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LG Augsburg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung - Aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

LG Augsburg
Urteil vom 06.10.2023
081 O 1161/23


Das LG Augsburg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zu einer Preiserhöhung darstellt und eine entsprechende Regelung als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1,S.2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.

Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben - ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig — nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.

Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, 8 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Per beA eingereichter Schriftsatz mit Speicherung auf Intermediär-Server des Gerichts eingegangen auch wenn Weiterleitungsfähigkeit gerichtsintern am Umlaut "ü" im Dateinamen scheitert

BGH
Beschluss vom 8. März 2022
VI ZB 25/20


Der BGH hat völlig zu Recht entschieden, dass ein per beA eingereichter Schriftsatz mit Speicherung auf dem Intermediär-Server des Gerichts eingegangen ist, auch wenn Weiterleitungsfähigkeit gerichtsintern am Umlaut "ü" im Dateinamen scheitert

Leitsatz des BGH:
Zum Eingang eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten elektronischen Dokuments (hier: Berufungsbegründung) bei Gericht (§ 130a Abs. 5 ZPO).

BGH, Beschluss vom 8. März 2022 - VI ZB 25/20 - OLG Bamberg - LG Würzburg

Aus den Entscheidungsgründen:
dd) Der Wirksamkeit des Eingangs der am 23. August 2019 über das beA übersandten Dokumente stände es nicht entgegen, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit der Nachricht dadurch ausgelöst wurde, dass der Dateiname den Umlaut "ü" enthielt. Zwar muss ein eingereichtes elektronisches Dokument nach § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Diese Frage bestimmt sich aber allein nach den Regelungen, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO getroffen hat (BGH, Urteil vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18, GRUR 2020, 980 Rn. 15). Die danach für den Streitfall maßgebliche Regelung in § 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach in der vom 1. Juli 2019 bis
31. Dezember 2021 gültigen Fassung (ERVV vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 9. Februar 2018, BGBl. I S. 200) und die Bekanntmachung zu § 5 dieser Verordnung vom 20. Dezember
2018 (https://justiz.de/laender-bund-europa/elektronische_kommunikation/ erv_ervb_2019.pdf, zuletzt abgerufen am 27. Februar 2022) sehen ein Verbot von Umlauten nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18, GRUR 2020, 980 Rn. 16; Biallaß in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 2 ERVV [Stand: 1. September 2020], Rn. 35; Mardorf, jM 2020, 266, 268).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Bei Übermittlung per beA ist Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu prüfen

BGH
Beschluss vom 11.05.2021
VIII ZB 9/20
ZPO § 85 Abs. 2, § 130a Abs. 5 Satz 1 und 2, § 233 Satz 1 Fd, § 520 Abs. 2 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass bei einer Übermittlung per beA die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu prüfen ist.

Leitsätze des BGH:

a) Zum Eingang eines über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten elektronischen Dokuments (hier: Berufungsbegründung) bei Gericht (§ 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO; im Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18, WM 2021, 463 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 25. August 2020 - VI ZB 79/19, NJW-RR 2020, 1519 Rn. 7).

b) Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Hat der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten
Übermittlung veranlassen (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 7. August 2019 - 5 AZB 16/19, BAGE 167, 221 Rn. 20 mwN [zu der mit § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO gleichlautenden Vorschrift des § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG]).

c) Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen (im
Anschluss an BAG, Beschluss vom 7. August 2019 - 5 AZB 16/19, aaO Rn. 23 mwN)

BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

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BGH: Ob ein per beA übersandter Schriftsatz von einem Client-Rechner des Gerichts tatsächlich vom Server abgeholt oder ausgedruckt wird ist für den Zugang irrelevant

BGH
Beschluss vom 25.08.2020
VI ZB 79/19
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 130a Abs. 5 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass ein per beA an das Gericht übermittelter Schriftsatz mit Speicherung des Dokuments auf dem für den Empfang bestimmten Server des Gerichts zugeht. Es ist irrelevant, ob das Dokument dann tatsächlich vom einem Client-Rechner des Gerichts vor Server abgeholt oder ausgedruckt wurde.

Leitsätze des BGH:

a) Zur Fristwahrung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments.

b) Zum Grundsatz der Subsidiarität im Rechtsbeschwerdeverfahren.

BGH, Beschluss vom 25. August 2020 - VI ZB 79/19 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

Aus den Entscheidungsgründen:

aa) Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mangels Begründung als unzulässig verworfen, obwohl die Berufungsbegründung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen war. Der Kläger hatte den Begründungschriftsatz als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das EGVP des Berufungsgerichts übermittelt; das Dokument war auf dem für den Empfang bestimmten Server des Gerichts gespeichert worden. Dies genügte zur Fristwahrung (§ 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18, z.V.b; Bacher NJW 2015, 2753, 2756). Der Umstand, dass das elektronische Dokument weder von einem Client-Rechner des Berufungsgerichts abgeholt noch ausgedruckt worden war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18, Rn. 12; vom 28. Mai 2020 - I ZR 214/19, Rn. 7; Bacher, aaO). Aus dem gerichtsinternen Versäumnis, die Berufungsbegründung beim Eingangsserver abzuholen, durften für den Kläger keine Verfahrensnachteile resultieren.

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BGH: Elektronisches Dokument ist wirksam beim BGH eingegangen wenn es auf dem für diesen eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert wurde

BGH
Urteil vom 14.05.2020
X ZR 119/18
ZPO § 130a Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1; PatG § 125a Abs. 3 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass ein elektronisches Dokument wirksam beim BGH eingegangen ist, wenn es auf dem für diesen eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert wurde.

Leitsätze des BGH:

a) Ein elektronisches Dokument ist wirksam beim Bundesgerichtshof eingegangen, wenn es auf dem für diesen eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist.

b) Ein elektronisches Dokument ist für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, wenn es den Vorgaben genügt, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO und § 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG aufgestellt hat.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2020 - X ZR 119/18 - Bundespatentgericht

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: