Zulässigkeit des Vertriebs von Cheat-Software vor - Action Replay über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 bis 3, Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111 vom 5. Mai 2009, S. 16) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet ?

2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

BGH, Beschluss vom 23. Februar 2023 - I ZR 157/21 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH legt EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen und zur Zulässigkeit des Vertriebs von Cheat-Software vor - Action Replay

BGH
Beschluss vom 23.02.2023
I ZR 157/21
Action Replay

Der BGH hat dem EuGH Fragen zum urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen und zur Zulässigkeit des Vertriebs von Cheat-Software vorgelegt.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zum Schutz von Computerprogrammen vor

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die urheberrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht (sogenannte "Cheat-Software").

Sachverhalt:

Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin in ganz Europa Spielkonsolen und Computerspiele hierfür. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel in einem Rennspiel die Beschränkung der Verwendbarkeit eines "Turbos" oder der Verfügbarkeit von Fahrern. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem sie die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG.

Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung folgender Fragen vorgelegt:

1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

Vorinstanzen:

LG Hamburg - Urteil vom 24. Januar 2012 - 310 O 199/10

OLG Hamburg - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 5 U 23/12

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Richtlinie 2009/24/EG

Artikel 1 Gegenstand des Schutzes

(1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff "Computerprogramm" auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.

(2) Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt.

(3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden.