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EuGH: Wird datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde mittelbar für Betroffenen tätig muss dieser gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidung haben

EuGH
Urteil vom 16.11.2023
C-333/22
Ligue des droits humains (Prüfung der Datenverarbeitung durch die Aufsichtsbehörde)


Der EuGH hat entschieden, dass dem Betroffenen ein gerichtlicher Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde zustehen muss, wenn die Datenschutzbehörde mittelbar die Rechte des Betroffenen wahrgenommen hat.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Verarbeitung personenbezogener Daten: Beschlüsse, die eine Aufsichtsbehörde im Rahmen der mittelbaren Ausübung von Rechten der betroffenen Person erlässt, sind rechtsverbindlich

Die Gründe und Beweise, auf die sie sich stützen, müssen gerichtlich überprüft werden können.

Ein Bürger beantragte zu beruflichen Zwecken bei der belgischen nationalen Sicherheitsbehörde die Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung. Das Dokument wurde ihm mit der Begründung verweigert, dass er an Demonstrationen teilgenommen habe. Unter Berufung auf sein Recht auf Auskunft über seine Daten wandte sich der Bürger an das Organ für die Kontrolle polizeilicher Informationen, das ihm mitteilte, dass ihm nur ein mittelbarer Auskunftsanspruch zustehe und es selbst die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner Daten prüfen werde. Im Einklang mit dem belgischen Recht beschränkte sich das Organ nach Abschluss der Prüfung jedoch darauf, dem Bürger zu antworten, dass die erforderlichen Prüfungen durch die Aufsichtsbehörde erfolgt seien. Der Bürger erhob daraufhin Klage vor dem Gericht des ersten Rechtszugs, das sich für sachlich unzuständig erklärte.

Die vom Betroffenen und der Ligue des droits humains angerufene Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) möchte vom Gerichtshof wissen, ob das Unionsrecht die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der von der Verarbeitung ihrer Daten betroffenen Person die Möglichkeit zu geben, den Beschluss der Aufsichtsbehörde anzufechten, wenn diese Behörde die Rechte dieser Person in Bezug auf die Datenverarbeitung ausübt.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die zuständige Aufsichtsbehörde dadurch, dass sie die betroffene Person über das Ergebnis der Prüfungen unterrichtet, einen rechtsverbindlichen Beschluss erlässt. Gegen diesen Beschluss muss ein Rechtsbehelf eingelegt werden können, damit der Betroffene die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch die Aufsichtsbehörde und die Entscheidung zugunsten bzw. gegen die Ausübung von Abhilfebefugnissen anfechten kann.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Aufsichtsbehörde nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, die betroffene Person „zumindest“ darüber zu unterrichten, „dass alle erforderlichen Prüfungen oder eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde erfolgt sind“, und diese „über ihr Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf“ zu informieren. Wenn die im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke dem nicht entgegenstehen, haben die Mitgliedstaaten jedoch vorzusehen, dass die Unterrichtung der betroffenen Person über diese Mindestangaben hinausgehen kann, damit die betroffene Person ihre Rechte verteidigen und entscheiden kann, ob sie das zuständige Gericht anruft.

Außerdem müssen die Mitgliedstaaten in den Fällen, in denen die der betroffenen Person übermittelten Informationen auf das strikte Minimum beschränkt wurden, dafür Sorge tragen, dass das zuständige Gericht bei der Prüfung der Stichhaltigkeit der Rechtfertigungsgründe für eine solche Beschränkung der Informationen die im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke (Sicherheit des Staates, Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten) und die Notwendigkeit, den Bürgern die Wahrung ihrer Verfahrensrechte zu gewährleisten, gegeneinander abwägen kann. Im Rahmen dieser gerichtlichen Kontrolle müssen die nationalen Vorschriften es dem Gericht ermöglichen, von den Gründen und Beweisen, auf die die Aufsichtsbehörde den Beschluss gestützt hat, aber auch von den daraus gezogenen Schlüssen Kenntnis zu nehmen.


Tenor der Entscheidung:

1. Art. 17 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. g, Art. 47 Abs. 1 und 2 und Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates sowie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass dass eine Person, wenn ihre Rechte in Anwendung von Art. 17 dieser Richtlinie über die zuständige Aufsichtsbehörde ausgeübt worden sind und diese Behörde sie über das Ergebnis der durchgeführten Prüfungen unterrichtet, über einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen den Beschluss dieser Behörde, das Überprüfungsverfahren abzuschließen, verfügen muss.

2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was geeignet wäre, die Gültigkeit von Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/680 zu berühren.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Kein immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Weiterleitung nicht anonymisierter Entscheidung an diverse Rechtsämter

LG Köln
Urteil vom 03.08.2021
5 O 84/21

Das LG Köln hat entschieden, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen der Weiterleitung einer nicht anonymisierten Entscheidung an diverse Rechtsämter besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klageantrag zu 1) ist zulässig, da keine verdeckte Teilklage vorliegt. Der Kläger begehrt ein angemessenes Schmerzensgeld für den Schaden, den er infolge der streitgegenständlichen Datenschutzverletzung erlitten haben will. Nur weil er außergerichtlich ein höheres Schmerzensgeld gefordert hat, kann nicht bereits von einer Teilklage ausgegangen werden.

Die Beklagte hat den Anspruch nicht dem Grunde nach anerkannt. Ein entsprechender Rechtsbindungswille der Beklagten geht aus dem Schreiben vom 05.06.2020 nicht hervor. Nur weil die Beklagte äußerte, eine Entschädigungsleistung sei denkbar, hat sie noch nicht anerkannt, dass eine Haftung dem Grunde nach besteht.

Ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld besteht nicht, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass ihm infolge der streitgegenständlichen Datenschutzverletzung ein immaterieller Schaden entstanden ist. Nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Die streitgegenständliche Übersendung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln an die Rechtsamtsleiterinnen und Rechtsamtsleiter anderer Kommunen stellt einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar. Die Beklagte durfte den Beschluss zur Information und zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung jedenfalls nicht unanonymisiert übersenden.

Allerdings reicht ein Verstoß alleine zur Anspruchsbegründung nicht aus, es muss auch ein Schaden eingetreten sein (Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 10). Der Schaden muss auf den Verstoß zurückzuführen sein, wobei eine Mitursächlichkeit genügt (Quaas, in: BeckOK DatenschutzR, 35. Ed. 1.11.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 26).

Vorliegend bestreitet die Beklagte in zulässiger Weise, dass die klägerseits behaupteten Beeinträchtigungen durch den streitgegenständlichen Verstoß verursacht wurden. In Bezug auf den vorgelegten Chat im Internet ist festzuhalten, dass aus diesem nicht hervorgeht, dass er sich auf den Kläger bezieht. Auch ist nicht ersichtlich, warum die Chatteilnehmer die Information der Beteiligung des Klägers am verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgerechnet über die Rechtsamtsleiterinnen und Rechtsamtsleiter erhalten haben sollen. Diesbezüglich hat die Beklagte dargelegt, dass insgesamt 24 Spielhallenbetreiber ein verwaltungsgerichtliches Verfahren angestrengt hätten. Es ist nicht auszuschließen, dass diese an den Beschluss gelangt sind und ihn verbreitet haben. Jedenfalls trägt die Klägerin keine Hinweise dafür vor, dass die streitgegenständliche Übersendung die einzige oder auch nur naheliegende Möglichkeit dafür war, dass weitere Personen Kenntnis von dem Beschluss erlangten.

Gleiches gilt für die hinterlassene Nachricht an der Windschutzscheibe. Der klägerische Vortrag lässt bereits offen, wer diese Nachricht hinterlassen hat.

Eine Beweislastumkehr oder eine Beweiserleichterung greift vorliegend zu Gunsten des Klägers nicht. Die Beweislast auch für diese Voraussetzung obliegt dem Anspruchsberechtigten, dies entspricht den allgemeinen deliktischen Voraussetzungen. Eine Beweislastumkehr ist der Norm ausdrücklich nur bezüglich des Gesichtspunkts des Verschuldens zu entnehmen (Quaas, in: BeckOK DatenschutzR, 36. Ed. 1.5.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 27). Dies ist auch interessengerecht, denn die Beklagte kann genauso wenig wie der Kläger wissen, wer noch Kenntnis von dem Beschluss des Verwaltungsgerichts hatte.

Nach alledem ist nicht ersichtlich, welchen immateriellen Schaden der Kläger dadurch erlitten haben soll, dass der Beschluss an 62 Rechtsamtsleiterinnen und Rechtsamtsleiter versandt wurde. Für den immateriellen Schadensersatz gelten dabei die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze, die Ermittlung obliegt dem Gericht nach § 287 ZPO (Quaas, in: BeckOK DatenschutzR, 32. Ed. 1.2.2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 31). Es können für die Bemessung die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DS-GVO herangezogen werden, z.B. die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung, die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die beabsichtigte abschreckende Wirkung nur durch für den Anspruchsverpflichtenden empfindliche Schmerzensgelder erreicht wird, insbesondere wenn eine Kommerzialisierung fehlt (LG Köln, ZD 2021, 47 Rn. 12). Vorliegend ist eine Beeinträchtigung des Klägers nicht ersichtlich, nachdem nicht feststeht, dass die von ihm behaupteten Vorfälle auf den streitgegenständlichen Verstoß zurückgeführt werden können. Da die Adressaten der streitgegenständlichen E-Mail selbst dienstlichen Verschwiegenheitspflichten obliegen, bleibt bereits unklar, ob der Beschluss auf diesem Wege weiteren Personen zur Kenntnis gelangt ist. Das Zuerkennen von Schmerzensgeld in einem derartigen Bagatellfall würde die Gefahr einer nahezu uferlosen Häufung der Geltendmachung von Ansprüchen bergen, was nicht Sinn und Zweck von Art. 82 DS-GVO entsprechen kann (vgl. LG Köln, ZD 2021, 47 Rn. 14). Zudem ist eine extensive Auslegung des Begriffs des immateriellen Schadens nicht geboten, weil nach Art. 83 DS-GVO die Möglichkeit besteht, Geldbußen in erheblichem Umfang zu verhängen (vgl. Franzen, in: EuArbRK, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 22).

Eine Vorlagepflicht an den EuGH besteht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bereits deshalb nicht, weil vorliegend nicht letztinstanzlich entschieden wird.

Die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


VG Karlsruhe: Dem Bundesverfassungsgericht ist es gestattet ausgewählte Journalisten vorab über den Inhalt einer Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

VG Karlsruhe
Beschluss vom 08.06.2020
3 K 2476/20


Das VG Karlsruhe hat entschieden, dass es dem Bundesverfassungsgericht gestattet ist, ausgewählte Journalisten vorab über den Inhalt einer Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Eilantrag der Alternative für Deutschland (AfD) gegen das Bundesverfassungsgericht erfolglos

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe einen Antrag der Alternative für Deutschland (AfD) auf Erlass einer einstweilen Anordnung abgelehnt. Mit ihrem Antrag wandte sich die AfD gegen die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, die Mitglieder der Justizpressekonferenz, eines privaten Vereins von Journalistinnen und Journalisten, bereits vor der Verkündung des Urteils in einem Organstreitverfahren, welche für den morgigen Dienstag um 10:00 Uhr angesetzt ist, über den Inhalt der Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag als unbegründet ab. Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz verbiete es dem Bundesverfassungsgericht nicht, einen ausgewählten Kreis an Journalistinnen und Journalisten bereits vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Verkündung oder sonstigen Bekanntmachung einer Entscheidung über deren Inhalt in Kenntnis zu setzen. Auf die Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts, die der von der AfD angegriffenen Praxis möglicherweise entgegenstehen könnte, könne sie sich nicht berufen. Denn hierbei handle es sich lediglich um Binnenrecht, welches der AfD keine Ansprüche verleihe. Auch sei sie nicht in den ihr als politische Partei zukommenden Rechten betroffen. Denn die beanstandete Praxis des Bundesverfassungsgerichts sehe, soweit erkennbar, eine Bekanntgabe lediglich gegenüber in der Justizpressekonferenz organisierten Journalistinnen und Journalisten vor, hingegen nicht gegenüber Angehörigen anderer politischer Parteien, mit denen sich die AfD im politischen Wettbewerb befinde. Schließlich vermöge sich die AfD weder auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der „für sie auftretenden natürlichen Personen“ zu berufen, noch könne sie eine mögliche Beeinträchtigung anderer Journalistinnen und Journalisten in der diesen gegenüber jeweils zu gewährleistenden Pressefreiheit geltend machen.

Der Beschluss (3 K 2476/20) ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof



OLG Frankfurt: Markenrechtliche Entscheidungen dürfen im Regelfall mit Wiedergabe von Marken ohne Anonymisierung unter Nennung der Registernummern veröffentlicht werden

OLG Frankfurt
Beschluss vom 19.09.2019
20 VA 21/17


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass markenrechtliche Entscheidungen im Regelfall mit Wiedergabe von Marken ohne Anonymisierung unter Nennung der Registernummern veröffentlicht werden dürfen

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Aufhebung einer angefochtenen Maßnahme der Justizverwaltung ist nach § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG dann auszusprechen, wenn die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

Die mit der angefochtenen Verfügung erfolgte Anordnung der Veröffentlichung des Urteils des ... Zivilsenats vom XX.XX.2017 in der Fassung des letzten Anonymisierungsstandes (vom XX.XX.2017, Bl. 76 ff. d. Behördenakte) ist nicht rechtswidrig.

Es besteht - was auch die Antragstellerin im Grundsatz nicht in Abrede stellt - eine Pflicht der Gerichte zur Veröffentlichung ihrer Entscheidungen. Aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt die Verpflichtung der Gerichtsverwaltungen, veröffentlichungswürdige Entscheidungen zu publizieren (BVerwG, Urteil vom 26.02.1997, Az. 6 C 3/96, BVerwGE 104, 105 ff., Rn. 24; BGH, Beschluss vom 05.04.2017, Az. IV AR (VZ) 2/16, Rn. 16; beide zitiert nach juris und m. w. N.). Diese Publikationspflicht hat ihre Grundlage zudem in dem leitenden Grundsatz des Prozessrechts, wonach gerichtliche Verhandlungen und Urteilsverkündungen öffentlich sind (§ 169, § 173 GVG), geht darüber aber hinaus (vgl. BGH, a. a. O.). Gerichtsentscheidungen unterliegen wie das Verfahren selbst nicht der Geheimhaltung, soweit nicht ausnahmsweise unabweisbare höhere Interessen die Unterrichtung der Allgemeinheit oder einzelner Personen verbieten (BGH, a. a. O., Rn. 15).

Die Gerichtsverwaltung hat im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Publikationspflichten zunächst zu prüfen, welche Entscheidungen veröffentlichungswürdig sind. Dabei ist die Auswahl vorrangig aus der Sicht des mit der Entscheidung befassten Richters bzw. Spruchkörpers zu treffen; diese „amtliche Auswahl“ hat die Gerichtsverwaltung um diejenigen Entscheidungen zu ergänzen, an deren Veröffentlichung ein erkennbares öffentliches Interesse besteht (BVerwG, a. a. O., Rn. 29).

Wenn demnach - wie vorliegend - ein Richter des mit der Entscheidung befassten Spruchkörpers der Gerichtsverwaltung eine Entscheidung als veröffentlichungswürdig mitteilt, ist diese Einschätzung für die Gerichtsverwaltung regelmäßig bindend, ohne dass diese noch eine weitere Prüfung der Veröffentlichungswürdigkeit vorzunehmen hätte.

Eine solche Mitteilung ist vorliegend erfolgt. Der Vorsitzende des ... Zivilsenats hat durch Übersendung an die Dokumentationsstelle als Referat der Präsidialabteilung des Oberlandesgerichts unter Beifügung eines ausgefüllten Erfassungsbogens eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er die Entscheidung für veröffentlichungswürdig und für die interessierten Kreise als rechtlich bedeutsam eingeordnet hat. Er hat in dem Erfassungsbogen zudem u. a. die für diese Einschätzung maßgeblichen in der Entscheidung behandelten Rechtsfragen in Form eines Leitsatzes mitgeteilt.

Er hat - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - diese Einschätzung gegenüber der Gerichtsverwaltung auch nicht später revidiert. In seiner E-Mail vom XX.XX.2017 hat der Vorsitzende des ... Zivilsenats zwar ausgeführt, das Urteil in seiner anonymisierten Form - vorgelegen hatte ihm zu diesem Zeitpunkt die „verschärft“ anonymisierte Fassung - sei zur Veröffentlichung nicht geeignet. Er hat dabei insbesondere auf die Ersetzung der verwendeten Zeichen bzw. der Begriffe, welche dieses bilden, durch Platzhalter abgestellt und ausgeführt, dass die Verwendung von „X Y“ und „X“ auch nicht ansatzweise geeignet sei, die entscheidungserhebliche Frage (die er - wie gesagt - auch in Form eines Leitsatzes mitgeteilt hatte) zu verdeutlichen.

Die Bitte, von einer Veröffentlichung abzusehen, bezog sich dabei zweifellos nur auf eine solche in der „verschärft“ anonymisierten Form. Denn der Vorsitzende des ... Zivilsenats ging ausweislich seiner genannten E-Mail davon aus, dass die Dokumentationsstelle bereits eine verbindliche Zusage gegenüber den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegeben habe, wonach eine „Veröffentlichung unter Nennung der genannten Zeichen nicht erfolgen“ werde. Dass der Vorsitzende des ... Zivilsenats die Angelegenheit, wie er weiter mitteilte, aus seiner Sicht damit für sich als erledigt angesehen hat, beruht offensichtlich auf der vorgenannten Prämisse.

Dass er die Entscheidung auch in dem nunmehr zur Veröffentlichung vorgesehenen geringeren Anonymisierungsumfang (Stand XX.XX.2017), der alle betroffenen Zeichen und Marken wiedergibt, entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung vom XX.XX.2017 nicht mehr als veröffentlichungswürdig ansehen würde, findet in der E-Mail vom XX.XX.2017 hingegen keinen Anhaltspunkt.

Die Gerichtsverwaltung konnte daher ohne weitere eigene Prüfung auch zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Verfügung von der Veröffentlichungswürdigkeit der ihr vorgelegten Entscheidung ausgehen.

Darüber hinaus teilt der Senat die Einschätzung der Gerichtsverwaltung, dass obergerichtliche Leitsatzentscheidungen unabhängig von einer weiteren ausdrücklichen Äußerung des jeweils erkennenden Gerichts grundsätzlich als veröffentlichungswürdig angesehen werden können.

An einer Veröffentlichungswürdigkeit ändert vorliegend auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin als Prozesspartei der Veröffentlichung widersprochen hat. Denn ein Verfahrensbeteiligter kann eine Veröffentlichung von Entscheidungen nicht grundsätzlich ausschließen, selbst wenn die Beteiligten trotz Anonymisierung der Öffentlichkeit oder einzelnen Dritten bekannt sein mögen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 15).

Auch auf etwa von den Prozessparteien geplante oder abgeschlossene diesbezügliche Vereinbarungen kann es nicht ankommen. Denn die den Zivilprozess beherrschende Dispositionsmaxime betrifft die Bestimmung des Streitstoffes und die Anhängigkeit des Verfahrens, nicht aber die Veröffentlichung von in diesen ergangenen Entscheidungen.

Für die Veröffentlichungswürdigkeit kann es dabei auch nicht von Bedeutung sein, ob die Entscheidung - wie mittlerweile vorliegend - rechtskräftig ist oder nicht. Ebenso kann der Veröffentlichungswürdigkeit nicht entgegenstehen, dass gegen die für die Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, was zudem den Eintritt der Rechtskraft nicht hemmt (vgl. Seibel in Zöller, a. a. O., § 705 ZPO, Rn. 1).

Gerade die Befassung eines im Rechtszug weiteren Gerichts bzw. des Bundesverfassungsgerichts begründet ein öffentliches Interesse an der angegriffenen Entscheidung, weil dort angesprochene Rechtsfragen Gegenstand eines Verfahrens vor einem höherrangigen Gericht werden.

Ist eine Entscheidung veröffentlichungswürdig, hat die Gerichtsverwaltung eine herausgabe- bzw. veröffentlichungsfähige Fassung davon zu erstellen; dabei hat regelmäßig eine Anonymisierung und Neutralisierung zu erfolgen (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 30 f.).

Nach Auffassung des Senats ist es bei der Veröffentlichung von Entscheidungen in markenrechtlichen Streitigkeiten allerdings grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Abbildungen und Nennung von Marken und geschäftlichen Zeichen ebenso wie Registernummer der Marken nicht anonymisiert und neutralisiert werden. Denn insoweit ist auch darauf abzustellen, ob eine solche Unkenntlichmachung sachlich überhaupt geboten ist (vgl. Greger in Zöller, a. a. O., § 299 ZPO, Rn. 5).

Zwar wird durch Nennung der Marke die Prozesspartei als deren Inhaber jedenfalls nach einer Recherche in dem jeweiligen Markenregister identifizierbar.

Einer Nutzung von Marken und Zeichen im geschäftlichen Verkehr ist aber deren Publizität immanent. Die Nutzung einer Marke beruht gerade darauf, dass diese öffentlich verwendet wird und dem Inhaber zuordnet werden kann. Marken dienen nämlich gerade dazu, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen im Geschäftsverkehr zu unterscheiden (vgl. Weiler in Kur / v. Bomhard / Albrecht, BeckOK Markenrecht, 18. Edition, § 1 MarkenG Rn. 6).

Nach § 4 Nr. 1 MarkenG entsteht nationaler Markenschutz vorrangig durch Eintragung eines Zeichens als Marke in das von dem Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register.

In dem öffentlichen Register, das in Form einer elektronischen Datenbank geführt wird (§ 24 Abs. 2 MarkenV), die von jedermann (§ 62 Abs. 5 MarkenG) über das Internet eingesehen werden kann, werden neben Registernummer (§ 25 Nr. 1 MarkenV) und Darstellung der Marke (§ 25 Nr. 3 MarkenV) eine Vielzahl weiterer Angaben, darunter auch der Name, gegebenenfalls die Rechtsform und der Wohnsitz oder Sitz des Inhabers der Marke (§ 25 Nr. 15 MarkenV) eingetragen. Das Register nimmt dadurch in Bezug auf die jeweilige eingetragene Marke eine Publizitätsfunktion über alle markenrechtlich relevanten Tatsachen wahr (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2005, Az. I ZR 188/02, BGHZ 164, 139 ff, zitiert nach juris Rn. 26).

In gleicher Weise führt die EUIPO eine öffentlich über das Internet recherchierbare Datenbank der von ihr registrierten Marken (Art. 87 Verordnung (EG) Nr. 207/2009; Art. 111 Verordnung (EU) 2017/1001)

Sind die sich aus der Anmeldung oder Eintragung einer Marke ergebenden Rechte Gegenstand eines Rechtsstreits, so findet die Veröffentlichung der dort ergehenden Entscheidungen neben den eingangs genannten Grundlagen der Öffentlichkeit von Verhandlung und Urteilsverkündung gemäß § 169 und § 173 GVG eine weitere Grundlage auch in der durch die vorgehend dargestellten markenrechtlichen Vorschriften begründeten Publizitätswirkung der betroffenen Marken.

Gerichtliche Entscheidungen, die Feststellungen zur Kollision einer angemeldeten oder eingetragenen Marke (§ 9 Abs. 1, § 14 Abs. 2 MarkenG) mit anderen Marken, Zeichen, Angaben usw. treffen, sind nicht nur im Hinblick auf die Klärung abstrakter Rechtsfragen für die Öffentlichkeit von Interesse, sondern gerade auch im Hinblick auf den Schutzumfang, den die konkrete - wie gesagt notwendigerweise öffentlich gemachte - Marke beanspruchen kann. An derartigen gerichtlichen Entscheidungen setzt sich nach Auffassung des Senats die Publizität der Marke wie auch der im Markenregister veröffentlichten Daten fort. Der Markeninhaber als Beteiligter des Rechtsstreits hat die Wiedergabe der Marke bei einer Veröffentlichung der Entscheidung durch das Gericht einschließlich weiterer Informationen, welche diese im Markenregister identifizierbar machen, daher in aller Regel hinzunehmen. Ein Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt im Hinblick auf die Offenbarung seiner Stellung als Inhaber der betroffenen Marke schon gar nicht vor, da diese Information - wie gesagt - ohnehin öffentlich ist. Es hat im Hinblick auf die sich daraus zwangsläufig mittelbar ergebende Information, dass er Partei des markenrechtlichen Prozesses ist, wegen der genannten grundlegenden rechtlichen Folgen der Stellung als Inhaber einer Marke im Grundsatz zurückzutreten, zumal auch diese Information wegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes der §§ 169, 173 GVG ebenfalls bereits öffentlich geworden ist.

In Übereinstimmung damit entspricht es - worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat - auch gängiger Praxis u. a. des Bundesgerichtshofs, markenrechtliche Entscheidungen unter vollständiger Angabe bzw. Abbildung der betroffenen Marken und Registernummer zu veröffentlichen, wobei die Marke bzw. deren wesentlicher kennzeichnender Bestandteil in der Regel sogar als Entscheidungsname angegeben wird (vgl. z. B. zuletzt BGH, Urteile vom 25.07.2019, Az. I ZR 29/18 [Ortlieb II]; vom 07.03.2019, Az. I ZR 195/17 [SAM]; Beschluss vom 14.02.2019, Az. I ZB 34/17 [Kneipp]; Urteil vom 17.10.2018, Az. I ZR 136/17 [Tork], jeweils zitiert nach der Veröffentlichung bei juris).

Einer Veröffentlichung unter Nennung der vollständigen klagegegenständlichen Wortmarken der Antragstellerin unter Angabe der Registernummer und Abbildung der gegnerischen Zeichen steht vorliegend auch nicht eine Selbstbindung der Gerichtsverwaltung aus Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG in Form der von dem Antragsgegner vorgelegten „Empfehlungen zur Anonymisierung und Neutralisierung von Gerichtsentscheidungen“ oder der bisherigen Veröffentlichungspraxis der Gerichtsverwaltung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Bezug auf markenrechtliche Entscheidungen entgegen. Eine Verpflichtung des Antragsgegners trotz der dargestellten grundsätzlichen Zulässigkeit der Veröffentlichung von markenrechtlichen Entscheidungen unter vollständiger Nennung der Marken und Angabe der Registernummern, ein solche vorliegend zu unterlassen, ergibt sich aus diesem Gesichtspunkt nicht.

Die genannten „Empfehlungen zur Anonymisierung und Neutralisierung von Gerichtsentscheidungen“ treffen unabhängig davon, welche Rechtsqualität diesen zukommt und in welchem Umfang diese Bindungswirkung für die Entscheidung der Gerichtsverwaltung entfalten können, schon inhaltlich keine unmittelbare Aussage zur Anonymisierung markenrechtlicher Entscheidungen. Die Empfehlungen sehen zudem die Entscheidung über die Anonymisierung personenbezogener Daten jedenfalls im Zweifelsfall bei den Richtern, welche die Entscheidung getroffen haben. Sie stellen im Hinblick auf den Umfang der Anonymisierung auch ab auf die Verständlichkeit der Entscheidung für die interessierte Öffentlichkeit im Einzelfall. Im Zweifelsfall soll die Gerichtsverwaltung nach diesen Empfehlungen daher gehalten sein, der Einschätzung des jeweiligen Spruchkörpers zu folgen. So ist die Gerichtsverwaltung vorliegend verfahren, indem sie auf die bereits dargestellten Bedenken des Vorsitzenden des ... Zivilsenats an einer Veröffentlichung in der von der Verwaltung vorgeschlagenen „verschärft“ anonymisierten Fassung die nunmehr zur Veröffentlichung vorgesehene Fassung der Entscheidung erstellt hat.

Auch ergibt sich aus der früheren Praxis der Veröffentlichung von markenrechtlichen Entscheidungen durch die Verwaltung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main keine Selbstbindung dahingehend, dass eine Nennung der betroffenen Marken und ihrer Registernummern nicht erfolgen dürfe. Zwar trifft - wie eine Recherche des Berichterstatters des Senats in der Landesrechtssprechungsdatenbank ergeben hat - der Einwand der Antragstellerin zu, dass der Umfang der Anonymisierung markenrechtlicher Entscheidungen durch die Verwaltung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners - auch unter Berücksichtigung technischer Änderungen an der LaReDa eine einheitliche Praxis nicht erkennen lässt. Es lässt sich vielmehr auf eine den Einzelfall berücksichtigende Praxis schließen, aus der sich aber eine Selbstbindung nicht ableiten lässt (vgl. Kischel in Epping / Hillgruber BeckOK GG, Art. 3, Rn. 114).

So sind in den in der LaReDa (https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/search) veröffentlichten Fassungen der von der Antragstellerin angeführten Urteile des ... Zivilsenats vom … (Az. 6) und vom … (Az. 7) zwar weder die jeweiligen Marken wiedergegeben noch deren Registernummer angegeben. Es sind auch keine anderen Informationen zu den Marken in der veröffentlichten Fassung enthalten, die deren Identifikation oder deren Inhaberin in der entsprechenden Datenbank ermöglichen würden. Auch die angegriffene Verletzungsform ist vollständig neutralisiert.

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für das Verständnis beider genannter Entscheidungen nicht auf den Wortlaut der jeweiligen Marken ankommt. In der Entscheidung zu Az. 6 geht es um die Frage, ob die Nutzung eines mit einer Wortmarke identischen Schlüsselwortes bei einem Referenzierungsdienst wie Google zum Zwecke der Werbung für solche Artikel zulässig ist, die denen entsprechen, welche die Markeninhaberin vertreibt. In derjenigen im Verfahren Az. 7 kam es entscheidungserheblich auf die Frage an, unter welchen Voraussetzungen eine generische Top-Level-Domain (gTLD), deren Bestandteil eine Unionsmarke ist, eine Verletzung dieser Unionsmarke darstellt. Auf den jeweiligen Wortlaut der Marke kommt es für beide genannten Fragestellungen nicht an, während es sich vorliegend, wie der Vorsitzende des ... Zivilsenats in seiner genannten E-Mail für den Senat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, gerade anders verhält.

Die in der LaReDa veröffentlichte Fassung der weiteren - zeitlich zudem späteren - von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des ... Zivilsenats (Urteil vom …, Az. 8) ist zwar dahingehend anonymisiert, dass die Klagemarken neutralisiert sind, so eine Unionswortmarke als „A!“, wobei aber die Registernummer angegeben ist. Diese Form der Anonymisierung stellt im Ergebnis keinen weitergehenden Schutz der Identität der Markeninhaberin dar. Denn die betroffene Marke „JOOP!“ lässt sich - wie dies offensichtlich auch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durchgeführt haben - durch eine Abfrage des Markenregisters zur Registernummer einschließlich der Identität der Markeninhaberin ohne Weiteres ermitteln. So ist in der Veröffentlichung der Entscheidung bei juris auch anstelle des in der LaReDa verwendeten Platzhalters „A!“ die Wortmarke „JOOP!“ im vollen Wortlaut angegeben.

Ähnliches gilt z. B. auch für die in LaReDa veröffentlichte Fassung des Urteils vom … (Az. 9), bei der die Klagemarke im Wortlaut mit Anmeldedatum unter Unkenntlichmachung der Registernummer angeben ist. Über den Wortlaut der Marke und das Anmelddatum lässt sich diese aber im Markenregister ebenfalls ohne Weiteres auffinden.

Demnach war die Gerichtsverwaltung vorliegend im Grundsatz nicht gehalten, die ihr zur Veröffentlichung vorgelegte markenrechtliche Ansprüche betreffende Entscheidung über den sich aus der Fassung vom XX.XX.2017 ergebenden Stand durch Unkenntlichmachung der Marken und der Registernummern der Antragstellerin weitergehend zu anonymisieren.

Im Ausnahmefall kann allerdings, wenn überwiegende Rechte der Parteien durch die Weitergabe einer Entscheidungsabschrift trotz Anonymisierung verletzt sein können, dem durch eine Unkenntlichmachung von Urteilspassagen über den üblichen Umfang der Anonymisierung hinaus oder im äußersten Fall durch einen Ausschluss der Veröffentlichung Rechnung getragen werden (BGH a. a. O., Rn. 18). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - aber nicht vor.

Der Grad der „üblichen“ Anonymisierung hängt dabei nach Auffassung des Senats maßgeblich von der Art und Gegenstand des Verfahrens ab, in welchem die Entscheidung ergangen ist. Im Zivilprozess wird in der Regel die Entfernung des Rubrums und der Ersatz von Personennamen durch deren Identifikation ausschließende Platzhalter genügen, so dass Anlass zu einer darüber hinausgehenden Anonymisierung und Neutralisierung oder gar der Prüfung eines möglichen Absehens von einer Veröffentlichung in den meisten Fällen nicht bestehen wird.

Bei Entscheidungen, die in Verfahren ergangen sind, für welche der Öffentlichkeitsgrundsatz der §§ 169, 173 GVG nicht gilt, z. B. im Insolvenzverfahren, können allerdings erhöhte Anforderungen an die Unkenntlichmachung von Personendaten bestehen und es kann bereits unter vergleichsweise geringeren Anforderungen ein gänzliches Absehen von einer Veröffentlichung einer Entscheidung angezeigt sein (vgl. zur Veröffentlichung von Entscheidungen betreffend die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters: Senat, Beschluss vom 13.12.2018, Az. 20 VA 16/17, zitiert nach juris).

Für markenrechtliche Verfahren gilt wegen der dargestellten Publizitätswirkung von Marken gerade Gegenteiliges. Denn Marken als Streitgegenstand sind - wie oben ausführlich begründet - in der Zuordnung zu dem jeweiligen Inhaber einschließlich dessen Identität öffentlich.

Jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - der Sinngehalt einer markenrechtlichen Entscheidung ohne Nennung bzw. Abbildung der betroffenen Marken und Zeichen nicht verständlich wird, ist deren Veröffentlichung in einer Form, in der diese unkenntlich gemacht werden, von der Gerichtsverwaltung nur dann in Betracht zu ziehen, wenn besonders schwerwiegende Rechtsbeeinträchtigungen möglich erscheinen.

Eine Ermessenentscheidung, in welcher die Gerichtsverwaltung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und möglicherweise eintretende schwerwiegende Rechtsbeeinträchtigungen durch die Veröffentlichung anderseits gegeneinander abzuwägen und zu entscheiden hat, ob eine weitergehende Anonymisierung zu erfolgen hat oder von einer Veröffentlichung gänzlich abzusehen ist, muss erst dann erfolgen, wenn solche Rechtsbeeinträchtigungen möglich erscheinen.

Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Soweit die Antragstellerin sich in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht beeinträchtigt sieht, begründet sie dies zuletzt im Wesentlichen damit, dass die zur Veröffentlichung stehende Entscheidung rechtsfehlerhaft ergangen sei und in dieser unwahre Feststellungen getroffen seien, die die Wertschätzung der Antragstellerin in der Öffentlichkeit und im Kreis ihrer Kunden herabzuwürdigen geeignet seien. Sie befürchtet dadurch auch Nachteile in weiteren von ihr geführten markenrechtlichen Gerichtsverfahren. Sie rügt dabei sowohl Fehler in der Anwendung materiellen Rechts als auch schwere Verfahrensfehler, insbesondere durch Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, sowie eine unterlassene Vorlage nach Art. 267 AEUV.

Die Veröffentlichung einer Entscheidung kann nicht davon abhängen, ob diese nach Auffassung einer Partei oder auch tatsächlich rechtsfehlerfrei ergangen ist oder nicht. Eine Überprüfung der Entscheidungen der Rechtsprechung auf rechtliche Fehlerfreiheit durch die Justizverwaltung, die diese veröffentlicht, ist schon aus Gründen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) ausgeschlossen. Eine gerichtliche Entscheidung kann - worauf der Antragsgegner zutreffend abstellt -allein mit dem dafür in der jeweiligen Verfahrensordnung vorgesehenen Rechtsmittel einer - wiederum - gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben, kann der - hier gegen die zur Veröffentlichung stehende Entscheidung - vorgebrachte Einwand der Verletzung des Anspruchs rechtlichen Gehörs zunächst bei dem erkennenden Gericht (§ 321a ZPO) und schließlich - wie vorliegend erfolgt - mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.

Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen hat auch eine Kontroll- und Kritikfunktion, die - wie gesagt - ihre Grundlage im Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG findet; alle staatliche Gewalt muss sich öffentlicher Kritik und Kontrolle stellen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.12.2018, Az. 20 VA 16/17, zitiert nach juris Rn. 95). Eine Veröffentlichung nur von solchen Entscheidungen, welche - auch nur anlassbezogen - eine „Richtigkeitsprüfung“ seitens der Gerichtsverwaltung durchlaufen haben, würde diesem Zweck zuwiderlaufen ebenso wie eine Veröffentlichung nur abschließend unanfechtbarer Entscheidungen.

Auch ist der Entscheidung ein die Geltung der Antragstellerin als Unternehmen herabwürdigender Inhalt nicht zu entnehmen, so dass dahinstehen kann, welche Maßnahmen die Gerichtsverwaltung im Falle des Vorliegens eines solchen Inhaltes zu treffen hätte. Bei der Feststellung in dem Urteil, es habe „Bösgläubigkeit“ der Antragstellerin bei Anmeldung der Gemeinschaftsmarke vorgelegen, handelt es sich um eine rechtliche Bewertung im Hinblick darauf, ob die Antragstellerin gegen die Beklagte des Zivilprozesses Ansprüche aus jener Marke geltend machen konnte, was der ... Zivilsenat verneint hat.

Dass diese Würdigung, deren Überprüfung auf rechtliche Richtigkeit - wie gesagt . nicht der Gerichtsverwaltung und auch nicht dem Senat obliegt, der seinerseits die Entscheidung der Gerichtsverwaltung auf deren Rechtmäßigkeit prüft, tatsächlich geeignet wäre, die Wertschätzung der Kunden der Antragstellerin schwerwiegend negativ zu beeinflussen, ist zudem nicht ersichtlich. Dass die Kunden der Antragstellerin - diese stellt Bekleidungsstücke her - ihr Kaufverhalten an dem Inhalt von Gerichtsentscheidungen ausrichten würden, welche im Rahmen von Streitigkeiten betreffend die von dieser angemeldeten Marken ergehen, liegt nach Auffassung des Senats fern.

Soweit die Antragstellerin auf negative Auswirkungen in weiteren markenrechtlichen Gerichtsverfahren abstellen will, haben die Feststellungen in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung keine Bindungswirkung für weitere Verfahren wegen anderer Streitgegenstände (vgl. § 322 Abs. 1 ZPO).

Auch steht das Vorbringen der Antragstellerin, aus Folgenbeseitigungsgesichtspunkten sei von einer Veröffentlichung der Entscheidung abzusehen, einer solchen nicht entgegen. Auch wenn - was unterstellt werden kann - das Landgericht Stadt1 durch gerichtliche Entscheidung einem Dritten rechtswidrig Akteneinsicht in die Akten eines markenrechtlichen Zivilprozesses unter Beteiligung der Antragstellerin bewilligt haben sollte, steht dies einer Veröffentlichung der vorliegend verfahrensgegenständlichen Entscheidung nicht entgegen. Denn zum einen ist die Rechtswidrigkeit jener Verfügung durch eine gerichtliche Entscheidung nicht festgestellt. Die Antragstellerin hat auch nicht vorgebracht, dass sie dagegen einen Rechtbehelf eingelegt hätte. Insoweit unterliegt aber die Rechtmäßigkeit der von einem Landgericht - nach dem Vorbringen der Antragstellerin in Form eines Rechtsprechungsaktes - getroffenen Entscheidung über die Akteneinsicht nicht der Kontrolle durch die Gerichtsverwaltung des Oberlandesgerichts.

Zudem geht der Anspruch auf Folgenbeseitigung aus Art. 34 GG auf Wiederherstellung des vor der Rechtsbeeinträchtigung bestehenden oder eines diesem gleichwertigen Zustandes (vgl. Papier in Maunz / Dürig, GG, 87. El., Art. 34 GG, Rn. 34). Die Folgen einer unrechtmäßigen Handlung einer öffentlichen Stelle können aber nicht dadurch beseitigt werden, dass eine andere öffentliche Stelle eine Maßnahme, zu der sie an sich verpflichtet ist, unterlässt. Zudem ist der Folgenbeseitigungsanspruch seinerseits gerichtlich geltend zu machen und kann nicht inzident in dem vorliegenden Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen eine andere Maßnahme der Justizverwaltung angebracht werden.

Soweit die Antragstellerin eine Verletzung der Rechte des in dem Urteil bezeichneten Rechtsanwaltes bzw. der Kanzlei geltend gemacht hat, welcher dieser angehört, ist in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Fassung des Urteils dessen Name anonymisiert.

Zudem ist - wie bereits oben zur Zulässigkeit ausgeführt - der Prüfungsumfang im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG auf die Verletzung des jeweiligen Antragstellers in eigenen Rechten beschränkt (vgl. auch: § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG).

Nach alledem besteht eine Pflicht der Gerichtsverwaltung zur Veröffentlichung des Urteils des ... Zivilsenats vom XX.XX.2017. Die in der Fassung vom XX.XX.2017 vorgenommene Anonymisierung, insbesondere die Nennung der Marken der Antragstellerin einschließlich der Registernummern, genügt den im Hinblick auf Entscheidungen in markenrechtlichen Streitigkeiten zu stellendenden Anforderungen. Es war auch nicht ausnahmsweise erforderlich, dass die Gerichtsverwaltung eine Prüfung im Hinblick auf eine weitergehende Anonymisierung oder einen Ausschluss der Veröffentlichung vornimmt.

Eine Ermessensentscheidung hatte die Gerichtsverwaltung vorliegend daher nicht mehr zu treffen. Eine Prüfung auf Ermessenfehler (§ 28 Abs. 3 EGGVG) durch den Senat hatte demnach nicht zu erfolgen. Daher hatte die Gerichtsverwaltung der Antragstellerin auch keine Ermessenserwägungen mitzuteilen, wobei offen bleiben kann, ob im Falle einer notwendigen Abwägungsentscheidung eine solche Mitteilung an Parteien des Rechtsstreits erforderlich gewesen wäre.

Auch bestand darüber hinaus keine Notwendigkeit der Begründung der angefochtenen Verfügung, da die Entscheidung der Gerichtsverwaltung über die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen keiner Begründungpflicht unterliegt.

Da die angefochtene Maßnahme demnach nicht rechtswidrig ist, war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Da der Senat die Rechtsbeschwerde zulässt - dazu sogleich unten - hat er im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend § 64 Abs. 3 FamFG die Vollziehung der angefochtenen Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts ausgesetzt. Dieser hat den Bescheid aufgrund des bei dem Senat angebrachten Antrags auf gerichtliche Entscheidung bislang nicht vollzogen. Da die Verfügung und die Entscheidung des Senats auf Rechtsfragen beruhen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind, erscheint ein Vollzug der Verfügung vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im gerichtlichen Verfahren und ein damit drohender endgültiger Verlust der von der Antragstellerin angeführten Rechte weiterhin nicht gerechtfertigt.

Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG.

Der Senat hat keine Gründe für die Anordnung einer Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten der unterliegenden Antragstellerin durch die Staatskasse gesehen, § 30 S. 1 EGGVG. Eine solche kommt selbst bei vollständigem oder teilweisem Obsiegen nur in besonderen Ausnahmefällen, z. B. grober Fehlerhaftigkeit des Verwaltungshandelns, in Betracht (vgl. Lückemann in Zöller, a. a. O., § 30 EGGVG, Rn. 1). Die genannten, sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Kostenfolgen hat der Senat lediglich deklaratorisch ausgesprochen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 1, 2 GNotKG, § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG. Diesen hat der Senat nach billigem Ermessen mit einem Bruchteil von 1/10 des Streitwertes des Berufungsverfahrens festgesetzt, in welchem das zur Veröffentlichung stehende Urteil ergangen ist.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen, § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGGVG. Die Fragen, unter welchen Voraussetzungen die Entscheidungen in markenrechtlichen Verfahren veröffentlicht werden können und ob dabei die Wiedergabe von Marken ohne Anonymisierung unter Nennung der Registernummern zulässig ist, sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Veröffentlichungspraxis der Gerichte."


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