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BGH: Zur Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO

BGH
Urteil vom 05.03.2024
VI ZR 330/21
DSGVO Art. 15 Abs. 3


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Reichweite des Begriffs "Kopie der personenbezogenen Daten" im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DSGVO befasst.

Leitsatz des BGH:
Zum Begriff "Kopie der personenbezogenen Daten" in Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

BGH, Urteil vom 5. März 2024 - VI ZR 330/21 - OLG München - LG München I

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Art. 15 Abs. 1 DSGVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DSGVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer "Kopie" der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art. 15 Abs. 1 DSGVO vorgesehene (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin nur Anspruch auf Überlassung von Kopien der von ihr verfassten, bei den Beklagten vorhandenen Schreiben und E-Mails.

aa) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person ("betroffene Person") beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 mwN).

Nach diesen Grundsätzen sind - wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist - Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 2021 - VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 mwN).

bb) Mit ihrem vom Berufungsgericht zuerkannten Antrag verlangt die Klägerin - wie erläutert -, ihr eine Abschrift von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zu überlassen, in denen personenbezogene Daten der Klägerin enthalten sind, die die Beklagten verarbeiten. Nach den Ausführungen unter aa) handelt es sich zwar bei den von der Klägerin verfassten Schreiben und E-Mails, die den Beklagten vorliegen, ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie dieser Schreiben und E-Mails fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH, Urteile vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden.

Demgegenüber handelt es sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass - wie von ihr gefordert - alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind. Zwar kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Mai 2023 - C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45; vom 22. Juni 2023 - C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; vom 26. Oktober 2023 - C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteil vom 6. Februar 2024 - VI ZR 15/23, zVb; BGH, Urteil vom 27. September 2023 - IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.). Die Klägerin hat aber weder in den Vorinstanzen dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie der geforderten Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails und Briefe der Beklagten sowie Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen nötig wäre.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuG: Facebook / Meta Platforms Ireland muss EU-Kommission anhand von Suchbegriffen zu identifizierende Dokumente zur Verfügung stellen

EuG
Urteil vom 24.05.2023
T-451/20
Meta Platforms Ireland / Kommission


Das EuG hat entschieden, dass Facebook / Meta Platforms Ireland der EU-Kommission anhand von Suchbegriffen zu identifizierende Dokumente zur Verfügung stellen muss.

Die Pressemitteilung des EuG
Wettbewerb: Die Klage von Meta Platforms Ireland (Facebook-Konzern) gegen eine Aufforderung der Kommission zur Übermittlung von Dokumenten, die anhand von Suchbegriffen zu identifizieren sind, wird abgewiesen

Nach den Feststellungen des Gerichts hat Meta Platforms Ireland nicht nachweisen können, dass die Aufforderung zur Übermittlung von Dokumenten, die anhand von Suchbegriffen zu identifizieren sind, über das Erforderliche hinausging und dass der Schutz sensibler personenbezogener Daten durch die Einrichtung eines virtuellen Datenraums nicht hinreichend gewährleistet wurde

Da die Europäische Kommission den Verdacht hegte, dass der Facebook-Konzern bei seiner Verwendung von Daten und beim Betreiben seines sozialen Netzwerks wettbewerbswidrig handelte, richtete sie mit Beschluss vom 4. Mai 20201 ein Auskunftsverlangen an die Meta Platforms Ireland Ltd, vormals Facebook Ireland Ltd. Dieser nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/20032 ergangene Beschluss verpflichtete Meta Platforms Ireland dazu, alle Dokumente, die von drei ihrer Verantwortlichen im maßgeblichen Zeitraum erstellt oder empfangen worden waren und einen oder mehrere der in den Anhängen des Beschlusses genannten Suchbegriffe enthielten, an die Kommission zu übermitteln. Für den Fall der unterlassenen Erteilung der verlangten Auskünfte wurde im Beschluss ein Zwangsgeld in Höhe von 8 Mio. Euro pro Tag angedroht.

Der Beschluss vom 4. Mai 2020 trat an die Stelle eines ähnlichen früheren Beschlusses, in dem weiter gefasste Suchkriterien vorgesehen waren. Durch den neuen Beschluss, der nach einem Austausch zwischen der Kommission und Meta Platforms Ireland erging, wurde die Anzahl der verlangten Dokumente verringert, indem die Suchbegriffe verfeinert und der Kreis der betroffenen Verantwortlichen begrenzt wurde.

Am 15. Juli 2020 erhob Meta Platforms Ireland eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss vom 4. Mai 2020 und stellte einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.

Mit einem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses vom 4. Mai 2020 an, und zwar bis zur Einrichtung eines speziellen Verfahrens für die Vorlage derjenigen der verlangten Dokumente, die keinen Bezug zur Geschäftstätigkeit von Meta Platforms Ireland aufweisen und darüber hinaus sensible personenbezogene Daten enthalten. Um diesem Beschluss Folge zu leisten, erließ die Kommission einen Änderungsbeschluss5, der vorsieht, dass die fraglichen Dokumente erst zu den Untersuchungsakten genommen werden dürfen, nachdem sie in einem virtuellen Datenraum nach den Modalitäten, die in dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss dargelegt werden, geprüft wurden.

Nachdem Meta Platforms Ireland ihre Klageschrift angepasst hat, um diesem Änderungsbeschluss Rechnung zu tragen, weist die Fünfte erweiterte Kammer des Gerichts ihre Klage in vollem Umfang ab. In diesem Zusammenhang prüft das Gericht zum ersten Mal die Rechtmäßigkeit eines mit Suchbegriffen verknüpften Auskunftsverlangens im Sinne der Verordnung Nr. 1/2003 sowie die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens, das für die Bearbeitung von Dokumenten mit sensiblen personenbezogenen Daten einen virtuellen Datenraum vorsieht.

Würdigung durch das Gericht

Zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage machte Meta Platforms Ireland u. a. geltend, die Anwendung der im Auskunftsverlangen genannten Suchbegriffe führe unweigerlich dazu, dass zahlreiche Dokumente zusammenzutragen seien, die für die von der Kommission durchgeführte Untersuchung unerheblich seien, was dem in Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 niedergelegten Grundsatz der Erforderlichkeit zuwiderlaufe.

Insoweit erinnert das Gericht daran, dass die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, um die Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union zu kontrollieren, durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen verlangen kann, dass sie „alle erforderlichen Auskünfte“ erteilen. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen kann, die sie voraussichtlich in die Lage versetzen, die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen zu prüfen, deretwegen sie ihre Untersuchung durchführt. In Anbetracht der weiten Ermittlungsbefugnisse, die die Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission einräumt, ist diese Voraussetzung der Erforderlichkeit erfüllt, wenn die Kommission zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens vernünftigerweise annehmen kann, dass die Auskünfte ihr dabei helfen können, festzustellen, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt.

Zur Stützung ihrer Rügen, mit denen sie die Einhaltung des Grundsatzes der Erforderlichkeit in Frage stellte, beanstandete Meta Platforms Ireland bestimmte im Auskunftsverlangen genannte Suchbegriffe, wobei sie darauf hinwies, dass diese spezifischen Beanstandungen als nicht abschließende Beispiele zu verstehen seien, die dazu dienten, ihre allgemeinere Argumentationslinie zu illustrieren. Ihrer Auffassung nach wäre es unangebracht, wenn nicht gar unmöglich gewesen, auf jeden einzelnen Suchbegriff separat einzugehen.

Diese Sichtweise wird jedoch vom Gericht zurückgewiesen. Seiner Auffassung nach ist eine globale Prüfung der Frage, ob der in Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 niedergelegte Grundsatz der Erforderlichkeit eingehalten wird, im vorliegenden Fall nicht angezeigt, falls überhaupt möglich. Der Umstand, dass bestimmte Suchbegriffe, wie von Meta Platforms Ireland geltend gemacht, womöglich zu vage sind, ändert nämlich nichts daran, dass andere Suchbegriffe hinreichend genau oder zielgerichtet sein können, um die Feststellung zu erlauben, dass sie der Kommission dabei helfen können, zu ermitteln, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt.

In Anbetracht der für Handlungen der Unionsorgane geltenden Vermutung der Rechtmäßigkeit befindet das Gericht daher, dass allein die von Meta Platforms Ireland konkret beanstandeten Suchbegriffe darauf geprüft werden können, ob sie dem Grundsatz der Erforderlichkeit entsprechen. Bei den übrigen Suchbegriffen muss hingegen davon ausgegangen werden, dass sie im Einklang mit diesem Grundsatz festgelegt worden sind.

Nach dem Hinweis, dass die erstmals im Stadium der Erwiderung vorgebrachten Argumente bezüglich der Suchbegriffe unzulässig sind, prüft das Gericht allein die von der Klageschrift erfassten Suchbegriffe. Insoweit stellt es fest, dass Meta Platforms Ireland nicht hat nachweisen können, dass diese Begriffe dem Grundsatz der Erforderlichkeit zuwiderlaufen. Daher weist das Gericht die verschiedenen in dieser Hinsicht vorgebrachten Argumente als unbegründet zurück.

Im Rahmen ihrer Nichtigkeitsklage machte Meta Platforms Ireland außerdem geltend, dass der Beschluss vom 4. Mai 2020 in seiner geänderten Fassung (im Folgenden: angefochtener Beschluss) insoweit, als er die Vorlage zahlreicher privater und unerheblicher Dokumente vorschreibe, das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) niedergelegte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verletze.

Hierzu führt das Gericht aus, dass nach Art. 7 der Charta (der Rechte gewährt, die den durch Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgten Rechten entsprechen) jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation hat.

Was Eingriffe in dieses Recht anbelangt, sieht Art. 52 Abs. 1 der Charta vor, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Zudem dürfen Einschränkungen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Anhand dieser Vorgaben prüft das Gericht, ob der durch den angefochtenen Beschluss bewirkte Eingriff in Art. 7 der Charta die in deren Art. 52 Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Verordnung Nr. 1/2003 die Kommission zum Erlass des angefochtenen Beschlusses ermächtigt, so dass der durch ihn bewirkte Eingriff in das Privatleben gesetzlich vorgesehen ist. Der Beschluss entspricht überdies dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen der Union, und Meta Platforms Ireland hat nicht geltend gemacht, dass er den Wesensgehalt des Rechts auf Achtung des Privatlebens antastet.

Sodann prüft das Gericht, ob der angefochtene Beschluss einen unverhältnismäßigen Eingriff in dieses Recht bewirkt. Insoweit bestätigt das Gericht erstens, dass ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Maßnahme darstellt, die zur Erreichung der von der Kommission verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele (nämlich der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung nach Maßgabe der Verträge) geeignet ist.

Was zweitens die Frage anbelangt, ob der angefochtene Beschluss über das hinausgeht, was zur Erreichung der dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist, so weist das Gericht darauf hin, dass die Kommission nach dem Erlass des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 29. Oktober 2020 ein spezielles Verfahren eingerichtet hat, um die Dokumente zu bearbeiten, die von Meta Platforms Ireland vorzulegen waren, aber dem ersten Anschein nach keinen Bezug zu ihrer Geschäftstätigkeit aufwiesen und sensible personenbezogene Daten enthielten (im Folgenden: geschützte Dokumente).


Nach diesem Verfahren waren die geschützten Dokumente der Kommission auf einem separaten elektronischen Datenträger zu übermitteln und in einen virtuellen Datenraum einzustellen, auf den nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedern des für die Untersuchung zuständigen Teams in Anwesenheit der Anwälte von Meta Platforms Ireland zugreifen durfte, um die zu den Akten zu nehmenden Dokumente auszuwählen. Für den Fall einer nicht auszuräumenden Uneinigkeit über die Einstufung eines Dokuments sieht der Änderungsbeschluss darüber hinaus ein Streitschlichtungssystem vor. Nach diesem Beschluss können die geschützten Dokumente der Kommission zudem in einer Form übermittelt werden, in der die Namen der betroffenen Personen und jegliche Angaben, die deren Identifizierung ermöglichen könnten, geschwärzt sind. Auf ein durch die Erfordernisse der Untersuchung gerechtfertigtes Verlangen der Kommission müssen ihr diese Dokumente allerdings vollständig übermittelt werden.

Im Übrigen ist unstreitig, dass einige der von der Kommission verlangten Dokumente sensible personenbezogene Daten enthielten, die möglicherweise unter die von Art. 9 der Verordnung 2016/6796 und Art. 10 der Verordnung 2018/17257 erfassten Daten fielen. Die Zulässigkeit der Verarbeitung solcher Daten hängt von den drei folgenden Voraussetzungen ab:

1. Die Verarbeitung dient einem erheblichen öffentlichen Interesse mit unionsrechtlicher Grundlage;

2. die Verarbeitung muss zur Durchsetzung dieses öffentlichen Interesses erforderlich sein;

3. das Unionsrecht muss in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahren sowie angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsehen.

Diese Voraussetzungen sind auch für die Prüfung relevant, ob der angefochtene Beschluss, wie von Art. 52 Abs. 1 der Charta verlangt, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit ihm verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist. Insoweit stellt das Gericht fest, dass ein Auskunftsverlangen wie der angefochtene Beschluss eine Maßnahme darstellt, die zur Erreichung der von der Kommission verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele geeignet ist (erste Voraussetzung), und dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, die der angefochtene Beschluss verlangt, zur Durchsetzung des damit verfolgten erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist (zweite Voraussetzung).

Unter Verweis auf die Modalitäten der Übermittlung, der Einsichtnahme, der Bewertung und der Anonymisierung der geschützten Dokumente befindet das Gericht, dass die dritte der oben genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt ist.

Nachdem das Gericht auf diese Weise ermittelt hat, dass der angefochtene Beschluss, soweit er das Verfahren der Verwendung eines virtuellen Datenraums vorsieht, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten, dem Gemeinwohl dienenden Ziele erforderlich ist, stellt es drittens fest, dass die Nachteile dieses Verfahrens auch nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen standen.

Aufgrund all dieser Erwägungen gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der durch den angefochtenen Beschluss bewirkte Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Voraussetzungen erfüllt, und weist daher die Rügen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 7 der Charta geltend gemacht wurde, zurück.

Da sich auch die weiteren Klagegründe, die von Meta Platforms Ireland vorgebracht wurden, als unbegründet erweisen, weist das Gericht die Klage in vollem Umfang ab.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Recht auf Zugang zu Dokumenten die in Akten zu Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind

EuGH
Urteil vom 22.01.2020
C-175/18 PTC Therapeutics International Ltd / Europäische Arzneimittelagentur (EMA)
und
C-178/18 P, MSD Animal Health Innovation und Intervet International / Europäische Arzneimittelagentur (EMA)


Der EuGH hat entschieden, dass ein Recht auf Zugang zu Dokumenten besteht, die in den Akten zu einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

"Der Gerichtshof bestätigt das Recht auf Zugang zu Dokumenten, die in den Akten zu einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln enthalten sind

Ein Widerspruch gegen einen solchen Zugang muss Erläuterungen zu Art, Gegenstand und Tragweite der Daten enthalten, deren Verbreitung geschäftliche Interessen beeinträchtigen würde In den Urteilen PTC Therapeutics International/EMA (C-175/18 P) und MSD Animal Health Innovation und Intervet International/EMA (C-178/18 P) vom 22. Januar 2020 hatte der Gerichtshof erstmals über die Frage des Zugangs zu im Rahmen von Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eingereichten Dokumenten der Europäischen Union zu entscheiden. Er hat die Rechtsmittel von zum einen PTC Therapeutics International und zum anderen MSD Animal Health Innovation und Intervet International gegen die Urteile des Gerichts1 zurückgewiesen, mit denen deren Klagen auf Nichtigerklärung von Beschlüssen2 abgewiesen wurden, mit denen die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Zugang zu Dokumenten gewährt hatte, die Informationen enthielten, die im Rahmen des Verfahrens betreffend Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln vorgelegt worden waren.

Die beiden Rechtssachen betreffen die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der EMA, mit denen gemäß der Verordnung Nr. 1049/20013 Zugang zu mehreren Dokumenten, nämlich Berichten über toxikologische Prüfungen und einem Bericht über eine klinische Prüfung (streitige Berichte) gewährt wurde, die von den Rechtsmittelführerinnen im Rahmen ihrer Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zweier Arzneimittel – eines davon ein Humanarzneimittel (Rechtssache C-175/18 P), das andere ein Tierarzneimittel (Rechtssache C-178/18 P) – vorgelegt worden waren.

In den vorliegenden Fällen beschloss die EMA, nachdem sie das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel genehmigt hatte, den Inhalt dieser Berichte Dritten vorbehaltlich einiger Schwärzungen zugänglich zu machen. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerinnen, die argumentierten, dass für diese Berichte in ihrer Gesamtheit eine Vermutung der Vertraulichkeit bestehen müsse, vertrat die EMA die Ansicht, dass die genannten Berichte mit Ausnahme der bereits unkenntlich gemachten Informationen keinen vertraulichen Charakter aufwiesen.

So hat sich der Gerichtshof als Erstes mit der Anwendung einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit durch ein Organ, eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union, bei dem bzw. der ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten gestellt wird, befasst. Hierzu hat er darauf hingewiesen, dass es dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle zwar freisteht, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, um zu entscheiden, ob die Verbreitung dieser Dokumente grundsätzlich das Interesse beeinträchtigt, das durch eine oder mehrere der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, dieses Organ bzw. diese Einrichtung oder sonstige Stelle jedoch nicht verpflichtet ist, seine bzw. ihre Entscheidung auf eine solche allgemeine Vermutung zu stützen. Somit stellt der Rückgriff auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit eine bloße Option für das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle dar, dem bzw. der stets die Möglichkeit bleibt, eine konkrete und individuelle Prüfung der fraglichen Dokumente vorzunehmen, um festzustellen, ob diese ganz oder teilweise durch eine der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt sind. Infolgedessen hat der Gerichtshof den Rechtsmittelgrund, mit dem die Rechtsmittelführerinnen geltend gemacht hatten, dass für die streitigen Berichte eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelte, mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die EMA nicht verpflichtet war, eine solche Vermutung auf die genannten Berichte anzuwenden, und eine konkrete und individuelle Prüfung dieser Berichte durchgeführt hatte, die sie dazu veranlasste, bestimmte Passagen dieser Berichte unkenntlich zu machen.

Als Zweites hat sich der Gerichtshof der Frage zugewandt, ob der Beschluss der EMA, Zugang zu den streitigen Berichten zu gewähren, die geschäftlichen Interessen der Rechtsmittelführerinnen beeinträchtigte, und damit die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geprüft. Zunächst hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass eine Person, die beantragt, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle, auf das bzw. die diese Verordnung Anwendung findet, eine der nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen anwendet, ebenso wie das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle, wenn dieses bzw. diese beabsichtigt, den Zugang zu Dokumenten zu versagen,
erläutern muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine dieser Ausnahmen geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Sodann hat der Gerichtshof geurteilt, dass das Vorliegen einer Gefahr der missbräuchlichen Verwendung von Daten, die in einem Dokument enthalten sind, zu dem Zugang beantragt wird, nachgewiesen werden muss und dass ein bloßer nicht belegter Hinweis auf ein allgemeines Risiko einer solchen Verwendung nicht dazu führen kann, dass diese Daten als von der Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen erfasst angesehen werden, wenn die Person, die die Anwendung dieser
Ausnahme beantragt, nicht, bevor das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung oder sonstige Stelle eine Entscheidung hierüber trifft, genauere Angaben zu Art, Gegenstand und Tragweite dieser Daten macht, die den Unionsrichter darüber aufklären können, wie die Verbreitung dieser Daten die geschäftlichen Interessen der Personen, auf die sie sich beziehen, konkret und bei vernünftiger Betrachtung absehbar beeinträchtigen kann. Schließlich hat der Gerichtshof die Erwägungen des Gerichts bestätigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Abschnitte der streitigen Berichte, die verbreitet wurden, keine Daten darstellten, die unter die Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen fallen können. Was die Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-175/18 P betrifft, hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie zum einen der EMA, bevor diese ihren Beschluss erließ, keine Erläuterungen zu Art, Gegenstand und Tragweite der fraglichen Daten vorgelegt hatte, die auf das Bestehen eines Risikos der missbräuchlichen Verwendung der in den streitigen Berichten enthaltenen Daten schließen ließen, und zum anderen die Passagen nicht ausdrücklich bezeichnet hatte, deren Verbreitung ihre geschäftlichen Interessen beeinträchtigen könnte. Was die Rechtsmittelführerinnen in der Rechtssache C-178/18 P anbelangt, hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie vor dem Gericht weder solche Erläuterungen vorgelegt noch konkret und genau die Abschnitte der streitigen Berichte bezeichnet hatten, deren Verbreitung ihre geschäftlichen Interessen beeinträchtigen könnte.

Als Drittes hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass das Gericht bei einem nicht hinreichend klaren und bestimmten Vorbringen einer Partei eine implizite Begründung geben kann. In diesem Sinne hat er hervorgehoben, dass es Sache der Rechtsmittelführerinnen war, der EMA im dortigen Verwaltungsverfahren Art, Gegenstand und Tragweite der Daten zu erläutern, deren Verbreitung ihren geschäftlichen Interessen schaden würde, und dass das Gericht in Ermangelung dieser Erläuterungen implizit, aber notwendigerweise, feststellen durfte, dass die von den
Rechtsmittelführerinnen nach Erlass der Beschlüsse der EMA vorgelegten Zeugenaussagen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse nicht erheblich waren. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses zur Verbreitung eines Dokuments kann nämlich nur anhand der Informationen beurteilt werden, die der EMA zur Verfügung standen, als sie den betreffenden Beschluss erließ.

Als Viertes schließlich hat der Gerichtshof die Ausnahme vom Recht auf Dokumentenzugang zum Schutz des Entscheidungsprozesses, wie sie in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehen ist, geprüft. Soweit die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vorhalten, dass die Verbreitung der streitigen Berichte während der Ausschließlichkeitsfrist für die Daten den Entscheidungsprozess hinsichtlich etwaiger Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika während dieses Zeitraums ernstlich beeinträchtige, hat der Gerichtshof geurteilt, dass sie auf andere Entscheidungsprozesse Bezug nehmen als auf denjenigen, der die
Genehmigung für das Inverkehrbringen der fraglichen Arzneimittel betrifft, der, wie bereits vom Gericht festgestellt, abgeschlossen war, als der Antrag auf Zugang zu den streitigen Berichten gestellt wurde."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
C-175/18

C-178/18