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LG Darmstadt: Pflicht zur Grundpreisangabe nach § 4 PAngV wenn Angebot im Internet für Verbraucher einsehbar und nicht eindeutig und unmissverständlich auf B2B-Kunden beschränkt ist

LG Darmstadt
Urteil vom 19.02.2024
18 O 18/23


Das LG Darmstadt, hat entschieden, dass die Pflicht zur Grundpreisangabe nach § 4 PAngV auch dann besteht, wenn das Angebot im Internet für Verbraucher einsehbar und nicht eindeutig und unmissverständlich auf B2B-Kunden beschränkt ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, da er in die Liste nach § 8b UWG eingetragen ist und ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen unmittelbar oder mittelbar angehören, die auf dem hier sachlich und räumlich maßgeblichen Markt tätig sind, und er nach seiner Ausstattung seine satzungsmäßigen Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen kann.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass dem Kläger mehrere Einzelhandelsverbände und bedeutende Unternehmen aus der Lebensmittelbranche angehören. Dies hat der Kläger insbesondere durch die als Anlagenkonvolut K 20 vorgelegte E-Mail-Korrespondenz samt Anlagen, den als Anlage K 24 vorgelegten Auszug aus der Mitgliederliste 2023 – Stand: 05.07.2023 belegt, was im Kern auch durch den Zeugen A bestätigt wurde.

Der Zeuge A hat zahlreiche Einzelhandelsverbände und Unternehmen genannt und erläutert, welche Produkte auf welchem Weg von diversen Unternehmen vertrieben werden. Dabei konnte der Zeuge A auch angeben, wieso er hiervon Kenntnis hat.

Der Zeuge A ist glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft. Die Kammer verkennt nicht, dass der Zeuge bei dem Kläger beschäftigt ist. Gleichwohl wirkte seine Aussage authentisch, erlebnisbezogen und nicht ansatzweise abgesprochen. Gegen ein bloßes Wiedergeben von auswendig Gelerntem spricht insbesondere, dass der Zeuge überhaupt nicht vorbereitet und mitunter sogar ein wenig „von der Rolle“ wirkte. Es bedurfte mehrerer Nachfragen und Umformulierungen, bis der Zeuge die Fragen verstanden hat.

Dass der Kläger nach seiner Ausstattung seine satzungsmäßigen Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen kann, ist gerichtsbekannt.

Eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne von § 8c UWG durch den Kläger mit der Folge, dass die Klage- bzw. Prozessführungsbefugnis fehlt (vgl. Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 8c Rn. 3) ist unter Berücksichtung der Gesamtumstände nicht anzunehmen. Die Kammer ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass der Kläger wettbewerbswidriges Verhalten eigener Mitglieder planmäßig nicht verfolgt und die Möglichkeit besteht, sich durch eine Mitgliedschaft beim Kläger vor einer wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme zu schützen. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge A konkrete Beispiele genannt von Unternehmen, die beim Kläger Mitglied sind, namentlich X und Y GmbH, und gegen die der Kläger vorgeht. Soweit gegen das Unternehmen Y GmbH zunächst nicht vorgegangen wurde, hat der Zeuge A überzeugend dargestellt, warum dies der Fall war und erläutert, wieso ihm ein Fehler unterlaufen ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es einem Verband auch nicht grundsätzlich verwehrt ist, nur gegen bestimmte Verletzer vorzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 17.8.2011 - I ZR 148/10).

Die Klage ist im Klageantrag zu 1. begründet. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 3, 3a, 8 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit § 4 PAngG.

Bei bestehender Wiederholungsgefahr kann nach § 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine gemäß § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Dabei handelt gemäß § 3a UWG unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte im Internet ein Angebot über Yogurette Erdbeer 300g veröffentlicht hat, das für jedermann sichtbar war, und das entgegen § 4 PAngV keine Angaben zum Grundpreis im Sinne von § 2 Nr. 1 PAngV und § 5 PAngV enthielt.

Die Kammer war sich im Rahmen der Beweiswürdigung stets bewusst, dass eine Behauptung dann erwiesen ist, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen. So genügt hierfür, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.6.1998 - IX ZR 311/95; Urteil vom 18.1.2000 - VI ZR 375/98; Urteil vom 6.5.2015 - VIII ZR 161/14; Urteil vom 23.6.2020 - VI ZR 435/19; OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 15.11.2018 - 3 U 152/17).

Bei der Beweiswürdigung hat die Kammer insbesondere das Ergebnis der Beweisaufnahme, die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die Beweisanzeichen und Indizien sowohl im Einzelnen, aber auch in ihrer Gesamtschau berücksichtigt.

Dafür, dass das im Klageantrag zu 1. dargestellte Angebot über Yogurette Erdbeer 300g in dieser Form von jedermann, also auch für Verbraucher, aufzufinden war, spricht zunächst der Bildschirmausdruck: Neben der Suchleiste befindet sich die Formulierung „Hallo, anmelden“, woraus sich ergibt, dass eine besondere Anmeldung für das Auffinden dieses Angebots nicht erforderlich war. Diese Annahme wird bestätigt durch die glaubhafte Aussage der Zeugin B, die ausgesagt hat, dass sie sich nicht angemeldet habe und das streitgegenständliche Angebot ohne Anmeldung habe auffinden können. In diesem Zusammenhang hat die Zeugin weiter überzeugend ausgeführt, dass sie vor diesem Rechtsstreit nicht wirklich gewusst habe, dass es ein „[…] Business Konto“ gibt, und dass sie normalerweise nach jedem Angebot, dass sie prüfe, den Browser schließe mit der Folge, dass dann „alles weg“ sei.

Die Aussage der glaubwürdigen Zeugin B ist glaubhaft. Die Zeugin wirkte nicht ansatzweise von einem Belastungseifer getrieben und schilderte erlebnisbezogen und detailreich, wie sie seinerzeit auf das Angebot der Beklagten gestoßen ist. Die Zeugin konnte auch differenziert von der üblichen Vorgehensweise und den Einzelheiten des in Rede stehenden Geschehens berichten.

Soweit der Zeuge C im Rahmen seiner Aussage beschrieben hat, wie er das Angebot in das Internet eingestellt hat, ist bemerkenswert, dass er offenbar allein durch die Angabe einer Mindestbestellmenge davon ausging, dass dieses Angebot ausschließlich Besuchern der […] -Internet-Handelsplattform angezeigt wird, die nicht Verbraucher sind. Bemerkenswert ist auch die Aussage des Zeugen, dass es grundsätzlich möglich gewesen wäre, das in Rede stehende Angebot „auch ohne Anmeldung über ein […] Business Konto aufzurufen“. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Zeuge anschließend relativierend beschrieben hat, dass die bloße Eingabe der Suchbegriffe „Yogurette 300g“ nicht ausgereicht hätte und dazu mehr erforderlich gewesen wäre. Gleichwohl hat der Zeuge sinngemäß eingeräumt, dass das streitgegenständliche Angebot für einen technisch nicht völlig unerfahrenen Verbraucher ohne Verstoß gegen Nutzungsbedingungen von […] aufzufinden gewesen wäre. Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Zeugen C zu den von ihm vorgenommenen Kontrollen im Hinblick auf die zutreffende Platzierung der von der Beklagten angebotenen Produkte auf der […] -Internet-Handelsplattform entgegen.

Dass der Zeuge C ausgesagt hat, dass er der Überzeugung ist, dass der Artikel nicht von einer Privatperson hätte gekauft werden können, ist unerheblich. Denn bei Internetangeboten, die für jedermann zugänglich sind, ist davon auszugehen, dass sie zumindest auch Privatkunden ansprechen, wenn sie nicht eindeutig und unmissverständlich eine Beschränkung auf Wiederverkäufer enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 29.4.2010 - I ZR 99/08). Der Werbende kann sich in diesem Fall nicht darauf berufen, dass er mit Verbrauchern keine Verträge schließt, um die Anwendung der PAngV auszuschließen (so zutreffend Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, PAngV, Vorbemerkung [Vor § 1] Rn. 29). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist bei dem in Rede stehenden Angebot eine Beschränkung auf Wiederverkäufer nicht ersichtlich. Insbesondere führt die Angabe einer Mindestbestellmenge von „6“ nicht dazu, dass der durchschnittliche Privatkunde, der auf das Angebot der Beklagten stößt, davon ausgeht, dass sich dieses Angebot ausschließlich an Wiederverkäufer richtet (vgl. BGH, a.a.O.), zumal auch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich die Preisangabe von 5,69 € inklusive Umsatzsteuer versteht.

Der Hinweis der Beklagten, dass es für den […]-Marketplace-Verkäufer keinen Schalter gebe, mit dem man festlegen könne, ob ein Grundpreis anzuzeigen ist oder nicht, verfängt nicht. Denn grundsätzlich darf eine Plattform, bei der nicht sichergestellt ist, dass ein (auch) Privatkunden ansprechendes Angebot den Grundpreis enthält, nicht verwendet werden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 5.5.2023 - 6 W 28/23).

Der in Rede stehende Wettbewerbsverstoß beeinträchtigt die Interessen der Verbraucher zwangsläufig auch spürbar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9.2.2012 - I-4 U 70/11)

Die Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten in Höhe von 130 € ergibt sich aus § 13 Abs. 3 UWG. Eine Erstattungsfähigkeit der anteilig berechneten und in der Höhe nicht zu beanstandeten Kosten aus Personal- und Sachmittelaufwand ist unter besonderer Berücksichtigung der Ausführungen in dem Schreiben des Klägers vom 13.4.2023 (Anlage K 14). zu bejahen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: