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LG Köln: 4.000 EURO immaterieller Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen Offenlegung einer Geschäftsbeziehung zu einem Konkurrenzunternehmen gegenüber Vorgesetzten

LG Köln
Urteil vom 28.09.2022
28 O 21/22


Das LG Köln hat dem Betroffenen in diesem Fall 4.000 EURO immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen der Offenlegung einer Geschäftsbeziehung zu einem Konkurrenzunternehmen gegenüber einem Vorgesetzten zugesprochen. Der Betroffene hatte mit seiner Klage 100.000 EURO Schadensersatz verlangt. Die Klage wurde daher überwiegend abgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 4.000 € aus Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DS-GVO).

1. Die Beklagte zu 1) hat personenbezogene Daten des Klägers im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dadurch verarbeitet, dass sie die streitgegenständliche E-Mail an Herrn K. versandt hat. Sie muss sich dabei die Handlung ihres Angestellten, des Beklagten zu 2), zurechnen lassen. Zur Verarbeitung im Sinne der DS-GVO zählt auch die „Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“.

Die Offenlegung der Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger an den Vorgesetzten des Klägers war auch rechtswidrig. Sie unterfällt keinem Rechtfertigungstatbestand nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO. Insbesondere ist sie nicht zur Erfüllung des Vertrags mit dem Kläger „erforderlich“, Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO. Erforderlichkeit setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verarbeitung und dem konkreten Zweck des Vertragsverhältnisses besteht. Ein solcher Zusammenhang ist hier nicht ersichtlich. Der Vorgesetzte des Klägers ist in keiner Weise in den Vertrag involviert und für die private Lebensführung des Klägers auch offensichtlich in keiner Weise verantwortlich. Es ist nicht im Ansatz zu erkennen, warum der Gläubiger eines Schuldverhältnisses sich veranlasst sehen dürfte, sich an den Vorgesetzten seines Schuldners zu wenden um diesen dazu zu bringen, auf den Schuldner einzuwirken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger ebenfalls als Autoverkäufer in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist. Gerade in diesem Fall drängt sich der Gedanke förmlich auf, dass dem Kläger aus einer Offenlegung seiner Geschäftsbeziehungen zu einem Konkurrenzunternehmen Probleme erwachsen können, was für die Erfüllung des Vertrags nicht förderlich sein dürfte.

Die Beklagte zu 1) ist für den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO auch verantwortlich und muss sich das Verhalten ihres Mitarbeiters zurechnen lassen. Eine Exkulpation nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO kommt nicht in Betracht. Soweit die Beklagte zu 1) schlicht darauf abstellt, dass der Beklagte zu 2) dem Kläger keinen Schaden habe zufügen wollen, verfängt dies nicht. Die Versendung der E-Mail erfolgte vorsätzlich. Eine Schädigungsabsicht setzt Art. 82 DS-GVO nicht voraus.

2. Der Verstoß ist auch derart gravierend, dass er eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) auslöst, allerdings nur in tenorierter Höhe.

Allein der Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften führt nicht zu einer Verpflichtung des Verantwortlichen zur Zahlung von Schadensersatz (so auch LG Karlsruhe ZD 2019, 511). Voraussetzung eines Anspruchs auf Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, der im nationalen Recht unmittelbar Anwendung findet und andere Anspruchsgrundlagen nicht ausschließt (Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 7), ist ein Verstoß gegen die DS-GVO und ein hierdurch verursachter Schaden, was ein Kläger darzulegen und zu beweisen hat (LG Karlsruhe, a.a.O.). Nach dem Erwägungsgrund 146 ist der Begriff des Schadens weit auszulegen, sodass Betroffene einen wirksamen Ersatz erhalten. Erwägungsgrund 85 besagt, dass eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten einen physischen, materiellen oder immateriellen Schaden für natürliche Personen – wie etwa Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten oder Einschränkung ihrer Rechte, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, finanzielle Verluste, unbefugte Aufhebung der Pseudonymisierung oder Rufschädigung – nach sich ziehen kann, wenn nicht rechtzeitig und angemessen reagiert wird. Es bedarf danach zwar keiner schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts, um einen immateriellen Schaden geltend zu machen (Gola/Piltz, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 13).Dennoch führt nicht bereits jeder Verstoß gegen die DS-GVO zu einer Ausgleichspflicht, denn der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens muss eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen, die z.B. in der mit einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ liegen kann (LG Karlsruhe, a.a.O.). Die Ermittlung des Schadens obliegt nach § 287 ZPO dem Gericht.

Der Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Regeln der DS-GVO ist bereits für sich derart gravierend, dass er eine entschädigungspflichtige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers begründet. Dass sich der Beklagte zu 2) hier an den Vorgesetzten des Klägers gewandt haben, ist nicht nur unangebracht und ein Verstoß gegen die DS-GVO, sondern für den Kläger auch peinlich und mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden, weil er sich – unabhängig von der tatsächlichen Reaktion seines Vorgesetzten – genötigt fühlen könnte, sich gegenüber seinem Arbeitgeber dafür rechtfertigen zu müssen, bei der Konkurrenz ein Auto gekauft zu haben. Dies ist mit einem erheblichen Gefühl der Scham verbunden. Es handelt sich bei den Vertragsinformationen zwar nicht um hochsensible und höchstpersönliche Daten, der Kläger hatte jedoch ein offensichtliches Geheimhaltungsinteresse. Der Verstoß führt insoweit auch zu einem völligen Verlust der Kontrolle über die Daten, auch wenn die Information nur an eine Person geleitet wurde. Zudem erfolgte der Verstoß vorsätzlich, auch wenn der Beklagte zu 2), wie die Beklagte zu 1) unbestritten vorgetragen hat, keine Schädigungsabsicht gehabt hat.

Für die Frage der Schadensbemessung ist von Bedeutung, dass die Kammer die von dem Kläger behaupteten Folgen des Datenschutzverstoßes ihrer Entscheidung nicht zu Grunde legen kann.

Der Vortrag des Klägers zur Zerrüttung seines Arbeitsverhältnisses ist unsubstantiiert und prozessual unbeachtlich. Die Beklagte zu 1) hat sich offenbar im Betrieb des Klägers informiert und in ihrem Schriftsatz vom 23.08.2022 detailliert vorgetragen, dass es zu keiner Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses gekommen ist. Dabei hat sie auch auf Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers hingewiesen, die dieser selbst nicht entkräften konnte. So erfolgte die erste Krankschreibung des Klägers nicht unmittelbar nach dem streitgegenständlichen Vorfall, sondern erst einige Wochen später. Soweit der Kläger im April 2022 vorgetragen hat, seine Stelle sei neu besetzt worden und sein Vertrag ende „bald“, fehlt es an Vortrag dazu, wann dieser Zeitpunkt konkret sein soll. Da der Kläger noch mit Schriftsatz vom 02.08.2022 eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15.08.2022 vorgelegt hat, scheinen deutliche Zweifel angebracht, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt in absehbarer Zeit enden wird. Auch fehlt es an substantiiertem Vortrag zu einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Klägers, da dieser nach den vorliegenden Unterlagen lediglich im Zeitraum Ende August bis Anfang Oktober 2021 und im Zeitraum um die Replik im August 2022 krankgeschrieben gewesen ist, somit lediglich für wenige Wochen. Da der Kläger auf den Vortrag der Beklagten zu 1) in ihrem Schriftsatz vom 23.08.2022 nicht mehr reagiert hat, gilt der Vortrag der Beklagten zu 1) als zugestanden.

Auch soweit der Kläger vorgetragen hat, an einer Depression zu leiden, ist sein Vortrag unbeachtlich. Ein ärztliches Attest, das diese Diagnose belegen könnte, hat er nicht vorgelegt. Sein Hausarzt hat ihm am 24.09.2021 lediglich eine „depressive Episode“ diagnostiziert. Substantiierter Sachvortrag zu seinen konkreten Symptomen, die es erlauben würden, die Diagnose einer Depression, egal in welcher Form, zu stellen, ist nicht erfolgt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Prof. X (Anlage K020). Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein Privatgutachten, das geeignet wäre, den klägerischen Vortrag zu substantiieren, sondern um ein in einem reißerischen Tonfall geschriebenes Gefälligkeitsschreiben, das für die Kammer insgesamt unbeachtlich war. Nicht nur lässt es Prof. X an jeglicher Neutralität in Bezug auf den hier anhängigen Rechtsstreit vermissen. Es ergibt sich aus dem Schreiben noch nicht einmal, ob der Kläger bei Prof. X überhaupt in Behandlung war, so dass für die Kammer nicht ersichtlich ist, auf welcher therapeutischen Grundlage sich der Prof. X überhaupt ein Urteil zum Gesundheitszustand des Klägers anmaßt.

Die Kammer will nicht in Abrede stellen, dass der Kläger tatsächlich unter hohem psychischen Druck steht. Er war in der mündlichen Verhandlung sichtlich angefasst und schien deutlich zu leiden. Dieses Leiden ist jedoch nicht derart substantiiert im Prozess vorgetragen worden, dass es für die Kammer prozessual verwertbar wäre und für die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens gereicht hätte. Dies gilt nicht nur für den Vortrag des Klägers hinsichtlich des Vorliegens einer Depression, sondern auch für die Frage, ob gerade der Datenschutzverstoß der Beklagten für die Krankheit des Klägers kausal geworden ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens würde vor diesem Hintergrund einem Ausforschungsbeweis gleichkommen.

Bei der Bemessung des Schmerzensgelds war weiterhin zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich bereits mit E-Mail vom 20.07.2021 beim Kläger entschuldigt hat. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck von Art. 82 DS-GVO das Schmerzensgeld so zu bemessen ist, dass es eine abschreckende Wirkung auf die Beklagte ausübt. Dabei war jedoch auch darauf zu achten, dass auch nach der Konzeption des Art. 82 DS-GVO der Schadensersatz nicht in einen Strafschadensersatz ausartet, sondern in erster Linie der Kompensation tatsächlich entstandener Schäden beim Kläger dient (vgl. Erwägungsgrund (146) S. 5 DS-GVO: „erlittener Schaden“). In diesem Zusammenhang war für die Kammer entscheidend auf die finanzielle Situation der Beklagten zu 1) abzustellen, nicht hingegen auf die Finanzkraft des „V-Konzern s“ insgesamt. Die Beklagte zu 1) mag zum V-Konzern gehören, sie ist aber rechtlich unabhängig. Der Kläger hat nicht die Volkswagen AG verklagt, so dass der Vortrag zu deren Umsätzen unbeachtlich ist. Vortrag zur finanziellen Situation der Beklagten zu 1) fehlt indes. Daher verbietet sich auch eine Orientierung an einem möglicherweise von der Aufsichtsbehörde noch zu verhängendem Bußgeld gegen die Beklagte zu 1). Der Vortrag des Klägers zur Höhe dieses Bußgelds, insbesondere dass dieses die Höchstgrenze des Art. 83 Abs. 4 DS-GVO von 10 Milliarden EUR erreichen könnte, stellt sich vor diesem Hintergrund nicht als eine ernsthafte Prognose dar.

Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser zuvor genannten Umstände hält die Kammer gemäß § 287 ZPO insgesamt einen Schadensersatz von 4.000 EUR für notwendig, aber auch ausreichend zur Kompensation des dem Kläger entstandenen Schadens.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: 1.200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wenn Verantwortlicher Zugangsdaten eines ehemaligen IT-Dienstleister nicht zeitnah löscht

LG Köln
Urteil vom 18.05.2022
28 O 328/21


Das LG Köln hat in diesem Fall entschieden, dass der Betroffene einen Anspruch auf 1.200 EURO Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat, da der Verantwortliche die Zugangsdaten eines ehemaligen IT-Dienstleister nicht zeitnah gelöscht hatte.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat im tenorierten Umfang Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Die Beklagte hat dadurch, dass sie die der Fa. C. zur Verfügung gestellten Zugangsdaten nach Ende der Vertragsbeziehung nicht änderte, gegen ihre Verpflichtung aus Art. 32 DSGVO sowie aus Art. 5 DSGVO verstoßen. Nach Art. 32 DSGVO haben der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. f) DSGVO müssen personenbezogene Daten in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“).

Die Kammer nimmt einen Verstoß gegen diese Vorgaben aufgrund des zwischen den Parteien unstreitigen Umstandes an, dass die der Fa. C. zur Verfügung gestellten Zugangsdaten nach Beendigung der vertraglichen Beziehung zu der Vertragspartnerin über mehrere Jahre nicht verändert wurden. Damit schuf die Beklagte das Risiko, dass die Daten der Betroffenen nicht nur im Falle von ihr selbst zu verantwortender Unzulänglichkeiten, sondern auch durch von Seiten von Mitarbeitern der C. vorsätzlich oder fahrlässig ermöglichte Zugriffe einem Missbrauch ausgesetzt waren. Die Beklagte kann sich angesichts der Sensibilität der gespeicherten Kundendaten insbesondere nicht darauf berufen, sie habe davon ausgehen können, dass die Daten seitens C. dauerhaft und vollständig gelöscht werden würden (so auch in einem Parallelfall LG München I, Urt. v. 9.12.2021, 31 O 16606/20, juris, Rn. 36). Jedenfalls wäre eine Überprüfung der Löschung angezeigt gewesen, die die Beklagte aber ebenfalls nicht vorträgt.

Das der Beklagten anzulastende Versäumnis war – was ausreichend ist – jedenfalls mitursächlich für den dem Kläger entstandenen Schaden (vgl. LG München I a.a.O. Rn. 39).

Dem Kläger entstand auch ein Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO. Die Erwägungsgründe 75 und 85 DS-GVO zählen beispielhaft auf, welche konkreten Beeinträchtigungen einen "physischen, materiellen oder immateriellen Schaden" darstellen können, so etwa Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, finanzieller Verlust, Rufschädigung, unbefugte Aufhebung einer Pseudonymisierung oder andere erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile. Nach Erwägungsgrund 146 DS-GVO muss der Begriff des Schadens zudem "im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht" und die "betroffenen Personen sollen einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten". Im Vordergrund steht hier eine abschreckende Wirkung des Schadensersatzes, die insbesondere durch dessen Höhe erreicht werden soll. Dieser Gedanke wird auch aus Art. 4 III EUV abgeleitet. Danach sind die Mitgliedstaaten angehalten, Verstöße wirksam zu sanktionieren, weil nur so eine effektive Durchsetzung des EU-Rechts – und damit auch der DS-GVO – gewährleistet ist (LG München I a.a.O. Rn. 41 mit w.N.).

Aufgrund des dem Kläger mit Schreiben vom 19.10.2020 mitgeteilten Umfangs der entwendeten persönlichen Daten geht die Beklagte ausweislich dieses Schreibens selbst davon aus, dass versucht werden konnte, die Betroffenen zu bestimmten Verhaltensweisen zu bewegen, insbesondere zur Preisgabe von weiteren vertraulichen Informationen oder Zahlungen zu veranlassen, sowie dass die Gefahr bestand, dass es mit Hilfe der Daten zu Identitätsmissbrauchsversuchen kommen würde. Auf die weiteren, teilweise zwischen den Parteien streitigen, Umstände der tatsächlichen oder gefühlten Beeinträchtigung des Klägers durch den Vorfall kommt es nach Auffassung der Kammer vor diesem Hintergrund nicht maßgeblich an.

Für die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes können die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 herangezogen werden, wie etwa die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung, die betroffenen Kategorien personenbezogener Daten, wobei die Ermittlung im Übrigen dem Gericht nach § 287 ZPO obliegt (LG München I a.a.O. Rn. 44 m.w.N.).

Hier war bei der Bemessung der Höhe zu berücksichtigen, dass ein Missbrauch der Daten zu Lasten des Klägers bislang nicht festgestellt werden musste, und es daher einstweilen bei einer Gefährdung geblieben ist. Wie vom LG München I a.a.O. zutreffend herausgearbeitet, muss allerdings auch die Absicht des EU-Verordnungsgebers berücksichtigt werden, mit Hilfe des Schadensersatzanspruchs eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Zu Gunsten der Beklagten fällt allerdings – wie in der mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt, ins Gewicht, dass der ihr zuzurechnende Datenschutzverstoß nur eine von mehreren Ursachen war, die erst im Zusammenwirken den Schadenseintritt bewirkten. Denn hinzu kam ein weiterer mindestens fahrlässiger Verstoß bei der Fa. C. sowie nicht zuletzt das vorsätzliche rechtswidrige Vorgehen der Hacker selbst. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte dem Kläger vorübergehend das „meine Schufa Plus“ Angebot finanzierte. Unter Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte erachtet die Kammer damit eine Schadensersatzzahlung in der tenorierten Höhe für angemessen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: