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LG Hamburg: Befristete einstweilige Verfügung gegen Telekommunikationsanbieter wegen unberechtigter fristloser Kündigung von Internet- und Telefonanschluss wenn Kunde als Unternehmen darauf angewies

LG Hamburg
Urteil vom 28.11.2018
319 O 265/18


Das LG Hamburg hat entschieden, dass eine befristete einstweilige Verfügung gegen einen Telekommunikationsanbieter wegen einer unberechtigten fristlosen Kündigung von Internet- und Telefonanschluss möglich ist, wenn der Kunde als Unternehmen darauf angewiesen ist. Die einstweilige Verfügung ist bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist befristet.

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war mit der tenorierten zeitlichen Einschränkung stattzugeben.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist der Antrag auch zulässig. Dieser ist allerdings zuzugeben, dass eine Zweigniederlassung an sich keine Rechtspersönlichkeit besitzt und auch nicht Partei eines Rechtsstreits sein kann (vgl. auch BGHZ 4, 62f). Vorliegend kann dahinstehen, ob die hiesige Niederlassung der Verfügungsklägerin eine selbständige Rechtspersönlichkeit aufweist oder nicht. Jedenfalls war der Vortrag der Verfügungsklägerin so auszulegen - auch wenn in der Antragsschrift vom 21.11.2018 als Antragsstellerin die Zweigniederlassung genannt ist -, dass sich dieser offensichtlich auf die dahinterstehende Rechtspersönlichkeit bezieht. Die Benennung der Filiale kann in der Regel als unschädliche ungenaue Parteibezeichnung qualifiziert werden; Partei ist dann in Wahrheit der Unternehmensträger selbst (Münchener Kommentar-Lindacher, ZPO, 4. Auflage, § 50, Rn. 39). Der Unternehmensträger kann unter der Firma der Zweigniederlassung klagen und verklagt werden (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 50, Rn. 26a). So ist die streitgegenständliche Antragsschrift zu verstehen. Im Rubrum des Schriftsatzes ist die Bank M. I., Zweigniederlassung H. aufgeführt. Auch die eingereichten Anlagen (Rechnung und Kündigungsschreiben) richten sich gegen die BANK M. I. unter der Anschrift H. ... in H.. Der Beschluss des Hanseatischen OLG vom 7.12.2009 (3 W 103/09) steht dem nicht entgegen. Es handelt sich bei der Frage der Auslegung immer um eine solche des Einzelfalls.

Die Verfügungsklägerin hat zudem einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach Ansicht der Kammer ist die ausgesprochene fristlose Kündigung der Verfügungsbeklagten zu Unrecht erfolgt. Eine solche Kündigung würde nur dann wirksam sein, wenn es einen wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB gebe und auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich mache.

Einen solchen Grund hat die Verfügungsbeklagte nicht hinreichend dargelegt. Einen wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen. Im Allgemeinen müssen die Kündigungsgründe im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen (Palandt-Grüneberg; 76. Auflage, § 314, Rn. 7 m.w.N.).

Ein solcher Grund könnte die Zahlungsunfähigkeit der Verfügungsklägerin sein. Die Folgen der US-Sanktionen sind zwar eher im Risikobereich der Verfügungsklägerin zu sehen als der Verfügungsbeklagten. Allerdings hat die Verfügungsbeklagte es nicht glaubhaft im Sinne des § 294 ZPO gemacht, dass die Zahlungsunfähigkeit der Verfügungsklägerin gegeben ist. Allein aufgrund des Umstandes der Suspendierung vom SWIFT-Netz folgt diese jedenfalls nicht. Auch in dem streitgegenständlichen Kündigungsschreiben der Verfügungsbeklagten ist nur allgemein ausgeführt, dass „man davon ausgehen müsse, dass Sie keine Zahlungen mehr bewirken und somit Ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können“. Unstreitig ist die Verfügungsklägerin ihren Zahlungsverpflichtungen immer nachgekommen. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, die Abwicklung des hiesigen Vertrages erfolge über ihr deutsches Geschäftskonto, was auch über ausreichend Deckung verfüge. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die monatlichen Kosten in einem überschaubaren Rahmen halten. Zudem hat sie dargetan, wie sie auch ohne Teilnahme am SWIFT-Netz in der Lage ist, Überweisungen zu tätigen. Grundsätzlich sind auch Barzahlungen denkbar.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin auch nicht angekündigt, nicht mehr zu leisten. Bei dem eingereichten Presseartikel handelt es sich um eine Aussage des Geschäftsführers der Niederlassung der Verfügungsklägerin, dass man „fast lahmgelegt“ sei; die in dem Artikel zitierte Passage soll in einem Schreiben an die Bundesbank zu finden sein, welches jedoch dem Gericht nicht vorliegt. Es kann dahinstehen, ob die zitierte Passage tatsächlich gegenüber der Bundesbank so formuliert worden ist. Das Schreiben und etwaige Aussagen dienten offensichtlich der Verdeutlichung der Dringlichkeit des Anliegens der Verfügungsklägerin. Gegenüber der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin jedenfalls unstreitig nicht die Einstellung ihrer Zahlungsverpflichtungen angekündigt. Die Rechnung vom 2.11.2018 weist vielmehr ein Guthaben zu Gunsten der Verfügungsklägerin auf.

Es ist auch eine besondere Dringlichkeit im Sinne der §§ 937ff. ZPO gegeben. Dabei ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass ggf. die Hauptsache vorweg genommen wird. Eine Leistungsverfügung ist insbesondere bei einer Not/-Zwangslage oder Existenzgefährdung und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 940, Rn. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat die Verfügungsklägerin hinreichend dargetan. Es liegt auf der Hand, dass sie für ihre Geschäftstätigkeit auf den Zugang zu Internet und Telefon angewiesen ist. Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass im Zuge dieses Eilverfahrens eine Befristung bis zum Ablauf der jeweiligen ordentlichen Kündigungsfrist angemessen erscheint. Die Fragen der Wirksamkeit einer etwaigen ordentlichen Kündigung und des Kontrahierungszwangs waren nicht Gegenstand dieses Eilverfahrens.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: