OLG Düsseldorf: Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 3 ZPO - Technische Störung muss auch bei gerichtsbekannter und offenkundiger Störung dargelegt und glaubhaft gemacht werden
OLG Düsseldorf
Urteil vom 18.04.2024
2 U 59/23
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei einer Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 3 ZPO die technische Störung auch bei gerichtsbekannter und offenkundiger Störung dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 130d S. 2 ZPO bleibt die Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall darf der Nutzungspflichtige das Dokument ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO), d.h. in Papierform oder als Telefax, übermitteln (BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 8). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der des Einreichenden zu suchen ist (BT-Drucks. 17/12634, 27; BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 8). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist gemäß § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anwaltsschriftsatz ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften eingereicht werden kann, müssen somit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht werden.
Die in § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO aufgeführten Alternativen stehen dabei nicht gleichrangig zur Auswahl nebeneinander. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der erkennende Senat folgt, hat die Glaubhaftmachung nach § 130d S. 3 ZPO vielmehr möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen (BGH, GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung). Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt (BGH, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 11; GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung). Eine noch am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangene Darlegung und Glaubhaftmachung ist allerdings als gleichzeitig im Sinne dieser Grundsätze anzusehen; die nach § 130d S. 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist daher rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (BGH GRUR 2023, 1481 Rn. 11 f. – EGVP-Störung). Es ist hingegen ausgeschlossen, die erforderlichen Angaben nachzuholen, wenn weder bei Einreichung des Anwaltsschriftsatzes in Papierform oder per Telefax noch in einem am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz zu den Voraussetzungen des § 130d S. 2 ZPO vorgetragen ist, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt die Hinderungsgründe für eine Einreichung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg bekannt waren und zugleich eine sofortige Glaubhaftmachung dieser Gründe möglich war (vgl. BGH, NJW 2023, 456 Rn. 11; NJW-RR 2023, 350 Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 15).
Was die nach § 130d S. 3 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument anbelangt, setzt diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH, NJW 2022, 3647 Rn. 15; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 11; NJW 2023, 2883 Rn. 19; GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung; NJW 2024, 901 Rn. 8). Glaubhaft zu machen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände genügt (vgl. BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 21 m.w.N.; NJW 2024, 901 Rn. 8). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist (vgl. BT-Drs. 17/12634, 27; vgl. auch BGH, NJW 2023, 1062 Rn. 14; NJW 2024, 901 Rn. 8).
b) Hiervon ausgehend ist vorliegend eine Glaubhaftmachung nach § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO durch die Klägerin nicht rechtzeitig erfolgt.
aa) Die Berufungsschrift ist am 20.04.2023 ohne jeden Hinweis auf eine technische Störung per Telefax eingereicht worden. In der per Telefax übermittelten Berufungsschrift wird insbesondere ein Ausfall bzw. eine Störung des Systems des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) oder des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfaches (EGVP) nicht erwähnt. Soweit es in der Berufungsschrift am Ende heißt, dass eine „Urteilsabschrift nebst beA-Versand-/Empfangsbestätigung vom 20.03.2023“ beigefügt ist, bezieht sich diese Angabe auf die Zustellung des mit der Berufung angefochtenen Urteils an die Klägerin bzw. ihre früheren Prozessbevollmächtigten.
Eine technische Störung ist von den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht etwa in einem noch am 20.04.2023 bei Gericht eingegangenem weiteren Schriftsatz mitgeteilt und glaubhaft worden. Die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten aber bereits zu diesem Zeitpunkt vortragen und glaubhaft machen können, dass die Übermittlung der Berufungsschrift in der nach § 130d S. 1 ZPO vorgeschriebenen Form aus technischen Gründen nicht möglich gewesen ist. Denn die Berufungsschrift ist am 20.04.2023 bereits um 11:03 per Telefax eingereicht worden (vgl. Bl. 1 eA-OLG). Bis zum Ablauf der Berufungsfrist an diesem Tage blieb genügend Zeit, darzutun und glaubhaft zu machen, dass eine Übermittlung der Berufungsschrift in der nach § 130d S. 1 ZPO vorgeschriebenen Form wegen einer vorübergehenden technischen Störung nicht möglich ist. Dies hätte problemlos mit der per Telefax eingereichten Berufungsschrift selbst oder mit einem noch am selben Tag per Telefax eingereichten weiteren Anwaltsschriftsatz geschehen können. Denn die Glaubhaftmachung kann nicht nur in Form eines elektronischen Dokuments erfolgen, sondern es stehen dazu auch die herkömmlichen Mittel offen. Dazu zählen hand- oder maschinenschriftlich erstellte, ggf. eigenhändig unterschriebene Papier-Dokumente. Andernfalls liefe die erste Alternative in § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, wonach eine Glaubhaftmachung der technischen Störung grundsätzlich bei der Ersatzeinreichung erfolgen soll, leer (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 19).
bb) Ungeachtet dessen, dass eine Nachholung der Glaubhaftmachung gemäß § 130d S. 3 Hs. 1 Alt. 2 ZPO nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier schon nicht in Betracht kam (vgl. BGH NJW 2023, 456 Rn. 11; so auch: OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 20; AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.10.2023 – 1 AGH 18/23, BeckRS 2023, 34182 Rn. 24), haben die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Störung auch nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 7; NJW 2023, 2883 Rn. 19 und 21) mitgeteilt.
Unverzüglich – und somit ohne schuldhaftes Zögern – ist die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments nur, wenn sie zeitlich unmittelbar erfolgt (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 21). Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns i.S.v. § 130d S. 3 ZPO ist eng zu fassen (vgl. BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 22 m.w.N.). Hierbei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, innerhalb welcher Zeitspanne die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 22 m.w.N.). Unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls kann selbst die Nachholung der Glaubhaftmachung vor Ablauf einer Woche nicht mehr unverzüglich sein (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 24 m.w.N.). Jedenfalls ist die Mitteilung der Gründe für die Ersatzeinreichung nach mehr als einer Woche im Regelfall nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 130d Satz 3 ZPO, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BGH, NJW 2022, 3647 Rn. 17; OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 21 f.; Biallaß, NJW 2023, 25 Rn. 14).
Vorliegend ist der Schriftsatz vom 08.05.2023, in welchem von den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstmals und auch nur eher beiläufig mitgeteilt worden ist, dass die Berufungsschrift wegen des seinerzeitigen „beA-Ausfalls“ per Telefax eingereicht wurde, erst mehr als zwei Wochen nach der Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangen. Dieser Zeitraum ist im vorliegenden Fall, in dem keine besonderen Umstände vorgelegen haben, in jedem Fall als zu lang zu werten.
Die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin durften hier insbesondere nicht zuwarten, bis sie zur Glaubhaftmachung einer technischen Störung aufgefordert werden. Das gilt schon deshalb, weil sie bei Einreichung der Berufungsschrift per Telefax auf eine solche Störung nicht hingewiesen hatten. Im Übrigen verlangt § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, dass der Einreicher von sich aus tätig wird; dies ergibt sich unmissverständlich aus einem Vergleich mit S. 3 Hs. 2 (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 22). Eine andere Auslegung würde die Sorgfaltsobliegenheiten in unzulässiger Weise auf die gerichtlichen Abläufe verlagern und es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass erst geraume Zeit nach der Einreichung des Schriftsatzes eine Prüfung der Formerfordernisse gemäß § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO erfolgt. Das wäre mit dem Zweck des § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, so schnell wie möglich die Ursächlichkeit der technischen Störung zu klären und Rechtssicherheit bzgl. der Zulässigkeit der eingelegten Berufung herbeizuführen, unvereinbar. Je nach Art der technischen Störung lassen sich mit zunehmendem Zeitablauf die Umstände nicht mehr zuverlässig ermitteln, so dass in Zweifelsfällen nur noch auf die Angaben des Einreichers zurückgegriffen werden könnte (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 22).
cc) Unerheblich ist schließlich, ob die technische Störung „gerichtsbekannt“ oder „offenkundig“ (§ 291 ZPO) war.
(1 )Das Bundesarbeitsgericht (NJW 2023, 623 Rn. 39) hat zu der mit § 130d S. 3 ZPO wörtlich übereinstimmenden Regelung in § 46g S. 4 ArbGG entschieden, dass sich der Ersatzeinreicher im Falle einer fehlenden Glaubhaftmachung nicht mit Erfolg darauf berufen kann, die Glaubhaftmachung sei entbehrlich gewesen, weil die technische Störung des beA gerichtsbekannt bzw. offenkundig i.S.v. § 291 ZPO gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Bestimmung, die die Beweisbedürftigkeit einer offenkundigen Tatsache entfallen lässt, gleichwohl im Gesetz den Nachweis einer technischen Störung durch die Wendung „ist … glaubhaft zu machen“ zwingend vorgesehen hat, obwohl er erkennen konnte, dass entsprechende Vorkommnisse auch offenkundig sein können. Auch in einem solchen Fall sei nicht ausgeschlossen, dass eine Ersatzeinreichung ausscheide, weil die technische Störung nicht kausal für die gescheiterte Übermittlung als elektronisches Dokument sei. Das liege nach Vorstellung des Gesetzgebers zum Beispiel dann vor, wenn der Einreicher die für eine solche Einreichung erforderlichen technischen Mittel nicht habe (BT-Drs. 17/12634, 28). Der Gesetzgeber habe darum das Erfordernis der Glaubhaftmachung ausnahmslos zur Voraussetzung für eine Ersatzeinreichung gemacht. Er habe diese Möglichkeit jedoch an keine besonderen Voraussetzungen wie Verschulden oder Entstehungsort der technischen Störung geknüpft, sondern lediglich bestimmt, dass diese Störung glaubhaft zu machen sei, was mit der Ersatzeinreichung und nur ausnahmsweise unverzüglich danach zu erfolgen habe. Damit habe er ein gegenüber § 291 ZPO eigenständiges, beschleunigtes Verfahren eingeführt. Es bedürfe insoweit weder einer vorherigen Stellungnahme der übrigen Streitbeteiligten, wie dies bei der Zugrundelegung offenkundiger Tatsachen i.S.v. § 291 ZPO erforderlich sei, noch müsse das Gericht eigene Nachforschungen über die behauptete Störung anstellen, sofern es selbst keine Zweifel an ihr habe bzw. eine solche zwischen den Parteien streitig sei.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:
Urteil vom 18.04.2024
2 U 59/23
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass bei einer Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 3 ZPO die technische Störung auch bei gerichtsbekannter und offenkundiger Störung dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 130d S. 2 ZPO bleibt die Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall darf der Nutzungspflichtige das Dokument ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO), d.h. in Papierform oder als Telefax, übermitteln (BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 8). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der des Einreichenden zu suchen ist (BT-Drucks. 17/12634, 27; BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 8). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist gemäß § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anwaltsschriftsatz ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften eingereicht werden kann, müssen somit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht werden.
Die in § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO aufgeführten Alternativen stehen dabei nicht gleichrangig zur Auswahl nebeneinander. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der erkennende Senat folgt, hat die Glaubhaftmachung nach § 130d S. 3 ZPO vielmehr möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen (BGH, GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung). Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt (BGH, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 11; GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung). Eine noch am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangene Darlegung und Glaubhaftmachung ist allerdings als gleichzeitig im Sinne dieser Grundsätze anzusehen; die nach § 130d S. 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist daher rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (BGH GRUR 2023, 1481 Rn. 11 f. – EGVP-Störung). Es ist hingegen ausgeschlossen, die erforderlichen Angaben nachzuholen, wenn weder bei Einreichung des Anwaltsschriftsatzes in Papierform oder per Telefax noch in einem am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz zu den Voraussetzungen des § 130d S. 2 ZPO vorgetragen ist, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt die Hinderungsgründe für eine Einreichung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg bekannt waren und zugleich eine sofortige Glaubhaftmachung dieser Gründe möglich war (vgl. BGH, NJW 2023, 456 Rn. 11; NJW-RR 2023, 350 Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 15).
Was die nach § 130d S. 3 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument anbelangt, setzt diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH, NJW 2022, 3647 Rn. 15; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 11; NJW 2023, 2883 Rn. 19; GRUR 2023, 1481 Rn. 11 – EGVP-Störung; NJW 2024, 901 Rn. 8). Glaubhaft zu machen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände genügt (vgl. BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 21 m.w.N.; NJW 2024, 901 Rn. 8). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist (vgl. BT-Drs. 17/12634, 27; vgl. auch BGH, NJW 2023, 1062 Rn. 14; NJW 2024, 901 Rn. 8).
b) Hiervon ausgehend ist vorliegend eine Glaubhaftmachung nach § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO durch die Klägerin nicht rechtzeitig erfolgt.
aa) Die Berufungsschrift ist am 20.04.2023 ohne jeden Hinweis auf eine technische Störung per Telefax eingereicht worden. In der per Telefax übermittelten Berufungsschrift wird insbesondere ein Ausfall bzw. eine Störung des Systems des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) oder des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfaches (EGVP) nicht erwähnt. Soweit es in der Berufungsschrift am Ende heißt, dass eine „Urteilsabschrift nebst beA-Versand-/Empfangsbestätigung vom 20.03.2023“ beigefügt ist, bezieht sich diese Angabe auf die Zustellung des mit der Berufung angefochtenen Urteils an die Klägerin bzw. ihre früheren Prozessbevollmächtigten.
Eine technische Störung ist von den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht etwa in einem noch am 20.04.2023 bei Gericht eingegangenem weiteren Schriftsatz mitgeteilt und glaubhaft worden. Die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten aber bereits zu diesem Zeitpunkt vortragen und glaubhaft machen können, dass die Übermittlung der Berufungsschrift in der nach § 130d S. 1 ZPO vorgeschriebenen Form aus technischen Gründen nicht möglich gewesen ist. Denn die Berufungsschrift ist am 20.04.2023 bereits um 11:03 per Telefax eingereicht worden (vgl. Bl. 1 eA-OLG). Bis zum Ablauf der Berufungsfrist an diesem Tage blieb genügend Zeit, darzutun und glaubhaft zu machen, dass eine Übermittlung der Berufungsschrift in der nach § 130d S. 1 ZPO vorgeschriebenen Form wegen einer vorübergehenden technischen Störung nicht möglich ist. Dies hätte problemlos mit der per Telefax eingereichten Berufungsschrift selbst oder mit einem noch am selben Tag per Telefax eingereichten weiteren Anwaltsschriftsatz geschehen können. Denn die Glaubhaftmachung kann nicht nur in Form eines elektronischen Dokuments erfolgen, sondern es stehen dazu auch die herkömmlichen Mittel offen. Dazu zählen hand- oder maschinenschriftlich erstellte, ggf. eigenhändig unterschriebene Papier-Dokumente. Andernfalls liefe die erste Alternative in § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, wonach eine Glaubhaftmachung der technischen Störung grundsätzlich bei der Ersatzeinreichung erfolgen soll, leer (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 19).
bb) Ungeachtet dessen, dass eine Nachholung der Glaubhaftmachung gemäß § 130d S. 3 Hs. 1 Alt. 2 ZPO nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier schon nicht in Betracht kam (vgl. BGH NJW 2023, 456 Rn. 11; so auch: OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 20; AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.10.2023 – 1 AGH 18/23, BeckRS 2023, 34182 Rn. 24), haben die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Störung auch nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. BGH, NJW-RR 2023, 350 Rn. 7; NJW 2023, 2883 Rn. 19 und 21) mitgeteilt.
Unverzüglich – und somit ohne schuldhaftes Zögern – ist die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments nur, wenn sie zeitlich unmittelbar erfolgt (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 21). Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns i.S.v. § 130d S. 3 ZPO ist eng zu fassen (vgl. BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 22 m.w.N.). Hierbei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, innerhalb welcher Zeitspanne die Glaubhaftmachung zu erfolgen hat (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 22 m.w.N.). Unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls kann selbst die Nachholung der Glaubhaftmachung vor Ablauf einer Woche nicht mehr unverzüglich sein (BGH, NJW 2023, 2883 Rn. 24 m.w.N.). Jedenfalls ist die Mitteilung der Gründe für die Ersatzeinreichung nach mehr als einer Woche im Regelfall nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 130d Satz 3 ZPO, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BGH, NJW 2022, 3647 Rn. 17; OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 21 f.; Biallaß, NJW 2023, 25 Rn. 14).
Vorliegend ist der Schriftsatz vom 08.05.2023, in welchem von den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstmals und auch nur eher beiläufig mitgeteilt worden ist, dass die Berufungsschrift wegen des seinerzeitigen „beA-Ausfalls“ per Telefax eingereicht wurde, erst mehr als zwei Wochen nach der Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangen. Dieser Zeitraum ist im vorliegenden Fall, in dem keine besonderen Umstände vorgelegen haben, in jedem Fall als zu lang zu werten.
Die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin durften hier insbesondere nicht zuwarten, bis sie zur Glaubhaftmachung einer technischen Störung aufgefordert werden. Das gilt schon deshalb, weil sie bei Einreichung der Berufungsschrift per Telefax auf eine solche Störung nicht hingewiesen hatten. Im Übrigen verlangt § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, dass der Einreicher von sich aus tätig wird; dies ergibt sich unmissverständlich aus einem Vergleich mit S. 3 Hs. 2 (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 22). Eine andere Auslegung würde die Sorgfaltsobliegenheiten in unzulässiger Weise auf die gerichtlichen Abläufe verlagern und es könnte nicht ausgeschlossen werden, dass erst geraume Zeit nach der Einreichung des Schriftsatzes eine Prüfung der Formerfordernisse gemäß § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO erfolgt. Das wäre mit dem Zweck des § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, so schnell wie möglich die Ursächlichkeit der technischen Störung zu klären und Rechtssicherheit bzgl. der Zulässigkeit der eingelegten Berufung herbeizuführen, unvereinbar. Je nach Art der technischen Störung lassen sich mit zunehmendem Zeitablauf die Umstände nicht mehr zuverlässig ermitteln, so dass in Zweifelsfällen nur noch auf die Angaben des Einreichers zurückgegriffen werden könnte (OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582 Rn. 22).
cc) Unerheblich ist schließlich, ob die technische Störung „gerichtsbekannt“ oder „offenkundig“ (§ 291 ZPO) war.
(1 )Das Bundesarbeitsgericht (NJW 2023, 623 Rn. 39) hat zu der mit § 130d S. 3 ZPO wörtlich übereinstimmenden Regelung in § 46g S. 4 ArbGG entschieden, dass sich der Ersatzeinreicher im Falle einer fehlenden Glaubhaftmachung nicht mit Erfolg darauf berufen kann, die Glaubhaftmachung sei entbehrlich gewesen, weil die technische Störung des beA gerichtsbekannt bzw. offenkundig i.S.v. § 291 ZPO gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Bestimmung, die die Beweisbedürftigkeit einer offenkundigen Tatsache entfallen lässt, gleichwohl im Gesetz den Nachweis einer technischen Störung durch die Wendung „ist … glaubhaft zu machen“ zwingend vorgesehen hat, obwohl er erkennen konnte, dass entsprechende Vorkommnisse auch offenkundig sein können. Auch in einem solchen Fall sei nicht ausgeschlossen, dass eine Ersatzeinreichung ausscheide, weil die technische Störung nicht kausal für die gescheiterte Übermittlung als elektronisches Dokument sei. Das liege nach Vorstellung des Gesetzgebers zum Beispiel dann vor, wenn der Einreicher die für eine solche Einreichung erforderlichen technischen Mittel nicht habe (BT-Drs. 17/12634, 28). Der Gesetzgeber habe darum das Erfordernis der Glaubhaftmachung ausnahmslos zur Voraussetzung für eine Ersatzeinreichung gemacht. Er habe diese Möglichkeit jedoch an keine besonderen Voraussetzungen wie Verschulden oder Entstehungsort der technischen Störung geknüpft, sondern lediglich bestimmt, dass diese Störung glaubhaft zu machen sei, was mit der Ersatzeinreichung und nur ausnahmsweise unverzüglich danach zu erfolgen habe. Damit habe er ein gegenüber § 291 ZPO eigenständiges, beschleunigtes Verfahren eingeführt. Es bedürfe insoweit weder einer vorherigen Stellungnahme der übrigen Streitbeteiligten, wie dies bei der Zugrundelegung offenkundiger Tatsachen i.S.v. § 291 ZPO erforderlich sei, noch müsse das Gericht eigene Nachforschungen über die behauptete Störung anstellen, sofern es selbst keine Zweifel an ihr habe bzw. eine solche zwischen den Parteien streitig sei.
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