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LfD Niedersachsen: 900.000 EURO Bußgeld gegen Kreditinstitut wegen datenschutzwidriger Profilbildung zu Werbezwecken - kein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat gegen ein Kreditinstitut wegen datenschutzwidriger Profilbildung zu Werbezwecken ein Bußgeld in Höhe von 900.000 EURO verhängt. Das Kreditinstitut kann sich nicht auf ein berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berufen. Vielmehr wäre die Einholung einer Einwilligung erforderlich gewesen.

Die Pressemitteilung der Datenschutzbehörde:
900.000 Euro Bußgeld gegen Kreditinstitut wegen Profilbildung zu Werbezwecken

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen hat gegen ein Kreditinstitut eine Geldbuße in Höhe von 900.000 Euro festgesetzt. Der Bußgeldbescheid ist noch nicht rechtskräftig.

Das Unternehmen hatte Daten aktiver sowie ehemaliger Kundinnen und Kunden ohne deren Einwilligung ausgewertet. Dazu analysierte es das digitale Nutzungsverhalten und wertete unter anderem das Gesamtvolumen von Einkäufen in App-Stores, die Häufigkeit der Nutzung von Kontoauszugsdruckern sowie die Gesamthöhe von Überweisungen im Online-Banking im Vergleich zur Nutzung des Filialangebots aus. Hierzu bediente es sich eines Dienstleisters. Ergänzend wurden die Ergebnisse der Analyse mit einer Wirtschaftsauskunftei abgeglichen und von dort angereichert. Ziel war es, Kundinnen und Kunden mit einer erhöhten Neigung für digitale Medien zu identifizieren und diese adressatengerecht für vertragsrelevante oder werbliche Zwecke verstärkt auf elektronischen Kommunikationswegen anzusprechen. Den meisten Kundinnen und Kunden wurden zwar vorab zusammen mit anderen Unterlagen Informationen zugeschickt. Diese ersetzten die notwendigen Einwilligungen allerdings nicht.

Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass die vorgenommene Auswertung nicht mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vereinbar war. Danach kann ein Verantwortlicher personenbezogene Daten auf Grundlage einer Interessenabwägung verarbeiten. Die Interessen der betroffenen Person dürfen dabei nicht überwiegen. Bei der Festsetzung der Geldbuße wurde berücksichtigt, dass das Unternehmen die Ergebnisse seiner Auswertungen nicht weiterverwendet hatte. Zudem hat sich das Unternehmen im gesamten Verfahren kooperativ gezeigt.

Häufung ähnlicher Fälle

Der LfD Niedersachsen werden vermehrt Fälle bekannt, in denen Verantwortliche Daten von Kundinnen und Kunden, die zunächst rechtmäßig verarbeitet wurden, zur Profilbildung auswerten. Hierzu nutzen Sie teilweise externe Anbieter oder gleichen ihre Ergebnisse mit diesen ab.

„Die Verantwortlichen holen sich für solche Auswertungen häufig keine Einwilligung der Kundinnen und Kunden ein“, sagt die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel. „Stattdessen berufen sie sich auf eine Interessenabwägung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f DS-GVO. Diese Rechtsgrundlage erlaubt es aber nicht, Profile für Werbezwecke zu bilden, indem man große Datenbestände auswertet.“

Zwar liegt die werbliche Ansprache (potenzieller) Kundinnen und Kunden im Interesse der Verantwortlichen. Der Gesetzgeber stuft dieses Interesse aber als weniger gewichtig ein, indem er für die betroffenen Personen eine erleichterte Widerspruchsmöglichkeit vorsieht. Der Widerspruch muss nicht begründet werden. Bei der Interessenabwägung überwiegen zudem die Interessen der betroffenen Kundinnen und Kunden.

Vernünftige Erwartung maßgeblich

Verantwortliche müssen bei der Interessenabwägung unter anderem die vernünftigen Erwartungen der Kundinnen und Kunden berücksichtigten. „Die Betroffenen erwarten es aber in der Regel nicht, dass Verantwortliche im großen Umfang Datenbestände nutzen, um ihre Neigung zu bestimmten Produktkategorien oder Kommunikationswegen zu identifizieren“, so Barbara Thiel. Verantwortliche können sich in diesen Fällen deshalb nicht auf eine Interessenabwägung berufen und müssen stattdessen Einwilligungen einholen.

Werden zudem externe Stellen einbezogen (z. B. Wirtschaftsauskunfteien), können Daten aus unterschiedlichen Lebensbereichen verkettet und so genauere Profile erstellt werden. Hiermit müssen Kundinnen und Kunden erst recht nicht rechnen, weshalb auch hierfür Einwilligungen eingeholt werden müssen.

OLG Hamm: Vertrag über Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt

OLG Hamm
18 U 110/21
Beschluss vom 25.10.2021


Das OLG Hamm hat im Rahmen eines Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass ein Vertrag über den Verkauf von Adressdaten nach § 134 BGB nichtig ist, wenn er auf Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG abzielt.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Vereinbarung unwirksam ist, weil sie gegen § 134 BGB verstößt, nämlich darauf gerichtet ist, Kontaktaufnahmen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG durchzuführen. Es handelt sich damit um einen sog. Basisvertrag, der zu einem wettbewerbswidrigen Handeln verpflichtet. Derartige Verträge sind nach § 134 BGB nichtig, sofern der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst das wettbewerbswidrige Verhalten innewohnt (BGH GRUR 1998, 945; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG vor § 1 Rn. 7.9). Das ist hier aus den vom Landgericht genannten Gründen der Fall.

1. Was die Verpflichtung der Klägerin zur Verschaffung sog. Opt-Ins angeht, so wird damit, wie vom Landgericht dargelegt, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen, wobei sich die Beklagte mit der Eingehung der Vereinbarung selbst gem. § 8 Abs. 2 UWG Unterlassungsansprüchen aussetzte.

a) Die Klägerin kann sich nicht auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.6.2018 (Az. 8 U 153/17) berufen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass Einwilligungen von (Privat-)Inserenten mit einer telefonischen Kontaktaufnahme die Anrufe von Maklern nur dann decken, wenn diese lediglich als Käufermakler (für ihre „Suchkunden“) an sie herantreten (s.a. Münchener Komm. zum Lauterkeitsrecht/Leible, 3. Aufl., § 7 UWG Rn. 123).

Dass die Vereinbarung ausschließlich oder auch nur überwiegend diesem Zweck diente, trägt die Klägerin nicht vor und ergibt sich auch nicht aus der Vereinbarung selbst. Vielmehr ist in § 1 davon die Rede, dass es dem Makler „obliegt …, den Verkäufer von seinen Leistungen zu überzeugen …“. Daraus folgt, dass die Einholung der Einwilligungen zumindest auch dem Zweck dienen sollte, dass sich die Beklagte den Inserenten als Makler (auf Verkäuferseite) empfehlen konnte.

Den von der Klägerin vorgelegten Klauselwerken der einschlägigen Portale, namentlich den als Anlage K10 und K11 zum Schriftsatz vom 21.6.2021 zu den Akten gereichten „Datenschutzbestimmungen“, lässt sich nicht entnehmen, dass die Inserenten wirksam weitergehende Einwilligungen abgegeben hätten, die auch eine Nutzung der Daten zur Kontaktaufnahme durch die Klägerin (im Auftrag der Beklagten als eines dem Inserenten fremden Maklers) umfasst haben. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nunmehr auf die „Hinweise“ an die Nutzer in den Portalen L und „M“ verweist, ersetzen sie die erforderliche Einwilligung des jeweiligen Nutzers nicht. Abgesehen davon erfüllt die Kontaktaufnahme durch die Klägerin - für die Beklagte - auch nicht den Tatbestand einer Datenweitergabe „zur möglichen Vereinbarung eines Beratungstermins“ mit einem „mit L kooperierenden Makler“.

b) Soweit sich die Klägerin zum Beweis des Umstands, dass sich ein (jeder) verkaufswilliger Immobilieneigentümer, der seine Telefonnummer im Rahmen des Inserats angibt, in jegliche Kontaktaufnahme einwilligt, auf einen Zeugen A berufen hat, brauchte dem nicht nachgegangen zu werden. Das Beweisangebot ist ungeeignet, weil der Zeuge über die Bedeutung der individuellen Entscheidung ihm persönlich unbekannter Inserenten, ihre Telefonnummer anzugeben, keine Erkenntnisse haben kann.

c)Der Passus in der Vereinbarung, wonach die Beklagte „ggf. … auch selbst“ kaufe, rechtfertigt gleichfalls keine andere rechtliche Würdigung des Sachverhalts. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Geltung dieses Passus mit der Begründung nachvollziehbar in Abrede stellt, sie sei (insgesamt) von dem angekreuzten „Nein“ umfasst, handelt sich dabei lediglich um die allgemeine Feststellung, dass für die Beklagte unter nicht näher benannten Umständen auch ein Eigenerwerb der inserierten Immobilien in Betracht komme. Der Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin diente aber offensichtlich nicht dazu, der Beklagten die Anschaffung eines eigenen Immobilien-Portfolios oder dessen Erweiterung zu ermöglichen, sondern der Ausweitung ihres Maklergeschäfts.

2. Was die Mitteilung der Chiffre-Kontakte angeht, so bestand die Dienstleistung der Klägerin in diesen Fällen nicht in der Mitteilung einer Telefonnummer, sondern des jeweiligen von ihr recherchierten bzw. anderweitig erworbenen Datensatzes der betreffenden Inserenten.

Die Übermittlung dieser Datensätze an die Beklagte diente erkennbar dem Zweck, ihr die Kontaktaufnahme zu den Inserenten zu Werbezwecken für ihre Maklertätigkeit unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch dann zu ermöglichen, wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten in diese Werbung fehlte. Überdies erfolgte die Weitergabe der Daten unter Verstoß gegen die DSGVO.

Auch dieser Teil der Vereinbarung hat also gem. § 134 BGB keinen Bestand. Die Frage, ob bereits die Nichtigkeit der Verpflichtung zur Verschaffung der Opt-Ins gem. § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung führt oder ob dem § 15 („Salvatorische Klausel“) entgegensteht, bedarf deshalb keiner Beantwortung.

3. Zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Fall auch Ansprüche der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) bzw. aus dem Bereicherungsrecht (§§ 812ff. BGB) verneint. Auf die Begründung wird verwiesen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Ansbach: Verstoß gegen DSGVO durch Videoüberwachung der gesamten Trainingsfläche eines Fitnessstudios

VG Ansbach
Urteil vom 23.02.2022
AN 14 K 20.00083


Das VG Ansbach hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO durch Videoüberwachung der gesamten Trainingsfläche eines Fitnessstudios vorliegt.

Aus den Entscheidungsgründen:
2. Die Klage ist jedoch nur begründet, soweit sie sich gegen Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheides wendet. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht ist richtiger Beklagter gemäß § 20 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG.

a) Die Unterlassungsanordnung in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids ist formell wie materiell rechtmäßig. Es sind keine Verfahrensfehler ersichtlich, insbesondere wurde die Klägerin ordnungsgemäß angehört i.S.d. Art. 28 BayVwVfG (vgl. auch DS-GVO-Erwägungsgrund 129).

Die Untersagungsanordnung beruht als Abhilfemaßnahme auf Art. 58 Abs. 2 DS-GVO. Da es sich um ein Verbot handelt, ist Buchst. f) einschlägig, nicht wie vom Beklagten vorgebracht Buchst. d). Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO (vgl. Nguyen in: Gola, DS-GVO, Art. 58, Rn. 4). Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.

(1) Die Videoüberwachung konnte nicht auf eine Einwilligung der Trainierenden gestützt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO dürfen personenbezogene Daten verarbeitet werden, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Eine solche Einwilligung erfordert gemäß Art. 4 Nr. 11 DS-GVO eine freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Eine solche eindeutige bestätigende Handlung der Trainierenden kann allerdings nicht in der bloßen Kenntnisnahme der Hinweise auf die Videoüberwachung in den Datenschutzhinweisen und der Hinweisschilder an der Eingangstür gesehen werden, denn gemäß Satz 3 des DS-GVO-Erwägungsgrundes 32 sollen Stillschweigen oder Untätigkeit gerade keine Einwilligung darstellen. Dass die Klägerin anderweitig ein Einverständnis der Trainierenden mit der Videoüberwachung durch eine eindeutig bestätigende Handlung eingefordert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass die Videoüberwachung nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO erlaubt war.

(2) Die Videoüberwachung konnte auch nicht auf vertragliche (Neben-)Pflichten der Klägerin, ihre Kundschaft im vorgetragenen Umfang vor Diebstählen und Übergriffen zu schützen, gestützt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) Alt. 1 DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich ist. Vertragliche Nebenpflichten wie Rücksichtnahme- und Schutzpflichten sind zwar auch von dieser Vorschrift erfasst (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6, Rn. 33), jedoch ging die streitgegenständliche lückenlose Videoüberwachung über diese Pflichten hinaus. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage - wie hier durch den Betrieb eines Fitnessstudios - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern; umfasst werden hiervon diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Betreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 2018, 2956, Rn. 17 m.w.N.). Es muss dabei aber nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts vorgesorgt, sondern nur ein Sicherheitsgrad erreicht werden, den die herrschende Verkehrsauffassung im jeweiligen Bereich für erforderlich hält (vgl. BGH NJW 2018, 2956, Rn. 18 m.w.N.).

Inwiefern die Klägerin eine Schutzpflicht treffen soll, die über das Instandhalten der Fitnessgeräte und die Bereitstellung hilfsbereiten Personals und von Spinden o.Ä. hinausgeht, ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass es der herrschenden Verkehrsanschauung im Fitnessstudiobetrieb entspricht, die Trainierenden durch lückenlose Videoüberwachung vor Übergriffen und Diebstählen zu schützen oder ihnen eine erleichterte Verfolgung solcher Vorkommnisse durch die Videoüberwachung zu ermöglichen.

(3) Schließlich konnten auch nicht die berechtigten Interessen der Klägerin oder der Trainierenden selbst die Videoüberwachung rechtfertigen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen […]. Die Klägerin kann zwar berechtigte Interessen im Sinne der Vorschrift geltend machen (hierzu (a)), zu deren Wahrung die Videoüberwachung erforderlich ist (hierzu (b)), jedoch überwiegen die Interessen der Trainierenden, namentlich deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, diese Interessen (hierzu (c)).

(a) Die Klägerin machte als berechtigte Interessen zum einen eigene Interessen (Prävention und Verfolgung von Diebstahl und Sachbeschädigung) und zum anderen Interessen der Trainierenden (Schutz vor Diebstahl und Übergriffen) geltend. Erforderlich, aber auch ausreichend für den Begriff des berechtigten Interesses ist ein „guter Grund“, sprich ein schutzwürdiges und objektiv begründbares Interesse (BVerwG, U. v. 27. März 2019 - 6 C 2/18 - Rn. 25 bei juris (noch zu § 6b Abs. 1 BDSG a.F.)). Die Geltendmachung, Ausübung und Durchsetzung von Rechtsansprüchen (wie Schadensersatzansprüche nach Diebstahl oder Sachbeschädigung) sind berechtigte Interessen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147). Ebenso kann das Interesse der Trainierenden, von einem Fitnessstudiobetreiber vor Diebstählen und Übergriffen geschützt zu werden, als „berechtigt“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO eingeordnet werden, da der Begriff des berechtigten Interesses weit auszulegen ist; eine normative Einschränkung erfolgt erst später im Rahmen der Interessenabwägung (Albers/Veit in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 6, Rn. 50).

(b) Auch die Erforderlichkeit der Videoüberwachung kann noch bejaht werden, da jedenfalls für die Aufklärung von Diebstählen, Sachbeschädigungen und Übergriffen kein anderes, gleich effektives Mittel (vgl. Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147a) ersichtlich ist.

(c) Die Interessen der Trainierenden überwiegen jedoch die von der Klägerin vorgebrachten berechtigten Interessen an der Videoüberwachung. Die Trainierenden sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in ganz erheblicher Weise. Bei der durchgehenden Videoüberwachung im Fitnessstudio der Klägerin während der gesamten Öffnungszeiten auf allen Trainingsflächen handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in dieses Grundrecht aller Trainierenden, mithin einer erheblichen Anzahl von Personen, ohne räumliche oder zeitliche Ausweichmöglichkeit. Schon aufgrund dieser Alternativlosigkeit der Trainierenden überwiegen deren Interessen die der Klägerin. Ihr stehen nämlich durchaus andere, zwar möglicherweise nicht genauso effektive, aber jedenfalls ausreichend effektive Maßnahmen zur Wahrung ihrer Interessen zur Verfügung wie beispielsweise eine Aufstockung des Personals. Die Klägerin kann sich nicht allein darauf berufen, die Videoüberwachung sei gegenüber der Personalaufstockung die wirtschaftlich sinnvollere Alternative (vgl. Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147a).

Erschwerend kommt hinzu, dass die Trainierenden nicht mit einer Videoüberwachung im Fitnessstudio rechnen mussten. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass gemäß Satz 4 des DS-GVO-Erwägungsgrundes 47 insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten. Laut den gemäß Art. 70 Abs. 1 Buchst. e) DS-GVO zur Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung der DS-GVO erlassenen Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) ist entscheidendes Kriterium für die Auslegung des Begriffs der vernünftigen Erwartung, ob ein objektiver Dritter vernünftigerweise in der konkreten Situation erwarten kann, dass er überwacht wird (EDSA, Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte, Version 2.0, Rn. 36, abgerufen unter edpb_guidelines_201903_video_devices_de.pdf (europa.eu)). Hinweisschilder, die über die Videoüberwachung informieren, sind zur Bestimmung, was eine betroffene Person objektiv in einer bestimmten Situation erwarten kann, unerheblich (EDSA, a.a.O, Rn. 40). In öffentlich zugänglichen Bereichen können betroffene Personen davon ausgehen, dass sie nicht überwacht werden, vor allem, wenn diese Bereiche typischerweise für Freizeitaktivitäten genutzt werden, wie es bei Fitnesseinrichtungen der Fall ist (EDSA, a.a.O., Rn. 38). Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der Trainierenden.

Auch bei Betrachtung des Umfangs der der Klägerin entstandenen Schäden ist keine andere Gewichtung der Interessen geboten. Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung belaufen sich die Diebstähle auf circa zehn Fälle jährlich und die Sachbeschädigungen auf circa 10.000 EUR bis 15.000 EUR jährlich, während die Einnahmen beispielhaft im Jahr 2019 200.000 EUR betrugen. Die finanziellen Einbußen der Klägerin halten sich daher in einem Rahmen, der in keinem Verhältnis zu einer lückenlosen Videoüberwachung der Trainierenden steht. Wenn die Klägerin darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung ausführt, dass hinsichtlich der Kleingeräte keinerlei Diebstahlsicherungen sinnvoll umsetzbar sind, muss letztlich aus unternehmerischer Sicht hingenommen werden, dass nicht jegliche finanziellen Risiken abgewendet werden können, ganz besonders nicht auf Kosten der informationellen Selbstbestimmung der gesamten Kundschaft.

Auch die berechtigten Interessen der Trainierenden selbst, die die Klägerin ebenfalls geltend macht, begründen kein anderes Abwägungsergebnis. Zwar mag die Videoüberwachung für manche eher ein willkommenes Gefühl der Sicherheit als einen unangenehmen Anpassungsdruck auslösen. Die Risiken der Aufklärbarkeit eines Diebstahls oder Übergriffs liegen aber primär im Verantwortungsbereich der Trainierenden selbst, nicht dem der Klägerin. Wer das Smartphone nicht in den Spind sperrt, ist sich regelmäßig der so erleichterten Möglichkeit eines Diebstahls im Trainingsraum im Fitnessstudio bewusst. Auch dass die Aufklärung von Straftaten in einem verhältnismäßig engen Raum unter vielen sich fremden Menschen erschwert ist, dürfte den Trainierenden als Teil des allgemeinen Lebensrisikos bewusst sein. Es liegt in der Hand der Trainierenden selbst, dieses Risiko bei Bedarf zu minimieren, indem beispielsweise Trainingsgeräte in der Nähe der Empfangstheke gewählt werden oder zu zweit oder zu einer „risikoärmeren“ Uhrzeit trainiert wird. Das Interesse der Trainierenden, vor diesem allgemeinen Lebensrisiko durch die Klägerin mittels Videoüberwachung geschützt zu werden, wiegt nicht so schwer, wie das Interesse daran, im Fitnessstudio überwachungsfrei trainieren zu können.

Das Gericht sieht hier auch keine Vergleichbarkeit mit dem Einzelhandel, da dort zum einen ein deutlich geringerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt (regelmäßig kürzerer Aufenthalt und auch weniger private Tätigkeit als im Fitnessstudio), zum anderen aber das Diebstahlrisiko und die Aufklärungsschwierigkeiten noch höher sein dürften durch den schnelleren Kundenwechsel, die höhere Zahl an kleinen Gegenständen und die leichteren Verstauungsmöglichkeiten beispielsweise in Jacken- und Hosentaschen.

Da somit mangels Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung mittels Videoüberwachung ein datenschutzrechtlicher Verstoß gegeben war, durfte die Beklagte eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ergreifen. Der Aufsichtsbehörde steht bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zu (vgl. dazu DS-GVO-EG 129), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler hinsichtlich der Untersagungsanordnung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Untersagungsanordnung war auch verhältnismäßig (vgl. DS-GVO-Erwägungsgrund 129), insbesondere ist kein milderes, gleich effektives Mittel zur Herstellung des Einklangs mit der DS-GVO ersichtlich. Da die gesamte Trainingsfläche lückenlos überwacht wurde, könnte eine (nachträgliche) Einwilligung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO mangels Freiwilligkeit und Widerruflichkeit i.S.d. Art. 7 DS-GVO nicht wirksam eingeholt werden. Eine mögliche Anordnung des Beklagten nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d) DS-GVO, die Videoüberwachung wirksam zum Bestandteil des Vertrags mit den Trainierenden zu machen (statt des bloßen Hinweises in den Datenschutzhinweisen), erscheint zum einen schon mit Blick auf die zivilrechtlichen Vorschriften zur AGB-Kontrolle problematisch (vgl. dazu LG Koblenz BeckRS 2014, 1243) und hätte zum anderen einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie der Klägerin und somit auch kein milderes Mittel dargestellt. Das Verbot der Videoüberwachung war daher als ultima ratio erforderlich. Das Verbot war auch angemessen, denn das öffentliche Interesse an der Herstellung eines datenschutzkonformen Zustands im Fitnessstudio der Klägerin überwiegt das Interesse der Klägerin an der Videoüberwachung, da ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Trainierenden vorlag (siehe hierzu auch die Ausführungen oben zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO).

b) Die Mitteilungsanordnung in Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids ist demgegenüber materiell rechtswidrig und daher aufzuheben, denn der streitgegenständliche Bescheid enthält bezüglich seiner Ziffer II keinerlei Begründung i.S.d. Art. 39 BayVwVfG (vgl. auch DS-GVO-Erwägungsgrund 129) oder Ermessenserwägungen. An diesem Ermessensausfall konnte auch der Schriftsatz des Beklagten vom 31. Januar 2022 nichts ändern.

Die fehlende Begründung der Ziffer II stellte zunächst einen Formfehler dar, der aber durch die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. Januar 2022 gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG geheilt werden konnte, sodass Ziffer II formell rechtmäßig war.

Als Rechtsgrundlage für Ziffer II wurde in diesem Schreiben vom 31. Januar 2022 Art. 58 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO genannt. Hinsichtlich der Wahl der im Einzelfall anzuwendenden Untersuchungsbefugnis des Abs. 1 des Art. 58 DS-GVO steht der Aufsichtsbehörde ein Auswahlermessen zu (vgl. DS-GVO-Erwägungsgrund 129), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist gemäß § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid enthält jedoch keine Ausführungen, aus denen ersichtlich wäre, dass der Beklagte dieses Ermessen bezüglich Ziffer II des Bescheids erkannt und ausgeübt hat. Dies allein stellt schon ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall dar (BayVGH NVwZ-RR 2008, 787 (787 f.); Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 28 m.w.N.).

Es können auch nicht die zur Untersagungsanordnung in Ziffer I des Bescheids angestellten Ermessenserwägungen auf Ziffer II übertragen werden, da sich diese in keiner Weise mit der Art und Weise, wie die Umsetzung der Untersagung überprüft werden könnte, auseinandersetzen (vgl. zur Übertragung von Ermessenserwägungen BVerwG NVwZ 2007, 470 (471)). Insgesamt ist schlicht nicht erkennbar, dass bei der Wahl der passenden Untersuchungsbefugnis zur Kontrolle der Umsetzung der Untersagungsanordnung die notwendige Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den privaten Interessen der Klägerin stattgefunden hat. Auch das nachträgliche Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. Januar 2022 konnte diesbezüglich nicht berücksichtigt werden, denn § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht lediglich die Ergänzung defizitärer Ermessenserwägungen, nicht aber die nachträgliche erstmalige Ausübung (BVerwG NVwZ 2007, 470 (471)). Nach alldem lag ein Ermessensausfall vor.

Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids war daher wegen des Ermessensausfalls rechtswidrig. Insoweit war die Klägerin als Adressatin des belastenden Verwaltungsakts auch in ihrem Recht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt, sodass Ziffer II gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben war.

c) Die formell rechtmäßige Zwangsgeldandrohung in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids ist auch materiell rechtmäßig, insbesondere wurde wirksam eine Frist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzt. Zwar setzt Ziffer III nach ihrem Wortlaut selbst keine entsprechende Frist, jedoch enthält die Begründung zur Ziffer III auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheids eindeutig die vom Beklagten beabsichtigte Frist, nämlich zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids. Da die Begründung zur Bestimmung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts zu Hilfe zu nehmen ist (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 35, Rn. 76), ist vorliegend eine Frist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ordnungsgemäß gesetzt worden. Auch die Bestimmtheit gemäß Art. 37 BayVwVfG ist dabei gewahrt (vgl. hierzu Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 39, Rn. 26).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Bundeskartellamt: Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping eingeleitet

Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping eingeleitet.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:
Bundeskartellamt leitet Sektoruntersuchung zum Scoring beim Online-Shopping ein

Das Bundeskartellamt hat eine verbraucherrechtliche Sektoruntersuchung zum „Scoring“ beim Online-Shopping eingeleitet. Hierbei geht es um die Vorgehensweisen von Händlern zur Überprüfung der Bonität, d. h. der Zahlungsfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Online-Shopping.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist nicht bewusst, dass ihre Bonität beim Online-Shopping unter Zuhilfenahme sogenannter Score-Werte geprüft wird, vor allem beim beliebten „Kauf auf Rechnung“. In unserer Sektoruntersuchung werden wir untersuchen, ob und in welcher Form die Online-Händler hierüber informieren, wie die Prüfungen ablaufen und welche Kriterien der Bonitätsprüfung eigentlich zugrunde liegen. Dabei beziehen wir Unternehmen ein, die für das Scoring relevant sein könnten, z.B. auch Wirtschaftsauskunfteien, die mit der Erstellung von Score-Werten einen wesentlichen Faktor für die Bonitätsprüfungen an die Online-Händler zuliefern.“

Bonitätsprüfungen dienen der Risikominimierung und sollen Vertragspartnern Aufschluss darüber geben, ob eine Person ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Grundlage für Bonitätsprüfungen bilden dabei häufig individuelle Score-Werte, die von Wirtschaftsauskunfteien unter Berücksichtigung personenbezogener Daten ermittelt werden und ausdrücken, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Käuferin oder ein Käufer die Rechnung bezahlen wird. Die Durchführung von Bonitätsprüfungen ist an enge datenschutzrechtliche Voraussetzungen, wie z. B. eine freiwillige Einwilligung der betroffenen Person, in die Datenverarbeitung geknüpft.

Die Praxis bei der Bestellung von Waren über den Online-Handel ist diesbezüglich uneinheitlich und in vielen Fällen für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Transparenz- und Einwilligungsdefizite könnten Verbrau-cherrechtsverstöße auslösen.

Nach Vorgesprächen mit Expertinnen und Experten und Interessenvertretungen wird das Bundeskartellamt zeitnah schriftliche Befragungen von rund 50 ausgewähl-ten Online-Händlern und großen Wirtschaftsauskunfteien durchführen. Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung werden nach Abschluss der Ermittlungen in einem Bericht veröffentlicht.

Die vorliegende Sektoruntersuchung Scoring beim Online-Shopping ist die sechste verbraucherrechtliche Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts. Das Bundeskartellamt kann verbraucherrechtliche Verstöße feststellen, verfügt aber nicht über Befugnisse, etwaige Verstöße zu ahnden.



AG Pforzheim: 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen unberechtigter Weitergabe von Name und Adresse

AG Pforzheim
Urteil vom 27.01.2022
2 C 381/21


Das AG Pforzheim hat in diesem Fall dem Betroffenen 1.500 EURO Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen der unberechtigten Weitergabe von Name und Adresse zugesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Durch die Weitergabe des Namens und der Adresse des Klägers ohne dessen Einwilligung an das Abrechnungszentrum Dr. G. hat die Beklagte gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen und des weiteren pflichtwidrig den Kläger hierüber nicht nach Art. 14 Abs. 1 DSGVO informiert. Aufgrund dessen steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wobei das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € (zuzüglich 4,- € für Mahnkosten) für angemessen, aber auch ausreichend hält. Hierbei wurde zum einen berücksichtigt, dass sich der von der Beklagten begangene Verstoß nicht als besonders schwerwiegend darstellt, insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für ein systematisches Vorgehen oder gar eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erkennen lassen. Andererseits sieht das Gesetz einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden nicht vor (s. hierzu sowie zum folgenden Kühling-Buchner, DS-GVO, Art. 82, Rd.-Nr. 18 a ff.). Vielmehr ist der Schadensbegriff der DS-GVO weit auszulegen und, da es sich um einen europarechtlichen Anspruch handelt, nicht mit den bisher in Deutschland üblichen Beträgen für einen Immateriellen Schadensersatz zu vergleichen. Um die geforderte Abschreckung zu erreichen, muss der zuzusprechende Schadensersatz über einen rein symbolischen Betrag hinaus gehen. Unter Berücksichtigung all dessen erachtet das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € für insgesamt angemessen.

Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, die Beklagte hätte auch im Folgenden unerlaubt seine geschützten personenbezogenen Daten weitergegeben bzw. verarbeitet, so dass ihm auch aufgrund dessen ein (höherer) Schadensersatzanspruch zustünde bzw. ein weiterer, über das Schreiben der Beklagten vom 21.04.2020 hinausgehender, Auskunftsanspruch. Denn die DSGVO gilt gem. Art. 2 Abs. 1 nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die Voraussetzungen für diesen sachlichen Anwendungsbereich der DS-GVO sind im Übrigen jedoch weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen. Die Beklagte mag weitere Daten des Klägers an dessen geschiedene Ehefrau mitgeteilt haben; dies alleine - nämlich ohne automatisierte Verarbeitung oder Speicherung in einem Dateisystem - fällt jedoch eben nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO. Eine Weitergabe von Daten an ihren Prozessbevollmächtigten läge darüber hinaus in ihrem anerkennungswerten berechtigten Interesse, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 f DS-GVO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VGH Hessen: Entscheidung über Vereinbarkeit des Cookie-Consent-Tools Cookiebot mit DSGVO nicht für Eilverfahren geeignet

VGH Hessen
Beschluss vom 17.01.2022
10 B 2486/21


Der VGH Hessen hat entschieden, dass eine Entscheidung über die Vereinbarkeit des Cookie-Consent-Tools Cookiebot mit der DSGVO nicht für ein Eilverfahren geeignet ist. Das Gericht hat die Untersagungsverfügung des VG Wiesbaden aufgehoben (siehe dazu VG Wiesbaden: Verwendung des Cookie-Consent-Tools Cookiebot verstößt gegen DSGVO - Rechtswidrige Übermittlung personenbezogener Daten in die USA).

Die Entscheidungsgründen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. Dezember 2021 ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, soweit sich die Antragsgegnerin gegen die erlassene einstweilige Anordnung wendet. Erkennbar greift die Antragsgegnerin den Beschluss vom 1. Dezember 2021 nicht an, soweit damit das erstinstanzliche Eilverfahren teilweise eingestellt worden ist, zumal diese Entscheidung unanfechtbar ist (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Die so verstandene Beschwerde der Antragsgegnerin ist rechtzeitig gestellt und fristgerecht begründet worden. Der angefochtene Beschluss ist der Antragsgegnerin am Tag seines Erlasses am 1. Dezember 2021 zugestellt worden. Mit dem am 15. Dezember 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerdeschriftsatz vom selben Tag ist daher die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO gewahrt worden. Die Beschwerde ist mit am 3. Januar 2022, einem Montag, beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet worden, so dass auch die einmonatige Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO eingehalten worden ist. Die vorgelegte Begründung genügt auch den hieran zu stellenden gesetzlichen Anforderungen.

Die Beschwerde der Beigeladenen ist ebenfalls zulässig.

Die vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2021 vorgenommene Beiladung der Beigeladenen, die diese mit am 13. Dezember 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag beantragt hatte, ist wirksam. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht zunächst den Schriftsatz der Beigeladenen mit dem Antrag auf Beiladung vom 13. Dezember 2021 am 14. Dezember 2021 den (bisherigen) Beteiligten übermittelt hatte mit Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu innerhalb von zwei Tagen, jedoch noch am 14. Dezember 2021 den Beiladungsbeschluss erlassen hat, ohne die von ihm selbst gesetzte Frist abzuwarten. Auch wenn diese Vorgehensweise ungewöhnlich oder gar bedenklich erscheinen mag, ist die Beiladung nicht unwirksam. Der Beiladungsbeschluss ist mit der laut Empfangsbekenntnis (Bl. 764 der Gerichtsakte) am 14. Dezember 2021 erfolgten Zustellung wirksam geworden und zwar unabhängig davon, dass dieser Beschluss entgegen der ausdrücklichen Regelung in § 65 Abs. 4 Satz 1 VwGO den (bisherigen) Beteiligten nicht zugestellt, sondern nur einfach zur Kenntnis gebracht worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 65, Rn. 25 und 35). Obwohl zum Zeitpunkt des Erlasses und der Zustellung des Beiladungsbeschlusses am 14. Dezember 2021 der die Instanz abschließende Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 1. Dezember 2021 noch am selben Tag an die (bisherigen) Beteiligten zugestellt worden war (Empfangsbekenntnisse Bl. 728a und 728b der Gerichtsakte), war das erstinstanzliche Verfahren zum Zeitpunkt des Erlasses des Beiladungsbeschlusses am 14. Dezember 2021 mangels Ablaufs der Rechtsmittelfrist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen im Sinne von § 65 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren war auch noch nicht im Sinne der genannten Vorschrift in der höheren Instanz anhängig. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist erst einen Tag später, am 15. Dezember 2021, beim Verwaltungsgericht eingegangen, so dass frühestens zu diesem Zeitpunkt der Devolutiveffekt der Rechtsmitteleinlegung eingetreten sein kann, wodurch die Zuständigkeit der höheren Instanz begründet und die bisherige Instanz beendet worden ist. Da die Beiladung nach alldem als wirksam anzusehen ist, ist hiermit die Beigeladene Beteiligte des Verfahrens geworden und gem. § 146 Abs. 1 VwGO berechtigt, Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss einzulegen, obwohl sie selbst bis zum Erlass dieses Beschlusses an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen ist.

Die Rechtsmittelfrist von zwei Wochen nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO lief für die Beigeladene erst ab der zusammen mit dem Beiladungsbeschluss vom 14. Dezember 2021 erfolgter Zustellung des (hier angefochtenen) Beschlusses vom 1. Dezember 2021 an diese am 14. Dezember 2021, so dass mit dem am 19. Dezember 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerdeschriftsatz vom selben Tag die Rechtsmittelfrist gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die Beigeladene gewahrt worden ist. Die Beschwerde ist mit am 14. Januar 2022 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet worden, so dass auch die Begründungsfrist von einem Monat (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO) eingehalten worden ist. Die Begründung entspricht auch den hieran zu stellenden Anforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Randnummer5
Die Beschwerden sind auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen dürfen.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter anderem gemäß § 123 VwGO - wie im vorliegenden Fall - innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung muss nach Satz 3 der Vorschrift einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft das Oberverwaltungsgericht - in Hessen der Hessische Verwaltungsgerichtshof - nur die dargelegten Gründe.

Es bedarf keines abschließenden Eingehens darauf, ob dem Vorbringen der Beigeladenen zu folgen ist, der Antragsteller sei der Verpflichtung im Tenor des angefochtenen Beschlusses, innerhalb von vier Wochen Klage zum Verwaltungsgericht zu erheben, deswegen nicht hinreichend nachgekommen, weil er zwar innerhalb der Frist Klage erhoben habe, diese jedoch einen anderen Gegenstand betreffe, weil der Antragsteller im Rahmen der begehrten einstweilen Anordnung eine Unterlassung der Antragsgegnerin beantragt hatte, während er im Klageverfahren ein Handeln fordere. Damit sei der Beschluss wegen fehlender Klageerhebung unwirksam geworden, so dass er im Beschwerdeverfahren aufzuheben sei. Es bedarf auch keines Eingehens darauf, ob dem Einwand des Antragstellers zu folgen ist, aus der Begründung in der Klageschrift sei hinreichend deutlich zu erkennen, dass er von der dortigen Beklagten - der hiesigen Antragsgegnerin - ein Unterlassen begehre, und bei der Antragsfassung in der Klageschrift handele es sich insofern lediglich um einen Schreibfehler. Allerdings hat der Antragsteller dem Verwaltungsgericht zwar mitgeteilt, er begehre ein Unterlassen, jedoch keine konkrete Korrektur des Klageantrags vorgenommen.

Das Verwaltungsgericht hätte die einstweilige Anordnung bereits deswegen nicht erlassen dürfen, weil der Antragsteller einen Anordnungsgrund im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht hat. Sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene haben im Rahmen ihres Beschwerdevorbringens geltend gemacht, der angefochtene Beschluss lasse keine Ausführungen zum Anordnungsgrund erkennen. Zudem liege ein Anordnungsgrund nicht vor, weil der Antragsteller nicht auf die Nutzung der Website der Antragsgegnerin angewiesen sei und nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihm ohne Nutzung dieser Seite wesentliche Nachteile im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO drohten. Dieser Einwand greift durch.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind der geltend gemachte Anspruch sowie der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind jeweils eigene Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs führt nicht automatisch zur Annahme auch eines Anordnungsgrundes. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen und der öffentlichen Interessen sowie etwaiger Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Hess. VGH, Beschluss vom 5. Februar 1993 – 7 TG 2479/92 –, juris; Kopp/Schenke, a. a. O., § 123 Rn. 26). Nach der Konzeption der Verwaltungsgerichtsordnung wird Rechtsschutz grundsätzlich im Klageverfahren gewährt. Nur ausnahmsweise erscheint es notwendig, bereits vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine Regelung zu treffen, wenn dies aufgrund der in § 123 Abs. 1 VwGO genannten Umstände zwingend notwendig erscheint. Das einstweilige Anordnungsverfahren ist dabei ein eigenständiges „Sicherungsverfahren“ und kein verkürztes oder komprimiertes Hauptsacheverfahren. Die erlassene einstweilige Anordnung steht immer unter dem Vorbehalt einer anderen Entscheidung im Klageverfahren. Dabei gilt grundsätzlich das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache (Kopp/Schenke, a. a. O., § 123 Rn. 13ff.). Ausnahmsweise kommt die Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Betracht, wenn das Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte, wobei dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 6VR 3/13 -, NVwZ-RR 2014, 558, juris, Rn. 5).

Randnummer10
Gemessen hieran hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Er begehrt mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Regelung, die der im Klageverfahren zu erlangenden Regelung gleichkäme, so dass hierin eine jedenfalls zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache zu sehen ist. Die hierfür erforderliche Voraussetzung, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zu nachträglich nicht mehr zu beseitigenden schwerwiegenden Nachteilen auf Seiten des Antragstellers führen könnte, ergibt sich aus seinen Darlegungen nicht.

In seinem Antragsschriftsatz vom 8. Juni 2021 hat der Antragsteller auf Seite 1 vorgetragen, er nutze die Website der Antragstellerin zur Information über Fachliteratur. Auf Seite 14 des Schriftsatzes hat er ausgeführt, ein Anordnungsgrund liege vor, weil die ständige und mehrfache rechtswidrige Erfassung von Surfprofilen (und Übermittlung) an unzuverlässige und undurchsichtige US-amerikanische Unternehmen des Google-Konzerns nebst weiterer Übermittlung an ungenannte Kooperationspartner einen Kontrollverlust seiner Surfprofile bedeute, der irreversibel sei, so dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar sei. Bereits hieraus ergibt sich entgegen seiner Behauptung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht.

Mit der begehrten und im angefochtenen Beschluss erlassenen einstweiligen Anordnung wird eine Regelung nur für die Zukunft erreicht. Soweit bereits in der Vergangenheit bei Zugriffen des Antragstellers auf die Website der Antragsgegnerin personenbezogene Daten erfasst, gespeichert und gegebenenfalls verarbeitet und weitergegeben worden sein sollten, würde sich hieran durch die begehrte einstweilige Anordnung nichts ändern. Die Gefahr einer erneuten - eventuell rechtswidrigen - Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten des Antragstellers bestünde indessen nur dann, wenn dieser erneut auf die Website der Antragstellerin zugreift und Fragen nach der Verwendung von Cookies beantwortet. Aus seinem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass für ihn auch in Zukunft die Notwendigkeit besteht, auf die Website der Antragsgegnerin zuzugreifen. Er ist nicht Mitglied der Antragsgegnerin - einer Universität - so dass er auf die die Forschung und Lehre betreffenden Inhalte dieser Website nicht zugreifen muss. Zwar mag die fragliche Website auch außenstehenden Internetnutzern zur Verfügung stehen. Jedoch steht es einem Interessenten frei, ob er diese nutzt oder nicht, falls ihm damit verbundene Nutzungsmodalitäten oder dergleichen nicht zusagen und er seine persönlichen Daten als nicht hinreichend geschützt ansieht. Auch der Antragsteller kann aus diesen Gründen den Zugriff auf die Website der Antragsgegnerin unterlassen. Für die vom Antragsteller geltend gemachte Recherche nach Fachliteratur ist er nicht zwingend auf die Nutzung der Website der Antragsgegnerin angewiesen. Vielmehr stehen hierfür zahlreiche Alternativen zur Verfügung, die der Antragsteller nutzen kann. Es ist daher nicht ersichtlich, welche schweren, unzumutbaren und nachträglich nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile dem Antragsteller drohen sollten, wenn er zeitweilig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von etwaigen Zugriffen auf die Website der Antragsgegnerin keinen Gebrauch macht, was er vermutlich auch weiterhin machen würde, sollte er im Hauptsacheverfahren unterliegen. Zutreffend macht daher die Antragsgegnerin geltend, der Antragsteller habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Nutzung der Website der Antragsgegnerin für seine Berufsausübung oder sonstige Grundrechtsausübung notwendig sei. Dies gilt erst recht, wenn der Vortrag der Antragsgegnerin auf Seite 12 des Begründungsschriftsatzes zutreffen sollte, deren Richtigkeit der Antragsteller allerdings in Abrede stellt, bei Befolgung der erlassenen einstweiligen Anordnung müsse sie letztlich die Website in Gänze abschalten. Unter diesen Umständen könnte auch der Antragsteller diese nicht mehr nutzen, so dass er auch keine Vorteile aus dieser Website mehr ziehen könnte. In diesem Fall hätte er mit der erlassenen einstweiligen Anordnung nicht eine datenschutzrechtlich konforme Möglichkeit erlangt, auf die Website der Antragsgegnerin zuzugreifen, sondern hätte gar keine Möglichkeit mehr zu einem Zugriff.

Aufgrund dieser Überlegungen liegen im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen nicht vor, unter denen das Bundesverfassungsgericht angenommen hat, das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sei von Verfassungs wegen durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG indiziert. Dies ist nach dieser Rechtsprechung nämlich nur dann der Fall, wenn zum einen eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren angenommen werden kann, und bei Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes die Gefahr fortschreitender Rechtsvereitelung von Grundrechtspositionen besteht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. September 2009 – 1 BvR 1702/09 – juris, Rn. 24). Ohne dass Veranlassung besteht, den Grad der Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren näher zu prüfen, besteht hier eine solche Gefahr fortschreitender Rechtsvereitelung nicht. Die Antragsgegnerin erfasst, speichert oder verarbeitet im vorliegenden Fall keine persönlichen Daten des Antragstellers ohne dessen Zutun, sondern allenfalls, wenn dieser bewusst und gewollt auf ihre Website zugreift. Wie bereits ausgeführt ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller darauf angewiesen sein könnte, ohne schwerwiegende Nachteile zu erleiden, auch in Zukunft auf die Website der Antragsgegnerin zuzugreifen, so dass es ihm zuzumuten ist, hierauf zeitweilig zu verzichten.

Die Ausführungen des Antragstellers in seinem Beschwerdeerwiderungsschriftsatz vom 5. Januar 2022 zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes auf Seite 31 bis 35 des Schriftsatzes rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Antragsteller trägt auch hier nicht vor, aufgrund welcher Erwägungen er auf die Nutzung der Website der Antragsgegnerin und der hierin enthaltenen Informationen über deren Universitätsbibliothek zwingend angewiesen sein soll oder zumindest ihrer so dringend bedarf, dass für ihn bei zeitweiliger Nichtnutzung der Website erhebliche und nicht anderweitig zu behebende und nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden. Der Antragsteller macht vielmehr Ausführungen, die allenfalls einen Anordnungsanspruch zu begründen geeignet sind. Hieraus ergibt sich jedoch kein Anordnungsgrund, da dieser – wie oben bereits gesagt – eigene Voraussetzungen hat, die selbstständig darzulegen und zu prüfen sind.

So trägt er etwa vor, es sei daran zu erinnern, dass schon bei der Vorratsdatenspeicherung trotz der dort weniger sensiblen Datenarten der einstweilige Rechtsschutzantrag erfolgreich gewesen sei, und verweist insofern auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2008 mit dem Az. 1 BvR 256/08. In juris findet sich mit dem vom Antragsteller angegebene Aktenzeichen keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter dem von dem Antragsteller genannten Datum 4. April 2008, jedoch ein Beschluss vom 11. März 2008, den der Antragsteller vermutlich meint. Dort hat zwar das Bundesverfassungsgericht mehreren Verfassungsbeschwerden teilweise stattgegeben. Jedoch lag dem eine andere Fallgestaltung als vorliegend zu Grunde, da die Vorratsdatenspeicherung, die Gegenstand der dortigen Entscheidung gewesen ist, erfolgte, ohne dass die eigentlichen Inhaber der gespeicherten Daten hierauf Einfluss hatten. Gleiches gilt für die vom Antragsteller aufgeführte Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 -, NVwZ-RR 2018, 43, juris, Rn. 16). Antragstellerin dort war zudem ein IT-Unternehmen, das für rund 1.200 Geschäftskunden aus Deutschland und andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Internetdienstleistungen einschließlich Internetzugangsleistungen erbringt. Dieses Unternehmen war durch Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet worden, wogegen es sich gewandt hatte. Dieser Verpflichtung zur Datenspeicherung konnte sich die dortige Antragstellerin somit nicht auf anderem Wege entziehen. Im vorliegenden Fall kann der Antragsteller jedoch insofern auf die Erfassung und Speicherung seiner Daten Einfluss nehmen, als er den Zugriff auf die Website der Antragsgegnerin unterlässt. Ohne einen solchen Zugriff werden seine persönlichen Daten nicht erfasst und auch nicht weitergegeben. Dass ihm ein solches Unterlassen jedenfalls für den begrenzten Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht möglich oder auch nur unzumutbar wäre, hat er nicht glaubhaft gemacht.

Auch der Hinweis des Antragstellers darauf, im Hinblick auf die Drittlandsübermittlung und sonstige Verarbeitung sei eine unionrechtskonforme Auslegung von § 123 VwGO und Art. 19 Abs. 4 GG geboten, weil der EuGH in einer näher bezeichneten Entscheidung dahingehend erkannt habe, dass eine Datenschutz-Aufsichtsbehörde nach Art. 58 Datenschutzgrundverordnung unzulässige Drittlandsübermittlungen unterbinden müsse, wenn die Erfordernisse der Art. 45 und 46 Datenschutzgrundverordnung nicht anderweitig sichergestellt werden könnten, greift schon deswegen nicht durch, weil eine Aufsichtsbehörde im vorliegenden Fall nicht beteiligt ist, so dass auch etwaige Pflichten einer solchen Behörde hier nicht zum Tragen kommen können. Entgegen der Annahme des Antragstellers kann auch keine Rede davon sein, dass durch fragwürdige Auslegungen deutschen Rechts die Durchsetzung des Vorrangs europäischen Verordnungsrechts in unzulässiger Weise behindert werde. Diesem Aspekt kann nämlich im Hauptsacheverfahren hinreichend Rechnung getragen werden, ohne dass es insofern einer vorläufigen Regelung in einem Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes bedarf. Vorläufiger Rechtsschutz ist nur ausnahmsweise zu gewähren, wenn sonst ein irreparabler Rechtsverlust durch eine Hauptsacheentscheidung nicht mehr verhindert werden könnte, wie der Antragsteller selbst auf Seite 35, letzter Absatz, seines Schriftsatzes vom 5. Januar 2022 vorträgt. Dies ist jedoch hier deswegen nicht zu gewärtigen, weil nicht vorgetragen und ersichtlich ist, dass der Antragsteller notwendigerweise auf die Nutzung der Website der Antragsgegnerin angewiesen ist und hierauf auch nicht zeitweilig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verzichten könnte, ohne wesentliche Nachteile zu erleiden.

Auch der Hinweis des Antragstellers darauf, der Europäische Gerichtshof habe in einer näher bezeichneten Entscheidung dahingehend erkannt, dass es einem nationalen Verfassungsgericht aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts versagt sei, im einstweiligen Rechtsschutz jedenfalls bei anhängiger EuGH-Vorlage eine einstweilige nicht grundrechtskonforme Regelung zu treffen und den EuGH auch nur zeitweise zu präjudizieren, gebietet keine andere Entscheidung. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine den europarechtlichen Regelungen widersprechende Rechtslage, die vorläufig aufrechterhalten werden soll. Vielmehr ist im Streit, ob die Handlungsweise der Antragsgegnerin mit den Regelungen und Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung in Einklang stehen und ob und in welchem Umfang sich gegebenenfalls Abwehr- oder Unterlassungsansprüche des Antragstellers ergeben können. Von der auch nur zeitweilig erfolgenden „Aufrechterhaltung entgegenstehenden nationalen Rechts“ kann daher hier keine Rede sein.

Zu Unrecht wendet sich der Antragsteller auch gegen die Auffassung der Beigeladenen, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei nur eine summarische Prüfung angezeigt, so dass eine komplexe Rechtslage in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden könne. Diese Auffassung der Beigeladenen trifft vielmehr zu. Allein der Umfang der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und ihre Anlagen sowie die Vielzahl der infrage stehenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen sprechen deutlich gegen die Geeignetheit einer Klärung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Erneut sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um ein Sonderverfahren zur Sicherung der Rechte der Beteiligten handelt, und um kein abgekürztes Hauptsacheverfahren.

Schließlich ist auch der Hinweis des Antragstellers auf Seite 35 seines Schriftsatzes vom 5. Januar 2022, eine Regelung eines vorläufigen Zustandes sei nach § 123 Abs. 1 VwGO ausdrücklich auch schon vor Klageerhebung vorgesehen, nicht geeignet, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen. Diese Regelung bedeutet lediglich, dass das Verwaltungsgericht bereits dann eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder auch eine Regelungsanordnung nach Satz 2 der Vorschrift treffen kann, wenn ein Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig ist, so dass es an einer „Hauptsache“ im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO (noch) fehlt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die sonstigen spezifischen gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung unbeachtet gelassen werden könnten. Vielmehr kann eine einstweilige Anordnung nur unter den mit Absicht und zu Recht sehr enggefassten gesetzlichen Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO ergehen, die nach den obigen Ausführungen hier nicht erkennbar sind und sich insbesondere nicht aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben.

Auf die zulässigen Beschwerden ist daher der angefochtene Beschluss aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf die übrigen Einwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen bedarf. Dabei sind allerdings die Einstellungsentscheidung in Satz 1 des Tenors sowie die Streitwertfestsetzung im letzten Satz des Tenors hiervon auszunehmen. Die Anträge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses sind damit ebenfalls erledigt.

Über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge ist hier zu entscheiden (§ 161 Abs. 1 VwGO). Die Kosten fallen grundsätzlich nach § 154 Abs. 1 VwGO dem Antragsteller als unterliegendem Teil zur Last. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Einstellungsentscheidung hinsichtlich des von den (ursprünglichen) Beteiligten im Termin vor der Kammer des Verwaltungsgerichts für erledigt erklärten Teils des Verfahrens unanfechtbar ist und auch nicht angefochten worden ist. Von der Unanfechtbarkeit ist nach § 158 Abs. 2 VwGO auch die diesen Teil betreffende Kostenentscheidung umfasst. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die Kosten des erledigten Teils dem Antragsteller zur Last fielen und die Kosten des verbliebenen Teils, der zu seinen Gunsten entschieden worden ist, der Antragsgegnerin aufzuerlegen seien. Es hat daher unter Annahme einer kostenmäßigen Gleichwertigkeit beider Teile die Kosten des Verfahrens insgesamt gegeneinander aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass die Gerichtskosten jedem der Beteiligten zur Hälfte zur Last fallen (§ 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und beide Beteiligte ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Nach der Aufhebung der erlassenen einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller auch die hierauf entfallenden Gerichtskosten zu tragen. Gleiches gilt für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens, so dass ihm die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens beider Instanzen aufzuerlegen sind. Die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren müssen jedoch bei ihr verbleiben, weil insofern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die gegenseitige Aufhebung der Kosten aufrechtzuerhalten ist. Dem Antragsteller können daher von den außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren nur die Hälfte auferlegt werden, die sich auf den hier noch streitigen Teil des erstinstanzlichen Verfahrens bezogen haben. Hingegen hat er die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren in vollem Umfang zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind unter Anwendung von § 162 Abs. 3 VwGO ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen, zumal sich die Beigeladene durch Einlegung des Rechtsmittels und Stellung eines Antrags selbst in ein Kostenrisiko begeben hat (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG. Wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz ist der Auffangwert des § 52 Abs. 2 VwGO in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit um die Hälfte zu reduzieren. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren war nur noch ein ursprünglich vom Antragsteller verfolgter Antragsteil Beschwerdegegenstand, so dass nur vom einfachen Auffangwert des § 52 Abs. 2 VwGO auszugehen und dieser zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

VG Wiesbaden: Verwendung des Cookie-Consent-Tools Cookiebot verstößt gegen DSGVO - Rechtswidrige Übermittlung personenbezogener Daten in die USA

VG Wiesbaden
Beschluss vom 01.12.2021
6 L 738/21.WI


Das VG Wiesbaden hat entschieden, dass die Verwendung des Cookie-Consent-Tools Cookiebot gegen die DSGVO verstößt, da eine rechtswidrige Übermittlung personenbezogener Daten in die USA erfolgt.

Hochschule RheinMain darf auf ihrer Webseite nicht den Dienst „Cookiebot“ nutzen

Gegenstand des Eilverfahrens vor dem VG Wiesbaden ist das Begehren des Antragstellers, es der Hochschule RheinMain zu untersagen, auf ihrer Webseite www.hs-rm.de den Dienst „Cookiebot“ einzubinden. „Cookiebot“ ermöglicht es, die Einwilligung der Nutzer einer Webseite in die Cookie-Verwendung einzuholen. Der Dienst überwacht die eingesetzten Cookies und blockiert solche Cookies, für die eine Zustimmung nicht erteilt wurde.

Die 6. Kammer des VG Wiesbaden hat mit Beschluss vom 01.12.2021 dem Antrag stattgegeben und der Hochschule RheinMain im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Dienst „Cookiebot“ auf ihrer Website zum Zweck des Einholens von Einwilligungen in der Weise einzubinden, dass personenbezogene oder -beziehbare Daten des Antragstellers (einschließlich dessen IP-Adresse) an Server übermittelt werden, die von einem externen Unternehmen betrieben werden.

Die Hochschule sei verpflichtet, die Einbindung des Dienstes „Cookiebot“ auf ihrer Webseite zu beenden, da diese mit der rechtswidrigen Übermittlung personenbezogener Daten der Webseitennutzer und damit insbesondere des Antragstellers einhergehe.

Es lägen personenbezogene Daten vor. Aus einer Kombination eines den Webseiten-Besucher identifizierenden Keys, der im Browser des Nutzers gespeichert werde, und der übermittelten vollständigen IP-Adresse sei der Endnutzer eindeutig identifizierbar.

„Cookiebot“ verarbeite die vollständige IP-Adresse der Endnutzer auf Servern eines Unternehmens, dessen Unternehmenszentrale sich in den USA befinde. Hierdurch entstehe ein Drittland-Bezug, nämlich zu den USA, welcher im Hinblick auf die sog. Schrems II-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs so unzulässig sei. Die Nutzer der Webseite der Hochschule würden nicht um ihre Einwilligung für eine Datenübermittlung in die USA gebeten werden. Es fände auch keine Unterrichtung über die mit der Übermittlung verbundenen möglichen Risiken durch den sog. Cloud-Act statt. Eine solche Datenübermittlung sei auch nicht für das Betreiben der Webseite der Hochschule erforderlich.

Zwar übermittle nicht die Hochschule selbst die Daten in die USA. Sie sei aber dennoch die für die Datenübermittlung verantwortliche Stelle. Sie entscheide durch das Einbinden auf ihrer Webseite darüber, dass die Erhebung und Übermittlung durch den Dienst „Cookiebot“ erfolge. Sie entscheide auch mittelbar über den Zweck der Verarbeitung, da sie in Kenntnis der Zwecke, die der eingebundene Dienst angebe, sich für oder gegen die Verwendung entscheiden könne. Hiergegen spreche auch nicht, dass sie für nachfolgende Vorgänge, wie der Verwendung der Daten durch den Dienst, nicht mehr verantwortlich sei.

Gegen den Beschluss (Az.: 6 L 738/21.WI) kann die Antragsgegnerin binnen zwei Wochen Beschwerde erheben, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hätte.

Anhang:
Artikel 44 DS-GVO (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäische Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung)

Allgemeine Grundsätze der Datenübermittlung
Jedwede Übermittlung personenbezogener Daten, die bereits verarbeitet werden oder nach ihrer Übermittlung an ein Drittland oder eine internationale Organisation verarbeitet werden sollen, ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter die in diesem Kapitel niedergelegten Bedingungen einhalten und auch die sonstigen Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten werden; […]

Art. 48 DS-GVO – Nach dem Unionsrecht nicht zulässige Übermittlung oder Offenlegung
Jegliches Urteil eines Gerichts eines Drittlands und jegliche Entscheidung einer Verwaltungsbehörde eines Drittlands, mit denen von einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter die Übermittlung oder Offenlegung personenbezogener Daten verlangt wird, dürfen unbeschadet anderer Gründe für die Übermittlung gemäß diesem Kapitel jedenfalls nur dann anerkannt oder vollstreckbar werden, wenn sie auf eine in Kraft befindliche internationale Übereinkunft wie etwa ein Rechtshilfeabkommen zwischen dem ersuchenden Drittland und der Union oder einem Mitgliedstaat gestützt sind.

Art 49 DS-GVO – Ausnahmen für bestimmte Fälle
[1] Falls weder ein Angemessenheitsbeschluss nach Artikel 45 Absatz 3 vorliegt noch geeignete Garantien nach Artikel 46, einschließlich verbindlicher interner Datenschutzvorschriften, bestehen, ist eine Übermittlung oder eine Reihe von Übermittlungen personenbezogener Daten an ein Drittland oder an eine internationale Organisation nur unter einer der folgenden Bedingungen zulässig:

a) die betroffene Person hat in die vorgeschlagene Datenübermittlung ausdrücklich eingewilligt, nachdem sie über die für sie bestehenden möglichen Risiken derartiger Datenübermittlungen ohne Vorliegen ei
nes Angemessenheitsbeschlusses und ohne geeignete Garantien unterrichtet wurde, […]

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Aus den Entscheidungsgründen:

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TTDSG - Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien am 01.12.2021 in Kraft getreten

Das TTDSG - Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien ist am 01.12.2021 in Kraft getreten.

Siehe auch zum Thema:
Bundestag hat TTDSG - Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien verabschiedet

LG Frankfurt: Abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß durch Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne Einwilligung des Nutzers

LG Frankfurt
Urteil vom 19.10.2021
3-06 O 24/21


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß durch Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne vorherige rechtskonforme Einholung der Einwilligung des Nutzers vorliegt. Insofern liegt ein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m § 15 Abs. 3 TMG vor. Ein Website-Betreiber haftet dabei für etwaige Fehler seines Cookie-Banner-Dienstleisters. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.


LG Köln: Abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß durch Cookie-Banner wenn Nutzer durch weitere Nutzung der Website konkludent dem Setzen technisch nicht notwendiger Cookies zustimmt

LG Köln
Beschluss vom 13.04.2021
31 O 36/21


Das LG Köln hat entschieden, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Website-Betreiber einen Cookie-Banner verwendet, wonach der Nutzer durch weitere Nutzung der Website dem Setzen technisch nicht notwendiger Cookies zustimmt.

Die Entscheidung:

Tenor:

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird gemäß §§ 935 ff. ZPO, 1, 5 UKlaG in Verbindung mit §§ 307 Abs. 2 Nr. 1BGB, 15 Abs. 3 S. 1 TMG wegen der Dringlichkeit des Falles ohne vorherige mündliche Verhandlung angeordnet:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft jeweils bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Internet einen Datenschutzhinweis mit folgenden Informationen über Cookies zu veröffentlichen:

"Um unsere Website für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Ok. Datenschutzerklärung"

wie geschehen im Internet unter der URL: https://[...].de und nachstehend eingeblendet:

[...]

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Der Sachverhalt ergibt sich aus der Antragsschrift, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

II. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 UWG. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 1 UKlaG in Verbindung mit §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 15 Abs. 3 TMG. Der Antragsteller ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG aktiv legitimiert (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.2020 - I ZR 7/16, NJW 2020, 2540 Rn. 17). Die von ihm angegriffene Klausel ist mit § 307 Abs. 2 S. 2 BGB nicht vereinbar. Denn sie widerspricht dem wesentlichen Gedanken von § 15 Abs. 3 TMG. Nach letztgenannter Vorschrift darf der Diensteanbieter für Zwecke der Werbung, Marktforschung oder zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien Nutzungsprofile bei Verwendung von Pseudonymen erstellen, sofern der Nutzer nach einer Unterrichtung über sein Widerspruchsrecht dem nicht widerspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Vorschrift dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass der Diensteanbieter Cookies zur Erstellung von Nutzungsprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung nicht einsetzen darf, wenn die Einwilligung des Nutzers mittels eines voreingestellten Ankreuzkästchens eingeholt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss (BGH, Urt. v. 28.05.2020 - I ZR 7/16, NJW 2020, 2540 Rn. 52). Dem folgend widerspricht eine, wie hier verwendete, Klausel erst Recht § 15 Abs. 3 TMG, wenn mit der Weiternutzung der Internetseite konkludent in die Nutzung von Cookies eingewilligt werden soll (so auch Haberer, MMR 2020, 810 (813)).

III. Der Verfahrenswert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes richtet sich der Verfahrenswert in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen Allgemeinen Geschäftsbedingung, nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbotes einer Klausel (siehe nur BGH, Bes. v. 29.07.2015 - IV ZR 45/15).


BGH: Nachträgliche Erschöpfung des Markenrechts durch Zustimmung des Markeninhabers im Nachhinein

BGH
Urteil vom 25.03.2021
I ZR 37/20
myboshi
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 13 Abs. 1; Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 15
Abs. 1; MarkenG § 24 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass eine nachträgliche Erschöpfung des Markenrechts durch Zustimmung des Markeninhabers im Nachhinein erfolgen kann.

Leitsätze des BGH:

a) Ein Inverkehrbringen im Sinne von § 24 Abs. 1 MarkenG durch eine Veräußerung der mit der Marke versehenen Ware an einen Dritten, der die Ware bereits in Besitz hat, kommt in Betracht, wenn die veräußerte Ware bei dem Dritten gesondert von der übrigen mit der Marke versehenen Ware gelagert und entsprechend markiert wird.

b) Die spätere Veräußerung der mit der Marke versehenen Ware durch die Lizenznehmerin an den Dritten, nachdem dieser die Ware weiterveräußert hat, kann nachträglich zur Erschöpfung des Markenrechts führen, weil der Markeninhaber seine Zustimmung nicht nur im Voraus (als Einwilligung), sondern auch im Nachhinein (als Genehmigung) erteilen kann.

BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20 - OLG München - LG München I

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Bundestag hat TTDSG - Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien verabschiedet

Der Bundestag hat am 20.05.2021 das Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) verabschiedet. Die neuen Vorschriften treten am 01.12.2021 in Kraft.

Aus der Gesetzesbegründung:

"A. Problem und Ziel

Ziel des Gesetzentwurfes ist vor allem die erforderliche Anpassung der Datenschutzbestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und des Telemediengesetzes (TMG) an die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (DSGVO) und die rechtssichere Umsetzung der Regelung zum Schutz der Privatsphäre in Endeinrichtungen in der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation in der durch die Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung (ePrivacy-Richtlinie) in nationales Recht. Die DSGVO gilt seit dem 25. Mai 2018. Die Datenschutzbestimmungen des Telemediengesetzes (TMG, §§ 11 bis 15a.) werden durch die Bestimmungen der DSGVO verdrängt, soweit nicht Öffnungsklauseln der DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, eigene Regelungen zu treffen. Das gilt auch für die Datenschutzbestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG), soweit diese nicht die Bestimmungen der ePrivacy-Richtinie in deutsches Recht umsetzen. Denn die ePrivacy-Richtlinie gilt weiterhin und geht in ihrem Anwendungsbereich der DSGVO vor, sodass auch die Bestimmungen des TKG, die diese umsetzen, weiterhin gelten. Auch die Vorgaben der ePrivacy-Richtlinie knüpfen an die Bestimmungen der DSGVO an, insbesondere die Anforderungen der DSGVO an die Einwilligung in die Datenverarbeitung, was bei den nationalen Regelungen, die die ePrivacy-Richtlinie umsetzen, zu berücksichtigen ist.

Das Nebeneinander von DSGVO, TMG und TKG führt zu Rechtsunsicherheiten bei Verbrauchern, die Telemedien und Telekommunikationsdienste nutzen, bei Anbietern von diesen Diensten und bei den Aufsichtsbehörden. Der vorliegende Gesetzentwurf soll für Rechtsklarheit sorgen und einen wirksamen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre der Endnutzer gewährleisten. Im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre beim Speichern und Auslesen von Informationen auf Endeinrichtungen, insbesondere Cookies, sowie die Rechtsprechung des Europäischen Ge ichtshofes dazu erfolgt die Aufnahme einer Regelung zum Einwilligungserfordernis, die eng am Wortlaut der Vorgaben der ePrivacy-Richtlinie orientiert ist. Die Aufsicht über die Datenschutzbestimmungen des TKG bei der geschäftsmäßigen Erbringung von Telekommunikationsdiensten soll zukünftig umfassend, d. h. auch im Hinblick auf die Verhängung von Bußgeldern, durch den Bundesbeauftragten oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) als unabhängiger
Datenschutzaufsichtsbehörde erfolgen.

B. Lösung
Die Datenschutzbestimmungen des TMG und des TKG, einschließlich der Bestimmungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses, sollen an die DSGVO und die Richtlinie 2002/58/EG angepasst und in einem neuen Gesetz (Telekommunikation-Telemedien- Datenschutzgesetz – TTDSG) zusammengeführt werden. Dabei sollen zugleich die erforderlichen Anpassungen an die DSGVO erfolgen sowie Regelungen zu Endeinrichtungen und zur Datenschutzaufsicht getroffen werden.






OLG Köln: Einmalige unzulässige Zusendung von Werbung per E-Mail oder Fax begründet Dringlichkeit für einstweilige Verfügung

OLG Köln
Beschluss vom 12.04.2021
15 W 18/21


Das OLG Köln hat entschieden, dass auch die einmalige unzulässige Zusendung von Werbung per E-Mail oder Fax die Dringlichkeit für ein einstweilige Verfügung begründet.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die ihm übersandte Werbe-E-Mail vom 21.2.2021 aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu. Er hat glaubhaft gemacht, der Antragsgegnerin zur Übersendung der streitgegenständlichen E-Mail keine Einwilligung erteilt zu haben. Die Antragsgegnerin ist dem im Rahmen der Abmahnung durch Schreiben vom 16.2.2021 nicht entgegengetreten; im Hinblick auf diese außergerichtliche Anhörung der Antragsgegnerin, die inhaltlich mit dem nunmehr gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung übereinstimmt, war im Verfahren bisher auch keine weitere Beteiligung der Antragsgegnerin aus dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018 – 1 BvR 1783/17, AfP 2018, 508) geboten.

2. Abweichend von der Auffassung des Landgerichts bejaht der Senat auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Sinne von §§ 935, 940 ZPO. Denn auch wenn der Antragsteller nicht Mitbewerber der Antragsgegnerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist und ihm daher mangels eines Anspruchs aus §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG nicht unmittelbar zugutekommt, ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung hier geboten, weil andernfalls ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet wäre.

Das Gesetz nennt in § 940 ZPO als Beispiel für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes die Abwendung wesentlicher Nachteile und die Verhinderung drohender Gewalt, womit jedoch keine abschließende Regelung intendiert ist. Insofern kann hier die drohende, gegen den Antragsteller gerichtete unerlaubte Handlung in Form der Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in die Abwägung der gegenseitigen Interessen einbezogen werden, um so der Wahrung des Rechtsfriedens durch präventiven Rechtsschutz zu dienen (vgl. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Auflage, 2020, § 940 ZPO, Rn. 4). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller bisher nur eine einzige Werbe-E-Mail von der Antragsgegnerin sowie ein weiteres Werbe-Fax am 4.3.2021 erhalten hat und die von ihm erlittene Beeinträchtigung damit bisher verhältnismäßig geringfügig ausgefallen sein mag. Denn die von dieser Übersendung indizierte Gefahr künftiger Belästigungen, die auch nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt wurde, ist nicht als derart gering einzustufen, dass das Vorgehen des Antragstellers im Wege des Eilrechtsschutzes unverhältnismäßig wäre (vgl. KG, Urt. v. 20.6.2002 – 10 U 54/02, CR 2003, 291; OLG Köln, Beschl. v. 23.12.2004 – 6 W 127/04, juris).

Der Senat verkennt bei dieser Bewertung ausdrücklich nicht, dass es angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten keinen großen Aufwand darstellt, eine unverlangt übersandte E-Mail wieder zu löschen; gleiches dürfte auch hinsichtlich der Entsorgung eines unverlangt übersandten Werbe-Fax gelten. Diese rein auf die Frage des Beseitigungsaufwands fokussierende Betrachtung lässt jedoch außen vor, dass eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung für den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb des Antragstellers darin besteht, für die tägliche Sichtung der E-Mail- und Faxeingänge Sorge zu tragen, sein Personal zu entsprechender Tätigkeit anzuhalten und anzuleiten, das Risiko von Fehlern bei der Löschung/Entsorgung solcher Werbenachrichtung zu tragen und dass – im Falle der Übersendung unerwünschter Werbung per Fax – auch letztlich ein Aufwand an Sachmitteln zu Buche schlägt. Auf der anderen Seite ist dagegen keinerlei schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin ersichtlich, von einer einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses verschont zu werden und die Zeit bis zur Erlangung eines zumindest vorläufig vollsteckbaren Urteils im Hauptsacheverfahren dazu nutzen zu können, dem Antragsteller weiterhin Werbung ohne seine Einwilligung zu übersenden. Die Antragsgegnerin hat auf die Abmahnung des Antragstellers mit Schreiben vom 16.2.2021 nicht nur nicht reagiert, sondern ihm vielmehr in der Folgezeit noch eine weitere unverlangte Werbung in Form des Fax vom 4.3.2021 zugeschickt.


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OVG Saarland: Kein wirksamer Nachweis für Einwilligung in Telefonwerbung durch Opt-In per Internet-Gewinnspiel - zugleich bußgeldbewehrter DSGVO-Verstoß

OVG Saarland
Beschluss vom 17.03.2021
2 A 355/19


Das OVG Saarland hat entschieden, dass kein wirksamer Nachweis für die Einwilligung in Telefonwerbung durch Opt-In per Internet-Gewinnspiel geführt werden kann. Dies stellt zugleich einen bußgeldbewehrten DSGVO-Verstoß dar.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht von allein am Maßstab der Ergebnisfehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils zu beurteilenden ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ausgegangen werden.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Klägerin sei unrechtmäßig, weil keiner der Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO erfüllt sei, begegnet keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln. Mit Blick auf das sehr umfangreiche Zulassungsvorbringen der Klägerin in den Schriftsätzen vom 27.1.2020, 25.5.2020 und 13.8.2020 ist zunächst klarzustellen, dass Gegenstand der Anordnung der Beklagten ausschließlich die Wirksamkeit der über die Gewinnspielwebseite eingeholten Einwilligungserklärungen für telefonische Werbeansprachen, nicht aber für das Direktmarketing per E-Mail ist. Ebenfalls erwähnenswert ist der Umstand, dass das (Gesamt-)Vorbringen der Klägerin im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren nicht konsistent ist. Dem Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 DS-GVO zufolge stützt sich die Klägerin bei der Erhebung und Verwendung der Daten zum Telefonmarketing auf Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO, während sie im erstinstanzlichen und im Zulassungsverfahren maßgeblich Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zur Rechtfertigung ihres Vorgehens heranzieht. Weder die erst im Verlauf des Verwaltungsverfahrens vorgelegte „Online-Registrierung“ im Sinne des sog. Double-Opt-In-Verfahrens noch der kurz vor der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Vortrag der Klägerin, im Rahmen des Werbeanrufs werde zunächst abgefragt, ob der in der online erteilten Einwilligung eingetragene Name mit der angerufenen Person übereinstimme und erst dann werde das Interesse an Versicherungsleistungen abgefragt, sind geeignet, das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung durchgreifend in Frage zu stellen.

Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung ist die in Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO genannte Einwilligung oder eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO. Art. 7 DS-GVO bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung eine rechtwirksame Grundlage für eine rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass, soweit sich die Klägerin auf eine im sogenannten Double-Opt-In-Verfahren erlangte datenschutzrechtliche Einwilligung beruft, diese nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO genügt, weil der Klägerin im Fall der von ihr angerufenen Petenten nicht der Nachweis gelungen ist, dass die betroffenen Personen in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt haben (Art. 7 Abs. 1 DS-GVO). Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat (Art. 7 Abs. 1 DS-GVO). Damit muss schon nach allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung die datenverarbeitende Stelle den für sie günstigen Umstand der - ausnahmsweisen - Zulässigkeit einer Datenverarbeitung auf Grundlage einer Einwilligung nachweisen.2 Erweist sich die Einwilligung als unwirksam oder kann der Werbende das Vorliegen der Einwilligung nicht nachweisen, so ist die Verarbeitung der Daten auf dieser Grundlage rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin der erstinstanzlichen Entscheidung unter Verweis auf in der datenschutzrechtlichen Literatur vertretene Auffassungen nicht mit Erfolg entgegenhalten, bei dem Nachweis der Einwilligung handele es sich um keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtskonforme Einwilligung nach der DS-GVO. Bereits aus der Regelungssystematik der DS-GVO (Art. 7 Abs. 1, 4 Nr. 11 DS-GVO) folgt, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche den Umstand einer wirksamen Einwilligungserteilung - wie hier z.B. gegenüber der Beklagten als Aufsichtsbehörde - nachweisen muss. Dieser Nachweis ist durch eine entsprechende Dokumentation zu ermöglichen. Auf die von der Klägerin thematisierte Frage, ob der Nachweis der Einwilligung eine erbracht werden kann. Letzteres ist hier der Fall. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3 zu der Frage, unter welchen Umständen die im Zusammenhang mit der Veranstaltung eines Gewinnspiels im Internet erteilte Einwilligung in Telefonwerbung den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG genügt, sowie der maßgeblichen Bestimmungen der DS-GVO angenommen, dass der Klägerin der Nachweis vorliegend nicht gelungen ist. Die Klägerin kann den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg entgegenhalten, das Verwaltungsgericht vermische in unzulässiger Weise die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage und das Erfordernis des Opt-Ins aus § 7 UWG bzw. der diesem zugrunde liegenden ePrivacy-Richtline (2002/58/EG). Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, das Verwaltungsgericht übertrage - wie die Beklagte - die Anforderungen des BGH (aaO.) an die wettbewerbsrechtliche Einwilligung auf die datenschutzrechtliche Einwilligung. Die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage und die wettbewerbsrechtliche Anforderung einer Einwilligung nach § 7 UWG seien nicht zwingend zu verknüpfen. Sie meint, auch wenn der deutsche Gesetzgeber sich im Hinblick auf die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit in § 7 UWG für die Opt-In-Lösung entschieden habe, gelte das nicht zwingend für die datenschutzrechtliche Zulässigkeit. Dies überzeugt nicht. Die von dem BGH in der zitierten Entscheidung aufgestellten Anforderungen an den Nachweis einer wettbewerbsrechtlichen Einwilligung ergeben sich auch aus der Datenschutzgrundverordnung selbst. Darauf ist das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung eingegangen, indem es unter Darlegung der europarechtlichen Rechtsprechung und der Erwägungsgründe der DS-GVO festgestellt hat, dass diese in den Art. 6 Abs. 1a und 4 Nr. 11 DS-GVO selbst entsprechende (strenge) Anforderungen an eine Einwilligung und ihren Nachweis stellt. Auf die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts (Seite 13f. des Urteilabdrucks), denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Unabhängig davon leuchtet es aber auch nicht ein, weshalb die datenschutzrechtliche Beurteilung insofern von der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung abweichen sollte. Beide Materien zielen auf Missbrauchsschutz ab. Daher ist es auch unter dem Gesichtspunkt der materiellen Richtigkeitsgewähr geboten, beide Regelungsbereiche widerspruchsfrei anzuwenden. Die Klägerin kann sich daher in dem von ihr gewählten Verfahren zur Kontaktdatengenerierung nicht auf eine Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO für die Nutzung der erlangten Telefonnummern zu Werbeanrufen berufen.

Keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass für die von der Klägerin vorgenommene Datenverarbeitung zum Zweck der telefonischen Werbeansprache der Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO als Rechtsgrundlage wegen der Fortgeltung des Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), der ausdrücklich mitgliedstaatliche Regelungen erlaubt, nach denen Telefonwerbung ohne Einwilligung des betroffenen Teilnehmers nicht gestattet ist, nicht herangezogen werden kann. Bei dem § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, welcher der Umsetzung der Richtlinie 2002/58/EG dient, handelt es sich um eine solche Regelung. Bei Fehlen der nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderlichen Einwilligung ist der Klägerin daher verwehrt, auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO zurückzugreifen.

Selbst wenn man aber - wie die Klägerin meint - dennoch einen Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO im Falle einer - wie vorliegend - fehlenden Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich als möglich erachten würde, wäre ein berechtigtes Interesse der Klägerin vorliegend bereits aufgrund der wettbewerbswidrigen Verarbeitung zu verneinen. Die Klägerin meint, mit Artikel 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO habe der europäische Gesetzgeber sich für den Weg einer flexiblen Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Verantwortlichen und den Interessen des Betroffenen entschieden. Dies führe dazu, dass sich die Erfahrungswerte der bisherigen Praxis nur begrenzt auf die Regelungen in der DS-GVO übertragen ließen. Auch erfolge die Interessenabwägung in Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO nach einem anderen Maßstab, da nun auf andere Leitlinien zurückgegriffen werde. Durch Nennung der Direktwerbung stelle der europäische Gesetzgeber klar, dass die werbliche Datennutzung als besonders wichtiger Anwendungsfall eines berechtigten Interesses anzusehen sei. Die Datenverarbeitung sei nur noch dann ausgeschlossen, wenn die Interessen und Rechte des Betroffenen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen überwiegen würden. Eine gleichrangige Betroffenheit der betroffenen Personen genüge nicht mehr. Sie macht weiterhin geltend, das wettbewerbsrechtliche Ergebnis ziehe gerade nicht für sich alleine die datenschutzrechtliche Zu- bzw. Unzulässigkeit der Werbemaßnahmen nach sich, sondern stelle lediglich einen von mehreren Faktoren dar. Das überzeugt nicht. Die Klägerin verkennt, dass die Bewertungsmaßstäbe des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, welcher der Umsetzung der Richtlinie 2002/58/EG dient, auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zu berücksichtigen wären. Es ist zwar zutreffend, dass auch die Verarbeitung personenbezogener Daten für Direktwerbung ein berechtigtes Interesse nach dem Erwägungsgrund 47 DS-GVO darstellen kann. Aber auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ziele, die mit der Verarbeitung verfolgt werden, unionrechtskonform sein müssen. Daher gilt auch in diesem Zusammenhang die Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Geltung beanspruchen, mit der Folge, dass sich die Klägerin nicht auf ein „berechtigtes“ Interesse berufen kann. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch die Forderung, für die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO als Ausgangspunkt konkret gefasste Erlaubnistatbestände aus dem nationalen Recht heranzuziehen, um dem allgemeinen Erlaubnistatbestand Konturen zu verleihen und Rechtssicherheit herzustellen.4 Dennoch begründen die von der Klägerin im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände nicht den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

2. Die Berufung ist nicht wegen der von der Klägerin angenommenen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen, da sich die unterbreiteten tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Sinne einer Richtigkeitskontrolle eindeutig entscheiden lassen.

Die sich fallbezogen stellenden, insbesondere von der Klägerin hervorgehobenen Fragen, liegen nach Maßgabe des Zulassungsvorbringens weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht signifikant über dem Schwierigkeitsgrad durchschnittlicher verwaltungsgerichtlicher Streitverfahren. Soweit die Klägerin den Begründungsaufwand des Gerichts wegen unterschiedlicher Positionen von Obergerichten und zwischen Rechtsprechung und Literatur als schwierig und ungeklärt ansieht, stellt sich diese Problematik im vorliegenden Zulassungsverfahren aus den zuvor unter Nr. 1 dargelegten Gründen nicht. Soweit die Klägerin des Weiteren auf ihrer Meinung nach divergierende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer datenschutzrechtlichen Einwilligung verweist, begründet dieser Umstand ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten in diesem Sinn, weil die von der Klägerin genannten Entscheidungen des BGH5 noch auf Grundlage des alten Rechts ergangen sind und unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage keine Geltung mehr beanspruchen können. Im Ergebnis das gleiche gilt im Hinblick für die im Weiteren behauptete Diskrepanz in der Auslegung der streitgegenständlichen Anordnung durch die Beklagte selbst und durch das Verwaltungsgericht im Hinblick auf das Verfahren der Telefonverifizierung. Vorliegend geht es nur um das von der Klägerin vorgenommene streitgegenständliche Verfahren, welches sowohl von der Beklagten und auch vom Verwaltungsgericht bei der Bewertung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit zugrunde gelegt wurde. Welche anderen in Betracht kommenden Verifizierungsmaßnahmen als Nachweis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung geeignet sind, ist indessen nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass sich die streitige Anordnung auch auf einen ersten Anruf mit dem zum ersten Mal ein Opt-In - die Einwilligung - abgefragt werden soll, erstreckt. Die Beklagte hat dies im Zulassungsverfahren noch einmal wiederholt und dargelegt, dass sich der Bestätigungsanruf im konkreten Kontext nicht auf eine Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO stützen könne und auch Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO keine entsprechende Legitimation vermittele.6 Entgegen der Ansicht der Klägerin weist die Rechtssache daher keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf.

3. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinn, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.7 Auch hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes liegen die Voraussetzungen nicht vor. Nach Ansicht der Klägerin geht es insbesondere um die Rechtsfrage, ob auf die datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen die Wertungen des UWG anwendbar sind. Sie macht geltend, es gehe darum, ob bei Auslegung des Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DS-GVO eine nationale Norm wie § 7 UWG berücksichtigt werden dürfe, die zwar auf einer EU-Richtlinie basiere, aber dem Mitgliedsstaat einen Entscheidungsspielraum gebe. Diese Fragen lassen sich aber - wie zuvor unter Nr. 1 dargelegt - ohne weiteres aus den einschlägigen Bestimmungen und auf der Grundlage der Rechtsprechung bejahend beantworten.

Dasselbe gilt für die von der Klägerin ausdrücklich aufgeworfenen Rechtsfragen:

„Ist es mit dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vereinbar, die Opt-In-Lösung aus dem Wettbewerbsrecht, die in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt worden sei, so auf die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage der DS-GVO anzuwenden, dass faktisch außer einer Einwilligung keine anderen datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen in Frage kommen?

Muss die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für telefonische Direktwerbung zwingend immer eine Einwilligung sein, die sich an den wettbewerbsrechtlichen Maßstäben des § 7 UWG misst, oder kann die wettbewerbsrechtliche Einwilligung nach § 7 auch gesondert von der datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage eingeholt werden und die hierfür notwendige Datenverarbeitung auf eine andere Rechtsgrundlage, insbesondere im Einklang mit Erwägungsgrund 47 der DS-GVO auf berechtigte Interessen gem. Artikel 6 Abs. 1 Satz 1f DSGVO gestützt werden?

Ist die strenge Rechtsprechung des BGH zur wettbewerbsrechtlichen Einwilligung in telefonische Direktwerbung auf Basis des § 7 (Urteil vom 10.2.2011 - ICR 164/09) auf die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage (Einwilligung oder berechtigte Interessen) übertragbar, obwohl der BGH an die datenschutzrechtliche Einwilligung sehr viel geringere Anforderungen stellt und hierfür sogar ein Opt-Out statt einem Opt-In ausreichen lässt?“

oweit die Klägerin des Weiteren auf ihrer Meinung nach divergierende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer datenschutzrechtlichen Einwilligung verweist, verfängt diese Argumentation nicht, weil diese Entscheidungen8 noch auf Grundlage des alten Rechts ergangen sind, unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage keine Geltung mehr beanspruchen können und die dort aufgestellten Grundsätze mit Geltung der DS-GVO ab dem 25.5.2018 als obsolet betrachtet werden müssen. Einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf das nicht.



LG Köln: Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne Einwilligung des Nutzers ist ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß

LG Köln
Beschluss vom 29.10.2020
31 O 194/20


Das LG Köln hat entschieden, dass das Setzen technisch nicht notwendiger Cookies ohne Einwilligung des Nutzers ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Kammer hat von § 938 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht und den Tenor abweichend von dem gestellten Antrag formuliert. Die durch den Antragsteller in seinem Antrag gewählte Formulierung war nicht sachdienlich, weil die beanstandete Nutzung von Cookies ohne Einwilligung keine Werbung darstellt. Die gewählte Formulierung hält sich im Rahmen des gestellten Antrags, weil dieser ausweislich der Antragsbegründung und der in dem Antrag eingeblendeten Passage aus der Webseite des Antragstellers darauf gerichtet ist, dem Antragsteller das Setzen von Cookies zu untersagen, wenn keine aktive Einwilligung der Nutzer eingeholt wird, sondern deren Inaktivität als Einwilligung gewertet wird.

2. Der Verfügungsgrund wird vermutet, § 12 Abs. 2 UWG. Umstände, aufgrund derer die Vermutung erschüttert wäre, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen.

3. Der Verfügungsanspruch des nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugten Antragstellers folgt aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. 12 Abs. 1, 15 Abs. 3 TMG in richtlinienkonformer Auslegung der zuletzt genannten Vorschriften unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG. Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners sind diese Vorschriften, nicht hingegen die Datenschutzgrundverordnung anwendbar. Die Datenschutzgrundverordnung beansprucht gemäß ihres Artikels 95 gegenüber der RL 2002/58/EG keinen Vorrang und ermöglicht deswegen eine fortdauernde Anwendung auch der §§ 12, 15 TMG, bei denen es sich um Marktverhaltensregelungen handelt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 38. Aufl. 2020 Rn. 1.74d, UWG § 3a Rn. 1.74d, m.w.N.).

Durch Vorlage der im Tenor dieses Beschlusses eingeblendeten Screenshots hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner Cookies setzt, ohne eine aktive Einwilligung der betroffenen Nutzer einzuholen. Dies stellt im konkreten Fall einen Verstoß gegen §§ 12 Abs. 1, 15 Abs. 3 TMG dar, die insoweit richtlinienkonform unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG auszulegen sind (vgl. (Forgó/Helfrich/Schneider, Betr. Datenschutz, Teil XI. Kap. 2 RFID, Smartcards und Cookies, 3. Aufl. 2019, Rn. 59, m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 2020, 2540, Rn. 49 ff. d.A.).

Zwar ist § 15 Abs. 1, 3 TMG unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG dahingehend auszulegen, dass eine Einwilligung unter den dort in Satz 2 genannten Voraussetzungen nicht erforderlich ist (rein technische Speicherung bzw. Zugang, wenn der alleinige Zweck die Durchführung der Übertragung einer Nachricht in ein elektronisches Kommunikationsnetz ist oder wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit die Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann). Dass diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, ergibt sich jedoch aus dem im Tenor eingeblendeten Screenshot. Der Verweis auf die Nutzung von Cookies erfolgt dort nicht im Zusammenhang mit der Übertragung einer Nachricht; ebenso wenig steht er im Zusammenhang mit einem durch den Nutzer ausdrücklich angefragten Dienst, was beispielsweise bei einer angeforderten Wiedergabe von Video- oder Audioinhalten oder dem Aufruf einer Warenkorbfunktion der Fall wäre (vgl. Forgó/Helfrich/Schneider, Betr. Datenschutz, Teil XI. Kap. 2 RFID, Smartcards und Cookies, 3. Aufl. 2019, Rn. 61).
[...]
Streitwert: 10.000 Euro (§51 Abs. 4 GKG)


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