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OLG Celle: Bei Werken der Baukunst gehen die Interessen des Eigentümers an anderweitiger Nutzung oder Bebauung des Grundstücks den Interessen des Urhebers an der Erhaltung regelmäßig vor

OLG Celle
Urteil vom 27.02.2024
13 U 57/23


Das OLG Celle hat entschieden, dass bei Werken der Baukunst die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks den Interessen des Urhebers an der Erhaltung des Werkes regelmäßig vorgehen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Es besteht auch ein Verfügungsanspruch. Die Kläger haben derzeit einen Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1, § 14 UrhG.

1. Die in Rede stehende Brunnenanlage ("Wasserspiegel") ist als Teil der von Prof. Lange geschaffenen Platzgestaltung urheberrechtlich geschützt. Die Platzgestaltung ist ein Werk der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Sie weist in der Gesamtschau - insbesondere im Hinblick auf die Brunnenanlage - die für urheberrechtlich geschützte Werke erforderliche Schöpfungshöhe (§ 2 Abs. 2 UrhG) auf. Dies ist nicht zweifelhaft und steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

2. Die Kläger sind als Erben Gesamtrechtsnachfolger von Prof. Lange (§ 1922 BGB) und daher auch Inhaber von dessen urheberrechtlichen Ansprüchen geworden.

3. Der Schutzbereich von § 14 UrhG ist betroffen. Die Entfernung des Brunnens als ein wesentliches Element des Entwurfs von Prof. Lange stellt eine Beeinträchtigung seines Werkes "Platzgestaltung" dar.

Auch wenn man - wie das Landgericht - isoliert nur auf den Brunnen abstellte, wäre dies der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst § 14 UrhG auch die Vernichtung des Werks (BGH, Urteil vom 21. Februar 2019 - I ZR 98/17 - HHole (for Mannheim), BGHZ 221, 181-212, Rn. 31). Das Urheberpersönlichkeitsrecht kann durch die Vernichtung eines Werks in besonderer Weise betroffen sein, weil die Vernichtung das Fortwirken des Werks (als Ausdruck der Persönlichkeit seines Schöpfers) vereiteln oder erschweren kann. Durch die Vernichtung wird das geistige Band zwischen dem Urheber und seinem Werk durchschnitten (BGH, aaO Rn. 33).

4. Für das Interesse des Urhebers an dem Erhalt seines Werks streitet die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Kunstfreiheit. Demgegenüber ist das Grundstückseigentum der Beklagten an dem Platz Gegenstand und Grundlage kommunaler Betätigung und genießt somit den verfassungsrechtlichen Schutz der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2019 - I ZR 98/17 - HHole (for Mannheim), BGHZ 221, 181-212, Rn. 34 f.)

5. Es ist somit eine umfassende Abwägung zwischen dem Erhaltungsinteresse der Kläger als Rechtsnachfolger des Urhebers und dem Interesse der Beklagten an einer Umgestaltung ihres Platzes vorzunehmen.

Hierbei überwiegt zum derzeitigen Zeitpunkt das Interesse der Kläger an dem Erhalt des Brunnens.

a) Bei der Prüfung, ob die Beeinträchtigung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks nach den folgenden, durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2019 - I ZR 98/17 - HHole (for Mannheim), BGHZ 221, 181-212):

Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient (aaO, Rn. 39).

Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt (aaO, Rn. 40).

Im Rahmen der Interessenabwägung kann sich auswirken, ob der Eigentümer dem Urheber Gelegenheit gegeben hat, das Werk zurückzunehmen oder - wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des Werks nicht möglich ist - Vervielfältigungsstücke hiervon anzufertigen (aaO, Rn. 41).

b) Nach dieser Maßgabe überwiegt derzeit im Ergebnis das Erhaltungsinteresse der Kläger.

aa) Auf Seiten der Kläger ist zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Platzgestaltung eine vergleichsweise hohe Gestaltungshöhe aufweist und durch die Entfernung des Brunnens ihr wesentliches Element verlieren würde.

(1) Die Platzgestaltung weist eine - bezogen auf die Aufgabenstellung - vergleichsweise hohe Gestaltungshöhe auf. Die Relativierung durch das Landgericht überzeugt nicht. Insbesondere die Brunnenanlage trägt zu der besonderen Gestaltungshöhe bei, sie weist eine hohe Originalität auf. Die strenge, monumentale Geometrie der kreisrunden Brunneneinfassung wird "gestört" durch einen asymmetrisch kreuzenden Steg und geheimnisvoll wirkende, teilweise bepflanzte "Ruinen-Elemente", die die Phantasie des Betrachters dazu anregt, sich über die mögliche Funktion und Bedeutung Gedanken zu machen. Die Spiegelungen der geometrischen Naturstein-Elemente und der Bepflanzung in der Wasserfläche verstärken diesen Eindruck. Es ist verfehlt und verkennt die künstlerische Gestaltung, wenn das Landgericht darauf abstellt, dass ein Wasserspiegel ein nicht selten anzutreffendes Grundelement sei. Es ist künstlerischem Schaffen immanent, dass regelmäßig bekannte Grundelemente in neuer Weise kombiniert werden. Die Besonderheit liegt hier gerade darin, wie der Entwurf verhältnismäßig einfache geometrische Formen und das Element Wasser nutzt, um bestimmte Eindrücke zu erzeugen.

Darüber hinaus verkennt das Landgericht das zu beurteilende Werk, wenn es darauf abstellt, dass bei einem Brunnen vor allem Gebrauchszwecke zentral seien. Auch wenn der Platz als solches als Verkehrs- und Aufenthaltsfläche bestimmten Gebrauchszwecken dient, betrifft dies nicht den Brunnen als wesentliches Gestaltungselement des Platzes. Gerade der Brunnen beeindruckt dadurch, dass er mit seinen ungewöhnlichen Ausmaßen und seinen besonderen, spielerischen Elementen (Stege und Inseln) - außer der Möglichkeit, auf der gestuften Einfassung zu sitzen - weitgehend zweckfrei ist. Auch wenn der Entwurf Bezüge zu der in den 1980er Jahren aktuellen Architekturrichtung der Postmoderne aufweist, ist er stark durch eigenständige Merkmale geprägt.

Es trifft auch nicht zu, dass der Brunnen keine Bezüge zu seiner Umgebung aufweist. Der Entwurfsplan (Anlage Ast 2) veranschaulicht, dass die Platzgestaltung durchaus in Beziehung zu dem damaligen Neubau des Bankgebäudes tritt. Dies geschieht zum einen durch den das Gebäude durchquerenden Weg und die - wie der Brunnen - mit runden, gestuften Steinelementen eingefasste Baumreihe an der Berliner Allee, die an der dem Platz abgewandten Gebäudeseite im Bereich des Durchlasses des vorgenannten Weges beginnt, wodurch das Gebäude in die Platzgestaltung einbezogen wird. Zum anderen finden sich das Kreissegment des Grundrisses des Hauptgebäudes der Bank sowie der runde Aufbau des Nebengebäudes auch in der Geometrie des Brunnens wieder.

Ein bedeutendes Indiz für die besondere Gestaltungshöhe der Platzgestaltung ist schließlich auch, dass der Entwurf aus einem Architektenwettbewerb, an dem im Übrigen auch der damalige Stadtbaurat der Beklagten als Fachpreisrichter beteiligt war, als Sieger hervorging (s. Anlagen Ast 24 und 25).

(2) Im Grundsatz zur Recht beanstanden die Kläger auch, dass das Landgericht bei seiner Interessenabwägung von der Beseitigung des Brunnens als einem isolierten Werk ausgegangen sei und nicht die Platzgestaltung als Gesamtwerk berücksichtigt habe, das durch die Beseitigung des Brunnens eine gravierende Änderung erfahre.

Wenn infolge einer teilweisen Vernichtung eines Werkes Fragmente des Werkes erhalten bleiben, kann dies unter Umständen das Urheberpersönlichkeitsrecht stärker beeinträchtigen, als die vollständige Vernichtung des Werkes. Die Existenz des Fragments, das noch auf den Urheber hindeutet, stört dessen persönliche geistige Beziehung zu dem ursprünglichen, vollständigen Werk (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Aufl. 2022, UrhG § 14 Rn. 26). Die Interessen des Urhebers sind besonders dann beeinträchtigt, wenn Betrachter die verbliebenen Fragmente dem ursprünglichen Urheber zuordnen und dabei nicht erkennen, dass der Urheber das Werk so, wie es sich jetzt darstellt, nicht geschaffen hat.

Im Streitfall ist allerdings eher fernliegend, dass die nach einer Entfernung des Brunnens verbleibenden Teilelemente für einen interessierten Betrachter noch auf eine einheitliche Platzgestaltung als Gesamtwerk hinweisen. Der ursprüngliche Entwurf ist bereits durch die Entfernung der "Wasserwand" erheblich verändert worden. Nach einer Beseitigung des Brunnens würden nur noch wenige Gestaltungselemente verbleiben. Am Markantesten sind noch die Natursteineinfassungen der Bäume und Anpflanzungen an der Berliner Allee; diese sind aber durch den Hotelneubau von dem Platz deutlich getrennt worden, sodass sie auch von interessierten Betrachtern - wenn sie nicht über besonderes Hintergrundwissen über den früheren Zustand des Platzes verfügen - nach einer Entfernung des Brunnens kaum noch als Bestandteil einer einheitlichen Platzgestaltung wahrgenommen werden dürften. Auch der etwas abseits des eigentlichen Platzes gelegene Abgang zu der Unterführung wird unter Berücksichtigung der abweichenden Materialien (Sichtbeton und rote Klinkerpflasterung) kaum als Bestandteil der sonstigen Platzgestaltung wahrgenommen werden.

Wer hingegen die ursprüngliche Platzgestaltung kennt, wird auch erkennen, dass das ursprüngliche Werk verändert wurde und der beeinträchtigte Zustand nicht dem Urheber zugerechnet werden kann.

Dem Aspekt, dass die nach der Brunnenentfernung verbleibende Platzgestaltung auf ein Werk hindeuten würde, dass der Entwurfsverfasser so nicht geschaffen hat, kommt daher bei der Abwägung keine maßgebliche Bedeutung zu. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die bereits entfernte Wasserwand im Hinblick auf eine absehbare Bebauung von Anfang an nur als Provisorium konzipiert war oder - wie die Beklagte nach dem Schluss der Verhandlung näher vortragen hat - als wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts von Prof. Lange anzusehen war.

(3) Weil das Werk entscheidend durch das markante Brunnenbauwerk geprägt wird, reduziert es auf der anderen Seite das Erhaltungsinteresse der Kläger aber auch nicht wesentlich, dass die ursprünglich entworfene Platzgestaltung durch den Hotelneubau und die Entfernung der "Wasserwand" bereits eine Änderung erfahren hat, bei der das Hotel teilweise die Funktion der "Wasserwand" übernommen hat, den Platz gegenüber der Berliner Allee abzuschirmen.

(4) Der von der Beklagten angebotenen Überlassung von Brunnenbauteilen und einer Dokumentation ist bei der Abwägung kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Die Aufbewahrung einzelner Bauteile könnte kaum dazu beitragen, eine Erinnerung an die Gestaltung des Brunnens zu bewahren. Dass die Kläger den Brunnen mit den Bauteilen andernorts wieder aufbauen könnten, erscheint schon angesichts der Dimensionen des Brunnens fernliegend und könnte auch die ursprüngliche Platzgestaltung nicht rekonstruieren. In dem gegenwärtigen sanierungsbedürftigen Zustand des Brunnens ist auch die Anfertigung einer Foto-Dokumentation - über bereits vorhandene Unterlagen hinaus - kaum geeignet, Urheberinteressen zu dienen.

bb) Auf Seiten der Beklagten ist entscheidend ihr Interesse an einer anderweitigen Nutzung der durch den Brunnen eingenommenen Fläche zu berücksichtigen.

(1) Allerdings existieren noch keine Planungen der Beklagten dazu, wie der Platz und insbesondere die bisherige Brunnenfläche nach der Entfernung des Brunnens dauerhaft gestaltet werden sollen. In der dem Stadtbezirksrat vorgelegten Beschlussdrucksache vom 21. August 2023 zum "Rückbau des Zierbrunnens Andreas-Hermes-Platz-Brunnen auf dem Andreas-Hermes-Platz" kündigte die Beklagte an, dass sie im Jahr 2024 mit den Planungen für ein neues dauerhaftes Gestaltungs- und Nutzungskonzept des Platzes beginnen und dieses den Ratsgremien vorschlagen werde (Bl. 141 LG-A). Es muss einem schutzwürdigen Interesse der Beklagten an einer Nutzungsänderung jedoch nicht entgegenstehen, dass noch keine Planung für die dauerhafte Gestaltung des Platzes vorliegt. Schutzwürdig kann auch das Interesse sein, während einer Zwischenphase neue Konzepte zu erproben und dafür auch bereits den Brunnen zu entfernen. Dem steht nicht grundsätzlich entgegen, dass die Beklagte dann im Verlauf dieser Zwischennutzung möglicherweise auch zu dem Ergebnis gelangen könnte, dass für die endgültige Platzgestaltung eine Entfernung des Brunnens, den Prof. Lange nach den im Architektenwettbewerb vom damaligen Stadtbaurat geäußerten Vorstellungen der Beklagten, insbesondere zur Unterstützung von mehr Sozialkontrolle, statt des ursprünglich vorgesehenen "Paradiesgartens" entworfen hatte (Anlage Ast 24, Bl. 78 f. OLG-A), gar nicht erforderlich gewesen wäre.

(2) Auch für die beabsichtigte Zwischennutzung liegt aber keine näher konkretisierte Planung vor.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bezirksrats war dazu nach der Beschlussvorlage angekündigt, dass die Projektgruppe der AG bahnhofsnahe Plätze zeitnah Ideen entwickeln werde. Die hierzu nunmehr in der Berufungsinstanz vorgelegte Planungsskizze hat erkennbar den Charakter einer ersten Ideensammlung. Sie wirft zahlreiche Fragen auf, die sich bei der konkreten Planung der Interimsnutzung stellen werden. Bei vielen der schlagwortartig aufgeführten Ideen ist noch nicht ersichtlich, wie die Umsetzung erfolgen soll. Es ist unklar, ob tatsächlich für eine nur dreijährige Interimsnutzung eine derart aufwändige Umgestaltung - mit Pflanzung zahlreicher Bäume ("Wald") und der Anlage großer Grünflächen ("Gärten") - erfolgen soll, wie es die Skizze nahelegt. Welchen Bezug die eingefügten Fotos zu der Planung haben, ob beispielsweise eine versiegelte Fläche zum Rollschuhfahren angelegt werden soll, ist nicht ersichtlich. Unklar ist auch der konkrete Stand der erforderlichen Abstimmungsprozesse mit den verschiedenen zu beteiligenden Fachbereichen der Beklagten und ihren politischen Gremien sowie mit den Anliegern und den für eine "soziale Kuratierung" vorgesehenen "vielen Partner*innen". Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit die Finanzierung für eine derart aufwändige Umgestaltung des Platzes zur Interimsnutzung gesichert ist. Der auf dem Plan unter "Die nächsten Schritte" aufgeführte Punkt "Konkretisierung der notwendigen Finanzmittel" verdeutlicht, dass mit hohen Kosten zu rechnen und die Finanzierung zu klären ist. Im Ergebnis bleibt unklar, welche Aussicht auf eine Umsetzung für die in der Planungsskizze dargestellte Zwischennutzung besteht.

(3) Auf den vorstehend dargestellten Planungsstand der Beklagten zu der endgültigen Platzgestaltung und der Zwischennutzung käme es nicht entscheidend an, wenn aus Sicht der Beklagten in jedem Fall - unabhängig von der konkreten Planung - schon mit der bloßen Entfernung des Brunnens eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation eintreten würde, die bei einem Erhalt des Brunnens nicht erreicht werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr geht auch die Beklagte davon aus, dass verschiedene Maßnahmen erforderlich sind, um nach einem Abriss des Brunnens die gewünschte Revitalisierung des Platzes zu erreichen. Auf der anderen Seite erscheint es auch nicht ganz fernliegend, dass auch bei dem Erhalt des Brunnens mit gewissen anderweitigen Änderungen, insbesondere bei Eröffnung einer Außengastronomie, die gewünschte Verbesserung der derzeitigen Situation zu erreichen wäre. Es kommt daher bei der Interessenabwägung entscheidend darauf an, inwieweit konkrete Planungen der Beklagten zur geänderten Nutzung und Umgestaltung des Platzes vorliegen und eine hinreichende Aussicht auf eine Realisierung besteht.

(4) Weiter ist bei dem Beseitigungsinteresse der Beklagten in den Blick zu nehmen, dass der Brunnen gegenwärtig sanierungsbedürftig ist und die Ertüchtigung mit - im Einzelnen zwar streitigen, jedenfalls aber erheblichen - Kosten verbunden wäre. Allerdings wären auch die Entfernung des Brunnens (geschätzte Kosten mit Herstellung einer Steinsandfläche: 368.000 €, Bl. 142 LG-A), die beabsichtigte Umgestaltung zur Zwischennutzung und die abschließende Neugestaltung des Platzes und sowie der laufende Unterhalt etwaiger Geräte, Bepflanzungen etc. mit hohen, möglicherweise deutlich höheren Kosten verbunden (vgl. auch Angaben auf der Planungsskizze der Beklagten). Um das Gewicht des Kosteninteresses der Beklagten abschätzen zu können, wären nachvollziehbare Kostenschätzungen für beide Szenarien erforderlich.

cc) Im Ergebnis überwiegt derzeit bei der umfassenden Interessenabwägung das von den Klägern wahrgenommene Interesse des Urhebers an der Erhaltung seines Werks gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer Umgestaltung des Platzes. Zwar gehen die Interessen des Grundstückseigentümers in der Regel gegenüber dem Urheberinteresse vor. Vorliegend genügt jedoch der gegenwärtige Stand der Planung der Beklagten für eine - dauerhafte oder vorübergehende - Umgestaltung und Umnutzung des Platzes nicht, um das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Urhebers an dem Erhalt seines Werks zurücktreten zu lassen. Es ist der Beklagten zuzumuten, zunächst ihre Nutzungsabsichten näher zu konkretisieren.

6. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen war der Verbotstenor abweichend von dem Wortlaut des Verfügungsantrags zu fassen. Dass die Beklagte gegenwärtig - auf der Grundlage des vorliegenden Planungsstandes als konkrete Verletzungsform - den Brunnen nicht beseitigen darf, schließt es nicht aus, dass sie weitere Planungen für eine Änderung der Platzgestaltung vornimmt, die den Abriss des Brunnens beinhalten und bei einer erneuten Interessenabwägung zu berücksichtigen wären.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

AG München: Verfallene Burg darf als "Lost Place" bezeichnet werden - Kein Anspruch auf Zahlung von Geldentschädigung

AG München
Urteil vom 09.04.2021
142 C 14251/20


Das AG München hat entschieden, dass eine verfallene Burg als "Lost Place" bezeichnet werden darf und kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung besteht.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Lost Places" - verfallene Burg darf als „lost Place“ bezeichnet werden

Mit Urteil vom 09.04.2021 wies das Amtsgericht München die Klage einer US-amerikanischen Gesellschaft auf Schadenersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung ab.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines in Thüringen gelegenen historischen Schlosses. Das Schloss wurde im neunten Jahrhundert erstmals erwähnt. Im vierzehnten Jahrhundert wurde es nach einem Brand wiederhergestellt.

Der Beklagte betreibt eine Internetseite. Auf dieser veröffentlichte er 2018 in der Rubrik „Lost Places“ diverse Fotografien der Burg, die diese unter Anderem von innen zeigen.

Die Klägerin behauptet, das Gebäude sei urheberrechtlich geschützt und sie sei Inhaberin der Urheberrechte. Die ungenehmigte Anfertigung der Bilder und das rechtswidrige Eindringen stellten eine Verletzung des „ausländischen Copyrights“ der Klägerin dar. Als Schadenersatz verlangte sie 3.000,00 €. Dies entspräche dem Pauschalpreis, den sie einer Film-Crew bis zu vier Personen für die Lizenz berechne.

Die Verbreitung der Fotos verletze den ‚foreign copyright claim‘ und moralische Rechte. Die Bezeichnung der Burg als „Lost Place“ sei unwahr. Die Burg sei weder verloren noch verlassen. Der Schadensersatz hierfür betrage 1.500,00 €.

Der Beklagte war hingegen der Ansicht, dass sich der Zustand des Gebäudes einer Ruine ohne jeglichen materiellen oder immateriellen Wert annähere. In diesem Zustand komme der Burg kein Urheberrechtschutz zu. Zudem sei das Grundstück frei zugänglich, Nachteile oder ein Schaden könnten der Klägerin daher durch das Anfertigen von Fotografien nicht entstanden sein.

Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab. Der zuständige Richter führte in der Begründung aus:

„Urheberrechtlicher Schutz nach § 11 S. 1 UrhG kann der Klägerin (…) von Vornherein nicht zukommen, da sie entgegen ihrer auch insoweit unschlüssigen Behauptung nicht Urheberin der (…)burg ist. Urheber können zum einen nur natürliche, nicht dagegen auch juristische Personen sein (Begr. BT-Drs. IV/270, 41; BeckOK UrhR/Ahlberg, 29. Ed. 20.4.2018, UrhG § 7 Rn. 7). Zum anderen ist nicht dargelegt, dass die Klägerin die (…)burg errichtet hat, was angesichts des Fertigstellungsdatums jedenfalls des Wiederaufbaus im Jahr 1375 wohl auch eher fernliegen dürfte. Zu abgeleiteten Schutzrechten ist ebenso nichts vorgetragen, ein Entstehen solcher ist angesichts der lange zurückliegenden Errichtung ebenfalls völlig abwegig.

Soweit die Klägerin ihren Antrag (…) (auch) darauf stützen will, dass der Beklagte die Immobilie der Klägerin auf seiner Internetseite als „lost place“ bezeichnet hat, scheiden Schadensersatzansprüche ebenfalls aus. Insbesondere kommt ein Anspruch auf Geldentschädigung nach §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in Betracht.

Die Klägerin verlangt insoweit offenbar Geldentschädigung für immaterielle Schäden (“Verletzung moralischer Rechte“). Eine solche kann zum einen nur natürlichen Personen zustehen und kommt zum anderen nur in Betracht, wenn eine schwere Beeinträchtigung vorliegt, die nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann (vgl. hierzu i.E. Palandt-Sprau, 79. Aufl., § 823 BGB Rn. 130 m.w.N.). Die erstgenannte Voraussetzung ist offenkundig nicht erfüllt, auch eine schwerwiegende Beeinträchtigung durch die Äußerung des Beklagten ist nicht annähernd ausreichend dargetan oder ersichtlich.

Überdies scheidet auch insoweit eine Verletzungshandlung offensichtlich aus. Aus den von der Klägerin selbst (…) vorgelegten Lichtbildern ergibt sich unzweifelhaft, dass das Objekt leer steht, nach der Außenansicht zu urteilen ist es zudem tatsächlich in einem äußerst schlechten baulichen Zustand, so dass zumindest der Verfall droht. Wenn der Beklagte eine derartige Immobilie als „lost place“ bezeichnet handelt es sich daher um eine offenkundig wahre Tatsachenbehauptung.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 09.04.2021

Aktenzeichen 142 C 14251/20



VG Schwerin: Art. 15 Abs. 3 DSGVO umfasst auch Anspruch auf Herausgabe eines Beweissicherungsgutachtens über ein Objekt an den datenschutzrechtlich betroffenen Eigentümer

VG Schwerin
Urteil vom 29.04.2021
1 A 1343/19 SN


Das VG Schwerin hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch einen Anspruch auf Herausgabe eines Beweissicherungsgutachtens über ein Objekt an den datenschutzrechtlich betroffenen Eigentümer umfasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"dd. Unter Anwendung der genannten Kriterien ist es gerechtfertigt, das hier streitgegenständlichen Gutachten als personenbezogenes Datum anzusehen. Es handelt sich nicht um ein bloßes Sachdatum, wie der Kläger meint.

Bei dem Beigeladenen zu 1. handelt es sich um eine identifizierte oder jedenfalls identifizierbare natürliche Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Vorliegend ist unstreitig, dass jedenfalls dem Kläger, dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2. die Person des Beigeladenen zu 1. bekannt ist und es sich für sie um eine identifizierte Person handelt. Jedenfalls ist es angesichts der Adressangaben im Gutachten sowohl ihnen als auch Dritten unschwer und zweifelsfrei möglich, den Beigeladenen zu 1. zu identifizieren.

Indem detailliert der individuelle und einzigartige Zustand des Eigentums des Beigeladenen zu 1. erfasst und mit seiner Adresse verknüpft wird, liegt eine indirekte personenbezogene Information vor. Durch diese werden Rückschlüsse auf die konkreten vermögens- und eigentumsrechtlichen Verhältnisse des Beigeladenen zu 1. ermöglicht. Aus dem Auszug der Seite 57 des Gutachtens ist ersichtlich, dass Fotos auch innerhalb des Objektes angefertigt wurden. Somit werden auch nicht öffentliche Bereiche des Eigentums des Beigeladenen zu 1. ausschnittsweise erfasst und wiedergegeben. Bereits die entsprechenden Fotos und Beschreibungen stellen für sich genommen jeweils ein personenbezogenes Datum dar. Denn durch die Abbildung von Gegenständen, können konkrete Rückschlüsse etwa auf Kaufvorlieben und den Wert der Gegenstände und folglich auch auf die Vermögensverhältnisse des Beigeladenen zu 1. gezogen werden.

Das Gutachten wurde gerade zum Zweck der Vermögens- und Eigentumserfassung des Beigeladenen zu 1. erstellt. Durch das Gutachten wurde der objektbezogene Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Beweissicherung erfasst. Diese Momentaufnahme soll als Referenz in einer möglichen späteren rechtlichen Auseinandersetzung, insbesondere zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1., als Beweismittel dienen. Dies wird auch aus der Bezeichnung des Gutachtens auf dem Deckblatt („Gutachten über den bau- und funktionstechnischen Gebäudezustand im Hinblick auf Schäden [...]“) deutlich und entspricht dem Wesen derartiger Gutachten. Durch diese sollen spätere Rückschlüsse auf Veränderungen eines konkreten Objektzustandes respektive den Vermögens- und Eigentumsverhältnissen zu konkreten Beurteilungszeitpunkten ermöglicht werden, indem Anknüpfungstatsachen für eine Vorher-Nachher-Betrachtung dokumentiert werden. Hierauf sollen spätere Schlussfolgerungen zu Kausalitäten und Nachweise von Schäden basieren. Das Objekt wird gerade hinsichtlich späterer Auseinandersetzungen mit dem Berechtigten begutachtet, wodurch zugleich auch das Inhaltselement verwirklicht wird. Somit sind alle Bestimmungselemente nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erfüllt und es liegt eindeutig ein personenbezogenes Datum vor.

Durch die Verknüpfung der Teilinformationen in einem einheitlichen Gutachten, welches einer konkreten Adresse zugeordnet ist, folgt, dass das Gutachten als Einheit betrachtet werden muss. Alle Aussagen in dem Gutachten beziehen sich einzeln wie auch insgesamt auf das Eigentum respektive die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Beigeladenen zu 1.

b. Das Gutachten und die darin enthaltenen Informationen des Beigeladenen zu 1. werden nichtautomatisiert „verarbeitet“ und in einem „Dateisystem“ gespeichert gemäß Art. 4 Nr. 2 DS-GVO.

Unter „Verarbeitung“ ist jeder - mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren - ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten zu verstehen wie etwa das Erheben, Erfassen, Ordnen oder die Speicherung.

Das Erheben und Erfassen von personenbezogenen Daten bezeichnet einen Vorgang, durch den Daten erstmals in den Verfügungsbereich des Verantwortlichen gelangen (vgl. Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 4 Abs. 2 Rn. 21).

Der Begriff der Speicherung bezeichnet die Überführung des Informationsgehalts personenbezogener Daten in eine verkörperte Form in einer Weise, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Daten aus einem Datenträger wiederzugewinnen (vgl. Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020 Rn. 24, DS-GVO Art. 4 Abs. 2 Rn. 24).

Nach der Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 6 DS-GVO ist ein „Dateisystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Vorliegend liegt das Gutachten dem Kläger in einem PDF-Dateiformat vor. Entsprechend wurde die Datei in digitaler Form in einem Dateisystem beim Kläger erhoben bzw. erfasst und da er sie noch vorhält und sie noch nicht gelöscht wurde, wird die Datei aktuell noch von ihm gespeichert. Die Verarbeitung erfolgt auch manuell und nicht automatisiert, da eine Nutzung durch einen Anwender nach Bedarf individuell erfolgt.

c. Ein Anwendungsausschluss nach Art. 2 Abs. 2 DS-GVO liegt nicht vor.

d. Der räumliche Anwendungsbereich gemäß Art. 3 DS-GVO ist eröffnet, da die Tätigkeit des Klägers innerhalb der Europäischen Union stattfindet.

2. Der Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

a. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.

Die Vorschriften über Zuständigkeit, Verfahren und Form wurden eingehalten. Insbesondere ist der Beklagte die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO i.V.m. § 40 BDSG, § 19 Abs. 2 DSG M-V.

b. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO sind erfüllt. Der Aufsichtsbehörde ist es demnach gestattet, den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter anzuweisen, den Anträgen der betroffenen Person auf Ausübung der ihr nach dieser Verordnung zustehenden Rechte zu entsprechen, wenn ein vorheriger Antrag des Betroffenen abgelehnt wurde und sich dieser an die Aufsichtsbehörde wendet gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO.

aa. Der Kläger ist Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO, da er das streitgegenständliche Gutachten in Auftrag gegeben hat und er es zumindest – in digitaler Form – vorhält.

bb. Der Beigeladene zu 1. ist Betroffener, da – wie oben dargelegt – seine personenbezogenen Daten betroffen sind.

cc. Der Beigeladene zu 1. kann sich auf ein ihm zustehendes Recht im Sinne von Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO berufen.

Mit zustehenden Rechten im Sinne von Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO sind in erster Linie Anträge auf Auskunft nach den ersten beiden Abschnitten des Kapitels III der DS-GVO gemeint, vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Art. 15 Abs. 1 bis 3 DS-GVO (vgl. Nguyen in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58 Rn. 18). Vorliegend besteht zugunsten des Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf Herausgabe einer Kopie des Gutachtens aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Nach dieser Vorschrift stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.

Der Beigeladene zu 1. hat vom Kläger die Aushändigung einer Kopie des Gutachtens vom 13. August 2018 im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO geltend gemacht. Die Aushändigung hat dieser – bis auf das Deckblatt sowie die Seiten 3 und 57 – mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 abgelehnt. Mit Mail vom 28. Oktober 2018 wandte sich der Beigeladene zu 1. an den Beklagten. Er bat um Unterstützung, damit er vom Kläger eine vollständige Kopie des Gutachtens ausgehändigt bekomme.

dd. Der Umfang des Anspruchs erstreckt sich auf die Herausgabe des vollständigen Gutachtens gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

Was unter „Kopie“ gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zu verstehen ist, ist umstritten. Nach einer extensiven Ansicht sind sämtliche gespeicherten und/oder verarbeiteten personenbezogenen Daten in der vorliegenden Rohfassung zu übermitteln (so: Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 39a; BeckOK DatenschutzR/B.-Wudy, 34. Ed. 1. November 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 85; Halder/Johanson, NJOZ 2019, 1457 (1459); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. April 2020 – 20 K 6392/18, NVwZ-RR 2020, 1070 Rn. 78, beck-online; AG Bonn, Urteil vom 30. Juli 2020 – 118 C 315/19, BeckRS 2020, 19548 Rn. 15, 16); nach der restriktiven Gegenansicht regelt Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO lediglich eine besondere Form der Auskunft und bezieht sich nur auf die Informationen aus Abs. 1, der jedoch keinen Anspruch auf vollständige Datenauskunft, sondern nur auf Übersicht der Daten enthält (vgl. zum Streitstand: BeckOK DatenschutzR/B.-Wudy, 34. Ed. 1. November 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 85; und Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 33 m.w.N.).

Das Gericht hat oben bereits dargelegt, dass es davon ausgeht, dass der DS-GVO ein extensives Verständnis von personenbezogenen Daten zu Grunde liegt. Die restriktive Auffassung, dass eine Auskunft lediglich in Form einer Übersicht der gespeicherten Informationen zu erfolgen hat, ist daher abzulehnen. Aus Sicht des Gerichts, kann es dahinstehen, ob Art. 15 Abs. 3 DS-GVO einen eigenständigen Anspruch oder nur eine Erweiterung des in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO enthaltenen Auskunftsanspruchs darstellt. Denn personenbezogene Daten sollen umfassend geschützt werden. Dieser Schutz kann nur konsequent verwirklicht werden, wenn eine Auskunft über die vollständig gespeicherten Daten erteilt wird. Art. 15 DS-GVO kann in seiner Gesamtheit nur so verstanden werden, dass entweder das „Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten“ nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DS-GVO bereits ein Auskunftsrecht über sämtliche Informationen beinhaltet (Wortlaut: „Auskunft über diese personenbezogenen Daten und folgende Informationen“), welches durch Abs. 3 dahingehend erweitert wird, dass dem Betroffenen auch die Überlassung einer Kopie der Daten zusteht, oder im Recht auf „Kopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO ein eigenständiger Anspruch auf Überlassung der vollständigen Informationen zu sehen ist. Andernfalls wäre eine Überprüfung auf Richtigkeit der gespeicherten Daten und das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DS-GVO nicht umsetzbar. Ohne Kenntnis der konkreten Daten, ist eine Überprüfung auf Richtigkeit nicht möglich. Anhand einer Übersicht, dass etwa Name, Adresse und eine gewisse Anzahl von Fotos, etc. gespeichert werden, lässt sich nicht überprüfen, ob die Daten auch inhaltlich zutreffend erfasst wurden, etwa ob der Name richtig geschrieben wurde oder ob bei zugeordneten Fotos überhaupt ein Zusammenhang mit der betroffenen Person besteht. So können beispielsweise Bilder von verschiedenen Eigentumsobjekten falsch zugeordnet sein. Selbst bei Annahme größtmöglicher Sorgfalt, ist es nicht auszuschließen, dass bei der Verarbeitung großer Datenmengen in jedem Fall eine richtige Zuordnung vorgenommen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich etwa die betreffenden Informationen ähneln (Beispiele: Fotos von baugleichen Reihenhäusern oder von eineiigen Zwillingen), die Daten auf einem Datenträger erfasst wurden und erst im Nachgang eine abschließende Zuordnung zu einer Akte bzw. einem Datensatz erfolgt. Eine Überprüfung der richtigen Erfassung durch den Betroffenen ist nur bei vollständiger Kenntnis der Daten möglich. Gleiches gilt für das Recht auf Löschung nach Art. 17 DS-GVO. Für diese Sichtweise spricht auch der Erwägungsgrund 63 der DS-GVO. Aus diesem wird ersichtlich, dass der Normgeber einen eigenständigen und direkten Zugang des Betroffenen zu seinen Daten ermöglichen will („Nach Möglichkeit sollte der Verantwortliche den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen können, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde.“). Es wird nicht davon gesprochen, dass die betroffene Person Zugang zu einer Übersicht ihrer personenbezogenen Daten, sondern „direkten Zugang“ zu den Daten erhalten soll.

Unter Anwendung der dargelegten Auffassung ist es gerechtfertigt, das Gutachten in seiner Gesamtheit vom Anspruch auf Kopie erfasst anzusehen. Dieses stellt in seiner Summe sowie in seinen einzelnen Bestandteilen sachliche Informationen im Hinblick auf die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Beigeladenen zu 1. dar.

ee. Auch der Erwägungsgrund 62 der DS-GVO steht der Auskunft vorliegend nicht entgegen. Nach diesem entfällt die Pflicht, Informationen zur Verfügung zu stellen, wenn die betroffene Person die Information bereits hat. Diese Erwägung kann jedoch nur dann zum Tragen kommen, wenn die gewünschte Information in der konkret begehrten Form dem Auskunftsersuchenden bekannt ist.

Der Beigeladene zu 1. ist zwar Eigentümer des Objekts das begutachtet wurde und kann sich daher von dem Zustand grundsätzlich selbst überzeugen. Dies ist jedoch für die vorliegende datenschutzrechtliche Bewertung unerheblich. Es kommt vielmehr auf die konkreten Informationen an, die gespeichert bzw. verarbeitet wurden. Selbst wenn unterstellt werden würde, dass der Beigeladene zu 1. die vollständigen Informationen des aufgezeichneten Diktats des Beigeladenen zu 2. vernommen habe und dies ausreichend sei, eine Kenntnis der Informationen anzunehmen, wären diese Informationen jedoch nicht identisch mit dem streitgegenständlichen Gutachten. In dem Gutachten wurden Fotos und Beschreibungen in einem Gesamtwerk aus verschiedenen Quellen (Fotoapparat und Diktataufzeichnung) zusammengefasst. Dies stellt wiederum eine eigenständige Verarbeitung i.S.d. DS-GVO dar, von deren Ergebnis der Beigeladene zu 1. keine Kenntnis hat.

ff. Der Beigeladene zu 1. hat seinen Anspruch auch nicht verwirkt. Zum einen bestehen seitens des Gerichts Bedenken, ob der Anspruch überhaupt verwirkt werden kann und zum anderen setzt die Verwirkung eines materiellen Rechts voraus, dass ein Zeit- sowie ein Umstandsmoment vorliegen. Dies bedeutet, dass seit der Möglichkeit, ein Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände (Umstandsmoment) hinzutreten, sodass die späte Geltendmachung einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt (vgl. Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, VwGO § 42 Rn. 131). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. In dem Einverständnis des Beigeladenen zu 1. zur Begutachtung seines Eigentums kann auch keine konkludente Erklärung zum Verzicht auf Rechte aus der DS-GVO gesehen werden. Dass der Beigeladene zu 1. eine gegen seine eigenen Interessen gerichtete Vereinbarung mit dem Kläger treffen wollte, indem er auf eine Kopie des Gutachtens (konkludent) verzichtet und so dem Kläger einen Wissensvorsprung gegen sich selbst verschaffen wollte, ist zudem abwegig. Anhaltspunkte für eine derartige Annahme wurden vom Kläger zudem weder dargelegt noch bewiesen.

gg. Urheberrechte des Beigeladenen zu 2. stehen dem Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nicht entgegen. Der insoweit beweisbelastete Kläger hat das Vorliegen entgegenstehender Rechte weder substantiiert dargelegt noch bewiesen.

Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Abs. 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Zur Auslegung dieser Vorschrift ist der 63. Erwägungsgrund zur DS-GVO heranzuziehen. Dessen Satz 5 stellt klar, dass das Auskunftsrecht die Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht an Software, nicht beeinträchtigen darf. Weil im darauffolgenden Satz 6 festgelegt ist, dass dies jedoch nicht dazu führen dürfe, dass der betroffenen Person die Auskunft verweigert wird, ist nach der Kommentarliteratur – der sich die Kammer anschließt – eine umfassende Abwägung mit den Grundrechten und Grundfreiheiten Dritter vorzunehmen. Wie diese in der Praxis auszusehen hat bzw. ab welcher Intensität von einer „Beeinträchtigung“ ausgegangen werden kann, wird von Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nicht bestimmt (vgl. BeckOK DatenschutzR/B.-Wudy, 34. Ed. 1. November 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 96; Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 36; Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 33, 34; Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 15 Rn. 40-43; Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 15 Rn. 24).

Beweisbelastet für das Vorliegen eines der Auskunft entgegenstehenden Rechts ist der für die Datenverarbeitung Verantwortliche (vgl. Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 15 Rn. 24; Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 42a).

Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2. September 2019 ein Schreiben des Beigeladenen zu 2. - vom selben Tag - vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass dieser davon ausgehe, dass ihm das Urheberrecht an dem Gutachten zustehe und eine Vervielfältigung des Gutachtens nur mit dessen Zustimmung erfolgen dürfe. Aus dem Schreiben ergibt sich jedoch nicht, in welchem Umfang Nutzungs- und Verwertungsrechte tatsächlich eingeräumt und vereinbart wurden. Auch geht aus dem Schreiben nicht hervor, dass der Anfertigung und Aushändigung einer Kopie zu Zwecken des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO widersprochen wird. Das Schreiben ist somit nur allgemeiner Natur. Nachweise zu konkreten Vereinbarungen über Nutzungs- und Verwertungsrechte wurden weder vorgelegt noch konkret benannt. Das Gericht geht daher davon aus, dass keine konkreten Vereinbarungen hinsichtlich der Verwertungs- und Nutzungsrechte zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. getroffen wurden, die der Aushändigung des Gutachtens entgegenstehen.

Hinsichtlich des Textteils des Gutachtens ist bereits fraglich, ob dieser überhaupt schützenswert im Sinne von § 2 UrhG ist. Denn der Textteil eines Sachverständigengutachtens erreicht regelmäßig nicht die für einen Schutz als Sprachwerk erforderliche Schöpfungshöhe. Die für die Annahme eines Sprachwerkes nach § 2 Abs. Nr. 1, Abs. 2 UrhG erforderliche geistige Schöpfung kann einerseits in der Gedankenformung und -führung liegen, andererseits aber auch in der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1981 - I ZR 95/79, GRUR 1982, 37). Geschützt ist bei sprachlichen Mitteilungen darüber hinaus die Darstellungsform, wenn sie Ausdruck einer persönlichen geistigen Schöpfung ist (vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, 5. Aufl. 2019, UrhG § 2 Rn. 48, 49). Einschränkungen gelten für wissenschaftliche Sprachwerke. Ihr Inhalt ist einem Urheberrechtsschutz insoweit nicht zugänglich, als er auf gemeinfreien wissenschaftlichen Erkenntnissen, Lehren und Theorien beruht oder diese wiedergibt (vgl. Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 41, 42). Geschützt sind hier nur die Formulierungen, soweit sie Ausdruck einer individuellen Schöpfung sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1980 - I ZR 106/78; GRUR 1981, 352; OLG Hamburg, Urteil vom 31. März 2004 - 5 U 144/03, GRUR-RR 2004, 285). Texte, die in der üblichen Fachsprache formuliert werden, bleiben schutzlos (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1980 - I ZR 106/78; GRUR 1981, 352, Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 2 Rn. 26). Sie heben sich nicht von der Masse des Alltäglichen ab. Darunter zählen insbesondere Textteile von Gutachten, die schematisch erstellt werden (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11. Mai 2011 – 24 U 28/11, BeckRS 2011, 14067; LG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2012 – 16 O 309/11, NJOZ 2012, 2122).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass der Textteil des Gutachtens eine hinreichende Schöpfungshöhe erreicht. Bei Sachverständigengutachten ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Struktur des Textes durch den Zweck vorgegeben ist. Der klägerische Vortrag beschränkt sich auf allgemeine Ausführungen, die er damit begründet, dass genauere Ausführung einer Offenlegung gleichkämen. Dies ist weder ausreichend noch plausibel. Er hätte wenigstens beschreiben müssen, inwieweit das Gutachten eine von der reinen Faktenwiedergabe abweichende Darstellung des Gebäudezustandes enthält. Dies wäre auch ohne Offenlegung des konkreten Inhalts möglich gewesen. Zudem sprechen die Ausführungen des Beigeladenen zu 2. gegen das Erreichen einer schöpferischen Höhe im Sinne des UrhG. Er hat vorgetragen, dass mit einer Art „Tunnelblick“ lediglich der objektive Objektzustand erfasst worden sei. Bewertungen zu Ursachen und Maßnahmen seien nicht Gegenstand dieses Gutachtens gewesen. Es dürfte daher davon auszugehen sein, dass sich die Sprache auf die nüchterne Mitteilung von Fakten reduziert und sich üblicher Formulierungen bedient wird, die jeder Bausachverständige in vergleichbarer Form gebraucht.

Diese Frage kann letztendlich dahinstehen. Selbst wenn man den Textteil als urheberrechtlich geschützt ansieht, ergibt sich auch unter Einbeziehung der im Gutachten enthaltenen Fotos - die eigenständig urheberrechtlich geschützt sind gemäß § 72 UrhG - kein urheberrechtliches Hindernis, das der Herausgabe entgegensteht.

Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger nicht dargelegt, dass diesbezüglich konkrete Vereinbarungen getroffen wurden. Es stehen auch die im UrhG enthaltenen gesetzliche Wertungen einer Herausgabe nicht entgegen.

§§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19 a UrhG steht der Weitergabe jedenfalls deswegen nicht entgegen, weil nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung betroffen ist, da das Gutachten nur gegenüber dem Beigeladenen zu 1. bekannt gemacht werden soll.

§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG ist auch nicht einschlägig. Der Tatbestand der Verbreitung umfasst gemäß § 17 Abs. 1 UrhG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Die Verletzung dieses Verwertungsrecht scheitert jedenfalls am Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG, nachdem der Beigeladene zu 2. das Gutachten mit den Fotos dem Kläger selbst zur Verfügung gestellt hat.

Ein Eingriff in das Vermietungsrecht des Beigeladenen zu 2. nach § 17 Abs. 3 Satz 1 UrhG ist ebenfalls nicht einschlägig. Die Vorschrift setzt eine vorübergehende Gebrauchs-überlassung der geschützten Leistung zu Erwerbszwecken voraus. Vorliegend fehlt es jedoch an der kommerziellen Verwertung. Der Beigeladene zu 1. begehrt das Gutachten im Rahmen einer privaten Auskunft auf Basis der DS-GVO. Es ist nicht ersichtlich, dass er das Gutachten zu Erwerbszwecken verwenden möchte. Die Verwendung in einem Gerichtsverfahren stellt keinen Erwerbszweck dar.

Die Wertung des § 31 Abs. 5 UrhG spricht vorliegend gegen entgegenstehende Urheberrechte. Nach der Norm richtet sich der Umfang bei fehlender Vereinbarung über Nutzung und Verwertung nach dem zugrunde gelegten Vertragszweck. Wie bereits oben geschildert, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass Nutzungs- und Verwertungsrechte konkret vereinbart wurden. Sein Vortrag steht zudem im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass der Nutzer diejenigen Rechte erwirbt, welche die Erreichung des Vertragszwecks erst ermöglichen und hierfür erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1984 - I ZR 218/81, GRUR 1984, 528; Dreier/Schulze/Schulze, 6. Aufl. 2018, UrhG § 31 Rn. 122).

Vorausgesetzter Vertragszweck des Werkvertrages über die Erstellung des Gutachtens ist vorliegend, dass das Gutachten zur Anspruchsgeltendmachung und -durchsetzung im Rahmen von Schadensersatzansprüchen verwertet werden soll, somit ist wenigstens von einer konkludenten Übertragung der Nutzungsrechte gemäß § 151 BGB zur Vorlage des Gutachtens beim Beigeladenen zu 1. sowie im Rahmen von Streitigkeiten über den Objektzustand zum Begutachtungszeitpunkt als vertraglich vorausgesetzte Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG auszugehen.

Dass der Beigeladene zu 2. – vertreten durch seinen Mitarbeiter – in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass regelmäßig nach Anfrage des Auftraggebers die Freigabe zur Herausgabe erteilt werde, steht dieser Wertung nicht entgegen. Vielmehr hat er im streitgegenständlichen Fall erklärt, dass er davon ausgehe, dass auch hier eine urheberrechtliche Freigabe erteilt werden könne, wenn eine konkrete Anfrage des Auftraggebers vorliege, obgleich er eine solche, mangels konkreten Antrags des Klägers, als Auftraggeber, nicht habe erklären wollen. Hieraus wird deutlich, dass der Beigeladene zu 2. grundsätzlich eigene Urheberrechte einer Herausgabe nicht entgegenstellt.

Die Verweigerung der Zustimmung seitens des Beigeladenen zu 2. zur Weitergabe einer Kopie des Gutachtens an den Beigeladenen zu 1. würde zudem einen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 UrhG darstellen.

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt vor, wenn kein schutzwürdiger Grund besteht, der zu einer Verweigerung der Zustimmung berechtigt. Die Grenze liegt dort, wo die Zustimmungsverweigerung – auch unter Berücksichtigung der Verkehrssitte § 242 BGB – unbillig erscheint. Entscheidend ist eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen. Insbesondere soll der Urheber den Vorbehalt seiner Zustimmung nicht dazu missbrauchen können, ein Nutzungsrecht grundlos zu verhindern, obwohl seine Interessen in keiner Weise beeinträchtigt werden (vgl. BeckOK UrhR/Soppe, 29. Ed. 15. Juni 2020 Rn. 11, UrhG § 34 Rn. 11).

Das Gutachten kann den Zweck der Beweissicherung nicht erfüllen, wenn es nicht zwischen den direkt Betroffenen (Kläger und Beigeladenem zu 1.) gleichermaßen bekannt gegeben wird. Durch das Gutachten sollen der Gebäudezustand sowie etwa vorhandene Schäden vor Beginn der Baumaßnahmen des Klägers von dem Beigeladenem zu 2. - als einem unabhängigen Dritten - festgestellt werden, sodass einheitliche und unstreitige Anknüpfungstatsachen zwischen den Beteiligten bei späteren Rechtsstreitigkeiten zu Grunde gelegt werden können. Das Gutachten dient daher auch den Interessen des Beigeladenen zu 1., weshalb dieser ein Auskunftsrecht auch auf den Grundsatz der „Waffengleichheit“ stützen kann (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 13. Juli 2020 – 16 U 137/19, NJW-RR 2020, 1351; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12. Februar 2019 – 11 U 114/17, BeckRS 2019, 5094; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. April 2005 – 12 W 32/05, BeckRS 2005, 4902; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. Oktober 1998 - 5 U 1011–97-80, NJW-RR 1999, 759; Heinrich, NZV 2015, 68).

Konkrete Interessen des Beigeladenen zu 2., die diesbezüglich entgegenstehen könnten, sind weder substantiiert vorgetragen worden noch ersichtlich.

hh. Aus den gleichen Gründen kann sich auch der Kläger nicht auf entgegenstehende Rechte berufen, wenn er vorträgt, dass er seine eigenen Rechtspositionen durch Offenlegung schmälern würde. Das Gutachten soll gerade Klarheit zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 1. bezüglich des Objektzustandes des Eigentums des Beigeladenen zu 1. schaffen. Es wird insoweit auf die Ausführungen zur Verwirkung und zum Verstoß gegen Treu und Glauben verwiesen.

ii. Das Auskunftsersuchen des Beigeladenen zu 1. ist nicht rechtsmissbräuchlich und steht daher der Anordnung des Beklagten nicht entgegen gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO.

Rechtsmissbrauch kann bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen einer betroffenen Person gegeben sein. In diesen Fällen kann sich der Verantwortliche weigern, eine Auskunft zu geben oder hierfür ein Entgelt verlangen. Nach Satz 3 hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.

Offenkundig unbegründet sind Anträge, bei denen das Fehlen der Voraussetzungen auf der Hand liegt respektive der Antrag eindeutig aussichtlos ist (vgl. allgemein BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93, BeckRS 9998, 170716).

Exzessiv sind Anträge, wenn sie ohne Maß gestellt werden. Dies kann bei häufiger Wiederholung anzunehmen sein, insbesondere dann, wenn es keine plausiblen Gründe für die häufigen Wiederholungen wie eine Änderung der tatsächlichen Umstände oder eine anderweitige, abweichende Auskunft gibt (vgl. BeckOK DatenschutzR/Quaas, 34. Ed. 1. November 2020, DS-GVO Art. 12 Rn.43-48).

Vorliegend ist der Antrag weder offenkundig unbegründet - vielmehr ist der Antrag wie dargelegt begründet - noch exzessiv, da er nur einmal gestellt wurde. Der Umfang ist auch sachlich begründet und ergibt sich daraus, dass sämtliche Seiten des Gutachtens personenbezogene Daten des Beigeladenen zu 1. enthalten.

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass originärer Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (vgl. Erwägungsgrund 63 der DS-GVO). Jedoch begründet die Verfolgung eines danebenstehenden Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Die Beweggründe für ein Auskunftsbegehren müssen gerade nicht offenlegt werden, folglich kann es sich hierbei nicht um ein Kriterium der Abwägung handeln. Entsprechend wurde von der Rechtsprechung anerkannt, dass es unschädlich ist, wenn der Betroffene zu erkennen gibt, dass er die betreffenden Daten zur Vorbereitung eines Rechtsstreits bzw. zur Verbesserung seiner Position in einem solchen verlangt (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 17 Sa 11/18; LG Köln, Urteil vom 11. November 2020 – 23 O 172/19; LG Dresden, Urteil vom 29. Mai 2020 – 6 O 76/20; AG Bonn, Urteil vom 30. Juli 2020 – 118 C 315/19, BeckRS 2020, 19548 Rn. 18, beck-online; AG München, Teilurteil vom 4. September 2019 – 155 C 1510/18; BeckOK DatenschutzR/B.-Wudy, 32. Ed. 1. Mai 2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 52.2)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Ersitzung gestohlener Kunstwerke - Beweislastverteilung die sich aus § 937 BGB ergibt gilt auch wenn Kunstwerk einem früheren Eigentümer gestohlen wurde

BGH
Urteil vom 19.07.2019
V ZR 255/17


Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke

Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass für die Ersitzung eines Kunstwerks die sich aus § 937 BGB ergebende Beweislastverteilung auch dann gilt, wenn das Kunstwerk einem früheren Eigentümer gestohlen wurde.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Enkel des 1966 verstorbenen Malers Hans Purrmann, von dem die Gemälde stammen sollen. Der Beklagte ist Autoteile-Großhändler und hat keine besonderen Kunstkenntnisse. Im Juni 2009 wandte sich die Tochter des Beklagten an ein Auktionshaus in Luzern, um die Gemälde zu veräußern bzw. versteigern zu lassen. Ein Mitarbeiter des Auktionshauses besichtigte die Gemälde im Betrieb des Beklagten und wandte sich anschließend an die Polizei. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen Verdachts der Hehlerei ein, in dessen Rahmen die Bilder beschlagnahmt wurden. Nachdem das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, hinterlegte die Staatsanwaltschaft die Gemälde Anfang 2010 bei dem Amtsgericht.

Der Kläger behauptet, es handle sich um die Originalgemälde "Frau im Sessel" aus dem Jahr 1924 und "Blumenstrauß" aus dem Jahr 1939 des Malers Hans Purrmann, die dieser seiner Tochter, der Mutter des Klägers, geschenkt habe und die im Wege der Erbfolge in das Eigentum des Klägers und seiner Schwester, die dem Kläger ihre Ansprüche abgetreten habe, übergegangen seien; diese Gemälde seien neben weiteren Bildern im Jahre 1986 bei einem Einbruch in das Anwesen der Eltern des Klägers entwendet worden. Der Beklagte behauptet, er habe die Gemälde mutmaßlich 1986 oder 1987 von seinem Stiefvater geschenkt bekommen, der diese nach eigenem Bekunden von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in Dinkelsbühl erworben habe. Die Gemälde waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zunächst im Privathaus des Beklagten und anschließend in dessen Betrieb aufgehängt. Später wurden sie in einem Schrank im oberen Stockwerk des Betriebsgebäudes verwahrt.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Nach § 937 Abs. 1 BGB erwirbt derjenige, der eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, das Eigentum. Die Ersitzung ist aber nach § 937 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht. Die Beweislast für den zehnjährigen Eigenbesitz an der Sache trifft denjenigen, der sich auf die Ersitzung beruft, während die Voraussetzungen des Absatzes 2 von demjenigen zu beweisen sind, der die Ersitzung bestreitet und die Herausgabe der Sache verlangt.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dies entgegen einer in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht auch in dem Fall gilt, dass sich der auf Herausgabe verklagte Besitzer auf den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung gegenüber dem früheren Besitzer der Sache beruft, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist. Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 937 BGB gerade in Ansehung gestohlener oder verloren gegangener Sachen für erforderlich gehalten und sich bewusst dafür entschieden hat, den guten Glauben des Ersitzenden nicht zur Voraussetzung der Ersitzung zu machen, sondern lediglich für den Fall des bösen Glaubens eine Ausnahme zu bestimmen.

Allerdings trifft den auf Herausgabe verklagten Besitzer einer dem früheren Besitzer gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhanden gekommenen Sache regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast für seinen guten Glauben bei dem Erwerb des Eigenbesitzes. Hat der frühere Besitzer die von dem auf verklagten Besitzer behaupteten Umstände des Erwerbs der Sache widerlegt, sind die Voraussetzungen von § 937 Abs. 2 BGB als bewiesen anzusehen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, weil es an einer auf den konkreten Vortrag des Beklagten bezogenen tatrichterlichen Würdigung fehlte, ob der behauptete Erwerbsvorgang als widerlegt anzusehen ist oder nicht, sowie wegen weiterer Verfahrensfehler des Berufungsgerichts.

Dabei hat der Bundesgerichtshof ferner klargestellt, dass eine generelle, auch Laien auf dem Gebiet der Kunst und des Kunsthandels treffende Pflicht zur Nachforschung bei dem Erwerb eines Kunstwerks als Voraussetzung für den guten Glauben nach § 937 Abs. 2 BGB nicht besteht; der Erwerber kann aber bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt.

Vorinstanzen:

LG Ansbach – Urteil vom 11. September 2015 – 2 O 891/14

OLG Nürnberg – Urteil vom 6. September 2017 – 12 U 2086/15

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 937 BGB

(1) Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im Eigenbesitz hat, erwirbt das Eigentum (Ersitzung).

(2) Die Ersitzung ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerb des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, dass ihm das Eigentum nicht zusteht.


OLG Frankfurt: Pächter eines Gebäudes entscheidet wer Fotos vom Innenbereich des Gebäudes erstellen und urheberrechtlich verwerten darf

OLG Frankfurt
Urteil vom 11.02.2019
16 U 205/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Pächter eines Gebäudes entscheidet, wer Fotos vom Innenbereich des Gebäudes erstellen und urheberrechtlich verwerten darf.

Aus den Entscheidungsgründen:

2. Allerdings steht der Klägerin als Pächterin das aus §§ 854 ff, 1004 BGB abzuleitenden Hausrecht zur Seite, welches ihr einen Abwehranspruch nach 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB gegen die Beklagte gewährt.

Ohne Erfolg macht die Beklagte die schwebende Unwirksamkeit des Pachtvertrags geltend, weil der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Nachname1, daran auf beiden Seiten als Vertreter mitgewirkt hat. Denn wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Handelsregisterauszug entnehmen lässt, ist dieser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

a. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass selbst dem Grundstückseigentümer kein "Recht am eigenen Bild der Sache" zuzuerkennen ist [BGH Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 45/10 - Rn. 15; Urt. v. 1.3.2013 - V ZR 14/12 - 15].

b. Auch lässt das Fotografieren eines fremden Grundstücks, insbesondere eines darauf errichteten Gebäudes, wie auch die gewerbliche Verwertung von Fotografien dessen Sachsubstanz unberührt. Dieser Vorgang hat keine Auswirkungen auf die Nutzung der Sache selbst, hindert den Eigentümer nicht daran, mit dem Grundstück bzw. Gebäude weiterhin nach Belieben zu verfahren und stört ihn grundsätzlich auch nicht in seinem Besitz [vgl. BGH Urt. v. 9.3.1989 - I ZR 54/87 - Rn. 15 ff; Urt. v. 17.12.2010 aaO. - Rn. 10].

c. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die gewerbliche Verwertung von Fotografien eines im Privateigentum stehenden Gebäudes, wenn nicht von allgemein zugänglichen Stellen, sondern von dem Grundstück aus fotografiert worden ist, auf dem sich das Gebäude befindet. Werden die Bilder entgegen dem Willen des Eigentümers verwertet, steht diesem ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Die gewerbliche Verwertung solcher Fotografien bedarf selbst dann einer ausdrücklichen Erlaubnis des Grundstückseigentümers, wenn dieser das Betreten seines Grundstücks und die Anfertigung der Gebäudeaufnahmen gestattet hat. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist es das natürliche Vorrecht des Eigentümers, den gewerblichen Nutzen, der aus seinem nur gegen seine Erlaubnis zugänglichen Eigentum gezogen werden kann, für sich zu beanspruchen. Wer danach Fotografien eines im Privateigentum stehenden Gebäudes, das nicht frei zugänglich ist, gewerblich herstellt und verwertet, macht sich dabei nach natürlicher Betrachtung einen fremden Vermögenswert nutzbar [BGH Urt. v. 20.9.1974 - I ZR 99/73 - Rn. 15 f].

Auch nach neuerer höchstrichterlicher Judikatur kann der Eigentümer die Verwertung gewerblich angefertigter Fotografien seines Gebäudes dann verbieten, wenn diese von seinem Grundstück aus angefertigt sind [BGH Urt. v. 17.12.2010 aaO. - Rn. 11 ff; Urt. v. 1.3.2013 aaO. - Rn. 12; Urt. v. 19.12.2014 - V ZR 324/13 - Rn. 8]. Eine Eigentumsbeeinträchtigung sieht der Bundesgerichtshof schon in der ungenehmigten Anfertigung von Fotos, welche durch eine anschließend ungenehmigte Verwertung dieser Bilder noch vertieft wird [BGH Urt. v. 17.12.2010 aaO. - Rn. 17; BGH Urt. v. 1.3.2013 aaO. - Rn. 17]. Zu den Befugnissen des Eigentümers zählt auch das Recht, das äußere Erscheinungsbild der Sache zu verwerten [BGH Urt. v.17.12.2010 - V ZR 44/10 - 8]. Dieses Recht des Grundstückseigentümers wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof dann zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht, wenn Lage und Nutzung seines Grundstücks rein tatsächlich dazu führen, dass verwertungsfähige Bilder nur von seinem Grundstück, nicht von öffentlichen Plätzen oder anderen Grundstücken aus angefertigt werden können [BGH Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 45/10 - Rn. 17]. Den dogmatischen Grund hierfür sieht der Bundesgerichtshof im Grundstückseigentum selbst mit dem zugehörigen Fruchtziehungsrecht nach § 99 Abs. 3 BGB [BGH Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 45/10 - Rn. 15; Urt. v. 1.3.2013 aaO. - Rn. 14]. Da der Grundstückseigentümer darüber entscheidet, wer sein Grundstück betreten darf und zu welchen Bedingungen dies ermöglicht werden soll, gehört zum Zuweisungsgehalt des Eigentums auch das Recht, darüber zu entscheiden, wer die wirtschaftlichen Vorteile ziehen darf, die das Betreten oder Benutzen des Grundstücks eröffnet [BGH Urt. v. 20.9.1974 aaO. - Rn. 13; Urt. v. 1.3.2013 aaO. - Rn. 14; Urt. v. 19.12.2014 aaO. - Rn. 8]. Gestattet der Eigentümer das Betreten oder Benutzen seines Grundstücks nur unter bestimmten Bedingungen, ist jede Abweichung hiervon ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums und damit eine Eigentumsbeeinträchtigung [BGH Urt. v. 1.3.2013 aaO.]. Demnach vermittelt der Abwehranspruch dem Grundstückseigentümer das Recht, über die Verwertung von auf dem Grundstück angefertigten Fotos zu entscheiden, wenn hierbei die Grenzen seiner erteilten Einwilligung beim Betreten oder Benutzen seines Grundstücks überschritten werden.

d. Darüber hinaus kann auch das aus dem Besitz abgeleitete Hausrecht [vgl. Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., Überbl v § 854 Rn. 1] eine Grundlage für die Verhinderung der Erstellung und Verwertung von Bildern gewähren [vgl. Schönewald, WRP 2014, 142 (145); Staudinger/Gursky, BGB, 2012, § 1004 Rn. 80; s. auch BGH Urt. v. 17.12.2012 - V ZR 45/10 - Rn. 33].

aa. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz und dient zunächst der Wahrung der äußeren Ordnung in dem Gebäude oder der Örtlichkeit, auf die es sich erstreckt, und insofern der Sicherstellung des von deren Eigentümer bzw. Besitzer vorgegebenen Benutzungszwecks. Nach dem Bundesgerichtshof räumt das Hausrecht seinem Inhaber ferner die Entscheidungsbefugnis darüber ein, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verweigert. Das schließt das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben oder rechtwirksam von Bedingungen abhängig zu machen [BGH Urt. v. 8.11.2005 - KZR 37/03 - Rn. 25 m.w.N.; OLG München Urt. v. 23.3.2017 - U 3702/16 Kart - Rn. 69; Staudinger/Gursky, BGB, 2016, § 903 Rn. 11].

bb. Damit verbleibt der Klägerin als Pächterin des Grundstücks Straße1 in Stadt1 nebst des hierauf belegenen E-Werks kraft der rechtlichen und tatsächlichen Herrschaftsmacht, die ihr ihr durch das vertraglich gewährte Hausrecht verliehen wird, die Möglichkeit, andere vom Zugang zu dem Pachtobjekt auszuschließen und ihnen damit auch die Möglichkeit zur Anfertigung von Fotoaufnahmen, insbesondere der Innenräume abzuschneiden. Aus dem Hausrecht ergibt sich ihre Befugnis, zu entscheiden, wer Zutritt zum Grundstück erhält und zu welchen Voraussetzungen. So kann von ihr auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang Fotoaufnahmen angefertigt werden dürfen.

3. Unter Anwendung dieser Grundsätze folgt hier die rechtswidrige Beeinträchtigung des privaten Hausrechts der Klägerin aus dem Umstand, dass die Beklagte ihr Pachtobjekt in einer dem Willen der Klägerin widersprechenden Weise genutzt hat, indem sie Lichtbildaufnahmen von dessen Innenansichten wie Bistro, Veranstaltungsraum sowie einem Besprechungsraum zu Zwecken angefertigt hat, die von der ihr erteilten Genehmigung nicht umfasst waren. Denn vorliegend war der Beklagten die Erlaubnis zum gewerblichen Fotografieren der Innenräume des E-Werks nicht schlechthin erteilt worden, sondern ausdrücklich zweckgebunden und mit der Einschränkung auf Aufnahmen für die bevorstehende lokale "A Messe 200X" in Stadt1. Dies folgt aus den Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, wonach der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten die Anfertigung und werbliche Nutzung von Fotos des umgebauten E-Werks im Zusammenhang mit dieser Messe gestattet hatte. Unstreitig nicht umfasst war von dieser Einwilligung die gewerbliche Verwendung der Fotoaufnahmen auf der Webseite der Beklagten.

4. Demnach steht die Bedingung, unter welcher der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten den Zugang zu dem Pachtgrundstück nebst Innenräumen gewährte, zwischen den Parteien außer Streit.

Soweit die Beklagte behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin habe sich während des gemeinsamen Fototermins auf ihre Nachfrage hin ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass sie die angefertigten Fotos auch im Rahmen ihres Internetauftritts zu Werbezwecken verwenden dürfe, obliegt ihr die Beweislast für diese nachträgliche Gestattung, mit welcher sie eine über die ursprüngliche Zweckabrede hinausgehende Verwendung der Lichtbilder rechtfertigt. Dieser Nachweis ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht erbracht.

a. Schon die eigene Darstellung der Beklagten im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat ist insoweit nicht hinreichend klar und eindeutig. Vielmehr verbleibt die denkbare Möglichkeit, dass der Geschäftsführer der Klägerin ihr gegenüber nicht ausdrücklich gestattet hatte, die mit seinem Einverständnis für die Messe gefertigten Fotos auch für ihre Webseite verwenden zu dürfen, sondern die Beklagte letztlich aufgrund ihrer Überlegung, dass es sich "hierbei quasi auch um ihr geistiges Eigentum" handele und des von ihr betonten Umstands, dass über eine gegenseitige Verlinkung der Webseiten nachgedacht worden sei, von einer solchen Gestattung ausgegangen ist.

Insoweit fällt zunächst auf, dass die Beklagte in Bezug auf die weitergehende Verwendung der Fotos in ihren Angaben relativ unbestimmt blieb und sich auf die Aussage beschränkte, diese seien dazu gedacht gewesen, sie auf die Webseite zu nehmen; dem Geschäftsführer der Klägerin sei definitiv bekannt gewesen, dass sie mit diesen Lichtbildern habe arbeiten wollen, ohne dass sie sich zu einer konkreten Reaktion seitens Herrn Nachname1 äußerte. Zwar wurde die Beklagte auf gezieltes Nachfragen durch den Senat in ihren Angaben bestimmter. Auch hier ist aber augenfällig, dass sie sich sicher war, gefragt zu haben, ob sie die Fotos auch für ihre Webseite nutzen dürfe; dagegen in Bezug auf die Antwort von Herrn Nachname1 ihre Aussage weniger eindeutig formulierte, sondern dahingehend relativierte, in Erinnerung zu haben, dass dieser damit einverstanden gewesen sei, ohne freilich näher zu präzisieren, wie er das kommunizierte. Dies korrespondiert mit dem Umstand, dass die Beklagte auch im weiteren Verlauf ihrer Aussage zwar betonte, es sei bei diesem Termin definitiv darüber gesprochen worden, dass die Bilder für die Webseite gedacht seien, sich aber nicht zu dem Ergebnis dieses Gesprächs mit gleicher Eindeutigkeit erklärte.

b. Auch die vor dem Landgericht vernommene Zeugin B, welche anlässlich eines weiteren Termins Fotos fertigte, bestätigte zwar, dass über eine gegenseitige Verlinkung und Bewerbung gesprochen worden sei, ohne dass es irgendwelche Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung der Fotos gegeben habe. Der Aussage der Zeugin lässt sich indes nicht entnehmen, dass überhaupt die Nutzung der Fotos thematisiert, insbesondere der Beklagten in Erweiterung der ursprünglichen Gestattung auch eine gewerbliche Nutzung auf ihrer Webseite gestattet wurde. Ebenso wenig geht aus dem Bekunden der Zeugin hervor, dass bei diesem Termin die Webseite der Beklagten Gegenstand des Gesprächs war, wie von dieser behauptet.

c. Demgegenüber haben der Geschäftsführer der Klägerin und dessen Ehefrau, die Zeugin Nachname1, eine nachträgliche Gestattung gegenüber der Beklagten, die Fotos außer für die Messe auch auf ihrer Webseite gewerblich nutzen zu dürfen, sogar nachdrücklich verneint. Keiner Auseinandersetzung bedarf es mit den von der Berufung aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen. Auch wenn die Eheleute Nachname1 sich gegenüber der Beklagten tatsächlich nicht mit der Eindeutigkeit positioniert haben sollten, wie von ihnen vor Gericht dargestellt, folgt hieraus jedenfalls nicht, dass sich der Geschäftsführer der Klägerin entsprechend der Darstellung der Berufung mit dem Ansinnen der Beklagten tatsächlich einverstanden erklärt hatte.

d. Nach alldem fehlt es dem Senat an dem zur persönlichen Überzeugungsbildung i.S. des § 286 ZPO erforderlichen, für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit [BGH Urt. v. 26.10.1993 - VI ZR 155/92 - Rn. 14]. Denn aus Sicht des Senats ist nicht ausschließen, dass die von der Beklagten anlässlich des ersten Fototermins aufgeworfene Frage nach einer weitergehenden Gestattung der gewerblichen Verwertung der von ihr gefertigten Fotografien von den Innenräumen des E-Werks auf ihrer Webseite seitens des Geschäftsführers der Klägerin letztlich offen gelassen wurde. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dieser sich laut Darstellung der Beklagten mit einer gegenseitigen Verlinkung der Webseiten einverstanden erklärt haben mag. Denn ob beide Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass auf der Webseite der Beklagten die in Rede stehenden Fotos eingestellt würden, lässt sich der Aussage der Beklagten nicht entnehmen.

e. Demnach liegt /die Beeinträchtigung des Zuweisungsgehalts des Hausrechts der Klägerin und damit die Unrechtmäßigkeit der in Rede stehenden Ablichtungen darin, dass die Beklagte die Grenzen des seitens der Klägerin erklärten Gestattungsumfangs überschritten hat. Denn diese hatte der Beklagten das Betreten ihres Pachtgrundstücks nur unter der Bedingung eröffnet, lediglich Fotoaufnahmen für die Präsentation auf der lokalen Messe zu fertigen, mithin beschränkt durch einen bestimmten Nutzungszweck. Hiervon ist die Beklagte durch die Einstellung dieser Fotos auf ihrer Webseite eigenmächtig abgewichen.

Vor diesem Hintergrund greift die Argumentation der Berufung, die Fotos seien in Kenntnis und mit Erlaubnis des Geschäftsführers der Klägerin angefertigt worden, zu kurz. Denn dessen Gestattung zum Betreten und Fotografieren des Pachtgrundstücks der Klägerin für die Hausmesse deckt nur diese Art der wirtschaftlichen Verwertung ab, nicht aber auch andere wie die hier erfolgte gewerbliche Nutzung auf der Webseite der Beklagten.

f. Dass, wie von der Berufung geltend gemacht, sich aus dem Internetauftritt der Beklagten kein Hinweis auf die Identität des von der Klägerin gepachteten Objekts ergibt, ist ohne rechtliche Relevanz. Der Eingriff in das Hausrecht der Klägerin ist nämlich nicht davon abhängig, ob für Dritte erkennbar wird, um welches Objekt es sich handelt. Ebenso fehlt geht in diesem Zusammenhang der Verweis der Berufung auf Unternehmensgegenstand und Geschäftszweck der Klägerin.

5. Entgegen der Ansicht der Berufung stellt sich das Vorgehen der Klägerin auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar.

a. Ein Rechtsmissbrauch lässt sich nicht damit begründen, dass die Klägerin seit 2004 eine Internetseite unterhalten mag, auf der sie das Pachtobjekt seit mindestens 2005 zur Vermietung anbietet und auch mit Fotoaufnahmen aus dem Innenbereich bewirbt sowie dieses anderweitig - insbesondere im Internet - vermarkte bzw. Dritten die Erlaubnis erteile, in nahezu identischer Form zu werben. Denn die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Klägerin Dritten den Zugang zu ihrem Grundstück und das Fotografieren ihrer Innenräume und die Verwertung solcher Fotografien gestattet, steht in ihrem Belieben; eine allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung lässt sich für das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht weder aus Art. 3 GG noch aus § 242 BGB herleiten [BGH Urt. v. 15.1.2013 - XI ZR 22/12 - Rn. 27].

b. Auch auf den von der Berufung thematisierten Umstand, ob sich aus dem Emailschreiben des Geschäftsführers der Klägerin vom 11.3.2014 entnehmen lasse, dieser habe schon seinerzeit Kenntnis von der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos auf der Webseite der Beklagten gehabt und nicht erst kurz vor dem Abmahnschreiben vom 28.11.2014, kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin nicht gestützt werden. In Betracht kommt allenfalls der Tatbestand der Verwirkung, der aber schon daran scheitert, dass es angesichts des Vorliegens einer einheitlichen Dauerhandlung an dem erforderlichen Zeitmoment fehlt.

6. Entgegen der Ansicht der Berufung ist durch das Einstellen der Fotos auf der Webseite der Beklagten auch die Tathandlung des Vervielfältigens verwirklicht.

Abzustellen für die Definition des Begriffs der Vervielfältigung auf das UrhG. Vervielfältigung ist danach jede körperliche Festlegung des Werks, die geeignet ist, dieses den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen [Dreier/Schulze, UrhG, 6.Aufl., § 16 Rn. 6]. Hierunter fällt auch das Speichern von Fotos auf einer Internet Homepage bzw. das Einstellen in das Internet [Dreier/Schulze aaO. - Rn. 7 und 15].

Wie die Berufung allerdings mit Erfolg geltend macht, wird von dem bloßen Einstellen der Fotos auf der Webseite der Beklagten die Handlungsalternative des Verbreitens nicht umfasst. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Weitergabe der Verfügungsgewalt über die Bildnisse. Die Beklagte hat diese weder gegenüber Dritten angeboten oder in Verkehr gebracht [vgl. Dreier/Schulze aaO., § 17 Rn. 7; KUG § 22 Rn. 9]. In Bezug auf diese Tathandlung steht der Klägerin daher kein Unterlassungsanspruch zu. Auch für eine etwaige Erstbegehungsgefahr ist insoweit nichts ersichtlich.




OLG Frankfurt: Kein Anspruch auf Einsicht in Grundbuch um Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung bzw Datenschutzverstoß zu prüfen

OLG Frankfurt
Beschluss vom 03.09.2018
20 W 171/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass kein Anspruch auf Einsicht in das Grundbuch besteht, um die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung bzw. das Vorliegen eines Datenschutzverstoßes zu prüfen

Aus den Entscheidungsgründen:

"Nach § 12 Abs. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Gleiches gilt für die Erteilung einer Auskunft aus einem Eigentümerverzeichnis, da in § 12a Abs. 1 S. 2 GBO ausdrücklich geregelt ist, dass die Voraussetzungen für die Einsicht in das Grundbuch, die in § 12 GBO geregelt sind, gegeben sein müssen. Ein solches berechtigtes Interesse im Sinne des § 12 Abs. 1 GBO liegt vor, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes bzw. des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (vgl. BayObLG Rpfleger 1999, 216; KG NJW-RR 2004, 943; BayObLG NJW-RR 1998, 1241; OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 90 und ZEW 2011, 44; KG NJW 2002, 223; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 525; Demharter, a.a.O., § 12 Rn. 7 ff; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 12 Rn. 6 jeweils m.w.N.; Grziwotz, MDR 2013, 433 ff). Dabei bezweckt § 12 Abs. 1 GBO in erster Linie nicht einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine beschränkte Publizität des Grundbuches ab. Diese geht einerseits über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff BGB hinaus. Andererseits genügt jedoch nicht jedes beliebige Interesse, vielmehr muss die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen werden und die Kenntnis vom Grundbuchinhalt für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen (vgl. BayObLG, Rpfleger 1998, 338 und NJW 1993, 1142; OLG Hamm, DNotZ 1986, 497, 498; KG NJW 2002, 223 und NJW-RR 2004, 1316). Bei der hierbei gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht möglicherweise beeinträchtigten Berechtigten grundsätzlich vor der Gewährung der Grundbucheinsicht nicht angehört werden (BVerfG NJW 2001, 503) und ihnen von der obergerichtlichen Rechtsprechung (BGHZ 80,126) auch kein Beschwerderecht gegen die Gewährung der Einsicht zugebilligt wird (OLG Düsseldorf ZEV 2011, 44).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht bzw. der Erteilung von Auskunft aus dem Eigentümerverzeichnis über die jeweils im Grundbuch eingetragenen Eigentümer der vier Grundstücke nicht dargelegt.

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche und damit der Einhaltung der Anforderungen des § 4 BDSG 2018 (inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend mit der zum 24. Mai 2018 außer Kraft getretenen Vorgängervorschrift des § 6b BDSG a.F.) obliegt als öffentliche Aufgabe gemäß § 40 Abs. 1 BDSG dem Hessischen Datenschutzbeauftragten als nach dem Landesrecht zuständiger Behörde. Zwar ist es verständlich, dass der Antragsteller dessen Antwort mit Schreiben vom 27. November 2017, wonach eine Überprüfung der von dem Antragsteller als rechtswidrig angesehenen vier Videoüberwachungsanlagen zwar zu gegebener Zeit vorgenommen werde, jedoch zeitnah nicht erfolgen könne, als nicht zufriedenstellend ansieht. Der von dem Hessischen Datenschutzbeauftragten hierfür angegebene Umstand, dass die Vielzahl der eingehenden Beanstandungen mit den vorhandenen personellen Kapazitäten bedauerlicherweise nicht immer umgehend und zeitnah abgearbeitet werden könnten, vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des BDSG und die etwaige Ahndung festgestellter diesbezüglicher Gesetzesverstöße als öffentliche Aufgabe kraft Gesetzes dem Hessischen Datenschutzbeauftragten als Behörde zugewiesen ist. Die von dem hessischen Datenschutzbeauftragten mitgeteilte Überlastung kann letztlich nicht dazu führen, dass einzelne an der Einhaltung des Datenschutzes besonders interessierte Bürger die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe durch Überprüfung und Ahndung etwaiger Gesetzesverstöße an sich ziehen.

Allerdings wird die Auffassung vertreten, § 4 BDSG könne als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden (vgl. Becker/Plath, DGSVO/BDGS, 3. Aufl., § 4 BDSG Rn. 31). Ausgehend hiervon wurde in der zivilrechtlichen Rechtsprechung bereits in Einzelfällen die Auffassung vertreten, einem Bürger könne ein Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB gegen den Betreiber einer Videoüberwachungsanlage dann zustehen, wenn er den betroffenen öffentlich zugänglichen Raum regelmäßig nutzen müsse und wegen der besonderen Ausgestaltung des Außenbereichs nicht von dem überwachten privaten Bereich in den nicht überwachten öffentlichen Bereich ausweichen könne (so etwa AG Berlin-Mitte NJW-RR 2004, 531). Eine derartige Situation, in welcher der Antragsteller befürchten müsste, von den von ihm beanstandeten Videoüberwachungsanlagen regelmäßig und ohne Ausweichmöglichkeit erfasst zu werden und deshalb persönlich betroffen zu sein, ist im vorliegenden Fall jedoch ersichtlich nicht gegeben. Denn der im südlichen Baden-Württemberg lebende Antragsteller hat in der von ihm vorgelegten Korrespondenz selbst mitgeteilt, die von ihm fotografierten und mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig anzusehenden Videokameras nur anlässlich eines Wochenendbesuches in Stadt1 entdeckt zu haben. Abgesehen davon, dass es sich bei den zur Auskunft aus dem Grundbuch verlangten Grundstückseigentümern nicht zwangsläufig um die Betreiber der von dem Antragsteller beanstandeten Videoüberwachungskameras handeln muss, da diese in der Regel von den Mietern oder sonstigen Nutzern der jeweiligen Grundstücke angebracht werden, sind somit die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruches nicht dargelegt und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsteller in seinem Widerspruchsschreiben vom 30. April 2018 sich gerade nicht auf eine - nach den Umständen auch nicht ersichtliche - besondere persönliche Betroffenheit berufen, sondern vielmehr selbst darauf hingewiesen, wegen der angesichts der derzeitigen personellen Ausstattung bestehenden Überforderung des Landesdatenschutzbeauftragten als Bürger die entsprechenden Belange selbst in die Hand nehmen zu wollen.

Soweit der Antragsteller auf Ausnahmen bezüglich der Auslegung des berechtigten Interesses zu Gunsten der Presse verweist, wurde weder vom Antragsteller geltend gemacht noch ist im Übrigen ersichtlich, dass er die von ihm begehrten Auskünfte aus dem Grundbuch zum Zwecke der Wahrnehmung von Aufgaben der Presse erhalten wollte."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




Ab 01.10.2017 Kennzeichnungspflicht für Drohnen über 0,25 kg - Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten

Die Änderung der Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten ist am 01.10.2017 in Kraft getreten. Nunmehr müssen Drohnen über 0,25 kg an sichtbarer Stelle mit Name und Anschrift des Eigentümers in dauerhafter und feuerfester Beschriftung an dem Fluggerät versehen sein.

In § 19 Abs. 3 heißt es nunmehr:

§ 19 Kennzeichen, Kennzeichnung.

[...]

(3) Der Eigentümer eines Flugmodells oder eines unbemannten Luftfahrtsystems mit jeweils einer Startmasse von mehr als 0,25 Kilogramm, eines unbemannten Ballons oder Drachens mit jeweils einer Startmasse von mehr als 5 Kilogramm sowie eines Flugkörpers mit Eigenantrieb muss vor dem erstmaligen Betrieb an sichtbarer Stelle seinen Namen und seine Anschrift in dauerhafter und feuerfester Beschriftung an dem Fluggerät anbringen.“


Siehe auch die Informationen des BMVI:

Klare Regeln für Betrieb von Drohnen

BGH: Landgut-Borsig-Entscheidung liegt im Volltext vor - Grundstückserwerb kann auch Erwerb von Namensrechten zur Folge haben

BGH
Urteil vom 28.09.2012
I ZR 188/09
Landgut Borsig
BGB § 12 Satz 1 Fall 2


Die Landgut Borsig-Entscheidung des BGH liegt nunmehr im Volltext vor. Wir hatten bereits darüber berichtet.

Leitsatz des BGH:
Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter-)verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.
BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 188/09 - KG Berlin - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Mit dem Erwerb eines Gebäudes oder Grundstücks kann auch das Recht verbunden sein, das Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen

BGH
Urteil vom 28.09.2011
I ZR 188/09
Landgut Borsig


Der BGH hat entschieden, dass mit dem Erwerb eines Gebäudes oder Grundstücks auch das Recht verbunden sein kann, das Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen. Der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das Kammergericht Berlin muss nun Beweis darüber erheben, ob die hier streitgegenständliche Bezeichnung "Landgut Borsig" im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt wird.

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Mit dem Erwerb eines Gebäudes oder Grundstücks kann auch das Recht verbunden sein, das Anwesen mit dem Namen eines früheren Eigentümers zu bezeichnen" vollständig lesen