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Vorsicht Bewertung - Die Jameda-Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Ärzten und Unternehmen - Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann

In Ausgabe 9/16, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Vorsicht Bewertung - Die Jameda-Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Ärzten und Unternehmen".

Siehe auch zum Thema:

Ihr guter Ruf im Internet - Negative Bewertungen im Internet effektiv entfernen - schnelle Hilfe für betroffene Unternehmen

Volltext der Jameda-Entscheidung des BGH liegt vor - Haftung und erweiterte Prüfungspflichten für Betreiber von Bewertungsportalen

BGH: Jameda.de - Ärztebewertungsportal hat gesteigerte Pflichten und muss ggf Informationen und Unterlagen bei negativen Bewertungen vom Verfasser anfordern

Volltext der Jameda-Entscheidung des BGH liegt vor - Haftung und erweiterte Prüfungspflichten für Betreiber von Bewertungsportalen

BGH
Urteil vom 01.03.2016
VI ZR 34/15
BGB § 823; § 1004; TMG § 7; § 10; ZPO § 138
Jameda


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Jameda.de - Ärztebewertungsportal hat gesteigerte Pflichten und muss ggf Informationen und Unterlagen bei negativen Bewertungen vom Verfasser anfordern" über die Entscheidung berichtet.

Siehe auch zum Thema: Ihr guter Ruf im Internet - Negative Bewertungen im Internet effektiv entfernen - schnelle Hilfe für betroffene Unternehmen

Leitsätze des BGH:

a) Ein Hostprovider ist zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von den Rechtsverletzungen erlangt.

b) Ist der Hostprovider mit der Behauptung eines Betroffenen konfrontiert, ein von einem Nutzer eingestellter Beitrag verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, und ist die Beanstandung so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, so ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich.

c) Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers.

d) Der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand darf den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind.

BGH, Urteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Zweibrücken: Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung müssen nur gängige Suchmachinen auf streitgegenständliche Inhalte vom Abgemahnten geprüft werden - keine monatelange Überwachung

OLG Zweibrücken
Urteil 19.11.2015
4 U 120/14


Wer nach einer Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgibt, hat nach herrschender Ansicht auch dafür sorge zu tragen, dass die rechtswidrigen Inhalte auf Drittseiten entfernt werden (z.B. Google, Google-Bildersuche, Preisvergleichsseiten). Andernfalls drohen Vertragsstrafen bzw. bei einem gerichtlich titulieren Unterlassungsanspruch Ordnungsgelder. Wie weit die Pflicht zur Kontrolle von Drittseiten geht, ist umstritten und nicht abschließend geklärt. Zunächst müssen die Inhalte von Seiten entfernt werden, wo der Verletzer die Inhalte bewusst verbreitet hat. Das OLG Zweibrücken hat nun entschieden, dass nach Abgabe einer Unterlassungserklärung darüber hinaus nur gängige Suchmaschinen und Webseiten auf rechtswidrige Inhalte vom Abgemahnten geprüft und die Entfernung veranlasst werden müssen. Auch ist keine monatelange Überwachung und Recherche von Drittseiten erforderlich.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Richtig hat der Erstrichter festgestellt, dass der Erblasser aufgrund seiner Verpflichtung aus der Vertragsstrafenvereinbarung nicht nur alles zu unterlassen hatte, was zu einer Verletzung führen konnte, sondern auch alles zu tun hatte, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar war, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen, ihn also nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Handlungspflichten trafen und dass es den Beklagten obliegt, insoweit den Entlastungsbeweis zu führen (vgl. BGH Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13 -; BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 77/12 -).

2. Dieser Entlastungsbeweis ist entgegen der Auffassung des Landgerichts geführt.

a) Aufgrund der Aussage der Zeugin S…, einer Beschäftigten der Fa. b… steht fest, dass diese Firma die im Stadtbranchenbuch von K… enthaltene Anzeige, welche der Erblasser im Jahre 2006 bei der Fa. O… beauftragt hatte, die im Internet den Suchdienst „S… .com“ betrieb, im Mai 2011 aus eigenem Antrieb ergänzt hatte, indem sie die Anzeige um den „Geschäftsgegenstand … angereichert“ hatte. Diese Ergänzung enthielt die nunmehr von dem Kläger beanstandete Angabe „z... und a... h... K... e.V.“.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin R… , einer Mitarbeiterin der Fa. O… , welche lediglich in einem Schreiben vom 12. März 2012 an den Rechtsanwalt Dr. O… , einem Mitarbeiter des Klägers, geäußert hatte, dass die Anzeige im Jahre 2006 von dem Erblasser geschaltet worden sei und sich bei ihrer Zeugenvernehmung an die näheren Umständen des Schreibens nicht mehr erinnern konnte.

b) Zwar musste der Erblasser damit rechnen, dass Branchendienste seine Unternehmensbezeichnung mit der abgemahnten unrichtigen Bezeichnung in im Internet verfügbare Verzeichnisse aufnahmen. Dementsprechend war er aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der untersagten Bezeichnung durchzuführen und jedenfalls die Betreiber der gängigen Dienste zu veranlassen, diese oder ähnliche Angaben aus ihren Verzeichnissen zu entfernen (vgl. BGH, aaO).

c) Die Beklagten machen aber mit Recht geltend, dass eine unverzügliche Recherche des Erblassers nach Abgabe der Unterwerfungserklärung vom 4. Januar 2011 den nunmehr inkriminierten Wettbewerbsverstoß nicht verhindert hätte.

Wie sich aus der Aussage der Zeugin S… ergibt, wurde die beanstandete Bezeichnung erst im Mai 2011 durch die Fa. b… der Anzeige des Erblassers hinzugefügt. Hätte der Erblasser in nahem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Unterwerfungserklärung im Internet recherchiert, hätte er somit (noch) keinen rechtsverletzenden Eintrag gefunden. Dem Erblasser war nicht zumutbar, das Internet wochen- oder sogar monatelang zu überwachen, ob eine der Bezeichnungen, zu deren Unterlassung er sich verpflichtet hatte, im Zusammenhang mit der Nennung seines Sachverständigenbüros verwendet wurde.

Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der von der Fa. O… betriebenen Internetseite „B… .com“ um einen gängigen Suchdienst wie z. B. „G… .de“, „G…“ oder „1… .com“ (vgl. hierzu BGH aaO) handelt. Das behauptet noch nicht einmal der Kläger. Dem Erblasser war nicht zuzumuten, über die gängigen Suchdienste hinaus sämtliche Suchdienste im Internet ausfindig zu machen und zu kontrollieren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Jameda.de - Ärztebewertungsportal hat gesteigerte Pflichten und muss ggf Informationen und Unterlagen bei negativen Bewertungen vom Verfasser anfordern

BGH
Urteil vom 01.03.2016
VI ZR 34/15


Der BGH hat entschieden, dass der Betreiber eines Ärztebewertungsportals gesteigerte Pflichten zur Überprüfung der Bewertungen hat. Dieser muss bei einer gerügten negativen Bewertung ggf. auch Informationen und Unterlagen vom Verfasser anfordern, um die Richtigkeit der Bewertung zu überprüfen und an den Betroffenen weiterleiten. Vorliegend ging es um das Portal jameda.de .

Die Pressemitteilung des BGH:

"Bundesgerichtshof konkretisiert Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Dort können Interessierte Informationen über Ärzte aufrufen. Registrierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schulnoten orientierenden Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien, namentlich "Behandlung", "Aufklärung", "Vertrauensverhältnis", "genommene Zeit" und "Freundlichkeit". Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommentaren in einem Freitextfeld.

Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien vergebenen Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note "6" für "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis". Der Kläger bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat.

Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die beanstandete Bewertung ist keine eigene "Behauptung" der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr obliegende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergriffenen weiteren Prüfungsmaßnahmen ergänzend vorzutragen.

Vorinstanzen:

LG Köln - 28 O 516/13 – Entscheidung vom 09. Juli 2014;

OLG Köln - 15 U 141/14 Entscheidung vom 16. Dezember 2014

Karlsruhe, den 1. März 2016

§ 12 Abs. 1 TMG lautet:

Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2)…(3)…




BGH: Bei schwerer Rufbeeinträchtigung im Internet muss Verfasser die Löschung nicht nur auf der eigenen sondern auch auf fremden Webseiten veranlassen

BGH
Urteil vom 28.07.2015
VI ZR 340/14
GG Art. 1 Abs. 1; Art. 2 Abs. 1; Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1; 1004, Abs. 1 Satz 1


Der BGH entschieden, dass der Verfasser eines rechtswidrigen Beitrags bei schwerer Rufbeeinträchtigung im Internet die Löschung nicht nur auf der eigenen sondern auch auf fremden Webseiten veranlassen muss.

Leitsätze des BGH:

a) Zur Beseitigung eines Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung kann der Betroffene den Störer grundsätzlich nicht nur auf Berichtigung, sondern auch auf Löschung bzw. Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen in Anspruch nehmen.

b) Die Löschung bzw. das Hinwirken auf Löschung im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen kann im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs nur verlangt werden, wenn und soweit die beanstandeten Behauptungen nachweislich falsch sind und die begehrte Abhilfemaßnahme unter Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen, insbesondere der Schwere der Beeinträchtigung, zur Beseitigung des Störungszustands geeignet, erforderlich und dem Störer zumutbar ist.

c) Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt. Von der Norm erfasst wird sowohl der unmittelbare Störer, der durch sein Verhalten selbst die Beeinträchtigung adäquat verursacht hat, als auch der mittelbare Störer, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat.

BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: