Die EU-Kommission hat entschieden, dass TikTok / Bytedance nach vorläufiger Feststellung gegen den Digital Services Act (DSA) verstößt (hier: Fehlendes Repository für Werbung).
Die Pressmeitteilung der EU_Kommission: Kommission stellt vorläufig fest, dass das Anzeigenregister von TikTok gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt
Die Kommission hat TikTok heute von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste (DSA),ein Repository für Werbung zu veröffentlichen, nicht nachkommt. Ein solches Repository für Werbung ist für Forscher und die Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung, um Betrugsanzeigen, hybride Bedrohungskampagnen sowie koordinierte Informationsoperationen und gefälschte Werbung, auch im Zusammenhang mit Wahlen, zu erkennen.
Die Kommission hat festgestellt, dass TikTok nicht die erforderlichen Informationen über den Inhalt der Anzeigen, die von den Anzeigen angesprochenen Nutzer und die für die Anzeigen bezahlten Nutzer bereitstellt. Darüber hinaus erlaubt das Repository von TikTok der Öffentlichkeit nicht, auf der Grundlage dieser Informationen umfassend nach Werbung zu suchen, wodurch der Nutzen des Tools eingeschränkt wird.
Die vorläufigen Feststellungen der Kommission beruhen auf einer eingehenden Untersuchung, die unter anderem die Analyse interner Unternehmensdokumente, die Erprobung der Tools von TikTok und Interviews mit Experten auf diesem Gebiet umfasste. Mit der Übermittlung vorläufiger Feststellungen teilt die Kommission TikTok ihre vorläufige Auffassung mit, dass sie gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies gilt unbeschadet des Ergebnisses der Untersuchung.
Die nächsten Schritte
TikTok hat nun die Möglichkeit, seine Verteidigungsrechte auszuüben, indem es die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission prüft und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Parallel dazu wird das Europäische Gremium für digitale Dienste konsultiert.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission letztlich bestätigen, kann die Kommission eine Entscheidung über die Nichteinhaltung erlassen, die eine Geldbuße von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters sowie einen erweiterten Überwachungszeitraum auslösen kann, um die Einhaltung der Maßnahmen zu gewährleisten, die der Anbieter zur Behebung des Verstoßes zu ergreifen beabsichtigt. Die Kommission kann auch Zwangsgelder verhängen, um eine Plattform zur Einhaltung zu zwingen.
Hintergrund
Am 19. Februar 2024 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob TikTok möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Neben der Werbetransparenz betraf die Einleitung des Verfahrens auch die negativen Auswirkungen, die sich aus der Gestaltung der algorithmischen Systeme von TikTok (wie „Hasenlocheffekte“ und Verhaltenssucht), der Alterssicherung, der Verpflichtung zur Gewährleistung eines hohen Maßes an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz für Minderjährige und dem Datenzugriff für Forscher ergeben, für die die Untersuchung fortgesetzt wird.
Darüber hinaus hat die Kommission im Dezember 2024 ein förmliches Verfahren gegen TikTok wegen des Risikomanagements im Zusammenhang mit Wahlen und dem zivilgesellschaftlichen Diskurs eingeleitet, für das die Untersuchung fortgesetzt wird. Diese Untersuchungen werden von der Kommission vorrangig durchgeführt.
Die Kommission hat auch ein Hinweisgeber-Tool eingerichtet, das es Mitarbeitern und anderen Personen mit Kenntnissen ermöglicht, sich anonym an die Kommission zu wenden, um zur Überwachung der Einhaltung durch die Kommission durch benannte sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSEs) beizutragen.
Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass Google nach Art. 6 Digital Services Act als Störer für rechtswidrige Google Ads ab Kenntnis von der Rechtsverletzung haftet.
Aus den Entscheidungsgründen: Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht, §§ 935, 940, 936, 916 ff. ZPO.
I. Die Verfügungsklägerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihr aus der Verfügungsmarke ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte aus Artikel 9 Absatz 1, Absatz 2 lit. a), Artikel 130 Absatz 1 der Unionsmarkenverordnung (UMV) zusteht. Denn die Verfügungsbeklagte hat trotz vorangegangener Hinweise der Verfügungsklägerin auf Markenrechtsverletzungen von Dritten durch Verwendung des angegriffenen Zeichens auf der von ihr betriebenen Plattform nicht effektiv dafür gesorgt, dass gleichartige Verstöße beseitigt und effektiv verhindert werden.
Gemäß Artikel 9 Absatz 1, Absatz 2 lit. a) UMV erwirbt der Inhaber einer Unionsmarke mit ihrer Eintragung ein ausschließliches Recht, das es ihm unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte gestattet, es Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist.
1. Die Verfügungsklägerin ist als Markeninhaberin aktivlegitimiert.
2. Das angegriffene Zeichen wurde – wie aus dem Screenshot unter Ziffer I. des Verfügungstenors des Beschlusses vom 20.06.2023 sowie der in Bezug genommenen Anlage und der Anlage AS 16 ersichtlich – von Dritten markenmäßig im geschäftlichen Verkehr benutzt.
Von einer kennzeichenmäßigen beziehungsweise markenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 195/17 – GRUR 2019, 522 – SAM; Urteil vom 05.02.2009 – I ZR 167/06 – GRUR 2009, 484, Randnummer 61 – METROBUS). Unter die markenmäßige beziehungsweise kennzeichenmäßige Benutzung fällt insbesondere nicht der Gebrauch einer beschreibenden Angabe oder eine Zeichenverwendung, bei der ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (BGH, Urteil vom 13.03.2008 – I ZR 151/05 – GRUR 2008, 912, Randnummer 19 – Metrosex, mit weiteren Nachweisen; Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 18.06.2009 – C-487/07 – GRUR 2009, 756 Randnummer 61 – L’ORÉAL/BELLURE; Urteil vom 12.11.2002 – C-206/01 – GRUR 2003, 55 Randnummer 54 – ARSENAL FOOTBALL CLUB; Urteil vom 14.05.2002 – C-2/00 – GRUR 2002, 692 Randnummer 17 – Hölterhoff). Bei der Beurteilung, ob der Verkehr in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 195/17 – GRUR 2019, 522 – SAM; vergleiche auch BGH, Urteil vom 22.07.2004 – I ZR 204/01 – GRUR 2004, 865, 866 Randnummer 33 – Mustang). Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 195/17 – GRUR 2019, 522 Randnummer 42 – SAM).
Nach den vorstehenden Grundsätzen liegt hier eine markenmäßige Benutzung durch Dritte vor, da der durchschnittliche Internetnutzer – der von einer fehlenden Verbindung von Markeninhaber und Werbenden keine Kenntnis hat – aufgrund der konkreten Ausgestaltung der streitgegenständlichen Anzeige jedenfalls nicht erkennen kann, ob der jeweils Werbende im Verhältnis zur Verfügungsklägerin als Markeninhaberin Dritter oder mit dieser wirtschaftlich verbunden ist. In der vorliegenden Anzeige beabsichtigten die Benutzer vielmehr dem angesprochenen Verkehr nicht nur eine Alternative zu dem Angebot der Verfügungsklägerin darzubieten, sondern diesen glauben zu machen, dass die Anzeige von der Verfügungsklägerin als Markeninhaberin selbst stammt. Da die Phishingseitenbetreiber das angegriffene Zeichen aufgrund der konkreten Verwendung für Waren und Dienstleistungen benutzt haben, indem sie ihre Werbung an die Verwendung des Kennzeichens geknüpft haben, wird das angegriffene Zeichen zweifelsfrei als Herkunftshinweis verstanden. Die Verfügungsmarke wurde vollständig in die Werbeanzeige übernommen in der Absicht, bei dem angesprochenen Verkehr den falschen Eindruck zu erwecken, sie stamme von der Verfügungsklägerin. Denn durch den Verweis auf die Homepage der Verfügungsklägerin (www.s.com) soll und wird der angesprochene Verkehr die Anzeige der Verfügungsklägerin zuordnen.
3. Es liegt Doppelidentität im Sinne des Artikels 9 Absatz 2 lit. a) UMV vor.
Es besteht zum einen Zeichenidentität, da die Verfügungsmarke „S.“ von den Phishingseitenbetreibern identisch übernommen worden ist. Zudem liegt Dienstleistungsidentität vor, da suggeriert wird, dass unter dem angegriffenen Zeichen über die streitgegenständlichen Anzeigen beziehungsweise mit den über sie verlinkten Websites so genannte „Skins“ (virtuelle Gegenstände) für Computerspiele beworben, angeboten und vertrieben werden und die Verfügungsmarke für eben diese Dienstleistungen – Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Computersoftware; Dienstleistungen für elektronische Spiele, die über das Internet bereitgestellt werden – Schutz genießt.
4. Die Verfügungsbeklagte ist als Störerin passivlegitimiert.
a. Sie haftet vorliegend nicht als Täterin oder Teilnehmerin.
Sie erfüllt durch die Zurverfügungstellung ihrer Online-Suchmaschine mit der Möglichkeit, Werbeanzeigen zu schalten, nicht selbst den Tatbestand einer Markenverletzung gemäß Artikel 9 Absatz 2 lit. a) UMV. Denn sie betreibt weder die angegriffenen Phishingwebsites unter Nutzung des angegriffenen Zeichens, noch benutzt sie diese in Werbeanzeigen (vergleiche BGH GRUR 2007, 708 Randnummer 28 – INTERNET-VERSTEIGERUNG II).
Auch eine Haftung als Teilnehmerin an der Markenverletzung der Phishingseitenbetreiber scheidet aus. Eine solche setzt für die in Betracht kommende Gehilfenstellung zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vergleiche BGHZ 158, 236 [250] = GRUR 2004, 860 = NJW 2004, 3102 - Internet-Versteigerung I; GRUR 2007, 708 Randnummer 31 – INTERNET-VERSTEIGERUNG II). Nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsbeklagten erfolgt indes vor Inserierung keine Überprüfung der Werbeanzeigen hinsichtlich etwaiger Markenrechtsverletzungen. Dass die Verfügungsbeklagte vor den Hinweisen der Verfügungsklägerin Kenntnis von den konkreten Verstößen gehabt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte allgemein Kenntnis von möglichen Gesetzesverstößen auf ihrer Plattform gehabt und/oder damit gerechnet haben mag, dass es dort zu vergleichbaren Rechtsverletzungen kommt, begründet noch keinen bedingten Vorsatz in Bezug auf die ihr nicht konkret zur Kenntnis gelangten Gesetzesverstöße Dritter (BGH GRUR 2022, 1324 Randnummer 26 – uploaded II).
b. Die Verfügungsbeklagte haftet jedoch vorliegend als Störerin.
Die Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Artikel 6 Absatz 1 Digital Services Act (VO (EU) Nr. 2022/2065) (DSA).
Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Artikel 3 lit. g) iii) DSA). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte beim Generieren von Werbeanzeigen mit der Google Ads-Funktion ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hätte (vergleiche Erwägungsgrund 18 Satz 1 DSA), indem sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vergleiche Erwägungsgrund 18 Satz 1 DSA). Allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion ist nicht geeignet, eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vergleiche EuGH GRUR 2021, 1054 Randnummern 95, 107 fortfolgende – YouTube und Cyando).
Nach Artikel 8 DSA wird Anbietern von Vermittlungsdiensten keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Diese Regelung entspricht der vormals einschlägigen Haftungsprivilegierung der Diensteanbieter nach Artikeln 12 bis 15 der e-commerce-Richtlinie 2000/31/EG und §§ 7 bis 10 Telemediengesetz. Danach war anerkannt, dass Betreiber von Internetplattformen mit Blick auf fremde Inhalte keiner allgemeinen, proaktiven Prüfungspflicht unterliegen, sondern erst tätig werden müssen, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden sind (vergleiche EuGH, Urteil vom 12.07.2011 – C-324/09).
Artikel 6 Absatz 1 DSA sieht für das sogenannte Hosting nunmehr vor, dass bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung der von einem Nutzer bereitgestellten Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen haftet, sofern er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgehen (Buchstabe a), oder sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen (Buchstabe b).
Jedoch wird nach Artikel 6 Absatz 4 DSA die Möglichkeit unberührt gelassen, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern.
Da die UMV für den Unterlassungsanspruch eine eigenständige abschließende Regelung in Artikel 130 Absatz 1 UMV enthält, kann zwar weder für die Voraussetzungen noch den Umfang des Anspruchs unmittelbar auf das nationale Recht zurückgegriffen werden. Jedoch wird der Inhalt dieses autonomen Unterlassungsanspruchs durch Artikel 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) im Hinblick auf die Haftung von „Mittelspersonen“ näher bestimmt, nach deren Artikel 9 die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass Rechtsinhaber im Falle der (drohenden) Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine gerichtliche Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks dieser Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden (vergleiche BGH GRUR 2007, 708 Randnummer 35 – INTERNET-VERSTEIGERUNG II).
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte – zu denen auch Marken zählen – auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beigetragen hat. Die Haftung als Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (vergleiche auch BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 489/16 – Internetforum; BGH, Urteil vom 01.03. 2016 – VI ZR 34/15 – jameda.de II).
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen lösten das anwaltliche Abmahnschreiben der Verfügungsklägerin vom 25.05.2023 (vergleiche Anlage AS 13a) sowie deren anwaltliche E-Mail vom 30.05.2023 (vergleiche Anlage AS 15) eine Störerhaftung der Verfügungsbeklagten als Suchmaschinenbetreiberin aus. Hierdurch wurde die Verfügungsbeklagte hinreichend konkret von den klaren Rechtsverletzungen in Kenntnis gesetzt, so dass sie für die weiter fortwährenden – kerngleichen – Verletzungen als Störerin haftet. Dies gilt umso mehr, als die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte im Rahmen ihres Abmahnschreibens vom 25.05.2023 ausdrücklich und umfänglich auf die Art der zu unterlassenden Werbeanzeigen hingewiesen und zudem konkret auf die Werbeanzeige des „A. G., Türkei“ Bezug genommen hat, sodass es der Verfügungsbeklagten zum einen möglich war, die konkret angegriffene Werbeanzeige ausfindig zu machen und es zum anderen für sie ohne Weiteres erkennbar war, auf welche Art von Werbeanzeigen sich ihre Prüfpflichten erstrecken und welche Verletzungshandlungen zu unterlassen sind (vergleiche zu dem Umfang insoweit im Einzelnen Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Auflage 2024, § 14 Randnummer 500 folgende).
Dabei ist die Kenntniserlangung nicht dahingehend auszulegen, dass jede einzelne, obwohl kerngleiche Verletzung erst zur Kenntnis gebracht werden muss, da ein solches Erfordernis einen effektiven Schutz des Markeninhabers, der jede Markenverletzung zunächst hinzunehmen hätte, ins Leere laufen lassen würde. So wird auch im Urheberrecht eine mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbare Verantwortlichkeit eines Providers angenommen, wenn ein Nutzer in großem Umfang urheberrechtlich geschützte Musikstücke auf dem Rechner des Hostproviders für jedermann zum Download bereitstellt und der Provider zwar die einzelnen Musikstücke nicht kennt, wohl aber weiß, dass sie vom Nutzer ohne Zustimmung des Rechteinhabers öffentlich zugänglich gemacht werden (vergleiche zu § 10 TMG bereits MüKoStGB/Altenhain TMG, § 10 Randnummer 10). Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob die weiteren angegriffenen Anzeigen einschließlich der des Werbetreibenden „A. A.“ der Verfügungsbeklagten vorab in geeigneter Form zur Kenntnis gebracht worden sind.
Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien stellt sich diese Auslegung mit Blick auf einen effektiven Markenschutz bei kerngleichen Verletzungen als verhältnismäßig dar. Denn es kann auch vorliegend nicht zulasten der Verfügungsklägerin gehen, dass Phishingseitenbetreiber das durch die Verfügungsbeklagte bereitgestellte System ausnutzen, indem sie nach Sperrung einer Website sogleich neue Anzeigen unter Verwendung beispielsweise anderer Identitäten oder Landing-Pages schalten. Demgegenüber wird der Verfügungsbeklagten hierdurch keine allgemeine Prüfpflicht auferlegt, da ihr keine allgemeine Unterlassungsverpflichtung zur Nutzung des angegriffenen Zeichens auferlegt wird. Diese bezieht sich vielmehr lediglich auf Werbeanzeigen, welche die konkret benannte, markenrechtsverletzende Domain s.com ausweisen, jedoch nicht auf die Landing-Page s.com verlinken. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass die Verfügungsbeklagte im Rahmen der Google-Ads Anzeigen mit Gewinnerzielungsabsicht handelt und vor diesem Hintergrund das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Unterbindung ihr bekannter Markenrechtverletzungen beispielsweise durch Anpassung der automatisierten Prozesse zur Anzeigenerstellung keine unzumutbare Belastung darstellt.
5. Es liegt auch Wiederholungsgefahr vor. Zwar ist der Betreiber einer Internethandelsplattform und entsprechend auch ein Suchmaschinenbetreiber wie die Verfügungsbeklagte grundsätzlich nicht gehalten, jedes Angebot beziehungsweise jedes Suchergebnis vor der in einem automatisierten Verfahren erfolgenden Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Wird er allerdings – wie die Verfügungsbeklagte im Streitfall – auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Markenrechtsverletzungen kommt (vergleiche hierzu im Einzelnen BGH, Urteil vom 17. 8. 2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfüm). Daraus ergibt sich, dass eine Verhaltenspflicht des Betreibers, deren Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründen kann, erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung entstehen kann. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit welcher der Betreiber des Online-Marktplatzes erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gesehen werden, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09 – Stiftparfüm). Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich (vergleiche BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04 – Jugendgefährdende Medien bei eBay).
Dies ist hier jedoch der Fall, da die Verfügungsbeklagte eben diesen Pflichten – nach erstmaliger Kenntniserlangung der Rechtsverletzung Ende Mai 2023 – nicht nachgekommen ist, sondern weitere – kerngleiche - Verletzungshandlungen begangen wurden (vergleiche Anlage AS 16). Die Verfügungsbeklagte hat die durch die Verletzung indizierte Wiederholungsgefahr nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ausgeräumt.
II. Der gemäß §§ 935, 940 Zivilprozessordnung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben.
Der Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Den Nachteilen, die der Verfügungsklägerin aus einem Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache entstehen können, sind die Nachteile gegenüber zu stellen, die der Verfügungsbeklagten aus der Anordnung drohen. Das Interesse der Verfügungsklägerin muss so sehr überwiegen, dass der beantragte Eingriff in die Sphäre der Verfügungsbeklagten aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (Oberlandesgericht Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 146, 147 – E-Sky; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Auflage 2018, Randnummer 110).
Ein solches Überwiegen der Interessen der Verfügungsklägerin ist vorliegend gegeben. Bei der fortgesetzten Verwendung der streitgegenständlichen Werbeanzeigen droht ihr als Markeninhaberin eine nachhaltige Schädigung der Kennzeichnungskraft und Wertschätzung ihrer Verfügungsmarke, die nachträglich nicht mehr beseitigt werden kann. Dem Erlass der einstweiligen Verfügung stehen schutzwürdige Belange der Verfügungsbeklagten nicht entgegen.
Hinsichtlich der Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung bestehen keine Bedenken. Diese wird nach Artikel 129 Absatz 2 UMV, § 140 Absatz 3 Markengesetz vermutet.
Die EU-Kommission und das CPC-Netz (Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz) haben den Online-Marktplatz Temu angewiesen, die bestehenden Verstöße gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften abzustellen.
Die Pressemitteilung des EU-Kommission: Verbraucherschutz: Kommission und nationale Behörden fordern Temu zur Einhaltung der EU-Vorschriften auf
Im Anschluss an eine koordinierte Untersuchung auf europäischer Ebene haben das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) und die Europäische Kommission heute den Online-Marktplatz Temu auf mehrere Praktiken auf seiner Plattform hingewiesen, die gegen das EU-Verbraucherrecht verstoßen. Das CPC-Netz hat Temu angewiesen, seine Praktiken mit dem Verbraucherrecht der Europäischen Union in Einklang zu bringen. Temu steht nach wie vor unter Beobachtung und muss dem CPC-Netz weitere Informationen übermitteln. Die Maßnahmen des CPC-Netzes gegen Temu werden von den zuständigen nationalen Behörden Belgiens (Generaldirektion Wirtschaftsinspektion), Deutschlands (Umweltbundesamt) und Irlands (Kommission für Wettbewerb und Verbraucherschutz) geleitet und von der Europäischen Kommission koordiniert.
Die koordinierte Untersuchung des CPC-Netzes deckt ein breites Spektrum von Praktiken ab, mit denen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Temu konfrontiert sind. Diese können u. a. irreführend sein oder ihre Kaufentscheidungen unangemessen beeinflussen. Das CPC-Netz untersucht auch, ob Temu die spezifischen Informationspflichten für Online-Marktplätze nach dem Verbraucherrecht einhält.
Letzte Woche leitete die Kommission im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste ein förmliches Verfahren gegen Temu ein. Solche Verfahren und die gemeinsamen Durchsetzungsmaßnahmen des CPC-Netzes ergänzen einander und sollen ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld gewährleisten, in dem die Verbraucherrechte in Europa umfassend geschützt sind.
Im Sinne der am 13. Dezember in Kraft tretenden Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit muss es einen in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteur geben, der dafür verantwortlich ist, die Einhaltung der Produktsicherheitsanforderungen sicherzustellen. Dazu gehören auch spezifische Verpflichtungen für auf Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtete Online-Marktplätze. Gemäß der genannten Verordnung können die nationalen Marktüberwachungsbehörden anordnen, dass von ihnen als unsicher eingestufte Produkte aus dem Internet entfernt werden. Diese Verpflichtungen ergänzen das Gesetz über digitale Dienste.
Ergebnisse der koordinierten Untersuchung des CPC-Netzes
Die vom CPC-Netz ermittelten problematischen und gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften verstoßenden Praktiken von Temu umfassen Folgendes:
Falsche Rabattaktionen: Es wird der Eindruck erweckt, dass Produkte mit einem Nachlass angeboten werden, obwohl dies nicht der Fall ist.
Ausübung von Druck: Es wird der Eindruck vermittelt, dass Produkte nur begrenzt oder für kurze Zeit verfügbar sind, wodurch für Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufdruck entsteht.
Erzwungene Spielifizierung: Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden gezwungen, ein Glücksrad zu drehen, um auf den Online-Marktplatz zuzugreifen. Dabei werden wesentliche Informationen über die Nutzungsbedingungen im Zusammenhang mit den Gewinnen des Spiels verborgen.
Fehlende und irreführende Informationen: Es werden unvollständige und falsche Informationen über den Rechtsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Rücksendungen und Erstattungen vermittelt. Temu informiert die Verbraucherinnen und Verbraucher auch nicht im Voraus, dass für den Kaufabschluss ein bestimmter Mindestwert erreicht werden muss.
Gefälschte Bewertungen: Es werden unzureichende Informationen darüber bereitgestellt, wie die Authentizität der auf Temu veröffentlichten Bewertungen sichergestellt wird. Die nationalen Behörden hielten manche Bewertungen für unecht.
Versteckte Kontaktangaben: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich bei Fragen oder Beschwerden nicht ohne Weiteres an Temu wenden.
Darüber hinaus ersuchte das CPC-Netz Temu um Informationen, um zu bewerten, ob das Unternehmen weitere Verpflichtungen aus dem EU-Verbraucherrecht erfüllt, wie die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher, ob der Verkäufer eines Produkts ein Unternehmen ist oder nicht. Überdies soll gewährleistet sein, dass die Präsentation von Produktrankings, Bewertungen und Ratings nicht irreführend ist, Preisnachlässe korrekt angezeigt und berechnet werden und Angaben zu Umwelteinflüssen richtig und begründet sind.
Nächste Schritte
Temu hat nun einen Monat Zeit, um auf die Ergebnisse der Untersuchung durch das CPC-Netz zu antworten und darzulegen, wie es die ermittelten verbraucherrechtlichen Probleme beheben will. Je nach Antwort von Temu kann das CPC-Netz einen Dialog mit dem Unternehmen aufnehmen. Sollte Temu die vom CPC-Netz geäußerten Bedenken nicht ausräumen, können die nationalen Behörden Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Beispielsweise könnten Geldbußen auf der Grundlage des Jahresumsatzes von Temu in den betreffenden Mitgliedstaaten verhängt werden. Dies gilt unbeschadet der Befugnis der nationalen Behörden, in laufenden Verfahren Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen.
Hintergrundinformationen
Im Rahmen der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz bilden die nationalen Verbraucherschutzbehörden der 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und Islands gemeinsam das CPC-Netz, welches grenzüberschreitende Verstöße ermittelt und die EU-Verbraucherschutzvorschriften durchsetzt. Die Europäische Kommission erleichtert und koordiniert gegebenenfalls solche gemeinsamen Untersuchungs- und Durchsetzungsmaßnahmen.
Die verbraucherrechtlichen Verpflichtungen, die das CPC-Netz gegenüber Temu geltend macht, finden sich in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, der Richtlinie über Preisangaben, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln.
Temu wurde am 31. Mai 2024 gemäß dem Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform eingestuft. Temu hatte nach seiner Einstufung vier Monate Zeit, den strengeren Verpflichtungen nachzukommen, die für sehr große Online-Plattformen gelten. Dazu gehört die Verpflichtung, systemische Risiken, die sich aus seinen Diensten ergeben, ordnungsgemäß zu bewerten und zu mindern. Im Anschluss an eine Voruntersuchung leitete die Kommission am 31. Oktober 2024 ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob Temu möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Dabei geht es um die Bewertung, das Management und die Minderung von Risiken, die Transparenz von Empfehlungssystemen und den Datenzugang für Forschende.
Die koordinierte Maßnahme des CPC-Netzes gegen Temu lässt laufende Verfahren der nationalen Behörden unberührt. Bislang haben die ungarische Wettbewerbsbehörde, das polnische Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz und die französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung nationale Verfahren im Zusammenhang mit den Geschäftspraktiken von Temu angekündigt. Ebenso wenig berührt sie Verfahren, die die Europäische Kommission im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste eingeleitet hat oder in Zukunft einleiten könnte. Darüber hinaus schließt die koordinierte Maßnahme weder laufende noch künftige Durchsetzungsmaßnahmen der Marktüberwachungsbehörden im Rahmen des Produktsicherheitsrechts aus.
Die EU-Kommission hat gegen Temu u.a. wegen des Verkaufs illegaler Produkte, suchterzeugender Gestaltung und unzulässiger Produktempfehlungen ein förmliches Verfahren nach dem Digital Services Act (DSAeingeleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet förmliches Verfahren gegen Temu nach dem Gesetz über digitale Dienste ein
Die Kommission hat heute ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Temu möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste in Bereichen verstoßen hat, die mit dem Verkauf illegaler Produkte, der potenziell suchterzeugenden Gestaltung des Dienstes, den Systemen zur Empfehlung von Käufen für Nutzer sowie dem Datenzugang für Forscher zusammenhängen.
Der heutige Beschluss folgt auf eine vorläufige Analyse des von Temu Ende September 2024 vorgelegten Risikobewertungsberichts, der Antworten auf die förmlichen Auskunftsersuchen der Kommission vom 28. Juni 2024 und 11. Oktober 2024 sowie der von Dritten übermittelten Informationen. Die Kommission stützte sich auch auf Informationen, die im Rahmen des Kooperationsmechanismus mit den nationalen Behörden im Rahmen des Europäischen Gremiums der Koordinatoren für digitale Dienste ausgetauscht wurden, insbesondere mit dem irischen Koordinator für digitale Dienste.
Konkret wird sich die Untersuchung auf folgende Bereiche konzentrieren:
Die Systeme, über die Temu verfügt, um den Verkauf nicht konformer Produkte in der Europäischen Union einzuschränken. Es handelt sich unter anderem um Systeme zur Begrenzung des Wiederauftauchens von zuvor suspendierten Schurkenhändlern, von denen bekannt ist, dass sie in der Vergangenheit nicht konforme Produkte verkauft haben, sowie um Systeme zur Begrenzung des Wiederauftauchens nicht konformer Waren.
Die Risiken im Zusammenhang mit der suchterzeugenden Gestaltung des Dienstes, einschließlich spielähnlicher Belohnungsprogramme, und die Systeme, über die Temu verfügt, um die Risiken zu mindern, die sich aus einer solchen suchterzeugenden Gestaltung ergeben, die negative Folgen für das körperliche und geistige Wohlbefinden einer Person haben könnte.
Einhaltung der DSA-Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Art und Weise, wie Temu den Nutzern Inhalte und Produkte empfiehlt. Dazu gehört die Anforderung, die wichtigsten Parameter, die in den Empfehlungssystemen von Temu verwendet werden, offenzulegen und den Nutzern mindestens eine leicht zugängliche Option zur Verfügung zu stellen, die nicht auf Profiling basiert.
Einhaltung der DSA-Verpflichtung, Forschern Zugang zu den öffentlich zugänglichen Daten von Temu zu gewähren.
Temu würde nach dem Gesetz über digitale Dienste haftbar gemacht, wenn sich der Verdacht der Kommission als richtig erweisen würde, da diese Mängel Verstöße gegen die Artikel 27, 34, 35, 38 und 40 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen würden. Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Untersuchung durchführen. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.
Nächste Schritte
Nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweise sammeln, indem sie beispielsweise zusätzliche Auskunftsersuchen an Temu oder Dritte richtet oder Überwachungsmaßnahmen oder Befragungen durchführt.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens ermächtigt die Kommission, weitere Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, einschließlich des Erlasses eines Beschlusses über die Nichteinhaltung. Die Kommission ist ferner befugt, die von Temu eingegangenen Verpflichtungen zu akzeptieren, um Abhilfe in den von dem Verfahren betroffenen Bereichen zu schaffen.
Das Gesetz über digitale Dienste setzt keine rechtliche Frist für die Beendigung des förmlichen Verfahrens fest. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, darunter der Komplexität des Falls, dem Umfang der Zusammenarbeit des betreffenden Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Darüber hinaus greift die Einleitung eines förmlichen Verfahrens weder seinem Ausgang noch anderen Verfahren vor, die die Kommission nach anderen Artikeln des Gesetzes über digitale Dienste einleiten kann.
Ebenso wenig schließt sie künftige Durchsetzungsmaßnahmen aus, die von den nationalen Verbraucherschutzbehörden des Netzwerks für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC) in Bezug auf die Einhaltung der Verpflichtungen von Temu nach dem Verbraucherrecht der Union ergriffen werden können. Die Kommission wird ihre Bemühungen um die Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden bei der Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste fortsetzen, unter anderem durch die spezielle Arbeitsgruppe „Verbraucher und Online-Marktplätze“ des Europäischen Gremiums der Koordinatoren für digitale Dienste.
Auch die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens steht Handlungen und Entscheidungen der Marktüberwachungsbehörden auf der Grundlage der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit (Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit vom 13.12.2024) nicht entgegen.
Hintergrund
Temu wurde am 31. Mai 2024 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem sie erklärt hatte, monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der EU zu haben. Vier Monate nach seiner Benennung musste Temu die strengsten Verpflichtungen für VLOP erfüllen, die im Gesetz über digitale Dienste festgelegt sind. Dazu gehört die Verpflichtung, alle systemischen Risiken, die sich aus seinem Dienst ergeben, ordnungsgemäß zu bewerten und zu mindern. Temu meldete zuletzt im September 2024 92 Millionen monatliche Nutzer.
Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Plattformbetreiber wie YouTube auch nach Art. 6 Abs.1 Digital Services Act (DSA) nur bei unschwer erkennbareren Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Unterlassung haften.
Aus den Entscheidungsgründen: b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben des nunmehr geltenden Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über digitale Dienste (DSA), der die bisherigen Haftungsbeschränkungen des § 10 S. 1 TMG ersetzt.
aa) Bei der Beklagten handelt es sich um einen Vermittlungsdienstleister i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSA, weil sie einen „Hosting“- Dienst betreibt, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern (Art. 3 lit. g) iii) DSA). Es ist nicht dargetan, dass die Beklagte beim Hochladen des Videos ihre neutrale Rolle verlassen und eine aktive Rolle eingenommen hat (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA), insbesondere dass sie bewusst mit einem Nutzer zusammenarbeitet, um rechtswidrige Tätigkeiten auszuüben (vgl. Erwägungsgrund 18 S. 1 DSA). Insbesondere genügt allein die Bereitstellung der technischen Infrastruktur samt Such- und Rankingfunktion nicht, um eine aktive Rolle des Diensteanbieters zu begründen (vgl. EuGH GRUR 2021, 1054 Rn. 95, 107 ff. – YouTube und Cyando).
bb) Anbietern von Vermittlungsdiensten wird keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten (Art. 8 DSA, vgl. § 7 Abs. 2 TMG a.F.).
Darüber hinaus enthält die Vorschrift des Art. 6 DSA einen Haftungsausschluss für Hostingdienste, um die Haftungsrisiken für diese Dienste im Rahmen zu halten. Deren Anwendungsbereich ist eröffnet, da weder der Nutzer Herr J. der Beklagten untersteht oder von ihr beaufsichtigt wird, noch es sich bei dem Video um eigene oder zu eigen gemachte Inhalte der Beklagten handelt. Daher haftet die Beklagte als Diensteanbieterin nicht für die im Auftrag des Nutzers Herrn J. in dem Video gespeicherten Informationen, sofern sie keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat, und sobald sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen. Dabei ist die Kenntnis von einer konkreten rechtswidrigen Information erforderlich, weshalb der Hinweis auf eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung so präzise sein muss, dass der Diensteanbieter die beanstandeten Inhalte leicht auffinden und deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres feststellen kann (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 52).
Auch nach Art. 6 DSA muss somit ein Anlass für den Diensteanbieter bestehen, einen Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Ein solcher Anlass kann insbesondere durch hinreichend präzise und begründete Nutzermeldungen im Verfahren nach Art. 16 DSA entstehen, wobei sich die Unaufklärbarkeit der Rechtswidrigkeit nicht zulasten des Diensteanbieters auswirken darf (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 14. Ed. 1.4.2024, DSA Art. 6 Rn. 41). Auch in einem vorzusehenden Meldeverfahren muss nach Art. 16 Abs. 3 DSA die Information es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Sie darf es nicht erforderlich machen, dass der Hostingdiensteanbieter den Kontext eigenständig einschätzen und einer detaillierten juristischen Prüfung unterziehen muss (NK-DSA/Raue, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 16 Rn. 51).
cc) Die Haftungsbeschränkung des § 10 S. 1 TMG galt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hotelbewertungsportal). Es kann dahinstehen, ob dies auch für Art. 6 DSA angenommen werden kann (vgl. BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 61 ff.; NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 27 f.). Denn jedenfalls lässt Art. 6 Abs. 4 DSA – ebenso wie zuvor schon Art. 14 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie – die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern (vgl. (BGH a.a.O. Rn. 20 – www.jameda.de). Betroffen hiervon sind vor allem zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Materiell fußen derartige Anordnungen im deutschen Recht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Grundsätzen der Haftung als mittelbare Störer analog § 1004 BGB (BeckOK IT-Recht a.a.O. Art. 6 Rn. 64).
dd) Ob die vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht (so Müller-Terpitz/Köhler/Barudi, DSA, 1. Aufl. 2024, Art. 16 Rn. 33; auch kritisch zur Vermischung der Kenntniserlangung nach § 10 TMG und den Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung MüKoStGB/Altenhain, 4. Aufl. 2023, TMG § 10 Rn. 17), kann im Streitfall offenbleiben. Allerdings sprechen nach Auffassung des Senats verschiedene Umstände gegen einen solchen Widerspruch, zumal Erwägungsgrund 50 S. 1 des DSA auf die besonders wichtige Rolle des Hostingdiensteanbieters beim Umgang mit rechtswidrigen Online-Inhalten verweist.
Zum einen steht die Kenntniserlangung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b DSA in Wechselwirkung mit dem nach Art. 16 DSA einzurichtenden Meldeverfahren. Diese Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sollen nach Art. 16 Abs. 3 DSA bewirken, dass für die Zwecke des Art. 6 DSA von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation ausgegangen wird, wenn sie es einem sorgfältig handelnden Anbieter von Hostingdiensten ermöglichen, ohne eingehende rechtliche Prüfung festzustellen, dass die einschlägige Tätigkeit oder Information rechtswidrig ist. Auch Art. 16 Abs. 6 DSA enthält eine Verpflichtung zu einer Beschwerdeentscheidung, die sorgfältig, frei von Willkür und objektiv ist (vgl. NK-DSA/Raue, a.a.O. Art. 16 Rn. 62). Und die Pflicht zur sorgfältigen Bearbeitung einer Meldung nach Art. 16 Abs. 3 DSA kann eine Beteiligung des Verfassers des Betrags implizieren.
Zum anderen kann diese Obliegenheit zur Einholung einer Stellungnahme des Nutzers durch den Hostprovider unter die Regelung des Art. 6 Abs. 4 DSA subsumiert werden. Nach dieser Vorschrift lässt die in Abs. 1 enthaltene Privilegierung die Möglichkeit unberührt, dass eine Justizbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. Dies kann auch eine auf der Störerhaftung beruhende und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls begründete Pflicht des Providers zur Klärung der Berechtigung der Beanstandung des Betroffenen unter Einbeziehung einer Stellungnahme des Nutzers umfassen.
c) Vor dem Hintergrund dieser materiellen Anforderungen an ein Tätigwerden des Hostproviders trifft den Portalbetreiber in prozessualer Hinsicht bezüglich der für die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange maßgeblichen Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Klagepartei insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und sie auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Dabei kann der Portalbetreiber auch eine Recherchepflicht haben. Diese ist ihm grundsätzlich zumutbar, da er auf Grund seiner materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten sein kann, vom User zusätzliche Angaben und Belege zu den Tatsachen zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht seine Obliegenheit, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vom Nutzer entsprechende Informationen zu fordern. Kommt der Portalbetreiber dieser Obliegenheit nicht nach, sind die Tatsachenbehauptungen der Klagepartei nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 47-49 – www.jameda.de).
Dieser Grundsatz aus dem „Jameda-Urteil“ zur Darlegungslast entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast dann trifft, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Sie führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Prozessgegners, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2014, 657, Rn. 17, 18 – BearShare; BGH GRUR 2009, 871, Rn. 27 – Ohrclips).
Daraus folgt, dass die sekundäre Darlegungslast des Hostproviders und die daran anknüpfende Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO nicht greifen, wenn entweder die Tatsachen aus dem angegriffenen Beitrag aus der Sphäre des Betroffenen stammen oder dem Betroffenen eine weitere Sachverhaltsaufklärung – beispielsweise durch eine eigene Kontaktierung des Nutzers – möglich und zumutbar ist.
2. Im vorliegenden Fall können unter Berücksichtigung des zugrundezulegenden rechtlichen Maßstabs (nachfolgend unter Buchstabe a)) die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht unschwer bejaht werden (nachfolgend unter Buchstabe b)). Daher wurde dadurch eine Pflicht der Beklagten, i.S.v. Art. 6 Abs. 1 DSA bzw. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung als mittelbare Störerin tätig zu werden, nicht ausgelöst (nachfolgend unter Buchstabe c)). Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast veranlasst (nachfolgend unter Buchstabe d)).
a) Folgender Rechtsrahmen ist in Bezug auf die Voraussetzungen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Senat streitentscheidend:
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O. Rn. 30 – www.jameda.de). Dabei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der bewerteten Partei am Schutz ihrer sozialen Anerkennung und ihrer (Berufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen.
Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen insbesondere vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH GRUR 2013, 312 Rn. 12 – IM „Christoph“). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des sich Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten, denn an der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse.
Bei Meinungsäußerungen verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht (BVerfG NJW 2018, 770 Rn. 18). Lässt sich die Äußerung weder als Angriff auf die Menschenwürde noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder).
Bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung maßgeblich der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter die Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 38).
Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist dabei unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH NZG 2018, 797 Rn. 20).
Ein Anspruch steht grundsätzlich nur demjenigen zu, der durch den Beitrag individuell und unmittelbar betroffen ist. Die Äußerung muss sich, so wie sie vom Verkehr verstanden wird, mit dem Anspruchstellenden befassen oder in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seiner Betätigung oder gewerblichen Leistungen stehen (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 5 Rn. 262). Das ist primär derjenige, der in der Äußerung erwähnt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann in Konstellationen angenommen werden, die auf einem sehr engen Näheverhältnis beruhen (Ehefrau und Ehemann / Eltern und Kinder), wobei in diesen Fällen nicht jede (ehrverletzende) Äußerung ausreicht, sondern die Äußerung sich auch jeweils auf das Persönlichkeitsbild der mittelbar betroffenen Person auswirken muss. Darüber hinaus kann bei einem Verband auch ein Verbandsmitglied betroffen sein, wenn durch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbands zugleich auch das eigene Persönlichkeitsbild des Mitglieds mit der Vorstellung eines Minderwertes belastet ist (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 94). Schließlich kann bei juristischen Personen auch der unmittelbar Verantwortliche wie etwa der Alleingesellschafter und Geschäftsführer anspruchsberechtigt sein (BeckOK InfoMedienR/Söder, 44. Ed. 1.5.2024, BGB § 823 Rn. 74).
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs können die angegriffenen Äußerungen nicht als unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzungen qualifiziert werden. Entweder handelt es sich dabei um – eine Abwägung notwendig machende – Meinungsäußerungen, keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder nicht den Kläger unmittelbar betreffende Aussagen.
aa) Bei der explizit den Kläger namentlich nennenden Aussage
„Herr W., der überall als Manager von W. genannt wird – zusammen mit Herrn Prof. R. – sind nur Teilhaber der Gesellschaft“
handelt es sich um eine zulässige Tatsachenbehauptung. Denn der Kläger behauptet selbst, Gesellschafter der W. GmbH zu sein. Dies entspricht der umgangssprachlichen Formulierung „Teilhaber der Gesellschaft“.
Gleiches gilt für die Behauptung, dass Herr W. nach außen als Manager der W. GmbH auftrete. Auch diese Äußerung ist nach dem Klägervortrag zutreffend, da der Kläger in der Klageschrift ausführt, dass Herr W. in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig sei und die Tätigkeiten der Gesellschaft bei Veranstaltungen im Iran vorstelle.
bb) Bei der unmittelbar auf den Kläger bezogenen Äußerung
„Diese Personen (L., R., W.), die in die Taschen (der Menschen im Iran) greifen und ihnen das Geld herausziehen (rauben) […]“
handelt es sich um ein Werturteil, welches – da es nicht als Schmähkritik einzustufen ist – eine Abwägung der Grundrechtsbelange erfordert und deshalb nicht eine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.
(1) Es handelt sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, da die angegriffene Aussage Tatsachen und Meinungen derart vermengt, dass sie insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden und durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht würde.
Denn die Ermittlung des objektiven Sinns der Aussagen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, zeigt, dass es dem sich in dem Video Äußernden maßgeblich darum geht, sein subjektives Empfinden über das Geschäftsgebaren der W. GmbH insgesamt auszudrücken. Mit der Aussage wird nicht etwa ein konkreter Sachverhalt geschildert, in dem der Kläger anderen Personen „in die Taschen“ greife und so im Wege des Diebstahls oder Betrugs Geld aus diesen Taschen an sich nehme. Es wird vielmehr deutlich, dass hier eine wertende Äußerung, nämlich die subjektive Ansicht des sich Äußernden zum Ausdruck kommt. Er vermittelt sein eigenes Werturteil, indem er zeigt, dass nach seiner Auffassung das gerügte Verhalten der W. GmbH unredlich ist, weil die Betroffenen keine angemessene Gegenleistung für ihre Bezahlung erhalten. Das ist eine subjektive Einschätzung und damit eine Meinungsäußerung.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass selbst die Verwendung von Wörtern wie „Betrug“ oder auch „betrügerisch“ oder „Machenschaften“ nicht als Tatsachenbehauptung einer Strafbarkeit anzusehen ist, sondern als Werturteil im alltagssprachlichen Sinne (vgl. nur BGH GRUR 2015, 289, Rn. 10 – Hochleistungsmagneten; OLG Hamburg MMR 2011, 685 [688]; BGH NJW 2002, 1192 [1193]). In seiner Entscheidung Hochleistungsmagneten hielt der BGH etwa die Bezeichnungen als „groß angelegten Schwindel“ oder „Betrug“ für (zulässige) Meinungsäußerungen, da sie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der dortigen Klägerin zum Ausdruck brachten und damit eine subjektive Wertung. Selbst wenn man diese Begriffe als Entäußerung einer Rechtsauffassung verstehen wollte, änderte dies nichts an deren Zulässigkeit, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren (BGH a.a.O. Rn. 10 – Hochleistungsmagneten).
(2) Die für die Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderliche Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die angegriffene Äußerung als Schmähkritik zu qualifizieren wäre und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilhätte.
Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH a.a.O. Rn. 18 – Hochleistungsmagneten).
Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung im Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist, nicht als Schmähkritik zu qualifizieren, da ihr ein Sachbezug nicht abgesprochen werden kann. Der Beitrag bezieht sich – für den verständigen Durchschnittsrezipienten erkennbar – insgesamt auf den wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der W. GmbH. Diese Auseinandersetzung in der Sache tritt nicht, wie es bei der Schmähkritik der Fall wäre, vollständig in den Hintergrund, so dass die gesamte Kommentierung sich auch nicht in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Die Äußerung stellt ebenso wenig eine Formalbeleidigung oder einen Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da sie noch nicht das absolute Mindestmaß menschlichen Respekts verlässt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15.08.2023 – 204 StRR 292/23, Rn. 30). Gerade im Geschäftsverkehr muss man sich auch scharfe und überzogen formulierte Kritik gefallen lassen (vgl. BGH NJW 2015, 773 Rn. 19).
(3) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung wäre somit im Rahmen einer Gesamtabwägung der Schutzinteressen des lediglich in seiner Sozialsphäre betroffenen Klägers und dem Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund kann der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Klägers nicht unschwer bejaht werden.
cc) Die weitere unmittelbar auf den Kläger bezogene Äußerung
„Noch trauriger ist, dass weder Herr W. noch Prof. R. Fachkenntnisse in Arbeitsvermittlung haben.“
enthält ebenfalls keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Auch wenn die Äußerung insgesamt auf einem – eine Abwägung bedingenden – Werturteil beruht, enthält sie die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger über keine (besonderen) Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfüge, weil sie insoweit beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft. Auch wenn der Begriff der „Fachkenntnisse“ nicht eindeutig ist, enthält die Aussage für den angesprochenen Verkehr den nachprüfbaren Tatsachenkern, dass der Kläger keine langjährige Berufserfahrung und/oder Schulung durch umfassende Praxis und fundierte theoretische Kenntnisse im Bereich der Arbeitsvermittlung hat.
Dieser Tatsachenkern ist bereits nach den Darlegungen des Klägers nicht unzutreffend. Denn der Kläger trägt lediglich vor, dass er Professor an der Fakultät Betriebswirtschaft der T. Hochschule und lange Koordinator für die Iran-Aktivitäten der T. Hochschule gewesen sei. Seit 2008 habe er den Iran häufig besucht und sei mit den kulturellen und institutionellen Gegebenheiten im Iran und mit der Lage am deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Zudem betreue er in seiner Funktion als Hochschullehrer seit Jahren auch MBA-Studierende aus dem Iran. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht, dass er über spezifische – entweder durch Schulungen oder langjährige Praxiserfahrungen erworbene – Fachkenntnisse in der Arbeitsvermittlung verfügen würde, mag er auch Kenntnisse und Erfahrungen auf verwandten Gebieten besitzen, die für derartige Tätigkeiten nützlich sind.
Soweit in der Aussage darüber hinaus die fachliche Eignung des Klägers in Frage gestellt wird, handelt es sich um ein Werturteil, bei dem eine umfassende Abwägung der grundgesetzlich geschützten Interessen erforderlich ist (vgl. BVerfG GRUR 2013, 1266 – Winkeladvokat), weshalb keine unschwer zu bejahende Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist.
dd) Auch die – nicht den Kläger unmittelbar persönlich, sondern lediglich die W. GmbH betreffende – Äußerung
„Die Katastrophe scheint noch viel größer zu sein, wenn wir feststellen, dass die Firma gar nicht existiert, und die Adresse, die sie auf ihrer Website angibt, eigentlich zu einer Versicherungsfirma gehört“
kann nicht unschwer als Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden.
Zum einen ist – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung in Bezug auf dessen Aktivlegitimation veranlasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein entsprechend enges Näheverhältnis zwischen dem Kläger und der W. GmbH weder dargelegt noch erkennbar ist. Vielmehr ist der Kläger unstreitig lediglich Teil des „Teams“ des Unternehmens, hat aber bereits nach seinem eigenen Vortrag keine repräsentative Rolle inne, da nicht er, sondern Herr W. „in der Außendarstellung der Gesellschaft tätig [ist] und […] die Tätigkeiten der Gesellschaft auch bei Veranstaltungen im Iran vor[stellt]“. Auch ist er nicht Geschäftsführer der Gesellschaft. Sonstige Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger in einem besonders engen Zusammenhang zu der W. GmbH stehe, sind nicht dargetan. Insbesondere bleibt seine Tätigkeit für die W. GmbH auf seinem eigenen Internetauftritt unerwähnt. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich die über die W. GmbH getroffenen Äußerungen abträglich auf das Persönlichkeitsbild des Klägers auswirken.
Zum anderen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Videos, dass dieses nicht die rechtliche Existenz der W. GmbH in Abrede stellt, da der Beitrag – indem an anderer Stelle ausdrücklich auf die Handelsregistereintragung Bezug genommen wird – selbst davon ausgeht, dass die W. GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Der unvoreingenommene und verständige Durchschnittsempfänger versteht die angegriffene Äußerung daher dahingehend, dass darin als Tatsachenkern behauptet wird, dass der Geschäftsbetrieb der W. GmbH unter der auf der Webseite angegebenen Adresse physisch nicht auffindbar ist. Dieser Tatsachenkern ist nicht offenkundig unzutreffend, da die W. GmbH unstreitig in Bürogemeinschaft mit der Versicherungsfirma O. ansässig ist und sich deren Büroräume mit dieser teilt.
Die in dem Beitrag getroffene Schlussfolgerung in Bezug auf die (physische) Inexistenz der GmbH stellt eine die Abwägung erfordernde Meinungsäußerung dar.
ee) In Bezug auf die Äußerung
„Die W. GmbH verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung in Deutschland. Um dies in Deutschland tun zu dürfen, ist aber eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eine zwingende Voraussetzung, die die W. GmbH jedoch nicht hat“
stehen dem Kläger ebenfalls keine Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten zu.
Zum einen ist auch hinsichtlich dieser Aussage – da der Kläger nur mittelbar betroffen ist – eine komplizierte Rechtsprüfung zur Aktivlegitimation erforderlich. Auf die obigen Ausführungen unter B.III.2.b) dd) wird Bezug genommen.
Zum anderen ist unstreitig, dass die Aussage, wonach die W. GmbH über keine Erlaubnis zur Arbeitsvermittlung verfüge, an sich zutreffend ist. Zwischen den Parteien steht lediglich im Streit, ob eine solche Erlaubnis für die von der W. GmbH betriebene Arbeitsvermittlung rechtlich erforderlich ist oder nicht. Da die Beurteilung dieser Frage eine nicht unkomplizierte Rechtsprüfung notwendig macht, ist auch aus diesem Grund keine unschwer bejahbare Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Darüber hinaus handelt es sich bei der Einschätzung der Erlaubnispflichtigkeit der Tätigkeit der W. GmbH um eine rechtliche Bewertung, somit eine Meinungsäußerung.
ff) Die Äußerung
„Um die Wahrheit zu erfahren, reicht es nur, dass wir die Eintragung im Handelsregister der W. GmbH in Deutschland prüfen. Da entdecken wir einen Haufen Betrügereien und Lügen.“
ist als Meinungsäußerung in Bezug auf die W. GmbH zu qualifizieren, weshalb auch diesbezüglich die Beklagte nicht als mittelbare Störerin haftet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
c) Vor diesem Hintergrund lag im Streitfall kein Hinweis auf unschwer zu bejahenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers vor, aufgrund dessen die Beklagte die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Inhalte ohne Weiteres hätte feststellen können. Daher war auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Störerhaftung keine Bewertung des gesamten Sachverhalts durch die Beklagte einschließlich der Einholung einer Stellungnahme des Journalisten Herrn J. veranlasst, weshalb – wie bereits ausgeführt – der Senat nicht entscheiden muss, ob diese vom Bundesgerichtshof begründete grundsätzliche Notwendigkeit der Durchführung eines „Anhörungsverfahrens“ durch den Hostprovider den Vorgaben des DSA widerspricht.
d) Im vorliegenden Fall kann – entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts – auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte in prozessualer Hinsicht ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachkam. Deshalb sind die tatsächlichen vom Kläger vorgetragenen Umstände in Bezug auf die Beanstandungen aus dem streitgegenständlichen Video auch nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.
Zum einen fehlt es – wie soeben ausgeführt – an einem die materielle Prüfpflicht auslösenden Hinweis auf eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Zum anderen ist der Journalist Herr J., der das streitgegenständliche Video auf dem You-Tube-Kanal A. hochlud, den Gesellschaftern der W. GmbH bekannt. Vor Klageerhebung hatten sie mehrere E-Mails an ihn übersandt. Außerdem war das Video bereits zuvor der Geschäftsführerin der W. GmbH zugespielt worden. Anders als bei einem Bewertungsportal – bei dem der Nutzer zulässigerweise anonym auftreten kann, weshalb der bewertete Arzt diesen nicht kennt und sich die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen selbst dann, wenn sie dem Portalbetreiber vorliegen sollten, mangels Auskunftsanspruchs gegen den Portalbetreiber jedenfalls nicht auf diesem Weg beschaffen kann (vgl. BGH a.a.O. Rn. 38 f. – www.jamede.de) – stehen dem Kläger in Bezug auf die Äußerungen im Video durchaus Möglichkeiten zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung. Zwar sieht der Senat, dass der Journalist auf die ihm übersandten Mails nicht reagiert hatte. Es besteht jedoch beispielsweise die Möglichkeit, unmittelbar gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Dass ein solches Vorgehen gegen den in den USA wohnhaften Journalisten unzumutbar ist, trägt der Kläger nicht vor.
Schließlich handelt es sich bei den streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen – anders als beispielsweise der behauptete Behandlungskontakt eines anonymen Nutzers – um solche aus der Sphäre des Klägers. Der Kläger hat den besten Einblick in die W. GmbH, seinen Aufgaben darin oder seinen Fachkenntnissen in der Arbeitsvermittlung. Ihm ist Vortrag dazu möglich und zumutbar.
Deshalb trifft die Beklagte im vorliegenden Fall keine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die zu treffende Abwägungsentscheidung.
IV. Auch aus Art. 17 DSGVO ergibt sich kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten.
1. Dabei unterstellt der Senat zugunsten des Klägers, dass sich aus Art. 17 DSGVO grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Person ergeben kann (vgl. dazu Vorlagefrage des BGH in GRUR 2023, 1724 – Bewerbungsprozess).
Auch sieht der Senat, dass die Anwendbarkeit der DSGVO vom Gesetz über digitale Dienste unberührt bleibt (Art. 2 Abs. 4 lit. g DSA). Der Schutz von Einzelpersonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten soll sogar einzig durch die Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich, insbesondere durch die DSGVO, geregelt werden (Erwägungsgrund 10 UA 3 S. 2 DSA).
Schließlich geht der Senat davon aus, dass das von dem Journalisten Herrn J. hochgeladene Video auch personenbezogene Daten des Klägers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO enthält.
2. Der Senat kann offenlassen, ob das Betreiben einer Videoplattform, auf der Dritte personenbezogene Daten hochladen können, eine Verarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt und der Hostprovider dafür als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO anzusehen ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Provider dadurch in Bezug auf die in dem von dem Nutzer hochgeladenen Video – anders als hinsichtlich der Daten der Nutzer und Besucher der Seiten (vgl. dazu EuGH NJW 2018, 2537 Rn. 30 – ULD/Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein) – lediglich Speicherplatz zur Verfügung stellt. Auch wird der Content vom Provider nicht wie von einer Suchmaschine automatisch indexiert und den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung gestellt (vgl. dazu BGH GRUR 2020, 1331 Rn. 13 – Recht auf Vergessenwerden).
3. Die Frage des Vorliegens einer Verarbeitung kann dahinstehen, weil unabhängig davon der Kläger aufgrund der nachfolgend genannten Umstände keinen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten als Hostproviderin geltend machen kann.
a) Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, muss der Betroffene nachweisen, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist (BGH GRUR 2023, 1218 Rn. 33 – Recht auf Vergessenwerden II). Zwar hat der Bundesgerichtshof den für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer bestehenden Maßstab – wonach dieser aufgrund eines konkreten Hinweises Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt haben muss – für den Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zugunsten einer grundsätzlich gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aufgegeben (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II). Doch entspricht die Voraussetzung des bisher erforderlichen Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung letztlich der nunmehr maßgeblichen Voraussetzung eines relevanten und hinreichenden Nachweises, dass die in den gelisteten Inhalten enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind (BGH a.a.O. Rn. 36 – Recht auf Vergessenwerden II).
b) Die Anwendung dieses rechtlichen Maßstabs zum vom Bundesgerichtshof entwickelten Haftungsregime von Suchmaschinenbetreibern nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auf die Haftung von Hostprovidern führt im Streitfall dazu, dass aufgrund der erforderliche Abwägung der Unionsgrundrechte eine Löschung von der Beklagten nicht verlangt werden kann.
Zum einen gilt auch beim Provider, dass dieser – anders als der Inhalteanbieter, der den von ihm selbst generierten Inhalt unmittelbar zu verantworten hat – wie der Suchmaschinenbetreiber nur einen erleichterten Zugang zu diesem Content verschafft und damit mittelbar dessen Verbreitung fördert. Dieser unterschiedliche Grad an Einflussmöglichkeit auf die Richtigkeit des Inhalts bedingt auch bei der Haftung des Providers nach der DSGVO eine abgestufte, durch unterschiedliche Verhaltenspflichten gekennzeichnete Haftung. Auch beim Plattformprovider ergibt sich eine Auslistungspflicht nur als Folge der Verletzung nachgelagerter, durch eine initiale Meldung von Betroffenen ausgelösten Prüfungs- und Reaktionspflichten.
Zum anderen kann im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO durchzuführenden Abwägung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information die Vorschrift des Art. 6 DSA – der die Frage der Haftung des Hostproviders explizit regelt – nicht außer Acht gelassen werden. Die darin geregelte Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers mit entsprechenden Haftungsprivilegierungen in Gestalt eines notice and take down-Verfahrens – das dem Modell des Bundesgerichtshofs zur Haftung des mittelbaren Störers entspricht – muss auch für das unionale Datenschutzrecht gelten, sollte das Verhalten von Plattformen diesem unterliegen. Andernfalls würden die bewusst differenzierenden Regelungen des DSA umgangen, da bei entsprechendem Verständnis jedes Verhalten eines Host-Providers zugleich eine Datenverarbeitung wäre und damit einen Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSA begründen würde.
c) Da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte nicht als sogenannte mittelbare Störerin für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht als Auslistungsverlangen in der Sache berechtigt.
Die EU-Kommission kommt nach vorläufiger Einschätzung zu dem Ergebnis, dass die Kontoverifizierung durch X / Twitter allein durch Abschluss eines kostenpflichtigen Abos gegen den Digital Services Act (DSA) verstößt.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission übermittelt X vorläufige Feststellungen wegen Verstoßes gegen das Gesetz über digitale Dienste
Die Kommission hat X heute von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass sie in Bereichen im Zusammenhang mit Dark Patters, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt.
Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Moderation von Inhalten und Werbung stehen im Mittelpunkt des Gesetzes über digitale Dienste. Auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung, die unter anderem die Analyse interner Unternehmensunterlagen, Befragungen von Sachverständigen und die Zusammenarbeit mit den nationalen Koordinatoren für digitale Dienste umfasste, hat die Kommission in drei Fällen vorläufig festgestellt, dass die Vorschriften nicht eingehalten wurden:
Erstens gestaltet und betreibt X seine Schnittstelle für die „verifizierten Konten“ mit dem „Blue Checkmark“ in einer Weise, die nicht der Branchenpraxis entspricht und die Nutzer täuscht. Da jedermann einen solchen „überprüften“ Status abonnieren kann, beeinträchtigter die Fähigkeit der Nutzer, freie und fundierte Entscheidungen über die Authentizität der Konten und die Inhalte, mit denen sie interagieren, zu treffen. Es gibt Belege für motivierte böswillige Akteure, die das „verifizierte Konto“ missbrauchen, um Nutzer zu täuschen.
Zweitens hält X nicht die erforderliche Transparenz in Bezug auf Werbung ein, da es kein durchsuchbares und zuverlässiges Werbearchiv bietet, sondern Gestaltungsmerkmale und Zugangsbarrieren einrichtet, die das Repository für seine Transparenzzwecke gegenüber den Nutzern ungeeignet machen. Insbesondere ermöglicht das Design nicht die erforderliche Überwachung und Erforschung neu auftretender Risiken, die sich aus dem Online-Vertrieb von Werbung ergeben.
Drittens gewährt X Forschern keinen Zugang zu seinen öffentlichen Daten gemäß den im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Bedingungen. Insbesondere untersagt X förderfähigen Forschern, unabhängig auf seine öffentlichen Daten zuzugreifen, z. B. durch Verschrotten, wie in seinen Nutzungsbedingungen angegeben. Darüber hinaus scheint das Verfahren von X, förderfähigen Forschern Zugang zu seiner Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) zu gewähren, Forscher von der Durchführung ihrer Forschungsprojekte abzuhalten oder ihnen keine andere Wahl zu lassen, als unverhältnismäßig hohe Gebühren zu zahlen.
Mit der Übermittlung der vorläufigen Feststellungen teilt die Kommission X ihren vorläufigen Standpunkt mit, dass sie gegen das Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor, da X nun die Möglichkeit hat, seine Verteidigungsrechte auszuüben, indem sie die Unterlagen in der Untersuchungsakte der Kommission prüft und schriftlich auf die vorläufigen Feststellungen der Kommission antwortet. Parallel dazu wird das Europäische Gremium für digitale Dienste konsultiert.
Sollte sich die vorläufige Auffassung der Kommission letztlich bestätigen, würde die Kommission einen Verstoßbeschluss erlassen, in dem sie feststellt, dass X gegen die Artikel 25, 39 und 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste verstößt. Eine solche Entscheidung könnte zu Geldbußen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Anbieters führen und den Anbieter anweisen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß zu beheben. Eine Entscheidung wegen Nichteinhaltung kann auch einen erweiterten Überwachungszeitraum auslösen, um die Einhaltung der Maßnahmen sicherzustellen, die der Anbieter zu ergreifen beabsichtigt, um den Verstoß zu beheben. Die Kommission kann auch Zwangsgelder verhängen, um eine Plattform zur Einhaltung der Vorschriften zu zwingen.
Hintergrund
X, vormals Twitter, wurde am 25. April 2023 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem sie erklärt hatte, monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der EU zu erreichen.
Am 18. Dezember 2023 leitete die Kommission ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob X möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste in Bereichen verstoßen hat, die mit der Verbreitung illegaler Inhalte und der Wirksamkeit der zur Bekämpfung der Informationsmanipulation ergriffenen Maßnahmen zusammenhängen, für die die Untersuchung fortgesetzt wird, sowie Dark Patterns, Transparenz der Werbung und Datenzugang für Forscher, die Gegenstand der heute angenommenen vorläufigen Feststellungen sind.
Die Kommission hat auch ein Whistleblower-Tool eingerichtet, das es Mitarbeitern und anderen Personen mit Wissen ermöglicht, sich anonym mit der Kommission in Verbindung zu setzen, um zur Überwachung der Einhaltung durch die Kommission durch benannte sehr große Online-Plattformen/VLOSE beizutragen.
Darüber hinaus hat die Kommission im Februar und April 2024 ein förmliches Verfahren gegen TikTok, AliExpress im März 2024 und Meta im April und Mai 2024 eingeleitet.
Die EU-Kommission hat entschieden, dass XNXX eine sehr große Onlineplattformen (VLOP) im Sinne des Digital Services Act (DSA - Gesetz über digitale Dienste) ist
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission benennt nicht jugendfreie Plattform XNXX als sehr große Online-Plattform gemäß dem Gesetz über digitale Dienste
Die Kommission hat XNXX heute offiziell als sehr große Online-Plattform (VLOP) gemäß dem Gesetz über digitale Dienste benannt.
XNXX ist eine Plattform für nicht jugendfreie Inhalte mit durchschnittlich mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern in der Europäischen Union. Diese Anzahl von Nutzern, die XNXX der Kommission mitgeteilt hat, liegt über dem Schwellenwert des Gesetzes über digitale Dienste für die Benennung als sehr große Online-Plattform. Nach der heutigen Benennung als sehr große Online-Plattform muss XNXX nun innerhalb von vier Monaten nach seiner Benachrichtigung (d. h. ab Mitte November 2024) die strengsten Vorschriften des Gesetzes über digitale Dienste einhalten. Zu den Verpflichtungen gehören die Ergreifung besonderer Maßnahmen zur Stärkung und zum Schutz ihrer Online-Nutzer. So müssen sie den Zugang Minderjähriger zu pornografischen Online-Inhalten verhindern (auch mit Instrumenten zur Altersüberprüfung), Forschern öffentlich zugängliche Daten zur Verfügung stellen und ein Archiv der Werbeanzeigen veröffentlichen.
Darüber hinaus muss XNXX alle systemischen Risiken, die sich aus seinen Diensten ergeben, gründlich bewerten und mindern, z. B. Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte oder negativen Auswirkungen auf das geistige und körperliche Wohlbefinden der Nutzer. Den ersten Risikobewertungsbericht muss die benannte Plattform bis Mitte November 2024 vorlegen.
Seit dem 17. Februar 2024 müssen alle Online-Plattformen, einschließlich XNXX, bereits die allgemeinen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste erfüllen. Dazu gehören z. B. die Bereitstellung benutzerfreundlicher Mechanismen zur Meldung illegaler Inhalte, die eindeutige Kennzeichnung von Werbung in ihren Diensten und die Veröffentlichung jährlicher Transparenzberichte.
Nächste Schritte
Nach der Benennung als VLOP wird die Kommission befugt sein, die Einhaltung des Gesetzes über digitale Dienste durch XNXX in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Koordinator für digitale Dienste zu überwachen.
Hintergrund
Diese Benennung verdeutlicht, dass die Kommission die Marktentwicklungen weiterhin aufmerksam verfolgt.
Die Kommission hatte im Dezember 2023 bereits drei weitere Plattformen für nicht jugendfreie Inhalte benannt, nämlich Pornhub, Stripchat und XVideos. Mit der heutigen Benennung erhöht sich die Zahl der gemäß dem Gesetz über digitale Dienste als solche benannten sehr großen Online-Plattformen und -Suchmaschinen auf insgesamt 25.
Im Rahmen ihrer Aufsichts- und Durchsetzungsaufgaben überwacht die Kommission die Einhaltung des Gesetzes über digitale Dienste durch sehr große Online-Plattformen und kann per Auskunftsverlangen von den Plattformen weitere detaillierte Informationen darüber einholen, wie diese ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen. Am 13. Juni 2024 richtete die Kommission solche Auskunftsverlangen an Pornhub, Stripchat und XVideos. Darin forderte sie die Plattformen auf, ausführlichere Informationen über ihre Maßnahmen gegen die Verstärkung illegaler Inhalte und geschlechtsspezifischer Gewalt und über ihre Alterskontrollvorkehrungen zu geben.
Die Überwachung und Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste teilen sich die Kommission und die Koordinatoren für digitale Dienste, die von den Mitgliedstaaten bis zum 17. Februar 2024 benannt werden mussten.
Die EU-Kommission hat entschieden, dass TEMU eine sehr große Online-Plattform im Sinne des Digital Services Act (DSA) - Gesetz über digitale Dienste ist.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission benennt Temu als sehr große Online-Plattform gemäß dem Gesetz über digitale Dienste
Die Kommission hat Temu heute offiziell als sehr große Online-Plattform (VLOP) im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) benannt.
Temu ist ein Online-Marktplatz mit durchschnittlich mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern in der Europäischen Union. Diese Nutzernummer, die Temu der Kommission mitgeteilt hat, liegt über dem Schwellenwert des Gesetzes über digitale Dienste für die Benennung als VLOP.
Nach der heutigen Benennung als VLOP muss Temu innerhalb von vier Monaten nach seiner Mitteilung (d. h. bis Ende September 2024) die strengsten Vorschriften des Gesetzes über digitale Dienste einhalten, wie etwa die Verpflichtung, alle systemischen Risiken, die sich aus seinen Dienstleistungen ergeben, einschließlich der Listung und des Verkaufs von gefälschten Waren, unsicheren oder illegalen Produkten und Gegenständen, die Rechte des geistigen Eigentums verletzen, ordnungsgemäß zu bewerten und zu mindern.
Zu diesen zusätzlichen Verpflichtungen gehören insbesondere:
Sorgfältigere Überwachung illegaler Produkte
-Temu muss die spezifischen systemischen Risiken im Zusammenhang mit der Verbreitung illegaler Inhalte und Produkte sowie aus der Konzeption oder dem Funktionieren seines Dienstes und der damit verbundenen Systeme sorgfältig analysieren. Die Risikobewertungsberichte sind der Kommission vier Monate nach der Mitteilung der förmlichen Benennung und danach ein Jahr vorzulegen.
- Temu muss Risikominderungsmaßnahmen ergreifen, um Risiken zu begegnen, z. B. durch die Aufnahme und den Verkauf von nachgeahmten Waren, unsicheren Produkten und Gegenständen, die Rechte des geistigen Eigentums verletzen. Diese Maßnahmen können die Anpassung der Nutzungsbedingungen, die Verbesserung der Gestaltung der Benutzerschnittstellen im Hinblick auf eine bessere Meldung und Aufdeckung verdächtiger Listen, die Verbesserung der Moderationsverfahren zur raschen Entfernung illegaler Gegenstände und die Verfeinerung der Algorithmen umfassen, um die Förderung und den Verkauf verbotener Waren zu verhindern.
- Temu muss seine internen Prozesse, Ressourcen, Tests, Dokumentation und Überwachung aller Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erkennung systemischer Risiken verstärken.
Verstärkte Verbraucherschutzmaßnahmen
- In den jährlichen Risikobewertungsberichten von Temu müssen insbesondere mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher bewertet werden, wobei der Schwerpunkt auf dem körperlichen und geistigen Wohlbefinden minderjähriger Nutzer liegen sollte.
- Temu ist verpflichtet, seine Plattform, einschließlich Benutzerschnittstellen, Empfehlungsalgorithmen und Nutzungsbedingungen, zu strukturieren, um Risiken für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Verbraucher zu mindern und zu verhindern. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Verbraucher vor dem Kauf unsicherer oder illegaler Waren zu schützen, wobei ein besonderer Schwerpunkt darauf liegen sollte, den Verkauf und Vertrieb von Produkten, die für Minderjährige schädlich sein könnten, zu verhindern. Dazu gehört auch die Einführung robuster Alterssicherungssysteme, um den Kauf altersbegrenzter Güter zu beschränken.
Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht
- Temu muss sicherstellen, dass seine Risikobewertungen und die Einhaltung aller Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste jedes Jahr extern und unabhängig geprüft werden.
-Temu muss Repository aller Anzeigen veröffentlichen, die auf seiner Schnittstelle angezeigt werden.
- Temu muss Forschern, einschließlich zugelassener Forscher, die von den Koordinatoren für digitale Dienste benannt wurden, Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten gewähren.
- Temu muss die Transparenzanforderungen erfüllen, einschließlich der Veröffentlichung von Transparenzberichten über Entscheidungen zur Moderation von Inhalten und des Risikomanagements alle sechs Monate zusätzlich zu den Berichten über die Systemrisiken und den Prüfungsergebnissen einmal jährlich.
- Temu muss eine Compliance-Funktion benennen und jedes Jahr einer externen unabhängigen Prüfung unterzogen werden.
Allgemeine Anwendbarkeit des Gesetzes über digitale Dienste auf Online-Plattformen und -Marktplätze
Seit dem 17. Februar 2024 müssen alle Online-Plattformen, einschließlich Temu, bereits die allgemeinen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste erfüllen. Diese allgemeinen Bestimmungen umfassen die Verpflichtung von Online-Marktplätzen,
- Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit von Händlern auf ihren Plattformen;
- Ihre Schnittstelle so zu gestalten, dass den Unternehmern die Einhaltung ihrer rechtlichen Verpflichtungen nach dem EU-Recht erleichtert wird;
- Die Verbraucher über den Kauf eines illegalen Produkts informieren, sobald sie von der Illegalität des Produkts Kenntnis erlangen.
Seit dem 17. Februar 2024 sind alle Online-Plattformen, einschließlich Marktplätze, nach dem Gesetz über digitale Dienste außerdem verpflichtet,
- Bereitstellung benutzerfreundlicher Mechanismen, die es Nutzern oder Stellen ermöglichen, illegale Inhalte zu melden;
- Der Behandlung von Meldungen, die von sogenannten „vertrauenswürdigen Hinweisgebern“ übermittelt werden, Vorrang einzuräumen;
- Den Nutzern Begründungen zur Verfügung zu stellen, wenn ihre Inhalte eingeschränkt oder entfernt werden;
- Bereitstellung eines internen Beschwerdemanagementsystems für Nutzer, um Entscheidungen über die Moderation von Inhalten anzufechten;
- Ihre Systeme neu gestalten, um ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz von Minderjährigen zu gewährleisten;
- Sicherstellen, dass ihre Schnittstellen nicht so gestaltet sind, dass die Nutzer getäuscht oder manipuliert werden;
- Werbung auf ihren Schnittstellen deutlich kennzeichnen;
- Die Anzeige gezielter Werbung auf der Grundlage von Profilen sensibler Daten (z. B. ethnische Herkunft, politische Meinungen oder sexuelle Ausrichtung) oder die sich an Minderjährige richtet, einzustellen;
- Klare Bedingungen haben und bei ihrer Anwendung sorgfältig, objektiv und verhältnismäßig handeln;
- Sie veröffentlichen einmal jährlich Transparenzberichte über ihre Verfahren zur Moderation von Inhalten.
Nächste Schritte
Nach ihrer Benennung als VLOP wird die Kommission befugt sein, die Einhaltung des Gesetzes über digitale Dienste durch Temu in Zusammenarbeit mit dem irischen Koordinator für digitale Dienste zu überwachen.
Die Kommissionsdienststellen werden die Anwendung der Vorschriften und Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Dienste durch die Plattform sorgfältig überwachen, insbesondere in Bezug auf Maßnahmen zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes und zur Bekämpfung der Verbreitung illegaler Produkte. Die Kommissionsdienststellen sind bereit, eng mit Temu zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass diese angemessen angegangen werden.
Hintergrund
Diese Bezeichnung veranschaulicht, wie die Kommission die Marktentwicklungen weiterhin aufmerksam verfolgt. Die Kommission hat nun 24 sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste benannt.
Am 25. April 2023 benannte die Kommission die ersten 19 sehr großen Betriebsplattformen (VLOP) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSE). Ab Ende August mussten diese sehr großen Online-Plattformen und sehr großen Online-Plattformen die zusätzlichen Verpflichtungen gemäß Abschnitt 5 des Gesetzes über digitale Dienste erfüllen. Am 20. Dezember 2023 wurden drei weitere sehr große Online -Plattformen benannt. Am 26. April 2024 benannte die Kommission Shein als VLOP, für das die zusätzliche Verpflichtung im August 2024 verbindlich wird.
Die Überwachung und Durchsetzung des Gesetzes über digitale Dienste wird von der Kommission und den Koordinatoren für digitale Dienste geteilt, die von den Mitgliedstaaten bis zum 17. Februar 2024 benannt werden mussten.
Die EU-Kommission hat ein förmliches Verfahren gegen Meta nach dem Digital Services Act (DSA) wegen möglicherweise unzureichendem Schutz Minderjähriger auf Instagram und Facebook eingeleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet förmliches Verfahren gegen Meta nach dem Gesetz über digitale Dienste zum Schutz Minderjähriger auf Facebook und Instagram ein
Die Kommission hat heute ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Meta, der Anbieter von Facebook und Instagram, in Bereichen im Zusammenhang mit dem Schutz Minderjähriger möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.
Die Kommission ist besorgt, dass die Systeme sowohl von Facebook als auch von Instagram, einschließlich ihrer Algorithmen, Verhaltensabhängigkeiten bei Kindern stimulieren und so genannte „Rabbit-Out-Effekte“ erzeugen können. Darüber hinaus ist die Kommission besorgt über die Alterssicherungs- und Überprüfungsmethoden, die Meta eingeführt hat.
Die heutige Einleitung des Verfahrens stützt sich auf eine vorläufige Analyse des von Meta im September 2023 übermittelten Risikobewertungsberichts, auf die Antworten von Meta auf die förmlichen Auskunftsersuchen der Kommission (zum Schutz Minderjähriger und zur Methodik der Risikobewertung), auf öffentlich zugängliche Berichte sowie auf die eigene Analyse der Kommission.
Das vorliegende Verfahren betrifft folgende Bereiche:
- Die Einhaltung der Verpflichtungen von Meta im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste zur Bewertung und Minderung von Risiken, die durch die Gestaltung der Online-Schnittstellen von Facebook und Instagram verursacht werden, was die Schwächen und Unerfahrenheit Minderjähriger ausnutzen und zu Suchtverhalten führen und/oder den sogenannten „Rabbit-Locheffekt“ verstärken kann. Eine solche Bewertung ist erforderlich, um potenziellen Risiken für die Ausübung des Grundrechts auf das körperliche und geistige Wohlbefinden von Kindern sowie für die Achtung ihrer Rechte entgegenzuwirken.
- Die Einhaltung der Anforderungen des Gesetzes über digitale Dienste durch Meta in Bezug auf die Risikominderungsmaßnahmen zur Verhinderung des Zugangs Minderjähriger zu unangemessenen Inhalten, insbesondere zu den von Meta verwendeten Instrumenten zur Altersüberprüfung, die möglicherweise nicht angemessen, verhältnismäßig und wirksam sind.
- Die Einhaltung der Verpflichtungen von Meta im Gesetz über digitale Dienste, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen, um ein hohes Maß an Privatsphäre und Sicherheit für Minderjährige zu gewährleisten, insbesondere im Hinblick auf Standardeinstellungen zum Schutz der Privatsphäre Minderjähriger im Rahmen der Konzeption und Funktionsweise ihrer Empfehlungssysteme.
Sollten diese Verstöße nachgewiesen werden, würden diese Verstöße einen Verstoß gegen die Artikel 28, 34 und 35 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis des Verfahrens nicht vor und lässt andere Verfahren unberührt, die die Kommission in Bezug auf andere Verhaltensweisen einleiten kann, die eine Zuwiderhandlung gegen das Gesetz über digitale Dienste darstellen könnten.
Nächste Schritte
Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Prüfung durchführen und weiterhin Beweise sammeln, z. B. durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Inspektionen.
Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen wie den Erlass einstweiliger Maßnahmen und Beschlüsse wegen Nichteinhaltung der Vorschriften zu ergreifen. Die Kommission ist ferner befugt, Verpflichtungszusagen von Meta anzunehmen, mit denen die im Verfahren aufgeworfenen Probleme behoben werden sollen.
Die Einleitung dieses förmlichen Verfahrens entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste oder jede andere zuständige Behörde der EU-Mitgliedstaaten von ihrer Befugnis, das Gesetz über digitale Dienste im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Verstoß gegen Artikel 28 Absatz 1 zu überwachen und durchzusetzen.
Hintergrund
Facebook und Instagram wurden am 25. April 2023 gemäß dem EU-Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattformen (VLOP) eingestuft, da beide über 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU haben. Als sehr große Online-Plattformen mussten Facebook und Instagram vier Monate nach ihrer Benennung, d. h. Ende August 2023, damit beginnen, eine Reihe von Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Dienste zu erfüllen. Seit dem 17. Februar gilt das Gesetz über digitale Dienste für alle Online-Vermittler in der EU.
Am 30. April 2024 hatte die Kommission bereits ein förmliches Verfahren gegen Meta eingeleitet, und zwar sowohl in Bezug auf Facebook als auch in Bezug auf Instagram in Bezug auf irreführende Werbung, politische Inhalte, Melde- und Abhilfemechanismen, den Datenzugang für Forscher sowie die Tatsache, dass im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament kein wirksames Instrument für den Bürgerdiskurs Dritter in Echtzeit zur Verfügung steht.
Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Meta nach dem Digital Services Act (DSA) wegen unzureichender Maßnahmen gegen Irreführende Werbung und Desinformation auf Facebook und Instagram eingeleitet.
Die Pressemitteilung des EU-Kommission: Kommission leitet förmliches Verfahren gegen Facebook und Instagram nach dem Gesetz über digitale Dienste ein
Die Europäische Kommission hat heute ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Meta, der Anbieter von Facebook und Instagram, möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste (DSA) verstoßen hat.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Diese Kommission hat Mittel geschaffen, um die europäischen Bürgerinnen und Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation durch Drittländer zu schützen. Wenn wir einen Verstoß gegen die Vorschriften vermuten, handeln wir. Dies gilt jederzeit, insbesondere in Zeiten demokratischer Wahlen. Große digitale Plattformen müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, ausreichende Ressourcen dafür einzusetzen, und die heutige Entscheidung zeigt, dass wir mit der Einhaltung ernstlich sind. Der Schutz unserer Demokratien ist ein gemeinsamer Kampf mit unseren Mitgliedstaaten. Heute in Prag möchte ich Premierminister Fiala für seine aktive Rolle bei der Befassung mit diesem Thema auf europäischer Ebene sowie für die Aktivierung des Notfallmechanismus für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten durch Belgien danken.“
Die mutmaßlichen Verstöße betreffen die Strategien und Praktiken von Meta in Bezug auf irreführende Werbung und politische Inhalte in seinen Diensten. Sie betreffen auch die Nichtverfügbarkeit eines wirksamen zivilgesellschaftlichen Diskurses und Wahlüberwachungsinstruments Dritter in Echtzeit im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament vor dem Hintergrund, dass Meta sein Echtzeit-Tool für öffentliche Einblicke CrowdTangle ohne angemessenen Ersatz verdrängt hat.
Darüber hinaus vermutet die Kommission, dass der Mechanismus zur Kennzeichnung illegaler Inhalte in den Diensten („Notice-and-Action“) sowie die Rechtsbehelfe der Nutzer und interne Beschwerdemechanismen nicht den Anforderungen des Gesetzes über digitale Dienste entsprechen und dass Meta bei der Bereitstellung des Zugangs zu öffentlich zugänglichen Daten für Forscher Mängel aufweist. Die Einleitung des Verfahrens stützt sich auf eine vorläufige Analyse des von Meta im September 2023 übermittelten Risikobewertungsberichts, die Antworten von Meta auf die förmlichen Auskunftsverlangen der Kommission (zu illegalen Inhalten und Desinformationen, Datenzugang, Abonnements für „No-Ads“-Politik und generative KI), öffentlich zugänglichen Berichten und der eigenen Analyse der Kommission.
Das vorliegende Verfahren wird sich auf folgende Bereiche konzentrieren:
- Irreführende Werbung und Desinformation. Die Kommission vermutet, dass Meta seinen Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste im Zusammenhang mit der Verbreitung irreführender Werbung, Desinformationskampagnen und einem koordinierten unauthentischen Verhalten in der EU nicht nachkommt. Die Verbreitung solcher Inhalte kann eine Gefahr für den gesellschaftlichen Diskurs, die Wahlprozesse und die Grundrechte sowie den Verbraucherschutz darstellen.
- Sichtbarkeit politischer Inhalte. Die Kommission vermutet, dass die Politik von Meta im Zusammenhang mit dem „politischen inhaltlichen Ansatz“, der politische Inhalte in den Empfehlungssystemen von Instagram und Facebook, einschließlich ihrer Feeds, abbildet, nicht mit den Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste im Einklang steht. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Vereinbarkeit dieser Politik mit den Transparenz- und Rechtsbehelfspflichten der Nutzer sowie mit den Anforderungen zur Bewertung und Minderung der Risiken für den gesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse.
Die Tatsache, dass im Vorfeld der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament und anderer Wahlen in verschiedenen Mitgliedstaaten kein wirksames Instrument für den Bürgerdiskurs und die Wahlbeobachtung durch Dritte in Echtzeit zur Verfügung steht. Meta ist dabei, „CrowdTangle“ auszuhöhlen, ein Instrument für öffentliche Einblicke, das eine Echtzeit-Wahlüberwachung durch Forscher, Journalisten und die Zivilgesellschaft ermöglicht, auch durch visuelle Live-Dashboards ohne angemessenen Ersatz. Wie jedoch in den jüngsten Leitlinien der Kommission für Anbieter sehr großer Online-Plattformen zu systemischen Risiken für Wahlprozesse zum Ausdruck kommt, sollte der Zugang zu solchen Instrumenten in Zeiten von Wahlen ausgeweitet werden. Die Kommission vermutet daher, dass Meta die Risiken im Zusammenhang mit den Auswirkungen von Facebook und Instagram auf den gesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse sowie andere systemische Risiken nicht sorgfältig bewertet und angemessen gemindert hat. Angesichts der Reichweite der Meta-Plattformen in der EU (auf die monatlich mehr als 250 Millionen aktive Nutzer entfallen) und im Anschluss an die Wahl zum Europäischen Parlament, die vom 6. bis 9. Juni 2024 stattfinden wird, und einer Reihe weiterer Wahlen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden, könnte eine solche Deutung den gesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse in Bezug auf die Fähigkeiten zur Verfolgung von Fehl- und Desinformation, die Ermittlung der Einmischung und Unterdrückung von Wählern und die allgemeine Transparenz in Echtzeit für Faktenprüfer, Journalisten und andere relevante Interessenträger bei Wahlen beeinträchtigen. Die Kommission behält sich ihre Bewertung der Art und des Ausmaßes des Schadens vor und erwartet, dass Meta mit der Kommission zusammenarbeiten wird, indem sie unverzüglich die für eine solche Bewertung erforderlichen Informationen vorlegt. Die Kommission erwartet ferner, dass Meta rasch alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen wird, um eine wirksame öffentliche Kontrolle seines Dienstes in Echtzeit zu gewährleisten, indem es Forschern, Journalisten und Wahlbeamten angemessenen Zugang zu Echtzeit-Überwachungsinstrumenten für Inhalte gewährt, die in seinen Diensten gehostet werden. Meta wird außerdem aufgefordert, innerhalb von fünf Arbeitstagen mitzuteilen, welche Abhilfemaßnahmen getroffen wurden. Die Kommission hat sich das Recht vorbehalten, Maßnahmen zu ergreifen, falls diese Maßnahmen als unzureichend erachtet werden.
Der Mechanismus zur Kennzeichnung illegaler Inhalte. Die Kommission vermutet, dass der Melde- und Abhilfemechanismus von Meta, der es Nutzern ermöglicht, illegale Inhalte in seinen Diensten zu melden, gegen die Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste verstößt. Dies schließt den Verdacht ein, dass die Anforderungen, mit denen dieser Mechanismus leicht zugänglich und benutzerfreundlich sein muss, nicht erfüllt sind. Gleichzeitig vermutet die Kommission, dass Meta kein wirksames internes Beschwerdemanagementsystem für die Einreichung von Beschwerden gegen Entscheidungen zur Moderation von Inhalten eingerichtet hat.
Im Falle des Nachweises würden diese Versäumnisse einen Verstoß gegen Artikel 14 Absatz 1, Artikel 16 Absätze 1 und 5, Artikel 16 Absatz 6, Artikel 17 Absatz 1, Artikel 20 Absatz 1, Artikel 20 Absatz 3, Artikel 24 Absatz 5, Artikel 25 Absatz 1, Artikel 34 Absatz 1, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 35 Absatz 1 und Artikel 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Prüfung durchführen. Die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.
Die vorliegende Einleitung des Verfahrens lässt andere Verfahren unberührt, die die Kommission in Bezug auf andere Verhaltensweisen einleiten kann, die eine Zuwiderhandlung im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste darstellen könnten.
Nächste Schritte
Nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweismittel sammeln, z. B. durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Inspektionen.
Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen wie einstweilige Maßnahmen und Beschlüsse wegen Nichteinhaltung zu ergreifen. Die Kommission ist ferner befugt, Verpflichtungszusagen von Meta anzunehmen, mit denen die im Verfahren aufgeworfenen Probleme behoben werden sollen. Das Gesetz über digitale Dienste sieht keine gesetzliche Frist für die Beendigung eines förmlichen Verfahrens vor. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von der Komplexität des Falls, dem Umfang der Zusammenarbeit des betroffenen Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste oder jede andere zuständige Behörde der EU-Mitgliedstaaten von ihrer Befugnis, das Gesetz über digitale Dienste in Bezug auf mutmaßliche Verstöße gegen Artikel 14 Absatz 1, Artikel 16 Absätze 1 und 5, Artikel 16 Absatz 6, Artikel 20 Absätze 1 und 3, Artikel 24 Absatz 5, Artikel 25 Absatz 1 und Artikel 40 Absatz 12 zu überwachen und durchzusetzen.
Hintergrund
Facebook und Instagram wurden am 25. April 2023 gemäß dem EU-Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattformen (VLOP) eingestuft, da beide über 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU haben. Als sehr große Online-Plattformen mussten Facebook und Instagram vier Monate nach ihrer Benennung, d. h. Ende August 2023, damit beginnen, eine Reihe von Verpflichtungen gemäß dem Gesetz über digitale Dienste zu erfüllen.
Seit dem 17. Februar gilt das Gesetz über digitale Dienste für alle Online-Vermittler in der EU.
Die EU-Kommission hat ein weiteres Verfahren gegen TikTok / Bytedance nach dem Digital Services Act (DSA) aufgrund der "task und reward"-Version TikTok Lite eingleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet Verfahren gegen TikTok im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste wegen des Starts von TikTok Lite in Frankreich und Spanien ein und teilt ihre Absicht mit, das Belohnungsprogramm in der EU auszusetzen
Die Kommission hat heute ein zweites förmliches Verfahren gegen TikTok nach dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) eingeleitet. Mit der heutigen Eröffnung soll geprüft werden, ob das Unternehmen bei der Gründung von TikTok Lite in Frankreich und Spanien möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste sind die benannten sehr großen Online-Plattformen verpflichtet, einen Risikobewertungsbericht vorzulegen, der auch Maßnahmen zur Minderung potenzieller Systemrisiken enthält, bevor neue Funktionen eingeführt werden, die wahrscheinlich kritische Auswirkungen auf ihre Systemrisiken haben.
Die Kommission ist besorgt darüber, dass das „Task and Reward Program“ von TikTok Lite, das es Nutzern ermöglicht, Punkte zu erhalten, wenn sie bestimmte „Aufgaben“ auf TikTok erfüllen – wie z. B. Videos, Liking-Inhalte, Nachbereiter, Einladung von Freunden zum Beitritt zu TikTok usw. – ohne vorherige sorgfältige Bewertung der damit verbundenen Risiken, insbesondere der mit dem Suchteffekt der Plattformen verbundenen Risiken, und ohne wirksame Risikominderungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies ist für Kinder besonders besorgniserregend, da auf TikTok vermutet wird, dass es keine wirksamen Mechanismen zur Altersüberprüfung gibt. Das Fehlen wirksamer Mechanismen zur Altersüberprüfung und die mutmaßliche suchterzeugende Gestaltung der Plattformen werden bereits im ersten förmlichen Verfahren gegen TikTok untersucht.
Die Untersuchung wird sich daher auf folgende Bereiche konzentrieren:
- Die Einhaltung der Verpflichtung von TikTok, vor der Einführung von Funktionen, in diesem Fall des Programms „Task and Reward Lite“, einen Risikobewertungsbericht zu erstellen und vorzulegen, die wahrscheinlich kritische Auswirkungen auf Systemrisiken haben werden. Insbesondere negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, einschließlich der psychischen Gesundheit Minderjähriger, insbesondere aufgrund des neuen Merkmals, das Suchtverhalten stimuliert.
- Die von TikTok ergriffenen Maßnahmen zur Minderung dieser Risiken.
Sollten diese Verstöße nachgewiesen werden, würden diese Verstöße einen Verstoß gegen die Artikel 34 und 35 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Prüfung durchführen. Die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.
Darüber hinaus übermittelte die Kommission TikTok auf der Grundlage eines Beschlusses der Kommission ein förmliches Auskunftsverlangen, in dem das Unternehmen zur Beantwortung seines Auskunftsersuchens vom 17. April 2024 aufgefordert wurde. Insbesondere hatte die Kommission TikTok aufgefordert, bis zum 18. April den Risikobewertungsbericht für TikTok Lite sowie Informationen über die Maßnahmen vorzulegen, die die Plattform ergriffen hat, um potenzielle systemische Risiken dieser neuen Funktionen zu mindern. TikTok hat dieses Dokument nicht fristgerecht vorgelegt.
TikTok hat nun bis zum 23. April Zeit, der Kommission den Risikobewertungsbericht und bis zum 3. Mai die übrigen angeforderten Informationen vorzulegen.
Falls TikTok das Auskunftsersuchen der Kommission nicht innerhalb der angegebenen Fristen per Beschluss beantwortet, kann die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 1 % des jährlichen Gesamtumsatzes oder des weltweiten Gesamtumsatzes des Anbieters sowie Zwangsgelder in Höhe von bis zu 5 % des durchschnittlichen Tageseinkommens des Anbieters oder des weltweiten Jahresumsatzes verhängen.
Da TikTok nicht in der Lage war, die Risikobewertung vorzulegen, die vor der Einführung von TikTok Lite hätte durchgeführt werden müssen, vermutet die Kommission einen prima facie Verstoß gegen das Gesetz über digitale Dienste und ist der Auffassung, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der psychischen Gesundheit der Nutzer besteht. Die Kommission hat TikTok daher auch ihre Absicht mitgeteilt, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die in der Aussetzung des Programms „TikTok Lite“ in der EU bis zur Bewertung seiner Sicherheit bestehen. Es könnte verlängert werden, wenn dies notwendig und verhältnismäßig ist. Vor der förmlichen Annahme der Aussetzung wurde TikTok bis zum 24. April Zeit eingeräumt, in seiner Verteidigung Argumente vorzubringen, die die Kommission sorgfältig prüfen wird.
Nächste Schritte
Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen wie einstweilige Maßnahmen und Beschlüsse wegen Nichteinhaltung zu ergreifen. Die Kommission ist ferner befugt, alle Zusagen von TikTok anzunehmen, in den von dem Verfahren betroffenen Angelegenheiten Abhilfe zu schaffen.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste oder jede andere zuständige Behörde der EU-Mitgliedstaaten von ihrer Befugnis, das Gesetz über digitale Dienste in Bezug auf mutmaßliche Verstöße zu überwachen und durchzusetzen.
Hintergrund
Am 25. April 2023 benannte die Kommission TikTok gemäß dem Gesetz über digitale Dienste auf der Grundlage der TikTok -Nutzerdatenbank, die den Schwellenwert von 45 Millionen durchschnittlichen aktiven Nutzern in der EU erreicht, TikTok als sehr große Online-Plattform. Seit Ende August 2023 unterliegt TikTok den Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste.
TikTok Lite ist eine neue App mit einer Funktion für Nutzer ab 18 Jahren, die als „Task and Reward Program“ bezeichnet wird und es Nutzern ermöglicht, bei der Ausführung bestimmter „Aufgaben“ auf TikTok Punkte zu erhalten, wie z. B. Videos anschauen, Liking-Inhalte, Nachschaffende, Einladung von Freunden zum TikTok usw. Diese Punkte können gegen Belohnung wie Amazon-Gutscheine, Geschenkkarten über PayPal oder TikTok-Münzen, die für Kipper ausgegeben werden können, ausgetauscht werden. TikTok Lite wurde im letzten Monat in Frankreich und Spanien ins Leben gerufen.
Im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste sind die benannten sehr großen Online-Plattformen verpflichtet, einen Risikobewertungsbericht vorzulegen, der auch Maßnahmen zur Minderung potenzieller Systemrisiken enthält, bevor neue Funktionen eingeführt werden, die wahrscheinlich kritische Auswirkungen auf ihre Systemrisiken haben.
Im Februar 2024 leitete die Kommission ein erstes förmliches Verfahren gegen TikTok ein, um zu prüfen, ob TikTok möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste in Bereichen verstoßen hat, die mit dem Schutz Minderjähriger, der Transparenz der Werbung, dem Datenzugang für Forscher sowie dem Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugende Gestaltung und schädliche Inhalte zusammenhängen. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.
Derzeit sind zwei weitere förmliche Verfahren im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste anhängig: eine gegen X und eine gegen AliExpress.
Seit dem 17. Februar gilt das Gesetz über digitale Dienste für alle Online-Vermittler in der EU.
Vizepräsidenten des EuGH
Beschluss vom 27.03.2024 C-639/23 P(R)
EU-Kommission / Amazon Services Europe
Der EuGH-Vizepräsident hat den Eilantrag von Amazon gegen die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Amazon Store Werbearchivs mit detaillierten Informationen über Online-Werbung abgelehnt.
Die Pressemitteilung des EuGH: Online-Werbung: Der Antrag von Amazon auf Aussetzung ihrer Pflicht, ein Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen, wird zurückgewiesen
Amazon Services Europe gehört zum Amazon-Konzern. Ihre geschäftlichen Aktivitäten umfassen den OnlineEinzelhandel und weitere Dienstleistungen wie Cloud Computing und Online-Streaming. Sie erbringt OnlineMarktplatzdienste an Drittverkäufer und ermöglicht ihnen, Waren im Amazon Store zum Kauf anzubieten.
Mit Beschluss vom 23. April 20231 , der gemäß der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste erlassen wurde, benannte die Kommission Amazon Store als sehr große Online-Plattform. Dies bedeutet u. a., dass Amazon Store ein Werbearchiv mit detaillierten Informationen über ihre Online-Werbung öffentlich zugänglich machen muss. Amazon beantragte beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Sie stellte außerdem einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 27. September 20234 ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung des Beschlusses der Kommission an, soweit Amazon Store damit verpflichtet wird, das Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen. Die Kommission hat gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt.
Mit seinem heutigen Beschluss hebt der Vizepräsident des Gerichtshofs den Teil des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts auf, mit dem der Beschluss der Kommission in Bezug auf das Werbearchiv ausgesetzt wird. Er stellt fest, dass der Kommission unter Verstoß gegen den Grundsatz eines kontradiktorischen Verfahrens die Möglichkeit vorenthalten wurde, zu den Argumenten, die von Amazon im Verfahren vor dem Gericht vorgetragen wurden, Stellung zu nehmen. Da die Kommission vor dem Gerichtshof die Argumente vorgetragen hat, mit denen sie dem Vorbringen von Amazon vor dem Gericht entgegentreten wollte, entscheidet der Vizepräsident des Gerichtshofs den Rechtsstreit endgültig und weist den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück.
Der Vizepräsident des Gerichtshofs ist der Ansicht, dass das Vorbringen von Amazon, die vom Unionsgesetzgeber eingeführte Pflicht, ein Werbearchiv öffentlich zugänglich zu machen, schränke ihre Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf unternehmerische Freiheit rechtswidrig ein, dem ersten Anschein nach nicht als unerheblich und außerdem völlig haltlos angesehen werden kann.
Zudem würde Amazon, wenn keine Aussetzung erfolgt, vor einem eventuell ergehenden Urteil, mit dem der Beschluss der Kommission für nichtig erklärt wird, wahrscheinlich einen schwerwiegenden und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden.
Diese Feststellungen sind jedoch für sich allein genommen nicht entscheidend. Es ist nämlich zu prüfen, ob die Abwägung sämtlicher beteiligter Interessen die Versagung der Aussetzung rechtfertigen kann. Hierzu stellt der Vizepräsident des Gerichtshofs fest, dass Amazon in dem Fall, dass die Aussetzung nicht gewährt wird, weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission hätte. Außerdem ist nicht dargetan, dass in diesem Fall die Existenz oder die langfristige Entwicklung von Amazon auf dem Spiel stünden. Darüber hinaus würde die Aussetzung bedeuten, das vollständige Erreichen der Ziele der Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste möglicherweise über mehrere Jahre hinauszuschieben und damit möglicherweise ein OnlineUmfeld bestehen oder sich entwickeln zu lassen, das eine Bedrohung für die Grundrechte darstellt; der Unionsgesetzgeber war aber der Auffassung, dass die sehr großen Online-Plattformen eine wichtige Rolle in diesem Umfeld spielen. Die vom Unionsgesetzgeber vertretenen Interessen gehen im vorliegenden Fall den materiellen Interessen von Amazon vor, weshalb die Abwägung zugunsten der Zurückweisung des Aussetzungsantrags ausfällt.
Die EU-Kommission hat ein förmliches Verfahren gegen AliExpress nach dem Digital Services Act (DSA) u.a. wegen der Moderation von Inhalten, Transparenz von Werbung und Rückverfolgbarkeit von Händlern eingeleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet förmliches Verfahren gegen AliExpress nach dem Gesetz über digitale Dienste ein
Die Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob AliExpress in Bereichen im Zusammenhang mit dem Management und der Minderung von Risiken, der Moderation von Inhalten und dem internen Beschwerdemanagementsystem, der Transparenz von Werbe- und Empfehlungssystemen, der Rückverfolgbarkeit von Händlern und dem Datenzugang für Forscher möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.
Auf der Grundlage der bisher durchgeführten vorläufigen Untersuchung, einschließlich der Analyse des von AliExpress im August 2023 übermittelten Risikobewertungsberichts, der in seinem Transparenzbericht veröffentlichten Informationen und ihrer Antworten auf die förmlichen Auskunftsersuchen der Kommission (vom 6. November 2023 und 18. Januar 2024), hat die Kommission beschlossen, ein förmliches Verfahren gegen AliExpress nach dem Gesetz über digitale Dienste einzuleiten.
Die Beratungen werden sich auf folgende Bereiche konzentrieren:
- Die Einhaltung der Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Dienste in Bezug auf die Bewertung und Minderung der systemischen Risiken der Verbreitung illegaler Inhalte sowie tatsächliche oder vorhersehbare negative Auswirkungen auf den Verbraucherschutz, insbesondere im Zusammenhang mit
- Die mangelnde Durchsetzung von AliExpress-Dienstleistungsbedingungen, die bestimmte Produkte verbieten, die eine
Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher darstellen (z. B. gefälschte Arzneimittel und Lebensmittel sowie
Nahrungsergänzungsmittel) und speziell für Minderjährige (Zugang zu pornografischem Material), die die Verbraucher noch
auf der Plattform finden können;
- Das Fehlen wirksamer Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung illegaler Inhalte;
- Das Fehlen wirksamer Maßnahmen, um vorsätzliche Manipulationen auf der Online-Plattform durch sogenannte „versteckte
Links“ zu verhindern;
- Das Fehlen wirksamer Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken aufgrund von Merkmalen wie Influencern, die illegale oder
schädliche Produkte im Rahmen des „verbundenen Programms“ von AliExpress fördern.
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, allen Nutzern, einschließlich derjenigen, die nicht registriert sind, zu ermöglichen, illegale Inhalte zu melden und eine Bestätigung des Eingangs der Meldung zu erhalten;
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, ein wirksames internes Beschwerdemanagementsystem bereitzustellen;
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der von Wirtschaftsbeteiligten, die AliExpress verwenden, angeforderten Informationen zu sammeln und zu bewerten, auch in Bezug auf Händler im Rahmen des „AliExpress Affiliate Program“, im Einklang mit der Rückverfolgbarkeit der Bestimmungen der Händler;
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, für Transparenz in Bezug auf die wichtigsten Parameter zu sorgen, die in den Empfehlungssystemen von AliExpress verwendet werden, und mindestens eine Option eines Empfehlungssystems anzubieten, das nicht auf Profiling beruht;
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, ein durchsuchbares und zuverlässiges Archiv für Werbung auf AliExpress bereitzustellen;
- Die Einhaltung der Verpflichtung des Gesetzes über digitale Dienste, Forschern gemäß Artikel 40 des Gesetzes über digitale Dienste Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten von AliExpress zu gewähren.
Sollten diese Verstöße nachgewiesen werden, würden diese Verstöße einen Verstoß gegen die Artikel 16, 20, 26, 27, 30, 34, 35, 38, 39 und 40 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Prüfung durchführen. Die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.
Nächste Schritte
Nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweismittel sammeln, z. B. durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Inspektionen.
Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, z. B. einstweilige Maßnahmen zur Beendigung oder Behebung eines Verstoßes gegen Artikel 28 Absatz 1 und Beschlüsse wegen Nichteinhaltung. Die Kommission ist ferner befugt, von AliExpress eingegangene Verpflichtungszusagen anzunehmen, um Abhilfe in dem von dem Verfahren betroffenen Sachverhalt zu schaffen.
Das Gesetz über digitale Dienste sieht keine gesetzliche Frist für die Beendigung eines förmlichen Verfahrens vor. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von der Komplexität des Falls, dem Umfang der Zusammenarbeit des betroffenen Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste von ihrer Befugnis, das Gesetz über digitale Dienste in Bezug auf mutmaßliche Verstöße gegen die Artikel 16, 20, 26, 27 und 30 zu überwachen und durchzusetzen.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens greift weder dem Ergebnis noch anderen Verfahren vor, die die Kommission nach anderen Artikeln des Gesetzes über digitale Dienste einleiten kann. Dies gilt auch unbeschadet der Durchsetzungsmaßnahmen, die andere Behörden im Rahmen anderer Rechtsrahmen, z. B. des Netzwerks für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ergreifen.
Hintergrund
AliExpress wurde am 25. April 2023 gemäß dem EU-Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem es erklärt hatte, dass es 104,3 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU gibt. Als VLOP musste AliExpress vier Monate nach seiner Benennung mit der Erfüllung einer Reihe von Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste beginnen.
Seit dem 17. Februar gilt das Gesetz über digitale Dienste für alle Online-Vermittler in der EU.
Die EU-Kommission hat ein förmliches Verfahren gegen TikTok / Bytedance nach dem Digital Services Act (DSA) u.a. wegen möglicher Mängel in den Bereichen Jugendschutz, suchterzeugende Gestaltung und Kennzeichnung von Werbung eingeleitet.
Die Pressemitteilung der EU-Kommission: Kommission leitet förmliches Verfahren gegen TikTok nach dem Gesetz über digitale Dienste ein
Die Europäische Kommission hat ein förmliches Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob TikTok in Bereichen im Zusammenhang mit dem Jugendschutz, der Transparenz der Werbung, dem Datenzugang für Forscher sowie dem Risikomanagement in Bezug auf suchterzeugende Gestaltung und schädliche Inhalte möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.
Auf der Grundlage der bisher durchgeführten vorläufigen Untersuchung, einschließlich einer Analyse des von TikTok im September 2023 übermittelten Risikobewertungsberichts sowie der Antworten von TikTok auf die förmlichen Auskunftsverlangen der Kommission (zu illegalen Inhalten, zum Schutz Minderjähriger und zum Datenzugang), hat die Kommission beschlossen,ein förmliches Verfahren gegen TikTok nach dem Gesetz über digitale Dienste einzuleiten.
Die Beratungen werden sich auf folgende Bereiche konzentrieren:
Die Einhaltung der Verpflichtungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste im Zusammenhang mit der Bewertung und Minderung systemischer Risiken in Bezug auf tatsächliche oder vorhersehbare negative Auswirkungen, die sich aus der Gestaltung des TikTok-Systems, einschließlich algorithmischer Systeme, ergeben und die Verhaltensabhängigkeit stimulieren und/oder sogenannte „Kabbit-Locheffekte“ hervorrufen können. Eine solche Bewertung ist erforderlich, um potenziellen Risiken für die Ausübung des Grundrechts auf das körperliche und geistige Wohlbefinden der Person, die Achtung der Rechte des Kindes sowie dessen Auswirkungen auf Radikalisierungsprozesse entgegenzuwirken. Darüber hinaus sind die diesbezüglich bestehenden Risikominderungsmaßnahmen, insbesondere die von TikTok verwendeten Instrumente zur Altersüberprüfung, um den Zugang Minderjähriger zu unangemessenen Inhalten zu verhindern, möglicherweise nicht angemessen, verhältnismäßig und wirksam;
Die Einhaltung der Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Dienste, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen, um ein hohes Maß an Privatsphäre und Sicherheit für Minderjährige zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf Standardeinstellungen zum Schutz der Privatsphäre Minderjähriger im Rahmen der Gestaltung und Funktionsweise ihrer Empfehlungssysteme;
Die Einhaltung der Verpflichtungen des Gesetzes über digitale Dienste, ein durchsuchbares und zuverlässiges Archiv für Werbung auf TikTok bereitzustellen;
Die von TikTok ergriffenen Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz seiner Plattform. Die Untersuchung betrifft mutmaßliche Mängel beim Zugang von Forschern zu öffentlich zugänglichen Daten von TikTok gemäß Artikel 40 des Gesetzes über digitale Dienste.
Im Falle des Nachweises würden diese Versäumnisse einen Verstoß gegen Artikel 34 Absatz 1, Artikel 34 Absatz 2, Artikel 35 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1, Artikel 39 Absatz 1 und Artikel 40 Absatz 12 des Gesetzes über digitale Dienste darstellen. Die Kommission wird nun vorrangig eine eingehende Prüfung durchführen. Die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens greift dem Ergebnis nicht vor.
Die vorliegende Einleitung des Verfahrens lässt andere Verfahren unberührt, die die Kommission in Bezug auf andere Verhaltensweisen einleiten kann, die einen Verstoß nach dem Gesetz über digitale Dienste darstellen könnten, beispielsweise im Zusammenhang mit den Verpflichtungen eines Anbieters in Bezug auf die Verbreitung illegaler Inhalte wie terroristische Inhalte oder sexuellen Kindesmissbrauch im Internet oder die Meldung eines Verdachts auf Straftaten.
Dies gilt auch unbeschadet der Durchsetzungsmaßnahmen, die von anderen Behörden im Rahmen anderer Rechtsrahmen, z. B. des Netzwerks für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ergriffen werden.
Nächste Schritte
Nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweismittel sammeln, z. B. durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Inspektionen.
Mit der Einleitung eines förmlichen Verfahrens wird die Kommission ermächtigt, weitere Durchsetzungsmaßnahmen wie einstweilige Maßnahmen und Beschlüsse wegen Nichteinhaltung zu ergreifen. Die Kommission ist ferner befugt, alle Zusagen von TikTok anzunehmen, in den von dem Verfahren betroffenen Angelegenheiten Abhilfe zu schaffen.
Das Gesetz über digitale Dienste sieht keine gesetzliche Frist für die Beendigung eines förmlichen Verfahrens vor. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von mehreren Faktoren ab, u. a. von der Komplexität des Falls, dem Umfang der Zusammenarbeit des betroffenen Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung der Verteidigungsrechte.
Die Einleitung eines förmlichen Verfahrens entbindet die Koordinatoren für digitale Dienste oder jede andere zuständige Behörde der EU-Mitgliedstaaten von ihrer Befugnis, das Gesetz über digitale Dienste in Bezug auf mutmaßliche Verstöße gegen Artikel 28 Absatz 1 zu überwachen und durchzusetzen.
Hintergrund
TikTok wurde am 25. April 2023 gemäß dem EU-Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (VLOP) benannt, nachdem es erklärt hatte, dass es 135,9 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU hat. Als VLOP musste TikTok vier Monate nach seiner Benennung mit der Erfüllung einer Reihe von im Gesetz über digitale Dienste festgelegten Verpflichtungen beginnen.
Seit dem 17. Februar gilt das Gesetz über digitale Dienste für alle Online-Vermittler in der EU.