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BGH: Auch doppelte Schriftformklauseln sind bei formularmäßiger Vereinbarung unwirksam - Vorrang der Individualvereinbarung und konkludente Vertragsänderung

BGH
Beschluss vom 25.01.2017
XII ZR 69/16
BGB §§ 305 b, 307, 550; ZPO § 91 a


Der BGH hat entschieden, dass auch doppelte bzw. qualifizierte Schriftformklauseln ("Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für eine Änderung dieser Schriftformklausel") bei formularmäßiger Vereinbarung unwirksam sind. Der Wirksamkeit steht der Vorrang der Individualvereinbarung bzw. eine konkludente Vertragsänderung entgegen.

Leitsatz des BGH:

Eine in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene sog. doppelte Schriftformklausel kann im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305 b BGB eine mündliche der auch konkludente Änderung der Vertragsabreden nicht ausschließen.
BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZR 69/16 - Kammergericht Berlin - LG Berlin

Aus den Entscheidungsgründen:

b) Die Frage der Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel in einem Gewerberaummietvertrag kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Klausel bleibt jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305 b BGB wirkungslos (so auch OLG Hamm Urteil vom 21. April 2016 - 18 U 17/14 - juris Rn. 76 ff.; OLG Düsseldorf ZMR 2007, 35; Bub in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. II Rn. 1788; jurisPK-BGB/Schur [Stand: 1. Dezember 2016] § 550 Rn. 32; Krüger ZfIR 2016, 531, 532).

aa) Für eine in einem Formularvertrag enthaltene einfache Schriftformklausel hat der Senat dies bereits entschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch nur bewusst geworden sind. Unerheblich ist auch, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen worden ist. Den Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben individuelle Vertragsabreden ohne Rücksicht auf die Form, in der sie getroffen worden sind,
und somit auch, wenn sie auf mündlichen Erklärungen beruhen. Das gilt selbst dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind (Senatsurteil BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138 f. mwN).

bb) Zwischen einfacher und doppelter Schriftformklausel sind insoweit keine maßgeblichen Unterschiede erkennbar. Der Vorrang der Individualvereinbarung muss bei beiden auch dann gewahrt bleiben, wenn man ein Interesse des Verwenders anerkennt, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche mündliche Abreden die Schriftform zu nehmen, und deshalb eine solche Klausel ausnahmsweise als wirksam ansieht. Das gebieten Sinn und Zweck des § 305 b BGB, wonach vertragliche Vereinbarungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht durch davon abweichende Allgemeine
Geschäftsbedingungen durchkreuzt, ausgehöhlt oder ganz oder teilweise zunichte gemacht werden können. Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen als generelle Richtlinien für eine Vielzahl von Verträgen abstrakt vorformuliert und daher von vornherein auf Ergänzung durch die individuelle Einigung der Parteien ausgelegt sind. Sie können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt. Vereinbaren die Parteien - wenn auch nur mündlich - etwas anderes, so kommt dem der Vorrang zu (vgl. Senatsurteil
BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138, 139).

Das Interesse des Klauselverwenders oder gar beider Vertragsparteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden, muss gegenüber dem von den Parteien später übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Es kommt - anders als bei einer individuell vereinbarten doppelten Schriftformklausel - auch nicht darauf an, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache an die entgegenstehende Klausel gedacht haben und sich bewusst über sie hinwegsetzen wollten (vgl. Senatsurteil BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138, 139 mwN)

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: