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OLG Frankfurt: Comiczeichnung einer liegenden Katze mit Mittelfinger-Geste ("Katze NÖ") als Werk nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 UrhG urheberrechtlich geschützt

OLG Frankfurt
Urteil vom 13.02.2025
11 U 10/23


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Comiczeichnung einer liegenden Katze mit Mittelfinger-Geste ("Katze NÖ") als Werk nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 UrhG urheberrechtlich geschützt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Der auf Unterlassung der Vervielfältigung und Verbreitung von Tassen und Fußmatten mit dem streitgegenständlichen Design gerichtete Klageantrag zu 1.) ist begründet (§ 97 I UrhG). Die Klägerin hat das eingangs des Tatbestands abgebildete und am 24. Juni 2018 auf www.spreadnet.de veröffentlicht Design der „Katze NÖ“ geschaffen. Das Landgericht hat bereits die Urheberschaft der Klägerin im Tatbestand seines Urteils verbindlich festgestellt. Soweit die Beklagten dies erstmals in der Berufungserwiderung vom 17.8.2023 (Bl. 887 d. A.) in Frage gestellt haben, müssen sie sich die Beweiskraft des Tatbestands des angefochtenen Urteils entgegenhalten lassen (§ 314 ZPO). Die Klägerin hat den Herstellungsprozess ihres Werks, wie er im obigen Tatbestand wiedergegeben worden ist, in ihrer Anhörung vor dem Senat nochmals überzeugend geschildert (Bl. 1060 d.A.). Die Beklagten sind dem nicht entgegengetreten, sondern haben selbst im Schriftsatz vom 17.8.2023 das klägerische Motiv als „handgezeichnete Katze“ bezeichnet (aaO, S. 9, Bl.886 d.A.).

2. Die Illustration der Klägerin hat Werkcharakter i.S. von § 2 I Nr. 4, II UrhG.

Werke im Sinne dieser Vorschrift sind nur persönliche geistige Schöpfungen. Für das Vorliegen von Urheberrechtsschutz kommt es - unabhängig von der Frage, ob die Gestaltung der zweckfreien oder der angewandten Kunst zuzurechnen ist - darauf an, ob eine Gestaltungshöhe erreicht wird, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise gerechtfertigt erscheint, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, Rn. 26 - Geburtstagszug).

Als Werke der bildenden Kunst können auch Trivialfiguren, wie z.B. Comiczeichnungen geschützt sein. Die Klägerin hat die Figur anfangs zweckfrei entworfen. Auch wenn eine gewerbliche Verwertung bei der streitgegenständlichen Gestaltung nicht fernliegt und die Zeichnung dann auch von ihr auf der Website einer print-on-demand - Anbieterin eingestellt wurde, kann der Gebrauchszweck daher nicht von vorn herein bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit berücksichtigt werden (vgl. dazu Senat, Urteil vom 12.6.2018, 11 U 51/18- Logo).

Die Eigentümlichkeit des reklamierten Werks kann nicht allein darin bestehen, dass einer Tierfigur menschliche Züge vermittelt worden sind. Die schöpferische Leistung kann vielmehr nur in der konkreten Umsetzung einer Gestaltungsidee liegen. Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit müssen demnach die schöpferischen Elemente der Gestaltung in ihrer Gesamtheit ins Auge genommen und es muss geprüft werden, ob die Antragstellerin möglicherweise den vorbekannten Formenschatz (lediglich) handwerklich überarbeitet hat, was einer Schutzunfähigkeit entgegenstehen könnte (vgl. Senat vom 15.9.2020, 11 U 76/19 - Powerherz). Dies ist hier aber nicht der Fall:

Die streitgegenständliche Darstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine auf der linken Körperhälfte liegende Katze mit wenigen Strichen (stilisiert) von hinten abgebildet wird. Die Umrisszeichnung ist in unterschiedlicher Strichdicke ausgeführt und betont die Rundung des Bauchs und den in den Bildvordergrund weisenden und mit gezackten Linien und feinen Strichen am Ende versehenen Schwanz des Tieres, das beim Betrachter einen „entspannten“ Eindruck hinterlässt. Im Kontrast zu der verniedlichten Darstellung des Subjekts durch die herausgearbeiteten Tierkonturen (z.B. buschiger Schwanz, runder Bauch, Barthaare, gestrichelter Kopf und gestrichelte Rückenpartie) steht die erhobene Pfote mit einem nach oben ausgestreckten „Mittelfinger“, was landläufig als menschliches Zeichen einer Schmähung oder zumindest einer Abwehr verstanden wird (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschluss vom 8.2.2017, 1 BvR 2973/14 - juris).

Die erforderliche Originalität kann daher darin gesehen werden, dass die zentrale Bildaussage - die dem Betrachter eine Abwehrhaltung vermitteln will - durch die Kombination einer lediglich konturenhaft dargestellten und als niedlich empfundenen Katzenfigur mit einer konkret dargestellten als negativ empfundenen Gestik visualisiert worden ist.

Dass eine derartige Gestaltung dem vorbekannten Formenschatz entnommen und lediglich handwerklich überarbeitet worden ist, lässt sich nicht feststellen. Die Beklagten tragen zwar zutreffend vor, dass Katzenmotive und deren graphische Gestaltungen bereits seit etlichen Jahren in den verschiedensten Ausprägungen bekannt sind. Die von den Beklagten vorgelegten Beispiele aus dem vorbekannten Formenschatz sind aber weder in ihrer Darstellungsweise noch in ihrer oben zusammengefassten Bildaussage mit der Illustration der Klägerin vergleichbar:

Soweit die Beklagte ursprünglich auf die vorbekannte „vermenschlichte“ Comicfigur einer Katze (Garfield) hingewiesen und Bildbeispiele präsentiert hat (Anlage BRP 4 - Bl. 597 d.A.), sieht der Senat im Hinblick auf deren deutlich abweichende Gestaltungsmerkmale und Bildaussage keine Verbindung zur Darstellung der Klägerin. Die im Schriftsatz vom 16.11.2021 als Anlage BRP 5 - BRP 8 vorgelegten weiteren „Katzenmotive“ sind unstreitig erst nach 2019 d.h. auch erst nach der von Frau B geschaffenen Illustration veröffentlicht worden und - soweit sie nicht als Kopien des klägerischen Motivs erscheinen - im Übrigen auch so „schlicht“ und phantasielos gehalten, dass sie das klägerische Motiv gar nicht hätten stimulieren können.

Die anschließend von den Beklagten vorgelegten vorveröffentlichten Motive „Mother of Cats“, „Best Cat Mom Ever“ oder „Mr. & Mrs. Panda“ (Anlagen BRP 11 - 13, Bl. 669 ff. d.A.) sind ebenfalls mit einer schlichten Linienführung ausgestaltet und vor allem mit völlig anderen Bildaussagen konzipiert. Dies gilt auch für die von der Zeugin B im Beweisaufnahmetermin vor dem Landgericht vorgelegten Übersicht „Ideenfindung visuell“, die in der oberen Bildhälfte verschiedene stilisierte Darstellungen von Katzen enthält, von denen allerdings keine dem streitgegenständlichen Original nahekommt (Bl. 726 d. A.). Das gilt zuletzt auch für die im Schriftsatz vom 16. Oktober 2024 auf Seiten 5 / 6 vorgelegten Abbildungen der von den Beklagten so genannten „Fluffy-Cat“, eine einfache Konturzeichnung einer „aufgerichteten Katze in Vorderansicht“ mit zwei erhobenen Pfoten, die schon auf den ersten Eindruck einen völlig abweichenden Eindruck hinterlässt.

3. Die von den Beklagten als Aufdruck von Tassen, Fußabtretern etc. verwendete und von der Klägerin angegriffene Illustration verletzt das Schutzrecht der Klägerin, woraus sich der zuerkannte Unterlassungsanspruch gem. § 97 I UrhG ergibt.

a) Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sind die individuellen Züge eines Werks. Nur sie sind vor Benutzung und Nachahmung geschützt. Der Schutzumfang wird durch den Grad seiner Individualität, d.h. durch seine Gestaltungshöhe bestimmt. Je stärker die Individualität des Schöpfers im Werk zum Ausdruck kommt, d.h. je größer die Gestaltungshöhe ist, desto größer ist der Schutzumfang. Umgekehrt folgt aus einem nur geringen Grad an schöpferischer Eigentümlichkeit auch ein entsprechend geringer Schutzbereich des betreffenden Werks (vgl. KG GRUR-RR 2002, 40, 50 - Vaterland; Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., Rn 36 zu § 2 UrhG m.w.N.).

Der Senat kann sich der Einschätzung des Landgerichts, das Werk der Klägerin liege an der Grenze zwischen Schutzfähigkeit und Schutzlosigkeit, nicht anschließen. Die Klägerin hat mit Recht darauf hingewiesen, dass ihre in der Tradition des Comic-Zeichnens stehende Illustration den Charakter und die Figur der abgebildeten Katze kurz und pointiert, zugleich aber auch anatomisch korrekt wiedergibt, was auch im Vergleich mit den weiteren beispielhaft vorgelegten Illustrationen der Klägerin deren individuelle Handschrift offenbart und sich deutlich von den anderen in diesem Rechtsstreit vorgelegten Mustern unterscheidet (Anlage K 10, Bl. 194ff d.A.). Auch das als qualifizierter Parteivortrag zu bewertende Privat-Kurzgutachten des Herrn C vom 28. November 2022 bestätigt dem Design der Klägerin eine eigenständige illustrative Handschrift, die prägnant, konsistent und im zeichnerischen Duktus durchgängig ist (Anlage K 18 - Bl. 840 d.A.). Dem sind die Beklagten durch die Vorlage des vorbekannten Formenschatzes nicht in substantiierter Weise entgegengetreten.

Aber selbst wenn man annimmt, dass der schöpferische Gehalt des Originals im unteren Bereich des Werkschutzes liegt, so ist das von der Klägerin geschaffene Motiv der Katzen-Silhouette in stilisierter Form mit emporgehobenen Mittelfinger aufgrund ihrer oben dargestellten individuellen Züge jedenfalls nicht nur gegen identische Kopien geschützt. Der Schutzbereich schließt auch solche Gestaltungen ein, die nur in kleinen Details vom Original abweichen und damit einen identischen Gesamteindruck vermitteln (vgl. zum Prüfungsumfang BGH GRUR 2023, 571, Rn 29 - Vitrinenleuchte; BGH GRUR 2005, 855, 856 - Hundefigur).

Dies trifft für die angegriffene Gestaltung der Beklagten zu, denn sie weicht lediglich in marginalen und für den Gesamteindruck unerheblichen Details der Strichführung, wie beispielsweise bei der etwas spitzer zulaufenden Pfote / Hand der Katze und des „Mittelfingers“ von dem Original ab. Das Landgericht hat diese minimalen, und für den Gesamteindruck unmaßgeblichen Abweichungen in seinem Urteil zutreffend aufgeführt (LGU S. 17). Ergänzend wird auf die von den Beklagten mit der Klageerwiderung eingereichte unmittelbare Gegenüberstellung der Motive verwiesen, die zur Überzeugung des Senats bei einem verständigen Betrachter keine für den Gesamteindruck relevanten Abweichungen erkennbar machen (Bl. 61 d. A.).

b) Die Vervielfältigung und Verbreitung des Motivs der Beklagten ist nicht aufgrund einer sog. Doppelschöpfung gerechtfertigt. Nach den eigenen Angaben der Beklagten und nach der insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin B ist das von ihr geschaffene Motiv erst Anfang 2019, also nach dem von der Klägerin geschaffenen Original erstellt worden. Es lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Gestaltung aus einer Doppelschöpfung von Frau B hervorgegangen ist.

aa) Eine Doppelschöpfung liegt vor, wenn mehrere Urheber unabhängig voneinander übereinstimmende Werke geschaffen haben, ohne dass der eine bewusst oder unbewusst auf das Werk des anderen zurückgegriffen hat. Eine hundertprozentige Übereinstimmung wird zwar nach menschlicher Erfahrung kaum eintreten. Im Ähnlichkeitsbereich liegende Gestaltungen sind aber durchaus möglich, besonders wenn der Spielraum für individuelles Schaffen begrenzt ist und die Individualität nur in bescheidenem Maße zutage tritt. Am ehesten finden sich solche Fälle im Bereich der kleinen Münze, etwa bei Prospekten, Tabellen und dgl. oder bei leichter Unterhaltungsmusik, ferner dann, wenn die beteiligten Urheber auf gemeinfreies Kulturgut zurückgreifen, das sie in eigenschöpferischer, aber ähnlicher Weise zu einem Werk formen (Loewenheim in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., Rn 34 zu § 23 UrhG m.w.N.; Senat GRUR-RS 2015, 15366 = WRP 2015, 1253 - Tapetenmuster).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Doppelschöpfung vorliegt, ist davon auszugehen, dass angesichts der Vielfalt der individuellen Schaffensmöglichkeiten auf literarischem und künstlerischem Gebiet eine weitgehende Übereinstimmung von Werken, die auf selbständigem Schaffen beruhen, nach menschlicher Erfahrung nahezu ausgeschlossen erscheint. Weitgehende Übereinstimmungen legen deshalb in der Regel die Annahme nahe, dass der Urheber des jüngeren Werkes das ältere Werk bewusst (Plagiat) oder unbewusst (unbewusste Entlehnung) benutzt hat, insoweit kann man von einem Anscheinsbeweis ausgehen (Loewenheim aaO., Rn 35 zu § 23 UrhG).

Derjenige, der sich auf die Doppelschöpfung beruft, hat den Anscheinsbeweis gegen sich, dass er zu dem Werk durch das ältere inspiriert worden ist, d.h. dass tatsächlich keine Doppelschöpfung vorliegt (h.M. Wandtke/Bullinger, UrhR, 6. Aufl, Rn 49 zu § 23 UrhG m.w.N.; a.A. OLG Köln GRUR 2000, 43, 44 - Klammerpose: volle Beweislast beim Anspruchsgegner).

Die Berufung auf eine Doppelschöpfung kann in der Regel nur dann gelingen, wenn sich die übereinstimmenden Elemente auch in anderen Werken wiederfinden bzw. wenn das ältere Werk unveröffentlicht war. Im letzteren Fall hat der Urheber des jüngeren Werkes die Möglichkeit zu belegen, dass ihm das ältere Werk nicht bekannt war. Praktisch relevanter sind die Fallgestaltungen, bei denen sich beide Autoren aus den gleichen gemeinfreien Quellen bedient haben und der als Verletzer in Anspruch genommene Autor durch Bezugnahme den Anscheinsbeweis entkräften kann, dass die Parallelen auf einer Bearbeitung oder Umgestaltung beruhen (vgl. Wandtke/Bullinger aaO, Senat aaO - Tapetenmuster).

Die Beklagten haben den gegen sie sprechenden Anschein weder erschüttern noch widerlegen können. Anders als das Landgericht hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die bei der Beklagten angestellte Designerin B das angegriffene Motiv ohne Kenntnis des Originals selbständig entworfen hat.

bb) Die Zeugin B hat zwar vor dem Senat erneut bekundet, das Motiv der Klägerin vor der Anfertigung ihrer Illustration nicht gekannt zu haben. Die Illustration von Frau B ist von den Beklagten als Produktaufdruck vorgelegt worden (vgl. Anlage BRP 2 - Bl. 27 d. A.). Frau B hat ferner bekundet, die Web-Site www.(...).de vor Anfertigung ihrer Illustration nicht gekannt zu haben. Sie hat außerdem ausgesagt, ihr eigenes Motiv sei aus einem Arbeitsauftrag der Geschäftsleitung an die Grafiker der Beklagten hervorgegangen, für Tassen ein Design zu entwerfen, bei dem Katzen vorkommen und freche Aussagen; auch das Thema „Mittelfinger“ sei damals im Trend gewesen. Sie habe ihre eigene Illustration mit Hilfe des Software-Programms „ADOBE Illustrator“ und den bei der Beklagten zu 1) elektronisch vorhandenen Vorlagen aus der Sammlung „Colorbox“ in mehreren Schritten entwickelt.

cc) Der Senat hat zwar keine Zweifel daran, dass Frau B bzw. das Designerteam der Beklagten von der Geschäftsleitung den oben geschilderten Arbeitsauftrag erhalten hatte. Es bestehen aber durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben von Frau B soweit sie angegeben hat, dass sie ihre Illustration ohne Kenntnis von dem klägerischen Original geschaffen hat.

Diese Zweifel gründen sich in erster Linie auf die nahezu vollständige Übereinstimmung der angegriffenen Verletzungsform mit dem Original der Klägerin. Die Gegenüberstellung in der Klageerwiderung (Anlage BRP 8) ebenso wie die Darstellung in der Berufungsbegründung mit den „übereinandergelegten Katzen“ (Bl. 828 d. A.) zeigt die nur minimalen Abweichungen beider Motive ebenso wie die identische Platzierung und Gestaltung des unter der Katzenfigur befindlichen Worts „NÖ“.

Der Senat hält es auch unter Berücksichtigung des nachfolgend dargestellten weiteren gesamten Beweisergebnisses für ausgeschlossen, dass Frau B ohne Kenntnis von dem klägerischen Original eine so weitgehend identische Linienführung der Katzensilhouette hat erschaffen können.

Frau B hat ihren „Schaffensprozess“ nicht konsistent geschildert. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie Frau B mit Hilfe des von ihr bekundeten bzw. beim Landgericht präsentierten Vorlagenmaterials zu dem streitgegenständlichen Endprodukt gelangt ist. So hat sie u.a. beim Landgericht und beim Senat angegeben, als Vorbild habe die Darstellung einer niedlichen Katze „Fluffy Cat“ mit einem gestreckten Mittelfinger gedient. Dieses Vorbild war nie präsentiert worden. Die erst nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme von den Beklagten mit Schriftsatz vom 16.10.2024 (dort S. 5) vorgelegte Konturenzeichnung eines Katzengesichts mit zwei Pfoten „Fluff You“ hat nach Einschätzung des Senats nicht einmal ansatzweise etwas mit dem streitgegenständlichen Motiv zu tun und kann daher auch nicht als Vorlage oder Inspiration taugen.

Soweit die Zeugin in ihrer Vernehmung beim Landgericht als Anlage zum Protokoll eine Zusammenstellung von Illustrationen vorgelegt hat (ein Blatt mit Überschrift „Ideenfindung visuell“, ein Blatt ohne Überschrift), ist diese Zusammenstellung nach ihren eigenen Angaben vor dem Senat von ihr selbst erst nachträglich erstellt worden und die Entwicklungsgeschichte ihres Produkts lässt sich nach ihrer eigenen Angabe daraus auch nicht schrittweise entnehmen. Das in dieser Zusammenstellung am Ende des nicht betitelten Blattes mit dem Zusatz „NÖ“ wiedergegebene Design entspricht im Übrigen auch nicht der angegriffenen Verletzungsform, so dass Frau B selbst jedenfalls niemals das Endprodukt ihres Schöpfungsvorgangs und damit das vermeintlich „doppeltgeschöpfte zweite Original“ vorgelegt hat. Auf die Ausführungen der Klägerin auf Seiten 20 ff. der Berufungsbegründung, denen der Senat folgt, wird verwiesen (Bl. 826 ff. d.a.). Frau B hat in ihrer letzten Vernehmung klargestellt, es sei ihr nahezu unmöglich, den konkreten Entstehungsprozess ihrer Zeichnung vor dem Gericht zu erläutern.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch keinen Anlass, der erstmals nach der Zeugenvernehmung unter Sachverständigenbeweis aufgestellten Behauptung der Beklagten nachzugehen, es existiere noch eine Adobe Illustrator Datei, aus der die Bearbeitungsschritte zu entnehmen und zu erkennen sei, dass nicht die Zeichnung eines Dritten Ausgangspunkt des Schaffensvorgangs von Frau B gewesen sei. Da Frau B am Ende ihrer Aussage vor dem Senat eine solche Datei erwähnt, aber trotz ausführlicher Erörterung dieses Themas mit keinem Wort angesprochen hat, dass dieser Datei irgendwelche „Entwicklungsschritte“ zu entnehmen wären, die den Entstehungsprozess erklären könnten, ist dieser neue Sachvortrag als Behauptung „ins Blaue hinein“ anzusehen und das Beweisangebot als unzulässiger Ausforschungsbeweis zu bewerten. Wenn man das anders sehen wollte, so wäre dieser Vortrag und das zugehörige Beweisangebot jedenfalls gem. § 531 II ZPO präkludiert.

Weitere Ungereimtheiten ergeben sich aus den unterschiedlichen Angaben von Frau B, die in ihrer ersten eidesstattlichen Versicherung angegeben hatte, den Entwurf zunächst mit Bleistift angefertigt und dann mit dem Computer nachgearbeitet zu haben, während sie in einer späteren eidesstattlichen Versicherung und in ihren Zeugenvernehmungen bekundet hat, sie habe ihre Illustration ausschließlich mit dem genannten Computerprogramm und einer Computermaus erstellt. Die Zeugin hat zwar in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht erläutert, wie es zu den unterschiedlichen Versionen der auf denselben Tag datierten eidesstattlichen Versicherungen gekommen ist. Dennoch bleiben gerade auf die Ausführungen von C in dessen Privatgutachten Zweifel, ob es überhaupt möglich sein kann, eine solch komplexe Zeichnung ohne Kenntnis des Originals nur mit Hilfe einer Computermaus erschaffen zu können. Die entsprechende Rückfrage des Klägervertreters im Senatstermin, wie es dazu kommen kann, dass sich beispielsweise die Streifen am Schwanz der Katze oder Details an deren Hals bei beiden Zeichnungen an genau derselben Stelle befinden, konnte die Zeugin nicht beantworten.

Im Ergebnis gilt das gleiche für das identisch positionierte und mit identischer Schrifttype gefertigte Wort „NÖ“ unterhalb der Katzenfigur. Auf Frage des Gerichts, wie sich die Zeugin dies erklärt, hat sie geantwortet, diese Schrifttype sei damals für sie „gängig“ gewesen, was aber schon nicht die identische (!) Positionierung des Worts erklärt und auch deshalb zweifelhaft war, weil Frau B trotz ihrer beruflichen Erfahrung als Grafikerin nicht in der Lage war, die Schrifttype zu benennen.

Die minimalen Abweichungen der angegriffenen Verletzungsform von dem Original lassen sich ohne weiteres mit dem Arbeitsauftrag von Frau B erklären. Sie war verpflichtet, eine Vorlage zu erstellen, die auf Folien, Textilien, Kaffeetassen oder Fußabtreter aufgedruckt werden konnte, was es erforderlich machte, ein möglichst klares und starkes Konturenbild zu zeichnen, dass gut durch den Drucker (Plotter) erfasst werden konnte (vgl. ihre Zeugenaussage vor dem Senat Bl. 1061 d.A.). Hiermit lässt sich ohne weiteres erklären, warum die Katze bei Frau B einen durchgängigen Strich als „Schädeldecke“ bzw. als Schwanzende erhalten hat bzw. warum deren Katze einen deutlicher konturierten Übergang vom Rücken zum Schwanz aufweist. Die Beklagten haben in ihrem jüngsten Schriftsatz vom 16. 10. 2024 selbst dargestellt, dass es mit dem von Frau B benutzten Software-Programm „Adobe Illustrator“ ohne weiteres möglich ist, einfache Strichzeichnungen mit unterschiedlichen Linienstärken zu versehen und nachträglich zu verändern.

Unerheblich bleibt die Angabe der Zeugin B, sie habe damals den Anbieter „A AG“ und dessen Web-Sites www.(...).de bzw. www.(...).de nicht gekannt. Dies scheint schon deshalb fragwürdig, weil sowohl die Beklagte zu 1) als auch die A AG in derselben Branche der Print-on-demand - Anbieter tätig sind und weil letztere nach eigenem Vortrag der Beklagten in dieser Branche eine erhebliche Marktbedeutung hatte. Letztlich spielt diese Bekundung von Frau B aber auch keine Rolle, weil das Katzenmotiv der Klägerin - wie die Zeugin selbst angegeben hat - u.a. auch über eine Google Bildersuche ohne weiteres aufgefunden werden konnte. Dies widerlegt auch den Einwand der Beklagten, die Web-Site www.(...).de sei offenbar nicht suchmaschinenoptimiert und daher seien dort eingestellte Bilder nur für Nutzer der Web-Site auffindbar gewesen.

Die Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben von Frau B werden nicht dadurch ausgeräumt, dass sie „Auslöser“ der hiesigen Auseinandersetzung war, in dem sie sich in einem unternehmensinternen Chat vom Freitag, 29.5.2020 bei Kollegen über die Illustration eines auf www.(...).de abgebildeten T-Shirt mit dem Motiv der Klägerin aufgeregt hat, was zu der Aufforderung eines Kollegen geführt hat, den Beklagten zu 4) zu kontaktieren (Anlage BRP 3 zur Berufungserwiderung). Eine Stunde später hat dann der Beklagte zu 4) die Fa. A AG elektronisch abgemahnt (Anlage BRP 4 zur Berufungserwiderung).

Den Beklagten ist zwar zuzugeben, dass ein solches Verhalten einer Designerin nicht verständlich ist, wenn diese zuvor das fremde Motiv übernommen hat. Letztlich muss aber auch die Vorgeschichte dieses unternehmensinternen Chats beleuchtet werden, die aus unterschiedlichen, jeweils nicht völlig fernliegenden Gründen das Verhalten von Frau B nachvollziehbar macht. Sie hat beim Landgericht und gleichermaßen beim Senat bekundet, zuvor privat einen sog. Facebook - Post mit einer Abbildung des Tassendesigns der Katze NÖ erhalten zu haben, das sie den Kollegen habe zeigen wollen. Da es ihr nicht gelungen sei, diesen wiederzufinden, habe sie einen Kollegen gebeten, ihr bei der Suche zu helfen und mit Hilfe der Google-Bildersuche sei man dann auf Abbildungen des klägerischen Designs auf Kapuzenpullovern und T-Shirts gestoßen.

Nach der gemeinsam mit dem Kollegen gefundenen „Entdeckung“, dass es auch ein „fremdes“ Design der „Katze NÖ“ als Konkurrenzprodukt und Aufdruck auf Gebrauchsartikeln gab, hätte Frau B ihr Wissen unternehmensintern ohnehin nicht mehr geheim halten können. Es ist daher denkbar und auch nicht ganz fernliegend, dass sie im Wissen von ihrem eigenen Plagiat nun „die Flucht nach vorne“ ergriffen und in dem unternehmenseigenen Chat die fremde Illustration als Kopie des eigenen Entwurfs angeprangert hat. Nachdem dann ein Kollege geraten hatte, sofort die Geschäftsleitung zu informieren, gab es für Frau B auch keinen Anlass mehr, dies wieder zurückzunehmen.

Ebenso denkbar und nicht ganz fernliegend ist die Erklärung, dass sich Frau B im Zeitpunkt der „Entdeckung“ auch gar nicht mehr konkret daran erinnern konnte, die Illustration der Klägerin als Vorlage für das eigene Motiv verwendet zu haben. Immerhin lag dies damals schon deutlich mehr als ein Jahr zurück und die Zeugin hat angegeben, während ihrer Tätigkeit für die Beklagten ca. 10.000 Designs angefertigt zu haben. Die Klägerin hat ferner durch Vorlage eines anderen Tassendesigns aus dem Jahr 2021 („Älter werden ist nix für Pussies“), das von der Zeugin B stammt, und durch Vorlage eines älteren Motivs mit derselben Wort- und Bildaussage und auch derselben verwendeten Schrifttype des Anbieters D belegen können, dass es auch einen anderen Fall gegeben hat, bei dem sich die Zeugin B an ein fremdes (allerdings wohl nicht geschütztes) Design angelehnt hat (Gegenüberstellung im Schriftsatz vom 21.3.2024, S. 4-5).

Aus den dargelegten Gründen vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass Frau B kein eigenes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits hätte und deshalb als besonders glaubwürdig anzusehen wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG München: Markenmäßige Verwendung einer Comicfigur auf einer Produktverpackung - keine Verwechslungsgefahr zwischen Käsestreifen mit Gesicht und aufgerollter Käseschnecke

LG München
Urteil vom 22.12.2017
33 O 22319/16


Das LG München hat entschieden, dass Verwendung einer Comicfigur auf einer Produktverpackung eine markenmäßige Verwendung ist. Im vorliegend Fall hat das Gericht aber eine Verwechslungsgefahr zwischen einem Käsestreifen mit Gesicht und einer aufgerollten Käseschnecke verneint.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Zwar scheitern kennzeichenrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten nicht schon daran, dass die beanstandete Zeichenvenwendung nicht markenmäßig erfolgt, sondern ist vielmehr mit der Klägerin davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr - zu dem auch die Kammermitglieder als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und zumindest potentielle Nachfrager der in Rede stehenden Käseprodukte gehören - das streitgegenständliche Bildzeichen jedenfalls auf der Produktverpackung als (weiteren) Herkunftshinweis auffassen.

a) Eine rechtsverletzende Benutzung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH voraus, dass die spezifischen Interessen des Markeninhabers deshalb betroffen sind, weil die Benutzung durch den Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte, insbesondere ihre Hauptfunktion, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 128 m.w.N.).

b) Die Ursprungsgarantie als Hauptfunktion der Marke wird dann beeinträchtigt, wenn das Zeichen von dem Dritten für seine Waren oder Dienstleistungen in der Weise benutzt wird, dass die Abnehmer es als Herkunftskennzeichnung dieser Waren oder Dienstleistungen auffassen, wofür es genügt, dass die Benutzung auch nur den Eindruck aufkommen lässt, dass eine Verbindung im geschäftlichen Verkehr zwischen den betroffenen Waren und dem Markeninhaber besteht (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 129 unter Verweis insbesondere auf EuGH GRUR 2003, 55 - Arsenal Football Club).

c) Eine markenmäßige Verwendung in diesem Sinne ist mithin dann gegeben, wenn ein Zeichen im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 132 m.w.N.). Ob eine Zeichenverwendung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden und daher im engeren Sinne markenmäßig verwendet wird, beurteilt sich nach dem Verständnis des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsabnehmers (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 138). Die Einstufung als herkunftshinweisende Verwendung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Zeichen vom Verkehr zusätzlich auch noch andere Funktionen oder Bedeutungen beigegeben werden. Es genügt vielmehr stets ein Verkehrsverständnis zumindest auch als Herkunftshinweis (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 140 unter Verweis auf EuGH GRUR 2003, 55 -Arsenal Football Club). Einer Einstufung als markenverletzendem Gebrauch steht mithin nicht entgegen, dass das Zeichen auf dem Produkt des Dritten auch, aber nicht nur als Verzierung aufgefasst wird (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 205 mit Verweis auf EuGH GRUR Int. 2004, 121 - Adidas-Salomon und Adidas Benelux sowie auf EuGH GRUR 2008, 503 - adidas und adidas Benelux) insbesondere schließt eine Integration in die Produktaufmachung eine zumindest auch kennzeichenmäßige Verwendung nicht aus (vgl. OLG München GRUR-RR 2002, 57 - Benetton Slide).

Der Begriff des im engeren Sinne markenmäßigen Gebrauchs ist im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes grundsätzlich weit zu fassen; es genügt bereits die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt. Ob der Verwender subjektiv die betriebliche Herkunft kennzeichnen wollte oder mit einem solchen Verständnis rechnete, ist dagegen bedeutungslos. Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird, ist ein markenmäßiger Gebrauch zu verneinen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 143 ff.).

d) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist eine markenmäßige Verwendung des von der Klägerin beanstandeten Zeichens auf der Produktverpackung des von der Beklagten zu 1) hergestellten und vertriebenen Erzeugnisses „Tolle Rolle“ zu bejahen. Denn die streitgegenständliche Comicfigur ist prominent an der Verpackungsvorderseite angebracht und damit an einer Position, an der bei Lebensmittelverpackungen typischerweise Herkunftshinweise angebracht werden, nämlich weil die Kennzeichnung an dieser Stelle bei der Präsentation im (Kühl)-Regal stets präsent und gut sichtbar bleibt. An diese überaus gängige Kennzeichnungspraxis ist der angesprochene Verkehr gewöhnt.

Hieran vermag auch die Tatsache, dass auf der streitgegenständlichen Käseverpackung weitere Kennzeichnungen, wie etwa „MILKANA“ oder „Tolle Rolle!“, angebracht sind, nichts zu ändern. Denn der maßgebliche Verkehr ist - wie nicht zuletzt die von den Beklagten als Anlage B 4 vorgelegte Produktübersicht illustriert - gerade im Lebensmittelbereich daran gewöhnt, dass die Hersteller ihre Produkte nicht nur mit ihren Wortzeichen, sondern nicht zuletzt um eines schnellen Wiedererkennungswertes willen blickfangmäßig auch mit weiteren kennzeichnungskräftigen Bildelementen versehen, weshalb er das von der Klägerin angegriffene graphische Element als Zweitbzw. Drittmarke und damit als markenmäßig benutzt wahrnimmt.

2. Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen besteht jedoch keine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne.

a) Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (st. Rspr., vgl. nur EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

b) Die Klagemarke ist für die hier maßgeblichen Waren „Käse und Erzeugnisse aus Käse“ von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist für die Bundesrepublik Deutschland oder gar das Gebiet der Europäischen Union nicht hinreichend dargetan. Wie mit den Parteien bereits in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, sind die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgetragenen - und von den Beklagten bestrittenen - Zahlen nicht hinreichend aussagekräftig, weil die für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft ihrer Klagemarke darlegungs- und beweisbelastete Klägerin es unterlässt, Vergleichszahlen für Konkurrenzprodukte wie etwa den ...zu nennen, und weil von den bloßen Umsatzzahlen eines Produktes nicht zwingend auf das Maß der Kennzeichnungskraft der dieses kennzeichnenden Marke geschlossen werden kann. Umgekehrt ist aber auch eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke durch im engeren Ähnlichkeitsbereich liegende, benutzte Drittzeichen von den hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht hinreichend dargetan, so dass es beim Ausgangspunkt normaler originärer Kennzeichnungskraft (vgl. dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 532) der Klagemarke zu verbleiben hat.

c) Die sich gegenüberstehenden Waren, nämlich Käseprodukte, sind identisch.

d) Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen

[Abbildung]

und

[Abbildung]

auch in den nachfolgend wiedergegebenen Ausführungsformen

[Abbildung]

besteht absolute Zeichenunähnlichkeit im Rechtssinne:

aa) Hinsichtlich des Grades der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichszeichen dem angesprochenen Verkehr, also dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, vermitteln (vgl. EuGH GRUR Int 2004, 843 - MATRATZEN; EuGH GRUR 2007, 700 - HABM/Shaker; EuGH GRUR Int 2010, 129 - Carbonell/La Espanola; EuGH GRUR 2010, 1098 - Calvin Klein/HABM; BGH, GRUR 2011, 148 -Goldhase II; BGH, GRUR 2010, 833 - Malteserkreuz II). Eine künstlich zergliedernde, analysierende Betrachtungsweise ist zu vermeiden, weil auch eine größere Anzahl von Übereinstimmungen im Einzelnen nicht notwendig zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen muss. Der Verkehr nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (st. Rspr., vgl. nur EuGH GRUR 1998, 387 - Sabel/Puma).

bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist eine auch nur geringe Zeichenähnlichkeit im Rechtssinne wegen der bestehenden augenfälligen und überdeutlichen Zeichenunterschiede zu verneinen. Denn schon auf den ersten Blick erkennt der angesprochene Verkehr, dass es sich bei der Klagemarke um einen an dessen oberen Ende ausgefransten Streifen handelt, wohingegen das angegriffene Zeichen eine aufgerollte Schnecke darstellt. Hinzu kommen weitere, deutlich sichtbare Unterschiede zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen, nämlich die „Haare“ bei der Klagemarke, die im angegriffenen Zeichen gänzlich fehlen, sowie die prägnanten Augenbrauen und die vorderen Extremitäten (nämlich Arme samt gestikulierenden Greifhänden) im angegriffenen Zeichen, die wiederum bei der Klagemarke nicht vorhanden sind. Demgegenüber treten die Übereinstimmungen in der - bei einer Bewerbung von Käseprodukten wenig überraschenden - gelblichen Farbgebung und in der - gleichermaßen üblichen wie alltäglichen - comicartigen Gesichts- und Mimikgestaltung absolut in den Hintergrund und fallen daher nicht ins Gewicht.

cc) Dass dies letztlich auch die Klägerin so sieht, zeigt deren Bemühen, die „Rolle“ im angegriffenen Zeichen als nicht zu berücksichtigenden Zeichenbestandteil zu klassifizieren und den Zeichenvergleich auf nur einen Teil der angegriffenen Gestaltung zu beschränken. Damit kann sie jedoch im Ergebnis nicht durchdringen:

Zwar schließt es die Prämisse, dass die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind, nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den durch das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. BGH GRUR 2013, 833 - Culinaria / Villa Culinaria m.w.N., insbesondere auf EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE). Weiter ist möglich, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einem Zeichen älteren Zeitrangs kann Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. BGH GRUR 2013, 833 - Culinaria / Villa Culinaria m.w.N., insbesondere auf EuGH GRUR 2005, 1042 -THOMSON LIFE). Bestimmen jedoch sämtliche Bestandteile einer zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung den Gesamteindruck der Marke oder Kennzeichnung gleichermaßen, weil keiner dieser Bestandteile das Erscheinungsbild der Marke oder Kennzeichnung dominiert oder prägt, führt dies nicht dazu, dass diese Bestandteile eine selbständig kennzeichnende Stellung haben. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbständig kennzeichnend anzusehen. Andernfalls würde die Regel, dass bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen sind, weil im Normalfall der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, zur Ausnahme, und die Ausnahme, dass ein Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens eine selbständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten Zeichen einnimmt, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden, zur Regel (vgl. BGH GRUR 2013, 833 - Culinaria / Villa Culinaria m.w.N., insbesondere auf EuGH GRUR 2005, 1042 -THOMSON LIFE).

Für den hier zu entscheidenden Fall bedeutet dies Folgendes: Das von den Beklagten verwendete Zeichen begegnet dem angesprochenen Verkehr als ein einheitliches Zeichen, nämlich als aufgerollte Schnecke, und nicht als Abbildung des so beworbenen Käseprodukts („Käserolle“), auf dem ein weiteres Zeichen („Streifen mit Gesicht“) angebracht ist. Denn die angegriffene Darstellung erscheint mit dem der Wölbung der übrigen Rolle folgenden vorderen Ende und den sog. „Speedlines“ als eine dynamisierte Gesamtbewegung, zu der auch und gerade das Gesicht als untrennbarer Bestandteil gehört. Weil der angesprochene Verkehr aber keinerlei Veranlassung hat, das angegriffene Zeichen künstlich in zwei Bestandteile, nämlich „Streifen mit Gesicht“ plus „Rolle“, aufzuspalten, kann eine selbständig kennzeichnende Stellung des ersteren im angegriffenen Zeichen nicht angenommen werden. Weil darüber hinaus die Klägerin keinen Schutz der in Rede stehenden Gestaltung ihres „Streifens“ als Serienbestandteil beanspruchen kann, bleibt es bei dem Grundsatz, dass die sich gegenüberstehenden Zeichen in ihrem Gesamteindruck zu vergleichen sind. Dann aber scheidet jegliche Zeichenähnlichkeit im Rechtssinne aus, denn ein Pinsel ist keine Schnecke, und bloße Übereinstimmungen im (comicartigen) Stil der Darstellung können einen Motivschutz keinesfalls begründen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 968 mit Verweis auf BPatG Beschluss vom 10.12.2009, Az. 30 W (pat) 77/09 -laufender Chinese = BeckRS 2010, 03238).

e) Infolge der überaus deutlichen Zeichenunterschiede, die zu einer absoluten Zeichenunähnlichkeit im kennzeichenrechtlichen Sinne führen, ist eine unmittelbare wie auch eine nur mittelbare Verwechslungsgefahr trotz der bestehenden Warenidentität selbst bei - unterstellter - Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Klagemarke zu verneinen. Auf die zwischen den Parteien streitigen weiteren Fragen wie etwa der Passivlegitimation der Beklagten zu 2), und ob die Beklagte(n) das angegriffene Zeichen auch isoliert (markenmäßig) verwendet haben, kommt es daher nicht an.

II. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten bestehen ebenfalls nicht, weshalb die Klage auch im Hilfsantrag abzuweisen war.

1. Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 3 a) und b) UWG sind nicht gegeben, weil das beanstandete Zeichen die Klagemarke nicht nachahmt und daher weder eine Herkunftstäuschung herbeizuführen (§ 4 Nr. 3 a) UWG) noch die Wertschätzung der Klagemarke unangemessen auszunutzen oder zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 3 b) UWG) vermag. Insoweit dürfen die Wertungen des Kennzeichenrechts (siehe oben I.) nicht unterlaufen werden (vgl. dazu Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, § 4 Rdnr. 3.9). Auf einen Produktvergleich stützt sich die Klägerin zur Begründung ihrer behaupteten lauterkeitsrechtlichen Ansprüche nicht.

2. Aus denselben Gründen scheiden auch Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus § 5 Abs. 2 UWG aus. Auch bei der Prüfung des lauterkeitsrechtlichen Verwechslungsschutzes sind die Wertungen des Kennzeichenrechts (siehe oben I.) zu beachten: Liegt keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr vor, fehlt auch die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG (vgl. dazu Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Auflage, § 5 Rdnr. 9.8 und 9.9).

3. Für Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 13 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG fehlt es schon an der Darlegung einer … hierfür erforderlichen Täuschungsabsicht der Beklagten (vgl. dazu Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Auflage, Anh. zu § 3 III UWG Rdnr. 13.7).


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