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OLG München: Dropbox und andere Cloud-Dienste müssen keine Urheberrechtsabgabe zahlen

OLG München
Urteil vom 02.02.2024
38 Sch 60/22 WG e


Das OLG München hat entschieden, dass Dropbox und andere Cloud-Dienste müssen keine Urheberrechtsabgabe zahlen müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:
3. Clouds, zu denen die Klagepartei Auskunft begehrt, unterfallen den Regelungen der §§ 54, 54b, 54e, 54f UrhG gleichwohl nicht, weil die Beklagte im Bundesgebiet keine Geräte oder Speichermedien herstellt und importiert bzw. mit ihnen handelt.

a) Die streitgegenständliche Cloud als solche ist nach der vorstehenden Begriffsdefinition eine Dienstleistung, die unter anderem die Zugriffsmöglichkeit auf einen von der Beklagten (möglicherweise auch im Ausland) betriebenen Online-Speicherplatz ermöglicht.

b) Nach §§ 54a, 54b UrhG unterliegen aber nur Geräte und Speichermedien einer Zahlungspflicht.

aa) Eine Legaldefinition der Begriffe „Gerät“ und „Speichermedium“ existiert nicht. Die Definition ist daher durch Auslegung zu ermitteln.

Unter dem Begriff „Gerät“ ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein körperlicher Gegenstand zu verstehen (vgl. Stieper, ZUM 2019, 1, 5 von Ungern-Sternberg GRUR 2022, 1777, 1786 beck-online). Die amtliche Gesetzesbegründung geht ebenfalls von körperlichen Gegenständen aus.

Unter dem Begriff „Speichermedien“ sind nach der Gesetzesbegründung alle physikalischen Informations- und Datenträger mit Ausnahme von Papier oder ähnlichen Trägern zu verstehen. In der Gesetzesbegründung werden als Beispiele alle elektronischen (z. B. Smartcard, Memory Stick), magnetischen (z. B. Musikkassette, Magnetband, Festplatte, Diskette) und optischen (z. B. Film, DVD, CD-ROM, CD-R, CD-RW, Laserdisk) Speicher genannt (siehe BT-Drs. 16/1828, S. 29). Durch die beispielhafte Aufzählung von körperlichen Speichermedien hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es sich bei „physikalischen Informations- und Datenträgern“ nur um körperliche Gegenstände handelt.

Dagegen wird die Überlassung einer internetbasierten Nutzungsmöglichkeit nach dem vom Gesetzgeber vorausgesetzten Verständnis von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst, weil der verwendete Begriff des „Trägers“ von Informationen und Daten nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen körperlichen Gegenstand bezeichnet.

bb) Dass der Gesetzgeber in Dienstleistungen der vorliegenden Art kein Inverkehrbringen von Geräten und Speichermedien sieht, ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik, wie § 54c UrhG zeigt. Danach sind bestimmte Großgerätebetreiber wie Copyshops, Universitäten, Bibliotheken usw. zur Zahlung einer zusätzlichen Reprografieabgabe verpflichtet, weil sie mit dem Aufstellen der Geräte die Möglichkeit zur Vervielfältigung durch ihre Nutzer schaffen (Stieper, ZUM 2019,1, 5). Einer derartigen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn bereits die kurzzeitige Zurverfügungstellung eines Ablichtungsgeräts ein Handeltreiben oder ein Importieren darstellen würde.

Ferner ist nach den Regelungen der §§ 54 ff UrhG vorgesehen, dass Geräte und Speichermedien hergestellt (§§ 54 Abs. 1, 54a Abs. 4 UrhG), aus- (§ 54 Abs. 2 UrhG), (wieder) eingeführt (§§ 54b, 54e UrhG), veräußert und in den Verkehr gebracht (§§ 54d, 54f UrhG) werden können bzw. dass mit ihnen gehandelt werden kann, §§ 54b, 54f UrhG. Dies setzt voraus, dass an Geräten und Speichermedien Eigentum und Besitz bestehen kann, was gemäß § 90 BGB nur bei körperlichen Gegenständen möglich ist. Diese Voraussetzung ist zwar in Bezug auf die einzelnen Hardwarekomponenten, derer sich der Cloud-Anbieter bedient – dem Server und dessen Bestandteilen – gegeben. Keine Sachen sind dagegen die einzelnen vom Anbieter der Cloud-Computing-Dienstleistungen seinen Kunden zugewiesenen digitalen Speicherplätze. Diese sind nicht körperlich abgetrennt oder abtrennbar und können weder hergestellt noch aus- oder (wieder) eingeführt werden. Ferner kann man mit diesen auch nicht handeln (siehe auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM, 24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22).
[...]
dd) Die Auslegung der Bergriffe „Geräte“ und „Speichermedien“ steht mit dem Unionsrecht in Einklang. Der Unionsgerichtshof hat in der Rechtssache C-433/20 (Austro-Mechana/Strato) das Unionsrecht zwar verbindlich dahingehend ausgelegt, dass ein Server, auf dem der Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt, ein beliebiger Träger i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) der RL 2001/29/EG ist (EuGH, Urt. v. 24.3.2022 – C-433/20 – Austro-Mechana Gesellschaft/Strato, GRUR 2022, 558 Rn. 33, beck-online). Zugleich betont der Unionsgerichtshof aber, dass sich die Mitgliedsstaaten zu vergewissern haben, dass die so gezahlte Abgabe, soweit im Rahmen dieses einheitlichen Prozesses mehrere Geräte und Speichermedien von ihr betroffen sind, nicht über den sich für die Rechtsinhaber durch die betreffende Handlung ergebenden etwaigen Schaden hinausgeht (EuGH aaO, Rn. 53). Eine nationale Regelung, nach der die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen gerechten Ausgleich für Sicherungskopien leisten müssen, steht mit dem Unionsrecht deswegen in Einklang, wenn der gerechte Ausgleich bereits auf andere Weise erreicht wird (EuGH, aaO., Rn. 54). Nichts anderes ergibt sich auch aus der von der Klagepartei zitierten Entscheidung des Unionsgerichtshofs in der Rechtssache C-265/16 (Urteil v. 29. November 2017 – VCAST/RTI).

Die Mitgliedsstaaten haben bei der Festlegung der verschiedenen Elemente des gerechten Ausgleichs ein weites Ermessen. Insbesondere bestimmen sie, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20, GRUR 2022, 558 Rn. 41 – Austro-Mechana/Strato m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).

Der deutsche Gesetzgeber zieht derzeit in Ausübung des ihm durch das Unionsrecht zugebilligten weiten Ermessens nur Hersteller, Importeure und Händler von Geräten und Speichermedien (vgl. § 54 Abs. 1, 54b Abs. 1 UrhG) sowie die Betreiber von Vervielfältigungsgeräten (vgl. 54c UrhG) als Schuldner einer Vergütung heran. Da der Nutzer einer Cloud-Computing-Leistung stets auch ein Endgerät – wie etwa PC, Tablet oder Smartphone – benötigt, um Privatkopien erstellen zu können, ist die Vergütung nach der deutschen Gesetzessystematik unter Anknüpfung an diese Geräte zu entrichten.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Vervielfältigung ggf. auf dem Server des Cloud-Anbieters vorgenommen wird und nicht auf dem Endgerät, mit dem die Vervielfältigung veranlasst wird. Denn das Gesetz knüpft die Vergütungspflicht in § 54 Abs. 1 UrhG lediglich daran, dass das betreffende Gerät als Typ zur Vornahme gesetzlich privilegierter Vervielfältigungen benutzt wird. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof auch für Scanner eine Vergütungspflicht angenommen, obwohl auch mit diesen Geräten die der Vorlage entnommene Information nicht gespeichert werden kann (GRUR 2002, 246, 247 – Scanner – zu § 54a UrhG a.F.). Daher überzeugt auch der Einwand der Klagepartei nicht, Vervielfältigungen von einer Cloud in eine andere Cloud oder Vervielfältigungen innerhalb einer Cloud könnten nicht sachgerecht erfasst werden. Denn diese Vervielfältigungen können aus den vorgenannten Gründen ohne Weiteres dem Gerät zugeordnet werden, mit dem sie bewirkt werden.

Soweit die Klagepartei einwendet, in diesen Fällen läge kein funktionales Zusammenwirken mit einem Gerät vor, legt sie einen zu engen Maßstab an. Die Klagepartei hat nicht dargetan, dass eine Vervielfältigung in einer Cloud auch ohne Nutzung eines der Vergütungspflicht unterliegenden Endgeräts (z.B. Smartphone, PC, Tablet) möglich ist. Der Befehl zur Vervielfältigung wird stets mit einem (bereits bepreisten) Gerät erteilt. Das gilt bei wertender Betrachtung für den dem Cloudbetreiber erteilten Auftrag der Synchronisation von Geräten und der Erstellung von Backups. Zum anderen gilt das auch für Filesharing, bei welchem ein Link den Zugriff ermöglicht. In diesem Fall wird der Befehl zur Vervielfältigung vom Empfänger des Links mit einem (bereits bepreisten) Gerät erteilt. Darin liegt eine den Vergütungsanspruch begründende Nutzung des bepreisten Geräts für privilegierte Vervielfältigungen (vgl. auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM, 24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22).

c) Die Beklagte ist als Cloudbetreiberin nicht Herstellerin von Geräten und Speichermedien i.S.v. § 54a UrhG.

Hersteller ist, wer die Geräte tatsächlich produziert hat (BGH, Urteil vom 22.02.1984 – I ZR 200/81 GRUR 1984, 518, beck-online), wobei nur eine Herstellung im Bundesgebiet der Vergütungspflicht unterliegt. Die Klagepartei hat indes nichts dazu vorgetragen, dass die Beklagte im Bundesgebiet Speichermedien hergestellt hat.

Die Herstellung eines vergütungspflichtigen Speichermediums bzw. Geräts i.S.v. § 54 UrhG ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn man in den Herstellungsprozess auch die von der Clouddienstleistung intendierten Handlungen ihrer Nutzer einbezieht, was im patentrechtlichen Kontext z.T. angenommen wird, um eine Umgehung der Schutzrechte zu verhindern (OLG Düsseldorf Urt. v. 23.3.2017 – 2 U 5/17, GRUR-RS 2017, 109826, beck-online). Danach liegt auch dann ein Herstellen vor, wenn Einzelteile einer Gesamtvorrichtung nicht vom Hersteller selbst zusammengesetzt, sondern einem Dritten geliefert werden, der sie vorhersehbar zu der (patentrechtlich) geschützten Gesamtvorrichtung zusammensetzt (BGH, Urteil vom 14.05.2019, GRUR 2019, 1171 Rn. 48, beck-online).

Vorliegend ist mit der Bereitstellung der Soft- und Hardware der Dropbox – was unstreitig ist – für den Nutzer noch nicht die Möglichkeit verbunden, Privatkopien urheberrechtlich geschützter Werke herzustellen. Dies setzt vielmehr voraus, dass der Cloud-Nutzer mit einem Endgerät (z.B. Tablet, Handy, PC oder Smartwatch) eine temporäre – nach der Definition internetbasierte – Verbindung zu der Cloud herstellt, mit deren Hilfe erst Privatkopien auf dem Cloud-Speicher erstellt werden können. Die – vom Patentsenat des Bundesgerichtshofs entwickelte – Rechtsprechung zur Berücksichtigung intendierter Handlungen von Nutzern ist auf die Vergütungspflichten nach § 53 ff UrhG nicht anwendbar.

Zum einen gewährt die Beklagte ihren Nutzern – unstreitig – keinen physischen Zugang zu ihrer Infrastruktur, sondern lediglich den internetbasierten Zugriff auf die D.-Website oder die D.-App, über die sie ihre Inhalte oder andere Funktionen abrufen können. Mit der Herstellung einer Internetverbindung zur Web-Site der Beklagten wird damit noch kein „neues“ (physisches) Speichermedium oder Gerät im Bundesgebiet hergestellt. Vielmehr entsteht eine Gerätekette aus dem im Bundesgebiet befindlichen Endgerät und dem in der Cloud vorgehaltenen Speicherplatz. Dieser befindet sich nach dem Vortrag der Klagepartei jedenfalls teilweise im Ausland.

Zum anderen führt eine Ausweitung des Begriffs „Herstellen“ i.S.d der Rechtsprechung in Patentsachen dazu, dass nicht das Speichermedium oder Gerät pauschal und einmalig bepreist wird. Vielmehr führte die Ausweitung des Begriffs zu dem systemwidrigen Ergebnis, dass jede Herstellung einer Verbindung die Vergütungspflicht neu auslösen würde, weil bei Herstellung der Verbindung jedes Mal erneut ein Gerät oder Speichermedium hergestellt würde.

Diese – am Nutzungsverhalten orientierte – Sichtweise ist mit dem pauschalen Charakter der Gerätebepreisung nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat sich nämlich wegen der praktischen Schwierigkeiten bei der Identifizierung von urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlungen bewusst für eine pauschale nutzungsunabhängige Geräteabgabe entschieden (BT-Drs. 16/1828, Seite 29). Die Ausweitung des Begriffs „Herstellen“ auf einzelne Nutzungshandlungen würde diesem gesetzgeberischen Ziel zuwiderlaufen. Zudem wäre eine erweiterte Auslegung des Begriffs „Herstellen“ auf einzelne Nutzungshandlungen eines Kunden der D. nicht mit den umfassenden Auskunftspflichten nach § 54f UrhG vereinbar, weil in diesem Fall über jede einzelne Nutzung Auskunft zu erteilen wäre.

d) Die Beklagte ist als Cloudbetreiberin nicht Importeurin von Geräten oder Speichermedien. Importeur ist nach § 54b Abs. 2 UrhG, wer die Geräte oder Speichermedien in den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland verbringt. Die Klagepartei hat einen Import von Geräten oder physischen Speichermedien nicht dargetan.

Die Einfuhr setzt ein Verbringen der Geräte und Speichermedien in den Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes voraus. Die Auskunftspflichten zu Importen erstreckt sich daher nach § 54e UrhG auf Art und Stückzahl. § 54b Abs. 2 UrhG wurde – wortgleich – mit dem Gesetz zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze am 24.07.1995 (vgl. Loewenheim/Stieper in Schricker, Urheberrecht § 54 Rn. 2) in § 54 Abs. 2 UrhG aF erstmals geregelt. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass die Regelungen „zur Erfassung der Importe“ als „Ersatzinstrumente für den binnenmarktbedingten Wegfall der Einfuhrkontrollmitteilungen“ eingeführt wurden (Bt.Drs. 218/94, Seite 1). Die Gesetzeshistorie legt damit schon nahe, dass unter Einfuhr nur ein rein physischer Vorgang zu verstehen ist, zumal bei Abfassung des Gesetzes Internetdienstleistungen der gegenständlichen Art nicht bekannt waren.

Aus der Legaldefinition in § 54b Abs. 2 UrhG folgt, dass die Einfuhr nur auf physische Vorgänge beschränkt ist. Die dort verwendeten Begriffe („verbringen“, Freilager, Freizone, Zoll, Spediteur Frachtführer) setzen einen physischen Vorgang voraus.

Diese auf einen physischen Vorgang beschränkte Auslegung ergibt sich auch aus dem Wortlaut in § 54e UrhG, nach dem über die „Stückzahl“ der eingeführten „Gegenstände“ Mitteilung zu machen ist. Die angebotene Nutzungsmöglichkeit ist aber kein „Gegenstand“, der in Stückzahlen zu bemessen ist. Die angebotenen Dienstleistungen unterfallen deswegen auch nicht der Meldepflicht nach § 54e UrhG. § 54e UrhG knüpft nämlich die Meldepflicht an die Einfuhr von Geräten und Speichermedien an. (vgl. auch Hinweisbeschluss der Schiedsstelle beim DPM,24. Oktober 2023 Az: Sch-Urh 11/22, Ziffer 2 c)).

e) Die Beklagte ist nicht Händler. Händler ist, wer gewerblich die Geräte oder Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt (Loewenheim/Stieper in Schricker, Urheberrecht, 6 Aufl. 2020, § 54b Rn. 7; BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 10/22 -Rakuten-, GRUR 2023, 479, Rn. 14, beck-online).

Die zwischen der Beklagten und privaten Nutzern abgeschlossenen Cloud-Verträge beinhalten keine Veräußerung im Sinne eines (Weiter-) Verkaufs. Den Nutzern werden lediglich bestimmte Softwareelemente und begrenzter Speicherplatz für einen begrenzten Zeitraum, gegen Entgelt, zur Verfügung gestellt. Der zwischen der Beklagten und den Nutzern geschlossene Vertrag hat keinen kaufrechtlichen Charakter. Die Nutzer erhalten lediglich eine temporäre Speichermöglichkeit, nicht aber Eigentumsrechte.
[...]
bb) Anders als die Klagepartei meint, ist bei der Anfertigung von Kopien urheberrechtlich geschützter Werke in der Cloud das verwendete Endgerät (PC, Handy, Tablet) nicht bloß Zubehör. Zubehör sind Gegenstände, die nach der Verkehrsanschauung als Zubehör angesehen werden, § 97 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hierunter fallen beispielsweise Druckerpatronen (vgl. Seiler in MMR 2004, XXVII).

Nach der Verkehrsanschauung sind Handys, Tablets, PCs und Smart-Watches nicht bloß Zubehör. Die Erstellung von Kopien in der Cloud setzt zum einen den internetbasierten Zugriff eines Endgeräts auf die Cloud voraus. Der Anstoß zur Anfertigung der Kopie erfolgt stets über ein Endgerät. Das Endgerät ist damit nicht bloßes Hilfsmittel, sondern zentraler Bestandteil des Kopiervorgangs selbst. Erst dadurch, dass der Nutzer mit Hilfe eines Endgeräts die Erstellung der Kopie veranlasst, erhält die Vervielfältigung die von § 53 UrhG vorausgesetzte Zweckrichtung als „Kopie zum privaten Gebrauch“. Auch der spätere Werkgenuss erfolgt wieder über ein Endgerät.

Soweit die Klagepartei meint, dass Kopien auf Servern im Ausland bzw. Kopien auf Servern der Beklagten im Inland bislang nicht bepreist werden, verfängt dies nicht. Eine Vergütungspflicht für die von der Beklagten betriebenen Servern ist vorliegend nicht streitgegenständlich.

cc) Nicht entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der B.KOM e.V. nicht zur Anhebung der Vergütungssätze für Geräte und Speichermedien wegen der Cloudnutzung bereit ist. Die Höhe der Vergütungssätze für Speichermedien und Geräte muss angemessen sein. Die Überprüfung der Angemessenheit erfolgt im Streitfall durch die Gerichte. Den Gesamtverträgen kommt lediglich Indizwirkung zu. Nachdem der gerechte Ausgleich von den Endkunden zu tragen ist, werden Hersteller, Importeure und Händler nicht dadurch benachteiligt, dass der gerechte Ausgleich über eine Geräteabgabe hergestellt wird. Es ist Sache der Vergütungsschuldner, die Geräteabgabe in den Kaufpreis einzukalkulieren.

dd) Dass die Gesamtvertragsparteien in den Gesamtverträgen eine Vergütung für Server nicht vereinbart haben, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Ob ein Vergütungsanspruch besteht, richtet sich ausschließlich nach den §§ 54 ff. UrhG.
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c) Entgegen der Auffassung der Klagepartei gebietet somit auch die Verpflichtung zur Gewährung eines gerechten Ausgleichs aus Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) der RL 2001/29/EG und die daraus resultierende Ergebnispflicht nicht zwingend eine Auslegung dahin, dass es sich bei Clouds um Geräte oder Speichermedien handelt, die nach §§ 54 ff. UrhG gesondert zu vergüten sind.

Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Verpflichtung des nationalen Gerichts, bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen seines nationalen Rechts auf den Inhalt der Richtlinie abzustellen, ihre Grenzen findet, wenn eine solche Auslegung dazu führt, dass einem einzelnen eine in einer nicht umgesetzten Richtlinie vorgesehene Verpflichtung entgegengehalten wird (EuGH, Urt. vom 26.09.1996, LMRR 1996, 59, beck-online). Eine die Gesetzesbindung des Richters überschreitende Auslegung ist auch durch den Grundsatz der Unionstreue nicht zu rechtfertigen (BVerfG ZIP 2013, 924 Rn. 32; NJW 2012, 669 Rn. 46 f.). Ebenso ist eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie ausgeschlossen, wenn – wie hier – eine staatliche Verpflichtung aktiviert wird, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verpflichtung eines privaten Dritten steht (Calliess/Ruffert/Ruffert, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 288 Rn. 64).

Aus dem Unionsrecht lässt sich im Übrigen eine Pflicht zur Erhebung einer Vergütung bei Cloudbetreibern nicht ableiten, wie der Unionsgerichtshof zuletzt entschieden hat. Wie ausgeführt haben die Mitgliedsstaaten einen weiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie. Durch die umfassende Vergütungspflicht von Geräten und Speichermedien, die für die Nutzung des Cloudspeichers notwendige Voraussetzung sind, hat der Gesetzgeber dies Spielraum unionrechtskonform ausgeschöpft (EuGH, Urteil vom 24.03.2022, C-433/20, GRUR 2022, 558 Rn. 54, beck-online).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LAG Baden-Württemberg: Fristlose Kündigung eines Betriebsrats wegen DSGVO-Verstoß durch Verbreitung von Mitarbeiter-Gesundheitsdaten per Dropbox-Link wirksam

LAG Baden-Württemberg
Urteil vom 25.03.2022
7 Sa 63/21


Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen DSGVO-Verstößen durch Verbreitung von Mitarbeiter-Gesundheitsdaten per Dropbox-Link berechtigt und somit wirksam ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
Fristlose Kündigung eines Betriebsrats bei der Robert Bosch GmbH

Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Robert Bosch GmbH vom 18.01.2019 ist wirksam.

Der Kläger ist seit September 1997 bei der Robert Bosch GmbH (Beklagte) als Entwicklungsingenieur am Standort Feuerbach beschäftigt. Seit 2006 ist er Mitglied des Betriebsrats und seit 2014 freigestelltes Betriebsratsmitglied.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 18.01.2019, zu der das Betriebsratsgremium seine Zustimmung erteilt hat. Die Beklagte begründet diese Kündigung damit, dass der Kläger mit der Veröffentlichung von Prozessakten aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien, insbesondere von Schriftsätzen der Beklagten, gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe. In den Schriftsätzen der Beklagten seien auch personenbezogene Daten, insbesondere auch Gesundheitsdaten, weiterer Mitarbeiter der Beklagten unter voller Namensnennung enthalten gewesen. Diese personenbezogenen Daten habe der Kläger einem größeren Verteilerkreis mithilfe eines Zugriffs auf eine sogenannte Dropbox offenbart.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung unwirksam ist. Es bestehe keine Vorschrift, die es gebiete, Prozessakten geheim zu halten, im Übrigen sei ein Datenschutzverstoß schon deshalb abzulehnen, nachdem er mit Blick auf Art. 2 Abs. 2c DS-GVO ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ gehandelt habe. Außerdem habe er auch im
berechtigten Eigeninteresse gehandelt, denn ihm stehe das Recht zu, zu dem Fall Stellung zu nehmen und zu informieren, insbesondere im Hinblick auf die ihn als Familienvater und Betriebsratsmitglied zutiefst belastenden Vorwürfe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.08.2021 den Kündigungsschutzantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger mit der Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakten durch die Zurverfügungstellung des Dropbox-Links in rechtswidriger Weise gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen hat (Az 25 Ca 1048/19).

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zum Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungsmöglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfertigt ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21

Rapidshare-Entscheidung des BGH liegt im Volltext vor - Haftung des Filehosters für Urheberrechtsverletzungen

BGH
Urteil vom 12.07.2012
I ZR 18/11
Alone in the Dark
UrhG § 97; TMG § 7 Abs. 2, § 10


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Filehoster Rapidshare haftet nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Ein File-Hosting-Dienst, der im Internet Speicherplatz zur Verfügung stellt, kann als Störer haften, wenn urheberrechtsverletzende Dateien durch Nutzer seines Dienstes öffentlich zugänglich gemacht werden, obwohl ihm zuvor ein Hinweis auf die klare Rechtsverletzung gegeben worden ist. Nach einem solchen Hinweis muss der File-Hosting-Dienst im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren verhindern, dass derselbe oder andere Nutzer das ihm konkret benannte, urheberrechtlich geschützte Werk Dritten erneut über seine Server anbieten.

b) Die Eignung eines Wortfilters mit manueller Nachkontrolle für die Erkennung von Urheberrechtsverletzungen wird nicht dadurch beseitigt, dass er mögliche Verletzungshandlungen nicht vollständig erfassen kann.

c) Zur Vermeidung einer Störerhaftung kann ein File-Hosting-Dienst auch verpflichtet sein, im üblichen Suchweg eine kleine Anzahl einschlägiger Linksammlungen manuell darauf zu überprüfen, ob sie Verweise auf bestimmte bei ihm gespeicherte urheberrechtsverletzende Dateien enthalten.

BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11 - OLG Düsseldorf -LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Rapidshare gegen Atari - Pressemitteilung des BGH zur Haftung von Filehostingdiensten liegt vor

Nunmehr liegt auch die Pressemitteilung des BGH in Sachen Rapdishare gegen Atari zur Haftung von Filehostingdiensten bei Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien vor. Wir hatten heute bereits in dem Beitrag "BGH: Filehoster Rapidshare haftet nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien" darüber berichtet. "Rapidshare gegen Atari - Pressemitteilung des BGH zur Haftung von Filehostingdiensten liegt vor" vollständig lesen

BGH: Filehoster Rapidshare haftet nach den Grundsätzen der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen durch gehostete Dateien

BGH
Urteil vom 12.07.2012
I ZR 18/11
Rapidshare


Der BGH hat wenig überraschend und in Einklang mit der bisherigen BGH-Rechtsprechung (z.B. BGH, Urteil vom 04.03.2004 - III ZR 96/03; BGH, Urteil vom 30.4.2008 – I ZR 73/05) entschieden, dass der Filehoster Rapidshare für Urheberrechtsverletzungen durch von Nutzern hochgeladene Inhalte nach den Grundsätzen der Störerhaftung haften kann. Der gegenteiligen Ansicht des OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.04.2012 - I-20 U 166/09) folgte der BGH nicht. Vielmehr steht die Entscheidung im wesentlichen im Einklang mit der Rechtsprechung des OLG Hamburg zur Störerhaftung (z.B. Urteil vom 14.03.2012 - 5 U 87/09)

Die Frage, was dem Filehoster im vorliegenden Fall zumutbar war und welche Maßnahmen dieser ergreifen muss, um derartige Rechtsverletzungen zu verhindern, hat der BGH nicht beantwortet, sondern die Sache an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.

Es ist äußerst Schade, dass der BGH sich bei der eigentlich spannenden Frage, nämlich was einem Anbieter konkret zumutbar ist, um Rechtsverletzungen zu verhindern, wieder nur sehr zurückhaltend äußert und keinen mehr oder weniger klaren Kriterienkatalog aufstellt.