LG Essen: 3.000 EURO Vertragsstrafe für fehlende Aufsichtsbehörde im Impressum auf Drittplattform - Unternehmen haftet für Fehler der Mitarbeiter nach § 278 BGB
LG Essen
Urteil vom 03.06.2020
44 O 34/19
Das LG Essen hat entschieden, dass ein Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung einer zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung für seine Mitarbeiter nach § 278 BGB haftet. Vorliegend ging es um ein fehlerhaftes Impressum auf einer Drittplattform.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 € gegen die Beklagte gemäß § 339 S. 1, 2 BGB in Verbindung mit der Unterlassungserklärung, § 311 Abs. 1 BGB. Die Parteien haben einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit einer wirksamen Vertragsstrafenvereinbarung geschlossen. Ein entsprechender Vertrag mit Strafversprechen im Sinne der §§ 339 ff. BGB wurde durch die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 28.3.2018 und Annahme seitens des Klägers am 29.3.2018 begründet. In diesem verpflichtet sich die Beklagte gegenüber dem Kläger es zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34 c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 Euro an den Kläger.
Dieser Vertrag ist auch entgegen der Ansicht der Beklagten insgesamt wirksam. Insbesondere ergibt sich keine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Die §§ 305 ff. BGB sind auf Unterlassungsverträge mit der Maßgabe anwendbar, dass sich die Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr nach den §§ 307, 310 Abs. 1 BGB richtet (Schaub in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 339, Rn. 4; ebenda, § 339 BGB, Rn. 1). Es liegt eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB vor. Bei der Vereinbarung, die die Grundlage des geltend gemachten Vertragsstrafenanspruchs darstellt, handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung des Klägers, die dieser, ohne vorher im Sinne von § 305 Abs. 3 BGB ausgehandelt worden zu sein, einseitig stellte. Hierfür spricht, dass die Unterlassungserklärung bereits mit der Abmahnung übersandt wurde. Ferner folgt aus der inhaltlichen Gestaltung („Ich/Wir verpflichte(n) mich/uns“), dass es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Bedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Inhaltskontrolle ist auch nach § 307 Abs. 3 BGB eröffnet, da es sich nicht um bloß deklaratorische Bestimmungen, sowie nicht Hauptleistungspflichten oder das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung handelt. Es fehlt jedoch an der, von der Beklagten behaupteten, unangemessenen Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 – , Rn. 13). Die Prüfung erfolgt dabei anhand eines generalisierenden, überindividuellen Maßstabs, dem eine von den im Einzelfall bestehenden Besonderheiten abstrakte, typisierende Betrachtung zu Grunde zu legen ist (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 75; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).
Die Unterlassungserklärung verpflichtet die Beklagte im Sinne dieses generalisierenden Maßstabs nicht, eine ihr unmögliche Handlung vorzunehmen. Die Beklagte hat sich in der Unterlassungserklärung lediglich verpflichtet, das Anbieten von Telemedien ohne die Nennung der Aufsichtsbehörde zu unterlassen. Insofern geht die Behauptung der Beklagten fehl, es liege ein Fall der subjektiven Unmöglichkeit vor, da nicht ersichtlich ist, warum die Nennung der richtigen Aufsichtsbehörde generell nicht durch die Beklagte erfolgen kann.
Die Beklagte kann auch nicht mit der Behauptung gehört werden, eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Kläger mit Schreiben vom 14.5.2018 mitteilte, dass die für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde der Kreis S sei. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie sich die Äußerung am 14.5.2018 auf die Wirksamkeit der zuvor am 28.3.2018 abgegebene Unterlassungserklärung auswirken soll. Denn der Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 BGB ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).
Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB durch eine erhebliche und in dieser Höhe unübliche Vertragsstrafe liegt ebenso nicht vor. § 348 HGB wirkt sich auf die Inhaltskontrolle der Klausel nicht aus (Steimle/Dornieden in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 348 HGB, Rn. 18). Die Höhe der Vertragsstrafe von 3.000 EUR ist angemessen, weil die Beklagte wiederholt gegen den Unterlassungsvertrag verstoßen hat. Die Beklagte muss durch eine hohe Vertragsstrafe dazu angehalten werden, es künftig zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Im kaufmännischen Verkehr ist der Unterlassungsschuldner generell weniger schutzwürdig und es überwiegt die Präventivfunktion der Strafe (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 83). Auch muss die drohende Strafe hoch angesetzt werden, da der Unterlassungsschuldner nicht etwa, wie bei Austauschverträgen, durch vertragsoriginäres Eigeninteresse zur eigenen Vertragstreue angehalten wird.
Die Grenze, die erst dann überschritten sein soll, wenn die Strafe „bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind“ (BGH 13. 11. 2013 - I ZR 77/12, NJW 2014, 2180, Rn, 19), ist hier nicht erreicht.
Denn es handelt sich nicht um nicht abmahnfähige Bagatellverstöße. Dies gilt zum einen, da die vertragsstrafengesicherte Unterlassungserklärung ausdrücklich unter Anerkennung der gerügten Wettbewerbsverstöße erfolgte. Mit der vertraglichen Absicherung einer gesetzlichen Pflicht einigen sich die Parteien in aller Regel auch darüber, dass die gesetzliche Pflicht besteht (vgl. Rieble in: Staudinger (2015), Vorbemerkungen zu §§ 339 ff, Rn. 103). Die Vertragsstrafe dient vorliegend zur Durchsetzung einer solchen gesetzlichen Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 TMG. Insoweit kann die Beklagte nicht damit gehört werden, das Unterlassen der Angabe stelle keinen Verstoß dar, da sie doch gerade diesen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften zuvor anerkannt hat. Auch liegt tatsächlich ein Verstoß gegen § 3 a UWG vor, so dass der Vertragstext der Unterlassungserklärung nicht weiter geht, als es die gesetzlichen Vorschriften des Wettbewerbsrecht verlangen. § 5 TMG enthält Marktverhaltensregeln. Das Vorenthalten der dort festgelegten Informationspflichten ist stets spürbar im Sinne von § 3 a UWG, da die dort enthaltenen Verbraucherschutzvorschriften der Umsetzung von Unionsrecht dienen (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 I ZR 238/14, Rn.34).
Zum anderen steht die Vertragsstrafe auch nicht außer Verhältnis zum sanktionierten Verstoß und den, mit einem etwaigen zukünftigen Verstoß verbundenen Gefahren für den Unterlassungsgläubiger. § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG dient dem Verbraucherschutz und der Transparenz (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2017 I – 15 U 100/16, S.7). Hierdurch soll es dem Verbraucher ermöglicht werden, sich bei der angegebenen Aufsichtsbehörde über den Bestand der Genehmigung (etwa der nach § 34 c I Nr.1 GewO) und somit letztlich über die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu informieren. Angesichts dieser Zielsetzung wird somit ein wichtiges Ziel, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften, angestrebt.
Ferner ist der Verstoß gegen die Marktverhaltensregeln des § 5 TMG auch im Zusammenhang mit dem großen wirtschaftlichen Nutzen des Internets für die Beklagte und der dadurch erreichbaren hohen Reichweite des geschäftlichen Verkehrs zu sehen. Soweit die Beklagte im Internet für ihre Dienstleistungen werben will, hat sie auch die entsprechende unternehmerische Sorgfalt walten und sich anderenfalls die Folgen von fehlerhaften oder fehlenden Informationen vorhalten zu lassen.
Gegen diesen Unterlassungsvertrag wurde verstoßen, indem mindestens am 11.6.2018 die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Impressum des Internetauftritts bei der Plattform G entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG fehlte und somit die Vertragsstrafe verwirkt wurde, § 339 S. 2 BGB.
Diesen Verstoß hat die Beklagte auch zu vertreten. Der Haftungsmaßstab richtet sich nach den §§ 276, 278 BGB, § 347 I HGB. Für das Fehlen des grundsätzlich vermuteten Verschuldens trägt der Schuldner, also die Beklagte, die Beweislast (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK- BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 66). Zwar trägt die Beklagte vor, sie sei ihrer aus der Unterlassungserklärungen resultierenden Pflicht nachgekommen, in dem sie alles versucht habe, um auf den ehemaligen Mitarbeiter einzuwirken und bei G die Löschung beantragt habe.
Dies kann jedoch dahinstehen, da ihr auch ein Verschulden des ehemaligen Mitarbeiters nach § 278 Alt. 2 BGB zuzurechnen ist. Denn hiernach hat der Schuldner sich das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen auch bezüglich einer Unterlassung zurechnen zu lassen (Caspers in: Staudinger, 2019, BGB § 278, Rn. 42; Heymann in: Heymann, HGB, 2. Aufl., § 348, Rn. 5). Dieser Gedanke, wie etwa § 8 Abs. 2 UWG zeigt, ist auch dem Wettbewerbsrecht nicht fremd. Verhindert werden sollen gerade solche Konstellationen, in denen sich der Unternehmensinhaber, hinter seinen Arbeitnehmern verstecken will. Auch das zwischenzeitliche Ausscheiden des Mitarbeiters vermag nicht an der Haftung der Unternehmensinhabers zu ändern (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 151). Soweit also die Beklagte vorträgt, der Wettbewerbsverstoß sei nicht von ihr, sondern von einem ehemaligen Mitarbeiter begangen worden, führt dies nicht zu einer Widerlegung der Verschuldensvermutung.
Vielmehr muss sich die Beklagte auch Wettbewerbsverstöße zurechnen lassen (BGH 15.5.1985 - I ZR 25/83, NJW 1986, 127; BGH 30.3.1988 - I ZR 40/86, NJW 1988, 1907, 1908; BGH 22.1.1998 - I ZR 18/96, NJW 1998, 3342, 3343 f.; BGH 30.4.1987 - I ZR 8/85, NJW 1987, 3253 f.; OLG Frankfurt 6.6.1974 - 6 U [Kart] 15/74, NJW 1974, 2239; OLG Jena 5.5.2015 - 2 U 41/15 Rn. 4, WRP 2015, 1016).
Der Verstoß ist auch nicht bereits durch die Zahlung der Beklagten vom 29.5.2018 abgegolten. Denn die Parteien haben in ihrer Strafabrede vereinbart, dass die Vertragsstrafe bei jeder Zuwiderhandlung verwirkt sein soll. Jedenfalls scheint ein Abstand der jeweiligen Mahnung von fast einem Monat nicht dafür zu sprechen, von einem zeitlich einheitlichen Verstoß auszugehen. Ferner spricht der Sinn der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nicht dafür, von nur einem Verstoß auszugehen. Denn aus der Unterlassungserklärung geht nicht der Wille hervor, nur einen Verstoß mahnen und bestehende oder weitere Verstöße dulden zu wollen.
Auch steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht das aus § 242 BGB folgende Gebot „venire contra factum proprium“ entgegen. Der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wäre gerechtfertigt, wenn im Rahmen einer wertenden Betrachtung der Gläubiger letztlich für den Strafverfall allein verantwortlich ist. Die Beklagte beruft sich hier auf das Schreiben vom 14.5.2018, in dem der Kläger den „Kreis S, L-Allee … in … S1“ als zuständige Aufsichtsbehörde aufführt.
Insoweit mag der Vorwurf, der Kläger habe sich widersprüchlich verhalten, nicht den Ausschluss nach § 242 BGB begründen. Vorliegend könnte ein relevantes widersprüchliches Verhalten nur angenommen werden, wenn ein Verhalten des Klägers für den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung ursächlich gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn eine richtige Impressumsangabe unterblieb gänzlich und erfolgte nicht bloß, wegen des benannten Klägerschreibens, unrichtig.
Hier ist jedoch nicht ersichtlich, warum eine gegebenenfalls ungenaue Angabe der Aufsichtsbehörde durch den Kläger dafür ursächlich war, dass eine Angabe bei G gänzlich unterblieb. Letztlich obliegt es auch der Beklagten sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnenden Telemedien den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Ferner steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe unter diesem Gesichtspunkt auch die aus § 8 Abs. 4 UWG folgende Wertung nicht entgegen. Denn ein Missbrauch würde voraussetzen, dass für den Gläubiger rechtsfremde Motive bei der Geltendmachung leitend waren (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 201). Ausschlaggebend bei der Bestimmung eines solchen Missbrauchs muss vorliegend der mit § 8 Abs. 4 UWG intendierte rechtspolitische Zweck, nämlich die Begrenzung eines kommerziellen Abmahnungswesens, sein. Entsprechende Tatsachen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, wurden von dem Beklagten nicht vorgetragen.
Bezüglich der vorgebrachten subjektiven Unmöglichkeit ist das Vorbringen der Beklagten widersprüchlich, so dass dieses nicht im Rahmen einer, der Inhaltskontrolle nachgeschalteten, Ausübungskotrolle nach § 242 BGB berücksichtigt werden kann. Zwar lässt sie vortragen, dass sie selber die Zugangsdaten für die G-Seite nicht habe. Andererseits behauptet sie in den vorgerichtlichen Schriftsätzen, sie habe die „systemimmanente Löschfunktion“ veranlasst und zitiert die von G verschickte Bestätigung („Bitte beachte, dass deine Seite erst nach 14 Tagen dauerhaft gelöscht wird“). Insoweit ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie ohne Kenntnis der Zugangsdaten überhaupt eine solche systemimmanente Löschung erfolgen konnte, die doch zwangsläufig nur von dem autorisierten Betreiber der Seite nach Bestätigung der Zugangsdaten erfolgen kann. Der Beklagten obliegt es insgesamt, wenn sie eine solche Unterlassungserklärung unterzeichnet, bestmöglich sicherzustellen, dass weitere Verstöße unterbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 26). Dies hätte, abstrakt gesehen, einfach erfordert, die richtigen Angaben entsprechend einzufügen. Wählt die Beklagte hingegen von sich aus die Löschung ihres Accounts, so begründet dies keine Verpflichtung zu einer unmöglichen Handlung, sondern ist lediglich Ausdruck ihres Unvermögens im Sinne der abgegebenen Verpflichtung zu handeln. In diesem Sinne hat die Beklagte durch das Einleiten des Löschvorgangs selbstverschuldet den Einfluss aus der Hand gegeben.
Der Geltendmachung steht auch nicht der Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne der Verwirkung entgegen. Erforderlich für die Annahme einer Verwirkung ist das Vorliegen eines Zeit- und ein Umstandsmoments. Der Gläubiger muss ein ihm zustehendes Recht innerhalb eines gewissen Zeitraums nicht ausgeübt haben, so dass sich der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf verlassen durfte, nun nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Looschelders/Olzen in: Staudinger, 2019, BGB § 242, Rn. 300). Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, der Umstand, dass der Kläger seit dem 22.6.2018 von der Anspruchsverfolgung abgesehen habe, begründe die Verwirkung des Rechts. Denn gerade in dem Schreiben vom 22.6.2018 behält sich der Kläger die Wahrnehmung seiner Rechte vor, indem er klarstellt, dass das momentane Absehen von gerichtlichen Maßnahmen nicht die Duldung bestehender oder weiterer Zuwiderhandlungen enthalte. Ferner spricht gerade der durch § 5 TMG verfolgte Verbraucherschutz und das Interesse der Allgemeinheit an dessen strikter Durchsetzung gegen eine Verwirkung.
Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1, 247 BGB. Das Schreiben vom 12.6.2018 hatte verzugsbegründende Wirkung. Die geltend gemachte Vertragsstrafe ist wirksam und durchsetzbar. Nach Fristablauf am 20.6.2018 war die Zahlung fällig, so dass sich die Beklagte am 21.6.2018 im Verzug befand. Die Verschuldensvermutung nach § 286 Abs. 4 BGB wurde nicht widerlegt. Zwar stellt der Kläger in seinem Schreiben vom 15.8.2019 auf das Schreiben vom 14.5.2018 ab, dass den Verzug ab dem 21.06.2018 begründet haben soll. Die in dem Schreiben vom 15.8.2019 geforderte Vertragsstrafe wurde jedoch unstreitig gezahlt, so dass sich die Beklagte mit dieser nicht in Verzug befinden kann. Angesichts des richtig angegeben Verzugsbeginns (21.06.2018) ist das Schreiben der Klägerin jedoch dahingehend auszulegen, dass es sich um das Schreiben vom 12.6.2018 und die darin geforderte erneute Vertragsstrafe handeln soll."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 03.06.2020
44 O 34/19
Das LG Essen hat entschieden, dass ein Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung einer zuvor abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung für seine Mitarbeiter nach § 278 BGB haftet. Vorliegend ging es um ein fehlerhaftes Impressum auf einer Drittplattform.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 € gegen die Beklagte gemäß § 339 S. 1, 2 BGB in Verbindung mit der Unterlassungserklärung, § 311 Abs. 1 BGB. Die Parteien haben einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit einer wirksamen Vertragsstrafenvereinbarung geschlossen. Ein entsprechender Vertrag mit Strafversprechen im Sinne der §§ 339 ff. BGB wurde durch die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 28.3.2018 und Annahme seitens des Klägers am 29.3.2018 begründet. In diesem verpflichtet sich die Beklagte gegenüber dem Kläger es zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34 c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Für den Fall der Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 Euro an den Kläger.
Dieser Vertrag ist auch entgegen der Ansicht der Beklagten insgesamt wirksam. Insbesondere ergibt sich keine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Die §§ 305 ff. BGB sind auf Unterlassungsverträge mit der Maßgabe anwendbar, dass sich die Inhaltskontrolle im unternehmerischen Verkehr nach den §§ 307, 310 Abs. 1 BGB richtet (Schaub in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Vorbemerkung vor § 339, Rn. 4; ebenda, § 339 BGB, Rn. 1). Es liegt eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB vor. Bei der Vereinbarung, die die Grundlage des geltend gemachten Vertragsstrafenanspruchs darstellt, handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung des Klägers, die dieser, ohne vorher im Sinne von § 305 Abs. 3 BGB ausgehandelt worden zu sein, einseitig stellte. Hierfür spricht, dass die Unterlassungserklärung bereits mit der Abmahnung übersandt wurde. Ferner folgt aus der inhaltlichen Gestaltung („Ich/Wir verpflichte(n) mich/uns“), dass es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Bedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Die Inhaltskontrolle ist auch nach § 307 Abs. 3 BGB eröffnet, da es sich nicht um bloß deklaratorische Bestimmungen, sowie nicht Hauptleistungspflichten oder das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung handelt. Es fehlt jedoch an der, von der Beklagten behaupteten, unangemessenen Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 – , Rn. 13). Die Prüfung erfolgt dabei anhand eines generalisierenden, überindividuellen Maßstabs, dem eine von den im Einzelfall bestehenden Besonderheiten abstrakte, typisierende Betrachtung zu Grunde zu legen ist (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 75; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).
Die Unterlassungserklärung verpflichtet die Beklagte im Sinne dieses generalisierenden Maßstabs nicht, eine ihr unmögliche Handlung vorzunehmen. Die Beklagte hat sich in der Unterlassungserklärung lediglich verpflichtet, das Anbieten von Telemedien ohne die Nennung der Aufsichtsbehörde zu unterlassen. Insofern geht die Behauptung der Beklagten fehl, es liege ein Fall der subjektiven Unmöglichkeit vor, da nicht ersichtlich ist, warum die Nennung der richtigen Aufsichtsbehörde generell nicht durch die Beklagte erfolgen kann.
Die Beklagte kann auch nicht mit der Behauptung gehört werden, eine unangemessene Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Kläger mit Schreiben vom 14.5.2018 mitteilte, dass die für die Beklagte zuständige Aufsichtsbehörde der Kreis S sei. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie sich die Äußerung am 14.5.2018 auf die Wirksamkeit der zuvor am 28.3.2018 abgegebene Unterlassungserklärung auswirken soll. Denn der Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 BGB ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 13).
Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB durch eine erhebliche und in dieser Höhe unübliche Vertragsstrafe liegt ebenso nicht vor. § 348 HGB wirkt sich auf die Inhaltskontrolle der Klausel nicht aus (Steimle/Dornieden in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 348 HGB, Rn. 18). Die Höhe der Vertragsstrafe von 3.000 EUR ist angemessen, weil die Beklagte wiederholt gegen den Unterlassungsvertrag verstoßen hat. Die Beklagte muss durch eine hohe Vertragsstrafe dazu angehalten werden, es künftig zu unterlassen, Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 TMG anzubieten, ohne innerhalb dieser angebotenen Telemedien leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar im Impressum die zuständige Aufsichtsbehörde anzugeben, die die aus der Erteilung der Erlaubnis nach § 34c GewO resultierenden Verpflichtungen überwacht. Im kaufmännischen Verkehr ist der Unterlassungsschuldner generell weniger schutzwürdig und es überwiegt die Präventivfunktion der Strafe (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 83). Auch muss die drohende Strafe hoch angesetzt werden, da der Unterlassungsschuldner nicht etwa, wie bei Austauschverträgen, durch vertragsoriginäres Eigeninteresse zur eigenen Vertragstreue angehalten wird.
Die Grenze, die erst dann überschritten sein soll, wenn die Strafe „bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind“ (BGH 13. 11. 2013 - I ZR 77/12, NJW 2014, 2180, Rn, 19), ist hier nicht erreicht.
Denn es handelt sich nicht um nicht abmahnfähige Bagatellverstöße. Dies gilt zum einen, da die vertragsstrafengesicherte Unterlassungserklärung ausdrücklich unter Anerkennung der gerügten Wettbewerbsverstöße erfolgte. Mit der vertraglichen Absicherung einer gesetzlichen Pflicht einigen sich die Parteien in aller Regel auch darüber, dass die gesetzliche Pflicht besteht (vgl. Rieble in: Staudinger (2015), Vorbemerkungen zu §§ 339 ff, Rn. 103). Die Vertragsstrafe dient vorliegend zur Durchsetzung einer solchen gesetzlichen Pflicht aus § 5 Abs. 1 Nr.3 TMG. Insoweit kann die Beklagte nicht damit gehört werden, das Unterlassen der Angabe stelle keinen Verstoß dar, da sie doch gerade diesen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften zuvor anerkannt hat. Auch liegt tatsächlich ein Verstoß gegen § 3 a UWG vor, so dass der Vertragstext der Unterlassungserklärung nicht weiter geht, als es die gesetzlichen Vorschriften des Wettbewerbsrecht verlangen. § 5 TMG enthält Marktverhaltensregeln. Das Vorenthalten der dort festgelegten Informationspflichten ist stets spürbar im Sinne von § 3 a UWG, da die dort enthaltenen Verbraucherschutzvorschriften der Umsetzung von Unionsrecht dienen (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2016 I ZR 238/14, Rn.34).
Zum anderen steht die Vertragsstrafe auch nicht außer Verhältnis zum sanktionierten Verstoß und den, mit einem etwaigen zukünftigen Verstoß verbundenen Gefahren für den Unterlassungsgläubiger. § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG dient dem Verbraucherschutz und der Transparenz (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2017 I – 15 U 100/16, S.7). Hierdurch soll es dem Verbraucher ermöglicht werden, sich bei der angegebenen Aufsichtsbehörde über den Bestand der Genehmigung (etwa der nach § 34 c I Nr.1 GewO) und somit letztlich über die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu informieren. Angesichts dieser Zielsetzung wird somit ein wichtiges Ziel, die Einhaltung der Verbraucherschutzvorschriften, angestrebt.
Ferner ist der Verstoß gegen die Marktverhaltensregeln des § 5 TMG auch im Zusammenhang mit dem großen wirtschaftlichen Nutzen des Internets für die Beklagte und der dadurch erreichbaren hohen Reichweite des geschäftlichen Verkehrs zu sehen. Soweit die Beklagte im Internet für ihre Dienstleistungen werben will, hat sie auch die entsprechende unternehmerische Sorgfalt walten und sich anderenfalls die Folgen von fehlerhaften oder fehlenden Informationen vorhalten zu lassen.
Gegen diesen Unterlassungsvertrag wurde verstoßen, indem mindestens am 11.6.2018 die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde im Impressum des Internetauftritts bei der Plattform G entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG fehlte und somit die Vertragsstrafe verwirkt wurde, § 339 S. 2 BGB.
Diesen Verstoß hat die Beklagte auch zu vertreten. Der Haftungsmaßstab richtet sich nach den §§ 276, 278 BGB, § 347 I HGB. Für das Fehlen des grundsätzlich vermuteten Verschuldens trägt der Schuldner, also die Beklagte, die Beweislast (Beater in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK- BGB, 9. Aufl., § 339 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 66). Zwar trägt die Beklagte vor, sie sei ihrer aus der Unterlassungserklärungen resultierenden Pflicht nachgekommen, in dem sie alles versucht habe, um auf den ehemaligen Mitarbeiter einzuwirken und bei G die Löschung beantragt habe.
Dies kann jedoch dahinstehen, da ihr auch ein Verschulden des ehemaligen Mitarbeiters nach § 278 Alt. 2 BGB zuzurechnen ist. Denn hiernach hat der Schuldner sich das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen auch bezüglich einer Unterlassung zurechnen zu lassen (Caspers in: Staudinger, 2019, BGB § 278, Rn. 42; Heymann in: Heymann, HGB, 2. Aufl., § 348, Rn. 5). Dieser Gedanke, wie etwa § 8 Abs. 2 UWG zeigt, ist auch dem Wettbewerbsrecht nicht fremd. Verhindert werden sollen gerade solche Konstellationen, in denen sich der Unternehmensinhaber, hinter seinen Arbeitnehmern verstecken will. Auch das zwischenzeitliche Ausscheiden des Mitarbeiters vermag nicht an der Haftung der Unternehmensinhabers zu ändern (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 151). Soweit also die Beklagte vorträgt, der Wettbewerbsverstoß sei nicht von ihr, sondern von einem ehemaligen Mitarbeiter begangen worden, führt dies nicht zu einer Widerlegung der Verschuldensvermutung.
Vielmehr muss sich die Beklagte auch Wettbewerbsverstöße zurechnen lassen (BGH 15.5.1985 - I ZR 25/83, NJW 1986, 127; BGH 30.3.1988 - I ZR 40/86, NJW 1988, 1907, 1908; BGH 22.1.1998 - I ZR 18/96, NJW 1998, 3342, 3343 f.; BGH 30.4.1987 - I ZR 8/85, NJW 1987, 3253 f.; OLG Frankfurt 6.6.1974 - 6 U [Kart] 15/74, NJW 1974, 2239; OLG Jena 5.5.2015 - 2 U 41/15 Rn. 4, WRP 2015, 1016).
Der Verstoß ist auch nicht bereits durch die Zahlung der Beklagten vom 29.5.2018 abgegolten. Denn die Parteien haben in ihrer Strafabrede vereinbart, dass die Vertragsstrafe bei jeder Zuwiderhandlung verwirkt sein soll. Jedenfalls scheint ein Abstand der jeweiligen Mahnung von fast einem Monat nicht dafür zu sprechen, von einem zeitlich einheitlichen Verstoß auszugehen. Ferner spricht der Sinn der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nicht dafür, von nur einem Verstoß auszugehen. Denn aus der Unterlassungserklärung geht nicht der Wille hervor, nur einen Verstoß mahnen und bestehende oder weitere Verstöße dulden zu wollen.
Auch steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht das aus § 242 BGB folgende Gebot „venire contra factum proprium“ entgegen. Der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wäre gerechtfertigt, wenn im Rahmen einer wertenden Betrachtung der Gläubiger letztlich für den Strafverfall allein verantwortlich ist. Die Beklagte beruft sich hier auf das Schreiben vom 14.5.2018, in dem der Kläger den „Kreis S, L-Allee … in … S1“ als zuständige Aufsichtsbehörde aufführt.
Insoweit mag der Vorwurf, der Kläger habe sich widersprüchlich verhalten, nicht den Ausschluss nach § 242 BGB begründen. Vorliegend könnte ein relevantes widersprüchliches Verhalten nur angenommen werden, wenn ein Verhalten des Klägers für den Verstoß gegen die Unterlassungserklärung ursächlich gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn eine richtige Impressumsangabe unterblieb gänzlich und erfolgte nicht bloß, wegen des benannten Klägerschreibens, unrichtig.
Hier ist jedoch nicht ersichtlich, warum eine gegebenenfalls ungenaue Angabe der Aufsichtsbehörde durch den Kläger dafür ursächlich war, dass eine Angabe bei G gänzlich unterblieb. Letztlich obliegt es auch der Beklagten sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnenden Telemedien den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Ferner steht der Geltendmachung der Vertragsstrafe unter diesem Gesichtspunkt auch die aus § 8 Abs. 4 UWG folgende Wertung nicht entgegen. Denn ein Missbrauch würde voraussetzen, dass für den Gläubiger rechtsfremde Motive bei der Geltendmachung leitend waren (Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 8 UWG (Stand: 26.03.2020), Rn. 201). Ausschlaggebend bei der Bestimmung eines solchen Missbrauchs muss vorliegend der mit § 8 Abs. 4 UWG intendierte rechtspolitische Zweck, nämlich die Begrenzung eines kommerziellen Abmahnungswesens, sein. Entsprechende Tatsachen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, wurden von dem Beklagten nicht vorgetragen.
Bezüglich der vorgebrachten subjektiven Unmöglichkeit ist das Vorbringen der Beklagten widersprüchlich, so dass dieses nicht im Rahmen einer, der Inhaltskontrolle nachgeschalteten, Ausübungskotrolle nach § 242 BGB berücksichtigt werden kann. Zwar lässt sie vortragen, dass sie selber die Zugangsdaten für die G-Seite nicht habe. Andererseits behauptet sie in den vorgerichtlichen Schriftsätzen, sie habe die „systemimmanente Löschfunktion“ veranlasst und zitiert die von G verschickte Bestätigung („Bitte beachte, dass deine Seite erst nach 14 Tagen dauerhaft gelöscht wird“). Insoweit ist dem Gericht nicht ersichtlich, wie ohne Kenntnis der Zugangsdaten überhaupt eine solche systemimmanente Löschung erfolgen konnte, die doch zwangsläufig nur von dem autorisierten Betreiber der Seite nach Bestätigung der Zugangsdaten erfolgen kann. Der Beklagten obliegt es insgesamt, wenn sie eine solche Unterlassungserklärung unterzeichnet, bestmöglich sicherzustellen, dass weitere Verstöße unterbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 77/12 –, Rn. 26). Dies hätte, abstrakt gesehen, einfach erfordert, die richtigen Angaben entsprechend einzufügen. Wählt die Beklagte hingegen von sich aus die Löschung ihres Accounts, so begründet dies keine Verpflichtung zu einer unmöglichen Handlung, sondern ist lediglich Ausdruck ihres Unvermögens im Sinne der abgegebenen Verpflichtung zu handeln. In diesem Sinne hat die Beklagte durch das Einleiten des Löschvorgangs selbstverschuldet den Einfluss aus der Hand gegeben.
Der Geltendmachung steht auch nicht der Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne der Verwirkung entgegen. Erforderlich für die Annahme einer Verwirkung ist das Vorliegen eines Zeit- und ein Umstandsmoments. Der Gläubiger muss ein ihm zustehendes Recht innerhalb eines gewissen Zeitraums nicht ausgeübt haben, so dass sich der Schuldner in schutzwürdiger Weise darauf verlassen durfte, nun nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Looschelders/Olzen in: Staudinger, 2019, BGB § 242, Rn. 300). Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, der Umstand, dass der Kläger seit dem 22.6.2018 von der Anspruchsverfolgung abgesehen habe, begründe die Verwirkung des Rechts. Denn gerade in dem Schreiben vom 22.6.2018 behält sich der Kläger die Wahrnehmung seiner Rechte vor, indem er klarstellt, dass das momentane Absehen von gerichtlichen Maßnahmen nicht die Duldung bestehender oder weiterer Zuwiderhandlungen enthalte. Ferner spricht gerade der durch § 5 TMG verfolgte Verbraucherschutz und das Interesse der Allgemeinheit an dessen strikter Durchsetzung gegen eine Verwirkung.
Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1, 247 BGB. Das Schreiben vom 12.6.2018 hatte verzugsbegründende Wirkung. Die geltend gemachte Vertragsstrafe ist wirksam und durchsetzbar. Nach Fristablauf am 20.6.2018 war die Zahlung fällig, so dass sich die Beklagte am 21.6.2018 im Verzug befand. Die Verschuldensvermutung nach § 286 Abs. 4 BGB wurde nicht widerlegt. Zwar stellt der Kläger in seinem Schreiben vom 15.8.2019 auf das Schreiben vom 14.5.2018 ab, dass den Verzug ab dem 21.06.2018 begründet haben soll. Die in dem Schreiben vom 15.8.2019 geforderte Vertragsstrafe wurde jedoch unstreitig gezahlt, so dass sich die Beklagte mit dieser nicht in Verzug befinden kann. Angesichts des richtig angegeben Verzugsbeginns (21.06.2018) ist das Schreiben der Klägerin jedoch dahingehend auszulegen, dass es sich um das Schreiben vom 12.6.2018 und die darin geforderte erneute Vertragsstrafe handeln soll."
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: