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BGH: Deutscher Verbraucher hat Widerrufsrecht bei "Teakinvestment"-Vertrag über Teakbäume in Costa Rica mit Unternehmen in der Schweiz bei Vertragsschluss über Fernkommunikationsmittel

BGH
Urteil vom 15.05.2024
VIII ZR 226/22

Der BGH hat entschieden, dass ein in Deutschland wohnhafter Verbraucher ein Widerrufsrecht bei einem über Fernkommunikationsmittel geschlossenen "Teakinvestment"-Vertrag über Teakbäume in Costa Rica mit einem Unternehmen in der Schweiz hat

Die Pressemitteilung des BGH:
Zum Widerrufsrecht eines in Deutschland wohnhaften Verbrauchers bei Abschluss von "Kauf- und Dienstleistungsverträgen" über Teakbäume in Costa Rica mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen über Fernkommunikationsmittel ohne Widerrufsbelehrung

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass einem in Deutschland wohnhaften Verbraucher hinsichtlich über Fernkommunikationsmittel mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen ohne Widerrufsbelehrung abgeschlossener "Kauf- und Dienstleistungsverträge" über Teakbäume in Costa Rica ein Widerrufsrecht zusteht und dass dieses nicht zeitlich befristet ist.

Sachverhalt:

Die Beklagte, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, bot über ihre Internet-Homepage Interessenten den Ankauf von Teakbäumen auf Plantagen in Costa Rica an, um nach Jahren mit dem Verkauf des Holzes dieser Bäume eine Rendite zu erzielen ("Teakinvestment - Das natürliche Kraftpaket für ihr Portfolio"). Zusätzlich offerierte die Beklagte ihren Kunden, die erworbenen Bäume während der Laufzeit des Vertrages zu bewirtschaften, zu verwalten, zu schlagen, auszuforsten, zu ernten und zu verkaufen.

Der in Deutschland wohnhafte Kläger schloss in den Jahren 2010 und 2013 mit der Beklagten über Fernkommunikationsmittel jeweils einen "Kauf- und Dienstleistungsvertrag" über 800 beziehungsweise 600 Teakbäume für 37.200 € beziehungsweise 44.000 € mit einer Laufzeit von 17 beziehungsweise 14 Jahren. In den AGB der Beklagten ist bestimmt, das Vertragswerk unterstehe Schweizer Recht und Streitigkeiten unterstünden einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz der Beklagten in der Schweiz; weiterhin wird die Anwendung des Wiener Kaufrechts (CISG) ausdrücklich ausgeschlossen. Über etwaige Widerrufsrechte wurde der Kläger nicht belehrt.

Spätestens mit der Klageschrift vom August 2020 hat der Kläger seine auf die beiden Vertragsabschlüsse gerichteten Willenserklärungen widerrufen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die insbesondere auf die Rückzahlung der Entgelte abzüglich der bereits erhaltenen Holzerlöse (1.604,86 € beziehungsweise 2.467,07 €), insgesamt also auf Zahlung von 35.595,14 € beziehungsweise 41.532,93 €, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte des Klägers aus den Verträgen, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen ganz überwiegend Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen, nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB zusteht.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit folgt aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (im Folgenden: LugÜ II). Der Kläger hat in Bezug auf die Verträge vorliegend als Verbraucher gehandelt und die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auf Deutschland ausgerichtet. Die in den AGB der Beklagten enthaltene Regelung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten in der Schweiz ist nach Art. 17 LugÜ II unwirksam.

Die streitgegenständlichen Verträge unterliegen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO dem materiellen deutschen Recht; Art. 6 Abs. 4 Buchst. a und c Rom I-VO sind nicht einschlägig. Der Anwendbarkeit des materiellen deutschen Rechts steht die von den Parteien in Ziffer 27 der AGB gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO getroffene Wahl des Schweizer Rechts nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Rechtswahlklausel überhaupt wirksam ist, denn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf sämtliche im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen ergibt sich unter den hier gegebenen Umständen bereits aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO verankerten Günstigkeitsprinzip.

Dem Kläger stand nach § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 BGB aF ein Widerrufsrecht zu, das nicht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen ist. Für die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift ist maßgeblich, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht. Vorliegend geht es jedoch um eine langfristige Investition, der nur mittelbar spekulativer Charakter zukommt. Soweit § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF auf Preisschwankungen innerhalb der Widerrufsfrist abstellt, richtet sich deren Länge insoweit nach der vom Gesetz für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist von 14 Tagen.

Der Kläger hat das Widerrufsrecht auch wirksam ausgeübt; insbesondere war mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über sein Widerrufsrecht die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen.

Bei den vorliegenden Verträgen handelt es sich um Finanzdienstleistungsverträge im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF. Das Widerrufsrecht des Klägers ist deshalb nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 4) EGBGB zu dem dort genannten Zeitpunkt erloschen. Der Begriff der Finanzdienstleistung ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Geldanlage nur vorliegt, wenn Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Definition der Finanzdienstleistung aus Art. 2 Buchst. b RL 2002/65/EG (Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie) übernommen, so dass für die Ausfüllung des Begriffs auf das unionsrechtliche Verständnis zurückzugreifen ist. Zwar stellten nach dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission Direktinvestitionen in Sachgüter keine Finanzdienstleistung dar. Im weiteren europäischen Gesetzgebungsverfahren wurde der Begriff der Finanzdienstleistung jedoch bewusst weit gefasst und erstreckt sich nunmehr auch auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Geldanlage.

Ob dabei bereits der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage als Finanzdienstleistung angesehen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn die hier durch die "Kauf- und Dienstleistungsverträge" begründeten Pflichten der Beklagten sowie die zu Grunde liegende Interessenlage der Parteien unterscheiden sich wesentlich von denjenigen eines reinen Verkaufs von Sachgütern und rechtfertigen die Qualifikation des Gesamtvertrags als Finanzdienstleistung.

Zum einen besteht nach der Gesamtkonzeption des von der Beklagten einheitlich angebotenen "Teakinvestments" die aus der Sicht des Verbrauchers wesentliche Leistung der Beklagten ersichtlich nicht in der für einen reinen Erwerb von Sachgütern charakteristischen Verschaffung des Eigentums an den Bäumen, sondern in den zur Realisierung einer Rendite aus dem Investment bei lebensnaher Betrachtung erforderlichen Dienstleistungen der Beklagten, insbesondere der Verwertung der Bäume am Ende der Vertragslaufzeit.

Zum anderen verfolgt die Beklagte als Anbieterin des "Teakinvestments" mit der von ihr angestrebten Bündelung von Anlegerkapital und der jahrelangen Vertragslaufzeit ein Konzept, das über den reinen - auch institutionalisierten - Verkauf von Sachgütern hinaus Parallelen beispielsweise zu einem Sachwertefonds aufweist.

Vorinstanzen:

LG Köln - 21 O 345/20 - Urteil vom 30. November 2021

OLG Köln - 24 U 2/22 - Urteil vom 22. September 2022, veröffentlicht in juris

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 346 Wirkungen des Rücktritts

(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

[…]

§ 312b Fernabsatzverträge (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.

[…]

§ 312d Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. […]

[…]

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen

[…]

6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten, oder

[…]

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt wird. Bei Fernabsatzverträgen steht eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher gemäß Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Wird die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher nach dem gemäß Satz 1 oder Satz 2 maßgeblichen Zeitpunkt mitgeteilt, beträgt die Widerrufsfrist einen Monat. Dies gilt auch dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher über das Widerrufsrecht gemäß Artikel 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu einem späteren als dem in Satz 1 oder Satz 2 genannten Zeitpunkt unterrichten darf.

(3) Die Widerrufsfrist beginnt, wenn dem Verbraucher eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 entsprechende Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.

(4) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Diese Frist beginnt bei der Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger. Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht entsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß Artikel 246 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 1 bis 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

§ 357 Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe (in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung)

(1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. […]

[…]

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Artikel 229 § 32 Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung

[…]

(2) Solange der Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag, der vor dem 13. Juni 2014 geschlossen wurde, nicht oder nicht entsprechend den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist und solange das Widerrufsrecht aus diesem Grunde nicht erloschen ist, erlischt das Widerrufsrecht

[…]

3. bei Dienstleistungen: mit Ablauf des 27. Juni 2015.

(4) Die Absätze 2 und 3 sind nicht anwendbar auf Verträge über Finanzdienstleistungen. […]

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)

Artikel 6 Verbraucherverträge

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer

a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet

und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

[…]

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für:

a) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

[…]

c) Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, mit Ausnahme der Verträge über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien im Sinne der Richtlinie 94/47/EG;

[…]

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG

Artikel 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[…]

b) "Finanzdienstleistung" jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

[…]

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ II)

Artikel 15

(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

[…]

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

[…]

Artikel 16

(1) Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

[…]

Artikel 17



Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden:

1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird,

2. wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen, oder

3. wenn sie zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat haben, getroffen ist und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates begründet, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist.



EuGH: Bei fehlender Belehrung über Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenem Dienstleistungsvertrag muss Kunde nach Widerruf schon erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen

EuGH
Urteil vom 17.05.2023
C-97/22
Widerruf nach Vertragserfüllung)


Der EuGH hat entschieden, dass bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, der Kunde nach Widerruf bereits erbrachte Dienstleistungen nicht bezahlen muss.

Tenor der Entscheidung:

Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i und Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht: Widerruft ein Verbraucher einen bereits erfüllten, außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, so ist er von jeder Zahlungspflicht befreit

Der Unternehmer muss somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind.

Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Das Unternehmen versäumte es jedoch, ihn über das Widerrufsrecht zu unterrichten, das dem Verbraucher grundsätzlich während 14 Tagen zusteht, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens abgeschlossen worden war.

Nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen legte das Unternehmen dem Verbraucher die entsprechende Rechnung vor. Dieser beglich die Rechnung nicht, sondern widerrief den Vertrag. Er macht geltend, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Vergütung habe, da es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist (die sich bei einem solchen Versäumnis um ein Jahr verlängere) ausgeführt worden seien.

Das mit einem Rechtsstreit über diesen Anspruch befasste deutsche Gericht vertritt die Auffassung, dass ein Verbraucher nach den Bestimmungen des deutschen Rechts, die zur Umsetzung der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher erlassen worden seien, nicht für die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbrachte Dienstleistung aufzukommen brauche, wenn der Unternehmer es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten.

Das deutsche Gericht fragt sich jedoch, ob diese Richtlinie jeglichen Anspruch des Unternehmers auf „Wertersatz“ auch dann ausschließt, wenn dieser Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags ausgeübt hat. Auf diese Weise könnte der Verbraucher nämlich einen Vermögenszuwachs erlangen, was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe. Das deutsche Gericht hat daher den Gerichtshof ersucht, die Richtlinie unter diesem Gesichtspunkt auszulegen.

Mit seinem Urteil vom heutigen Tag beantwortet der Gerichtshof dieses Ersuchen dahingehend, dass ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit ist, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags erbracht wurden, wenn der betreffende Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.

Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in dem besonderen Kontext des Abschlusses eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen schützen. In diesem Kontext steht der Verbraucher nämlich möglicherweise psychisch stärker unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Daher ist die Information über das Widerrufsrecht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel geriete indessen in Gefahr, falls zugelassen würde, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Auch ohne Vertragsschlussmöglichkeit über Website muss Unternehmen über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten informieren wenn dort AGB zu finden sind

EuGH
Urteil vom 25.06.2020
C-380/19
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband eV
gegen
Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG


Der EuGH hat entschieden, dass ein Unternehmen auf seiner Webseite auch dann über die alternative Streitbeilegungin Verbraucherangelegenheiten nach Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/11/EU informieren muss, wenn über die Webseite kein Vertragsschluss möglich ist, sofern dort AGB für Kauf- oder Dienstleistungsverträge zu finden sind.

Tenor der Entscheidung:

Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) ist dahin auszulegen, dass ein Unternehmer, der auf seiner Website die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kauf- oder Dienstleistungsverträge zugänglich macht, über diese Website jedoch keine Verträge mit Verbrauchern schließt, in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Informationen über die Stelle oder die Stellen zur alternativen Streitbeilegung, von der bzw. von denen er erfasst wird, aufführen muss, sofern er sich verpflichtet oder verpflichtet ist, diese Stelle oder diese Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern einzuschalten. Es reicht insoweit nicht aus, dass der Unternehmer die Informationen in anderen auf der Website zugänglichen Dokumenten oder unter anderen Reitern der Website aufführt oder sie dem Verbraucher beim Abschluss des Vertrags, für den die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, mittels eines gesonderten Dokuments zur Verfügung stellt.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



AG Frankfurt: Vertrag über Gewichtsabnahmeberatung keine medizinische Beratung bzw kein Behandlungsvertrag sondern Dienstleistungsvertrag

AG Frankfurt
Urteil vom 22.03.2019
31 C 2664/18


Das AG Frankfurt hat entschieden, dass ein Vertrag über Gewichtsabnahmeberatung jedenfalls im dort entschiedenen Fall nicht als medizinische Beratung bzw. Behandlungsvertrag sondern als Dienstleistungsvertrag einzuordnen ist. Dies hat zur Folge, dass keine Ansprüche wegen mangelhafter Leistung geltend gemacht werden können.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Gewichtsabnahmeberatung ist keine „medizinische Behandlung“

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass durch die Annahme des Angebots zu einer Gewichtsabnahmetherapie im konkreten Fall kein Behandlungs-, sondern (lediglich) ein Dienstleistungsvertrag zustande gekommen sei, bei dem gerade keine Ansprüche wegen mangelhafter Leistung geltend gemacht werden können (Amtsgericht Frankfurt a. M., Urt. v. 22.03.2019, Az.: 31 C 2664/18 (23)).

Im Rahmen des zugrundeliegenden Rechtsstreits schloss die Beklagte bei der Klägerin einen Vertrag über eine vierwöchige Gewichtsabnahmeberatung ab, die eine regelmäßige Diätkontrolle unter Gabe von homöopathischen Mitteln (Shakes) umfasste. Den Pauschalpreis i. H. v. 1.390,00 Euro zahlte die Beklagte (bis auf 690,00 Euro Anzahlung) nicht. Die Klägerin nahm die Beklagte deshalb auf Leistung der Restsumme in Anspruch. Letztere war dabei der Ansicht, wegen Schlechtleistung keine weitere Zahlung mehr erbringen zu müssen, da sich durch die eingenommenen Mittel ihr Blutdruck auffällig erhöht habe und sie nicht über die Zusammensetzung und Nebenwirkungen der Präparate aufgeklärt worden sei. Zudem sei der Vertrag wegen Wuchers nichtig und er wurde hilfsweise wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klage – mit Ausnahme der nicht erforderlichen außergerichtlichen Anwaltskosten – stattgegeben. Gegenstand des geschlossenen Vertrages sei im konkreten Fall keine „medizinische Behandlung“ i.S.v. § 630a BGB gewesen, da weder die abstrakte Feststellung von Übergewicht an sich eine fachliche Qualifikation erfordere, noch ein individuelles Beschwerde- oder Leidensbild der Beklagten einer heilkundigen oder ernährungsberatenden Behandlung unterzogen worden sei. Bei dem damit vorliegenden Dienstleistungsvertrag sehe das Gesetz den Einwand der Schlechtleistung nicht vor. Die Beklagte sei auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen, die sie aber im Rechtstreit nicht anbrachte. Auch sei der Vertrag wegen Fehlens einer Zwangslage nicht wegen Wuchers nichtig oder im Rahmen der (zulässigen) Eventualanfechtung eine konkrete Täuschung von der Beklagten vorgetragen worden.

Die Entscheidung ist rechtskräftig


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: