BVerfG: Regelungen zur Datenerhebung in § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKAG und Datenspeicherung in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BKAG teilweise verfassungswidrig
BverfG
Urteil vom 01.10.2024
1 BvR 1160/19
Bundeskriminalamtgesetz II
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Regelungen zur Datenerhebung in § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKAG und Datenspeicherung in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BKAG teilweise verfassungswidrig sind.
Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
1. Voraussetzung einer heimlichen Überwachung von Kontaktpersonen mit eingriffsintensiven Maßnahmen zum Zweck der Datenerhebung ist jedenfalls, dass eine Überwachung der polizeirechtlich verantwortlichen Person mit entsprechenden Mitteln zulässig wäre.
2. Im Rahmen einer zweckwahrenden Verarbeitung zuvor erhobener personenbezogener Daten sind diese grundsätzlich zu löschen, nachdem der unmittelbare Anlassfall abgeschlossen und damit der der Erhebungsmaßnahme zugrundeliegende konkrete Zweck erfüllt ist. Ein Absehen von einer Löschung über den unmittelbaren Anlassfall hinaus kommt in Betracht, soweit sich aus den Daten – sei es aus ihnen selbst, sei es in Verbindung mit weiteren Kenntnissen der Behörde – zwischenzeitlich ein konkreter Ermittlungsansatz ergeben hat und damit die Voraussetzungen einer zweckändernden Nutzung vorliegen.
3. Eine vorsorgende Speicherung personenbezogener Grunddaten zur Identifizierung und zu einem bestimmten strafrechtlich relevanten Verhalten von Beschuldigten durch das Bundeskriminalamt auf einer föderalen polizeilichen Datenplattform erfordert jedenfalls die Festlegung angemessener Speicherschwellen sowie die Bestimmung einer angemessenen Speicherdauer:
a. Die vorsorgende Speicherung muss auf einer Speicherschwelle beruhen, die den Zusammenhang zwischen den vorsorgend gespeicherten personenbezogenen Daten und der Erfüllung des Speicherzwecks in verhältnismäßiger Weise absichert und den spezifischen Gefahren der vorsorgenden Speicherung angemessen begegnet. Dies ist bei der Speicherung von Daten für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten nur gegeben, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Betroffenen eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen werden und gerade die gespeicherten Daten zu deren Verhütung und Verfolgung angemessen beitragen können. Diese Prognose muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte stützen.
b. Es bedarf der gesetzlichen Regelung einer angemessenen Speicherdauer. Diese wird insbesondere geprägt durch das Eingriffsgewicht, die Belastbarkeit der Prognose in der Zeit sowie durch andere sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebende Gesichtspunkte. Die Prognose verliert ohne Hinzutreten neuer relevanter Umstände grundsätzlich an Überzeugungskraft über die Zeit.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 01.10.2024
1 BvR 1160/19
Bundeskriminalamtgesetz II
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Regelungen zur Datenerhebung in § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BKAG und Datenspeicherung in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BKAG teilweise verfassungswidrig sind.
Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
1. Voraussetzung einer heimlichen Überwachung von Kontaktpersonen mit eingriffsintensiven Maßnahmen zum Zweck der Datenerhebung ist jedenfalls, dass eine Überwachung der polizeirechtlich verantwortlichen Person mit entsprechenden Mitteln zulässig wäre.
2. Im Rahmen einer zweckwahrenden Verarbeitung zuvor erhobener personenbezogener Daten sind diese grundsätzlich zu löschen, nachdem der unmittelbare Anlassfall abgeschlossen und damit der der Erhebungsmaßnahme zugrundeliegende konkrete Zweck erfüllt ist. Ein Absehen von einer Löschung über den unmittelbaren Anlassfall hinaus kommt in Betracht, soweit sich aus den Daten – sei es aus ihnen selbst, sei es in Verbindung mit weiteren Kenntnissen der Behörde – zwischenzeitlich ein konkreter Ermittlungsansatz ergeben hat und damit die Voraussetzungen einer zweckändernden Nutzung vorliegen.
3. Eine vorsorgende Speicherung personenbezogener Grunddaten zur Identifizierung und zu einem bestimmten strafrechtlich relevanten Verhalten von Beschuldigten durch das Bundeskriminalamt auf einer föderalen polizeilichen Datenplattform erfordert jedenfalls die Festlegung angemessener Speicherschwellen sowie die Bestimmung einer angemessenen Speicherdauer:
a. Die vorsorgende Speicherung muss auf einer Speicherschwelle beruhen, die den Zusammenhang zwischen den vorsorgend gespeicherten personenbezogenen Daten und der Erfüllung des Speicherzwecks in verhältnismäßiger Weise absichert und den spezifischen Gefahren der vorsorgenden Speicherung angemessen begegnet. Dies ist bei der Speicherung von Daten für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten nur gegeben, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Betroffenen eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen werden und gerade die gespeicherten Daten zu deren Verhütung und Verfolgung angemessen beitragen können. Diese Prognose muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte stützen.
b. Es bedarf der gesetzlichen Regelung einer angemessenen Speicherdauer. Diese wird insbesondere geprägt durch das Eingriffsgewicht, die Belastbarkeit der Prognose in der Zeit sowie durch andere sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebende Gesichtspunkte. Die Prognose verliert ohne Hinzutreten neuer relevanter Umstände grundsätzlich an Überzeugungskraft über die Zeit.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: