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LG Düsseldorf: Kein Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung wenn Schutzrechtsinhaber auf Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts vertrauen durfte

LG Düsseldorf
Urteil vom 20.02.2024
4c O 6/23


Das LG Düsseldorf hat entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung besteht, wenn der Schutzrechtsinhaber auf die Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts vertrauen durfte.

Aus den Entscheidungsgründen:
II. Mangels schuldhaftem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb steht der Klägerin auch keine Schadensersatzforderung aus Deliktsrecht zu, § 823 Abs. 1 BGB.

1. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 28. Juni 2017, nicht jedoch bereits mit dem Schreiben vom 31. Mai 2017, in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten eingegriffen.

Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im Falle einer Schutzrechtsverwarnung dann anzunehmen, wenn der vermeintlich Berechtigte auf Grundlage eines objektiv unberechtigten gewerblichen Schutzrechtes an den Inhaber des Gewerbebetriebs ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren richtet (BGH NJW-RR 1997, 1404; OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 2161; BeckOK BGB/Förster, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 823 Rn. 203; BeckOGK/Spindler, 1.12.2023, BGB § 823 Rn. 223).

a. Gemessen an diesem Maßstab stellt das Schreiben vom 31. Mai 2017 keinen solchen Eingriff dar. Es mangelt bereits an der Geltendmachung eines ernsthaften und endgültigen Unterlassungsbegehrens.

Eine Aufforderung zur Unterlassung spricht das Schreiben nicht aus. Vielmehr fordert es den Empfänger zu weiteren Erklärungen auf. So heißt es auf S. 2 des Schreibens: „We should be grateful if you would you [sic!] explain the apparent contradiction in X’s position“. Weiter wird auf S. 3 unter der Überschrift „Way forward“ die Bereitstellung verschiedener, näher spezifizierter Informationen binnen 14 Tagen verlangt.

Die anderweitige Auffassung der Klägerin kann nicht überzeugen. Soweit das Schreiben auf eine Kenntnis des Antrags auf Marktzulassung abstellt, lässt sich den Ausführungen insoweit noch kein eindeutiges Unterlassungsbegehren entnehmen. Gleiches gilt für die von der Klägerin herangezogene Formulierung: „As you are no doubt aware, our clients do not hesitate to enforce their intellectual property rights when they consider it appropriate for them to do so.“ Diese stellt zwar eine allgemeine Klagebereitschaft in den Raum. Gleichwohl ist sie weder auf ein konkretes beanstandetes Produkt noch auf ein bestimmtes Schutzrecht bezogen und enthält zudem die Einschränkung, dass ein gerichtliches Vorgehen im Einzelfall für angemessen gehalten wird, ohne dass für den Empfänger des Schreibens ersichtlich wäre, aufgrund welcher Kriterien dies im vorliegenden Fall beurteilt werden kann. Weiterer Erörterung des Schreibens vom 31. Mai 2017 bedarf es deswegen nicht.

b. Das Schreiben vom 28. Juni 2017 ist dahingegen – wie zwischen den Parteien auch unstreitig – als ein solcher Eingriff einzustufen.

Dieses zweite Schreiben fordert die Beklagte auf, von der Markteinführung von „E“-Generika-Produkten sofort Abstand zu nehmen und stellt im Falle der Nichtabgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unmittelbar ein gerichtliches Vorgehen gegen die Beklagte in Aussicht. Die Beklagte hat dieses Unterlassungsbegehren auch auf ihre Inhaberschaft der Europäischen Patente EP X, EPXund EP X gestützt und an die Klägerin als Inhaberin eines entsprechenden auf den Vertrieb von Medikamenten gerichteten Gewerbebetriebs gerichtet.

2. Die mit Schreiben vom 28. Juni 2017 erfolgte Abmahnung ist auch rechtswidrig.

Zwar ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht durch das Vorliegen des Eingriffs als solchem indiziert, sondern muss stets im Rahmen einer Interessen- und Güterabwägung festgestellt werden (BeckOGK/Spindler, 1.12.2023, BGB § 823 Rn. 214; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 370). Indes ist kein legitimes Interesse eines Schutzrechtsinhabers ersichtlich, einem Wettbewerber bei nicht bestehendem Schutzrecht ernsthaft und endgültig zur – nicht geschuldeten – Unterlassung aufzufordern. Damit fällt die Interessenabwägung vorliegend zugunsten der Klägerin als zu Unrecht abgemahnter Wettbewerberin aus und die mit Schreiben vom 28. Juni 2017 erfolgte Abmahnung ist rechtswidrig.

3. Die Beklagte hat mit Erteilung der Abmahnung, also dem Schreiben vom 28. Juni 2017, nicht schuldhaft gehandelt.

Verschulden im Rahmen der deliktischen Haftung setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus, § 823 Abs. 1 BGB. Bezugspunkt des Vorsatzes sind diejenigen Aspekte, welche die Eigenschaft der Abmahnung als rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründen. Vorliegend muss sich der Vorsatz demnach auch auf das spätere rückwirkende Wegfallen desjenigen Schutzrechtes, auf das die Abmahnung gestützt ist, erstrecken. Ein Vorsatz der Beklagten insoweit ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin bereits nicht behauptet. Die Beklagte hat indes hinsichtlich des mangelnden Rechtsbestandes der geltend gemachten Schutzrechte auch nicht fahrlässig gehandelt.

a. Auch fahrlässiges Handeln lässt sich nicht feststellen.

Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt aber ein (vermeintlicher) Gläubiger nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist (BGHZ 179, 238, 246). Dies würde dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren, da seine Berechtigung nur in einem Rechtsstreit sicher zu klären ist (BGHZ 179, 238, 246; BGH GRUR 2018, 832, 841 – Ballerinaschuh). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger vielmehr regelmäßig schon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist (BGH GRUR 2018, 832, 841 – Ballerinaschuh; vgl. BGHZ 179, 238, 246; BGH NJW 2011, 1063, 1065; NJW 2008, 1147, 1148). Dies gilt nicht nur hinsichtlich tatsächlicher Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts, sondern auch bei einer unklaren Rechtslage (BGH GRUR 2018, 832, 841 – Ballerinaschuh; NJW 2011, 1063, 1065; Staudinger/Caspers (2019) BGB § 276, Rn. 58). Ein Schutzrechtsinhaber setzt sich deshalb im Falle einer unberechtigten Verwarnung nicht dem Vorwurf schuldhaften Handelns aus, wenn er sich seine Überzeugung durch gewissenhafte Prüfung gebildet oder wenn er sich bei seinem Vorgehen von vernünftigen und billigen Überlegungen hat leiten lassen (BGH GRUR 2018, 832, 841 – Ballerinaschuh).

Art und Umfang der Sorgfaltspflichten desjenigen, der eine Abmahnung ausspricht, werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand seines Schutzrechtes vertrauen darf. Bei einem geprüften Schutzrecht kann vom Rechtsinhaber keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt werden, als sie der Erteilungsbehörde möglich war (BGH GRUR 2018, 832, 841 – Ballerinaschuh; GRUR 2006, 432, 433 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II). Konkret hat der Bundesgerichtshof ein Verschulden im Falle der Abmahnung aus einem wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Ergebnis nicht rechtsbeständigen Markenrechts verneint, weil das DPMA dieses absolute Eintragungshindernis im Erteilungsverfahren zu prüfen hatte und der Rechtsinhaber deswegen insoweit von der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts ausgehen konnte (BGH GRUR 2006, 432, 433 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II). Besondere Umstände mögen dem Abmahner im Einzelfall besondere Sorgfaltspflichten auferlegen (BGH GRUR 2006, 432, 433 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II).

Damit im Einklang stehen die Erwägungen des Bundesgerichtshofes (BGH GRUR 2006, 219, 222 – Detektionseinrichtung II), dass jedenfalls ein auf den Bestand des Patentes gestütztes Verhalten nicht stets schuldlos ist, sondern jedenfalls derjenige Patentinhaber, der weitergehende Erkenntnisse über den Stand der Technik als die Erteilungsbehörde hat, aber diese Kenntnisse entgegen § 34 Abs. 7 PatG zurückhält, sowie der Patentinhaber, dem möglicherweise der Schutzfähigkeit entgegenstehendes Material nachträglich bekannt geworden ist und der wusste, dass dieses Material der Schutzfähigkeit des Patents entgegensteht oder der sich diese Erkenntnis in vorwerfbarer Weise verschlossen hat, schuldhaft handeln kann.

Diese Fälle haben gemein, dass der Rechtsinhaber im fraglichen Zeitpunkt gegenüber der Erteilungsbehörde im Erteilungszeitpunkt einen Wissensvorsprung hat. Gerade dieser Wissensvorsprung als besonderer Umstand rechtfertigt es, dem Schutzrechtsinhaber im Einzelfall besondere Sorgfaltspflichten aufzuerlegen (vgl. BGH GRUR 2006, 432, 433 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II).

Ein Festhalten an vorstehendem Verschuldensmaßstab ist auch vor dem Hintergrund der zwischen den Parteien diskutierten neueren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.10.2023 – 2 U 124/22, GRUR-RS 2023, 29941 Rz. 86 ff. – Glatirameracetat) geboten. Das Oberlandesgericht hatte ein fahrlässiges Handeln bereits dann angenommen, wenn der Schutzrechtsinhaber bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass ein Widerruf des geltend gemachten Patents möglich ist. Im dortigen Fall war ein Rechtsbestandsverfahren anhängig. Das Oberlandesgericht hat diese Passage nicht zur Begründung einer Haftung herangezogen. Im dort zu entscheidenden Fall ging es vielmehr um eine verschuldensunabhängige Haftung aus § 945 ZPO. Das Oberlandesgericht hat ein entsprechendes Verschulden nur deshalb geprüft und schließlich bejaht, um die Frage einer Europarechtskonformität der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 945 ZPO vor dem Hintergrund der Enforcement-Richtlinie dahinstehenlassen zu können. Um einen solchen Sonderfall geht es hier nicht. Die entsprechenden Erwägungen sind zudem durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 11. Januar 2024, Rs. C-473/22 – Mylan AB/Gilead Sciences Finlan Oy u. a.) überholt.

Ein Fahrlässigkeitsmaßstab im deutschen Recht, der einen Vorwurf bereits daran knüpft, dass ein Widerruf des geltend gemachten Patents möglich erscheint, überspannt jedenfalls die an den (vermeintlichen) Rechtsinhaber gestellten Anforderungen und ist abzulehnen. Dieser Maßstab würde auch eine deutliche Verschärfung der bisher in der Rechtsprechung vertretenen Verschuldensmaßstäbe darstellen, die im Ergebnis nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr besteht insbesondere im Patentrecht, etwa aufgrund nachträglich aufgefundenen Standes der Technik, stets die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung in einem Rechtsbestandsverfahren. Damit liefe das Verschuldenserfordernis letztlich in diesen Fällen weitestgehend leer. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger vielmehr entsprechend den zuvor geschilderten Grundsätzen schon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel, mithin vertretbar, ist. Ob ihm eine Entscheidung zu seinen Ungunsten möglich erscheint, ist – bei sorgfältig geprüftem und vertretbarem eigenem Rechtsstandpunkt – ohne Belang. Ebenfalls als solches ohne Bedeutung bleibt, ob ein Rechtsbestandsverfahren gegen das erteilte Schutzrecht anhängig ist. Vielmehr ist in der Sache zu differenzieren. Ein im Rahmen des Rechtsbestandsverfahrens gegenüber dem Schutzrechtsinhaber erfolgter Vortrag, etwa hinsichtlich neu aufgefundenem und potentiell schädlichem Stand der Technik, kann ohne weiteres nach den vorstehend geschilderten Grundsätzen neue Pflichten des Rechtsinhabers zur sorgfältigen Prüfung seines Rechtsstandpunktes auslösen, bei deren Verletzung er ab diesem Zeitpunkt fahrlässig hinsichtlich des Rechtsbestandes seines Schutzrechts handelt.

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner grundsätzlichen Ausführungen dazu, ob sich ein Patentinhaber stets auf die rechtliche Einschätzung der Erteilungsbehörde bezüglich der von ihr zu prüfenden Erteilungsvoraussetzungen verlassen darf (in diese Richtung deutet indes BGH GRUR 2006, 432, 433 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II) und im Falle einer nachfolgenden abweichenden Einschätzung – bei nach wie vor gleichem Kenntnisstand des Patentinhabers wie der Erteilungsbehörde im Zeitpunkt der Erteilung – schuldlos hinsichtlich der Fehleinschätzung des Rechtsbestandes seines Schutzrechtes ist. Denn jedenfalls wenn die Erteilungsbehörde sich konkret mit bestimmten Erteilungsvoraussetzungen beschäftigt und diese bejaht hat oder bestimmte Erteilungsvoraussetzungen gerügt wurden und die Erteilung trotzdem erfolgte, darf sich der Rechtsinhaber unter Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auf diesen Rechtstandpunkt als vertretbar berufen. Insoweit kann von ihm keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt werden, als sie der Erteilungsbehörde möglich war.

b. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus einer Gesamtschau der vorgetragenen Anhaltspunkte, dass die Beklagte auf die Rechtsbeständigkeit ihres Schutzrechtes vertrauen durfte.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Erteilungsverfahren des EP X Dritte Einwendungen hinsichtlich der Patentierbarkeit gestützt auf einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 EPÜ erhoben haben. Der Gegenstand des EP X sei nicht unmittelbar und eindeutig in der Stammanmeldung offenbart. Dies betraf – zwischen den Parteien unstreitig – auch Aspekte, die letztlich im Einspruchsverfahren zum Widerruf des erteilten EP X wegen Verstoßes gegen Art. 76 Abs. 1 EPÜ führten.

Nichtsdestotrotz hat in Ansehung dieser Umstände die Erteilungsbehörde das EP X erteilt. Soweit die Klägerin vorträgt, die Einwendungen seien, obgleich Aktenbestandteil, inhaltlich nicht geprüft worden, so gibt es hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Hierauf kommt es auch nicht an. Vielmehr darf sich der Schutzrechtsinhaber jedenfalls hinsichtlich im Erteilungsverfahren erhobener Einwände, die eine Erteilung nicht hinderten, auf die Rechtseinschätzung der Erteilungsbehörde verlassen.

Im Erteilungsverfahren der EPX und EP X sind zwar keine vergleichbaren Einwände erhoben worden. Indes sind die EP X, EPX und EP X sämtlich aus derselben Stammanmeldung abgezweigt. Schon mit Blick auf die im Erteilungsverfahren des EP X geltend gemachten Einwendungen konnte und musste die Beklagte damit rechnen, dass sich die Prüfungsabteilung auch hinsichtlich der von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen des Art. 76 Abs. 1 EPÜ bei den EPX und EP X, die derselben Patentfamilie angehören, mit dem Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung auseinandersetzt, zumal eine Erteilung durch dieselben Personen erfolgte. Die Einwendungen im Erteilungsverfahren des EP X wurden auch zeitlich vor der Erteilung des EPX vorgetragen. Die Entscheidung zur Veröffentlichung des EP X datiert auf den 20. Oktober 2016, die der EPX und EP X jeweils auf den 13. April 2017. Gleiches gilt hinsichtlich des EP X. Die Gründe für den Widerruf sind, wie zwischen den Parteien unstrittig, beim EPX und EP X identisch. Darf die Beklagte als Schutzrechtsinhaberin darauf vertrauen, dass ihre Rechtsauffassung hinsichtlich des EPX– in Übereinstimmung mit der Erteilungslage – durchgreift, so gilt gleiches für sich beim EP X in identischer Weise stellenden Rechtsfragen.

Damit durfte die Beklagte vorliegend in Übereinstimmung mit der von der Erteilungsbehörde zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung auf den Bestand ihrer Schutzrechte vertrauen. Ein Verschulden ist soweit nicht gegeben.

Bestätigt wurde das Vertrauen der Beklagten in ihre Rechtsauffassung im vorliegenden Fall überdies dadurch, dass sie im Zeitpunkt der Abmahnung auch bereits zwei einstweilige Verfügungen mit den streitgegenständlichen Patenten erwirkt hatte.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an Finanzierungsbank auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam

BGH
Urteil vom 03.07.2023
VIa ZR 155/23


Der BGH hat entschieden, dass die formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an die Finanzierungsbank auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet erneut in einem Dieselverfahren über die Unwirksamkeit der
formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen des Käufers an die Finanzierungsbank (hier: Unwirksamkeit
der Abtretungsklausel auch gegenüber Unternehmern)

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und auch dann unwirksam ist, wenn der Käufer nicht Verbraucher, sondern Unternehmer ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in zwei Kraftfahrzeugen auf Schadensersatz in Anspruch.

Am 20. August 2018 und am 11. März 2019 kaufte der Kläger unter seiner Firma von der Beklagten jeweils einen Neuwagen. Die Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger in beiden Fällen mittels eines Darlehens bei einer Bank. Den Darlehensverträgen lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank für Unternehmer zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 und 2 ein. […]

[…]

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

- […]

- […]

- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.

- gegen die […] [Beklagte], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

[…]

5. Rückgabe der Sicherheiten

Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat die Bank auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach ihrer Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche der Bank überschreitet. […]"

Der Kläger hat die Beklagte in erster Instanz in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens der Fahrzeuge auf Zahlung an sich, Freistellung von seinen Darlehensverbindlichkeiten, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, der zu dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Einspruch eingelegt und den Rechtsstreit nach Veräußerung der Fahrzeuge an einen Dritten mit Ausnahme seiner Anträge auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit seiner vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge stützt. Die Beklagte hat sich im Verlauf des Revisionsverfahrens der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts zu den noch rechtshängigen Anträgen auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen zulasten des Klägers begangener unerlaubter Handlungen aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei erkannt, bei den Sicherungsabtretungen von Ansprüchen gegen die Beklagte "gleich aus welchem Rechtsgrund" handele es sich um vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Bestandteil der Darlehensverträge geworden seien. Weiter im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Klauseln als nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig erachtet. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die Klauseln, die der Bundesgerichtshof ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auslegen kann, sind so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfassten sie sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte. Einbezogen sind auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz, die dem Kläger und Darlehensnehmer bei der Verwendung der gekauften Fahrzeuge entstehen. Die Klauseln erfassen damit in Abweichung von der gesetzlichen Regelung auch Rentenansprüche aus § 843 BGB bzw. aus § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB im Falle einer aus der Verwendung der Fahrzeuge entstehenden Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung. Solche Ansprüche sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bis zu einer anderslautenden Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht nicht pfändbar und damit nach § 400 BGB nicht abtretbar.

Das Berufungsgericht hat aber unzutreffend angenommen, die Abtretungsklauseln seien wirksam, so dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei. Das Berufungsgericht hat dabei übersehen, dass die Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne Wertungsmöglichkeit nicht standhalten. Sie weichen zulasten des Klägers von zwingenden Vorschriften ab. Unerheblich ist, ob der Kläger als Unternehmer oder als Verbraucher gehandelt hat. Die § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB sind zwingendes Recht. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist auch auf Renten anwendbar, die Selbständigen gezahlt werden. Insoweit ist der persönliche Schutzbereich weiter als sonst bei Regeln über die Pfändung von Arbeitseinkommen.

Die wegen ihrer Abweichung von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB ohne Wertungsmöglichkeit unwirksamen formularmäßigen Sicherungsabtretungen sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung können nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche auf Zahlung von Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig ist. Die Klauseln können auch nicht in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung nunmehr in der Sache zu klären haben, ob die Beklagte dem Kläger aus unerlaubter Handlung haftet.

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 400 Ausschluss bei unpfändbaren Forderungen

Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.

§ 843 Geldrente oder Kapitalabfindung

(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.

(2) 1Auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. 2Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.

(3) Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(4) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.

Die maßgebliche Vorschrift des Produkthaftungsgesetzes lautet:

§ 9 Schadensersatz durch Geldrente

(1) Der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen vermehrter Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach § 7 Abs. 2 einem Dritten zu gewährende Schadensersatz ist für die Zukunft durch eine Geldrente zu leisten.

(2) § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden.

Die maßgebliche Vorschrift der Zivilprozessordnung lautet:

§ 850b Bedingt pfändbare Bezüge

(1) Unpfändbar sind ferner

1. Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind;

[…]

(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Das Vollstreckungsgericht soll vor seiner Entscheidung die Beteiligten hören.

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Oktober 2021 – 18 O 58/21

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 1. Februar 2023 – 23 U 4323/21



BGH: Formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an Finanzierungsbank unwirksam

BGH
Urteil vom 24. April 2023
VIa ZR 1517/22


Der BGH hat entschieden, dass die formularmäßige Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers im Dieselskandal an die Finanzierungsbank unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof entscheidet über die Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung von Ansprüchen
des Käufers an die Finanzierungsbank in einem Dieselverfahren

Der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2021 vom 22. Juli 2021) hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Finanzierungsbank enthaltene Klausel über die Sicherungsabtretung von Ansprüchen des Käufers und Darlehensnehmers gegen den Verkäufer und Hersteller eines Dieselfahrzeugs Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung erfasst und unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Im März 2019 erwarb der Kläger von der Beklagten als Verkäuferin einen Mercedes GLC 250 für 55.335,89 € als Neuwagen. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse EURO 6) ausgestattet Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 9.140 € an die Beklagte. Den Kaufpreis finanzierte er im Übrigen in Höhe von 46.195,89 € teilweise noch valutierend bei einer Bank (künftig Darlehensgeberin). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Dort hieß es unter anderem:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt dem Darlehensgeber zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1-3 ein. […]

[…]

3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an den Darlehensgeber ab, […] [der] diese Abtretung annimmt:

[…]

- gegen die [Beklagte] […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

[…]

6. Rückgabe der Sicherheiten

Der Darlehensgeber verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. […] 3) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat der Darlehensgeber auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach […] [seiner] Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche des Darlehensgebers überschreitet […]"

Der Kläger hat die Beklagte in den Vorinstanzen unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag und unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs auf Zahlung nebst Verzugszinsen an sich sowie auf Freistellung von restlichen Darlehensraten, Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Rückübereignung des Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Weiter hat er auf Feststellung des Annahmeverzugs und die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten angetragen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seine zweitinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt, soweit er sie auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei erkannt, bei der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte "gleich aus welchem Rechtsgrund" handele es sich um eine vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung, die Bestandteil des Darlehensvertrags geworden ist. Es hat aber unzutreffend angenommen, die Abtretungsklausel sei wirksam, so dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei.

Die Abtretungsklausel ist so zu verstehen, mit Ausnahme von Gewährleistungsansprüchen aus Kaufvertrag erfasse sie jedenfalls sämtliche mit dem Erwerb des Fahrzeugs in Zusammenhang stehenden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte. Damit sind auch solche Forderungen erfasst, die dem Darlehensnehmer als Verbraucher im Rahmen des von § 355 Abs. 3 Satz 1, § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB geregelten Rückabwicklungsverhältnisses nach Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung gegen die Beklagte erwachsen.

So verstanden hält die Abtretungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 361 Abs. 2 Satz 1, § 355 Abs. 3 Satz 1, § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ohne Wertungsmöglichkeit nicht stand, weil sie zulasten des Klägers als Verbraucher und Vertragspartner zweier verbundener Verträge von zu seinen Gunsten zwingenden Vorschriften abweicht.

Nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Darlehensgeberin geltenden Fassung findet in Fällen, in denen wie hier der Kaufvertrag über das Fahrzeug und der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB darstellen, im Falle des Widerrufs unter anderem § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB Anwendung, demzufolge die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren sind. Dabei tritt nach § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher (hier dem Darlehensnehmer und Käufer) hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag (hier des Verkäufers) ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer (hier dem Verkäufer) bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ordnet unter der Voraussetzung, dass das Darlehen bereits an den Unternehmer (hier den Verkäufer) geflossen ist, eine gesetzliche Schuldübernahme bzw. einen gesetzlichen Schuldnerwechsel und einen Anspruchsübergang an. Infolge dieser gesetzlichen Schuldübernahme ist der Darlehensgeber aufgrund der (halb-)zwingenden Vorgabe des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB zugunsten des Verbrauchers (hier des Darlehensnehmers und Käufers) mit dem Wirksamwerden des Widerrufs verpflichtet, eine aus eigenen Mitteln des Darlehensnehmers und Käufers an den Unternehmer (hier den Verkäufer) geleistete Anzahlung an den Darlehensnehmer zu erstatten.

Die von der Darlehensgeberin in den Darlehensvertrag eingeführte Abtretungsklausel weicht von diesen zugunsten des Klägers zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab. Sie führt in Fällen, in denen die Beklagte als Verkäuferin den Kaufpreis vereinnahmt hat, das Widerrufsrecht aber noch fortbesteht und vom Käufer und Darlehensnehmer später ausgeübt wird, dazu, dass der Käufer und Darlehensnehmer entgegen § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB eine von ihm aus eigenen Mitteln erbrachte Anzahlung auch dann nicht einredefrei herausverlangen oder mit einem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung auch dann nicht gegen einen Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz aufrechnen kann, wenn er seiner gesetzlichen Vorleistungspflicht auf Rückgabe des Fahrzeugs genügt hat. Denn auch in diesem Fall dient die zunächst gegen die Beklagte begründete und im Wege des Schuldnerwechsels gegen die Darlehensgeberin fortbestehende Forderung auf Rückgewähr der Anzahlung, wenn sie nicht schon wegen einer Vereinigung von Schuldner und Gläubiger der Forderung erlischt, nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin der Sicherung aller Ansprüche der Darlehensgeberin und damit im Falle des Widerrufs auch der Sicherung eines vom Verkäufer auf die Darlehensgeberin übergeleiteten Anspruchs auf Wertersatz. Der aufgrund der Sicherungsabtretung nicht aktivlegitimierte Käufer und Darlehensnehmer müsste daher auch dann, wenn er seiner Vorleistungspflicht im Hinblick auf das Fahrzeug genügt hätte, mit der Leistung von Wertersatz wegen der Nutzung des Fahrzeugs in Vorleistung treten, ohne sich nach dem Fälligwerden seiner Forderungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis von dieser Leistungspflicht durch eine Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung befreien zu können. Darin läge mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel eine Verschlechterung der Position des Käufers und Darlehensnehmers gegenüber den gesetzlichen Vorgaben zur Rückabwicklung verbundener Verträge nach Widerruf.

Die wegen ihrer Abweichung von der zugunsten des Klägers als Käufer und Darlehensnehmer zwingenden gesetzlichen Vorgabe ohne Wertungsmöglichkeit unwirksame formularmäßige Sicherungsabtretung sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung kann nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf und damit solche aus einer unerlaubten Handlung der Beklagten wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig ist. Darauf, dass der Kläger hier seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen hat, sondern aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte vorgeht, kommt es nicht an. Die Klausel ist zu weit gefasst. Damit ist sie insgesamt unwirksam und der Kläger ohne Rücksicht auf einen Widerruf möglicher Inhaber von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte.

Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung nunmehr in der Sache zu klären haben, ob die Beklagte dem Kläger aus unerlaubter Handlung haftet.

Die maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs lauten:

§ 134 Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen

[…]

(3) 1Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. […]

§ 358 Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag (Fassung vom 11. März 2016)

[…]

(4) 1Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b entsprechend anzuwenden. […] 5Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.

§ 361 Weitere Ansprüche, abweichende Vereinbarungen und Beweislast

[…]

(2) 1Von den Vorschriften dieses Untertitels darf, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. […]

Vorinstanzen:

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 8. April 2021 – 24 O 283/20
Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 28. September 2022 – 23 U 2239/21


EuGH: Bei Schummeldiesel-Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung kann auch bei Fahrlässigkeit ein Schadensersatzanspruch gegen Hersteller bestehen - Anrechnung von Nutzungsvorteilen

EuGH
Urteil vom 21.03.2023
C-100/21
Mercedes-Benz Group (Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen)


Der EuGH hat entschieden, dass bei Schummeldiesel-Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung auch bei Fahrlässigkeit ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller bestehen kann, wobei Nutzungsvorteile ggf. anzurechnen sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Der Käufer eines Kraftfahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hat gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist

Neben allgemeinen Rechtsgütern schützt das Unionsrecht auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Das Landgericht Ravensburg (Deutschland) ist mit der Schadensersatzklage einer Privatperson (QB) gegen Mercedes-Benz Group befasst. Diese Klage ist auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den Mercedes-Benz Group dadurch verursacht haben soll, dass sie das von QB erworbene Dieselkraftfahrzeug mit einer Software ausgerüstet habe, mit der die Abgasrückführung verringert wird, wenn die Außentemperaturen unter einem bestimmten Schwellenwert liegen. Eine solche Abschalteinrichtung, die höhere Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen zur Folge habe, sei nach der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen verboten.

Im deutschen Recht kann bei einfacher Fahrlässigkeit ein Schadensersatzanspruch gegeben sein, wenn gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstoßen wurde. Daher fragt das deutsche Gericht den Gerichtshof, ob die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) in Verbindung mit der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie die Einzelinteressen eines individuellen Käufers eines solchen Fahrzeugs schützen. Was die Berechnung des QB eventuell geschuldeten Schadensersatzes betrifft, möchte das Landgericht Ravensburg außerdem wissen, ob es für die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist, dass eine Anrechnung von Nutzungsvorteilen auf diesen Schadensersatzanspruch unterbleibt oder nur in eingeschränktem Umfang erfolgt.

In seinem Urteil erläutert der Gerichtshof zunächst, dass es Sache des deutschen Gerichts ist, die Tatsachenfeststellungen zu treffen, die für die Feststellung erforderlich sind, ob die in Rede stehende Software als Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 einzustufen ist und ob ihre Verwendung gemäß einer der Ausnahmen gerechtfertigt werden kann, die diese Verordnung vorsieht.

Was die Rechtsgüter betrifft, die neben dem allgemeinen Ziel, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen, durch die Verordnung Nr. 715/2007 geschützt werden, berücksichtigt der Gerichtshof den weiteren Regelungsrahmen für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen innerhalb der Union, in den sich diese Verordnung einfügt. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass Fahrzeuge gemäß der Rahmenrichtlinie einer EG-Typgenehmigung bedürfen, die nur erteilt werden kann, wenn der Fahrzeugtyp den Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2007, insbesondere denen über Emissionen, entspricht. Darüber hinaus sind die Fahrzeughersteller nach der Rahmenrichtlinie verpflichtet, dem individuellen Käufer eine Übereinstimmungsbescheinigung auszuhändigen. Mit diesem Dokument, das u. a. für die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs vorgeschrieben ist, wird bestätigt, dass dieses Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entspricht. Durch die Übereinstimmungsbescheinigung lässt sich somit ein individueller Käufer eines Fahrzeugs davor schützen, dass der Hersteller gegen seine Pflicht verstößt, mit der Verordnung Nr. 715/2007 im Einklang mit stehende Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.

Diese Erwägungen führen den Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Rahmenrichtlinie eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellt, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt. Dementsprechend schützen nach Auffassung des Gerichtshofs die Bestimmungen der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit denen der Verordnung Nr. 715/2007 neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Die Mitgliedstaaten müssen daher vorsehen, dass der Käufer eines solchen Fahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat.

In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines Schadensersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen. Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass die nationalen Rechtsvorschriften es nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, für den dem Käufer entstandenen Schaden einen angemessenen Ersatz zu erhalten. Es kann auch vorgesehen werden, dass die nationalen Gerichte dafür Sorge tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt. Im vorliegenden Fall wird das Landgericht Ravensburg zu prüfen haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs durch QB diesem eine angemessene Entschädigung für den Schaden gewährleistet, der ihm tatsächlich durch den Einbau einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Abschalteinrichtung in sein Fahrzeug entstanden sein soll.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Brandenburg: Inhaber einer SIM-Karte haftet für unbefugte Nutzung für Telefondienstleistungen durch Dritte - Rechtsprechung zum ec-Kartenmissbrauch auch auf SIM-Karten anzuwenden

OLG Brandenburg
Urteil vom 11.09.2014
5 U 105/13


Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass der Inhaber einer SIM-Karte für die unbefugte Nutzung für Telefondienstleistungen durch Dritte haftet. Das OLG Brandenburg wendet insoweit die Rechtsprechung zur missbräuchlichen Verwendung von ec-Karten auch auf SIM-Karten an.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Landgerichts aber auch das Entgelt für die Telefondienstleistungen zu, die auf die SIM-Karte mit der Nr. 49351541 entfallen, so dass sie insgesamt die mit den Rechnungen vom 6. Januar 2009 (5.126,81 € und 346,61 €), 3. Februar 2009 (1.013,27 € und 375,62 €), 5. März 2009 (27,44 €), 5. April 2009 (53,82 €) und 4. Mai 2009 (12,74 €) geltend gemachte Forderung von 6.956,31 € vom Beklagten verlangen kann.

Soweit Telefondienstleistungen auf die vorgenannte SIM-Karte entfallen, kann die Klägerin diese gemäß 12.3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangen, weil diese durch eine unbefugte Nutzung der Karte entstanden sind, die der Beklagte zu vertreten hat. Diese Klausel ist wirksam, es handelt sich insbesondere nicht um eine Verpflichtung zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes (BGHZ 188, 351 ff.). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für den Bereich der missbräuchlichen Verwendung von ec-Karten anerkannt, dass eine bereits das Merkmal der groben Fahrlässigkeit erfüllende Verwahrung vorliegt, wenn ein Unbefugter ec-Karte und Geheimnummer in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss (BGHZ 145, 337).

Eine solche gemeinsame Verwahrung auf Veranlassung des Beklagten liegt hier vor. Die Mutter des Beklagten hat im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bekundet, von ihrem Sohn die SIM-Karte mit der Maßgabe erhalten zu haben, sie zu benutzen, wenn sie wolle. Die dazugehörige PIN habe er auf die Karte geschrieben. Diese Bekundung hat sich die Klägerin ausdrücklich zu Eigen gemacht, der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

Der Beklagte hat danach die PIN fest mit der SIM-Karte verknüpft, ein Unbefugter musste sich nur noch in den Besitz der SIM-Karte setzen, um unbefugt die Telefondienstleistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Hieran vermag auch der Einwand des Beklagten, eine SIM-Karte sei wesentlich kleiner als eine ec-Karte nichts zu ändern. Der Vorwurf der fahrlässigen Verwahrung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung knüpft nicht an die Größe der Karte an, sondern an die Möglichkeit eines Unbefugten, in einem Zugriff sowohl die Karte als auch die zu ihrer Nutzung erforderliche PIN zu erlangen. Diese Möglichkeit hat der Beklagte dem Dritten eröffnet."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: