LG Bamberg
Urteil vom 15.03.2024 13 O 730/22 UKlaG
Das LG Bamberg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung und die Vorgehensweise von Fitnessstudios als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Die von Klägerseite geltend gemachten Ansprüche sind auch begründet. Dem Kläger steht gem. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. Nr. 2 und Nr. 3, S. 3 UWG i.V.m.§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG bzw. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F. der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
1. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG a.F. i.V.m. der Liste der qualifizierten Einrichtungen des Bundesamts für Justiz aktivlegitimiert, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F., § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG.
Er ist ein in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG a.F. eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es unter anderem gehört, als Interessenvertreter der Verbraucher Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, das AGB-Recht und andere dem Schutz der Verbraucher dienende gesetzliche Bestimmungen, auch durch Einleitung gerichtlicher Maßnahmen, zu verfolgen.
2. Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine unzulässige aggressive geschäftliche und damit unlautere Handlung i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 und Nr. 3, S. 3 UWG dar.
2.1. Die Aufforderung an die Mitglieder der Fitness-Studios, das Drehkreuz zu durchschreiten und damit der geforderten Beitragserhöhung zuzustimmen, ist eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG.
Danach ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Ein objektiver Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu beeinflussen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.23). Insofern spricht eine Vermutung für die geschäftliche Relevanz, welche von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, § 4a Rn. 1.36).
Die an ihre Mitglieder gerichtete Aufforderung der Beklagten, sich mit dem Durchschreiten des Drehkreuzes darüber zu erklären, ob diese mit der künftigen Geltung der neuen Beiträge einverstanden sind und diesen zustimmen, stellt eine geschäftliche Handlung der Beklagten dar, da dadurch eine geschäftliche Entscheidung der Verbraucher nicht nur beeinflusst, sondern ausdrücklich gefordert wird, nämlich die Zustimmung zu einer Beitragserhöhung.
2.2. § 4a Abs. 1 UWG fordert, dass das Unternehmen ein bestimmtes Mittel der Beeinflussung verwendet. Vorliegend ist insofern sowohl der Tatbestand einer unzulässigen Beeinflussung (§ 4 a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG) als auch der einer Nötigung (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG) gegeben.
2.2.1. Gemäß § 4a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte (Satz 1). Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch Belästigung, Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder unzulässige Beeinflussung (Satz 2). Insofern ist anhand der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, welches der abschließend aufgezählten möglichen Mittel der Beeinflussung vorliegt und wie es sich auf die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers auswirkt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.28).
2.2.2. Die bloße Abgabe eines Angebots zu einem Vertragsabschluss ist nicht zu beanstanden, da sie dem Verbraucher lediglich eine Gelegenheit zu einem Vertragsabschluss verschafft. Der aggressive Charakter einer derartigen geschäftlichen Handlung kann sich daher nur aus dem Vorgehen des Unternehmers ergeben, den Verbraucher zur Annahme des Angebots zu bewegen, ergeben.
2.2.3. Die von Beklagtenseite gewählte Vorgehensweise erfüllt die Kriterien einer unzulässigen Beeinflussung, § 4 a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, S. 3 UWG.
Um das Fitness-Studio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich eine Machtposition der Fitness-Studio-Inhaber ergibt, unter welchen Bedingungen die Mitglieder das Fitness-Studio betreten dürfen. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Mit Einführung der Zustimmung zur Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes durch die Beklagte standen die Mitglieder vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Fitness-Studio betreten zu können, oder nicht trainieren zu können. Mit dem Durchschreiten des Drehkreuzes hatte man der Beitragserhöhung zunächst zugestimmt. Auf diese Weise wurde von Seiten der Beklagten Druck auf die Mitglieder ausgeübt und wurde von ihnen ad-hoc eine Entscheidung über die künftigen Modalitäten ihres bereits bestehenden Mitgliedsvertrags abverlangt.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass diese Aufforderung, der Beitragserhöhung mittels Durchschreiten des Drehkreuzes zuzustimmen, vielen Mitgliedern erstmaligen mit Betreten des Fitness-Studios bekannt gemacht worden sein dürfte. Zwar wurde von Beklagtenseite behauptet, alle Mitglieder seien per Mail auf die bevorstehende Beitragserhöhung hingewiesen worden. Jedoch ist selbst in diesem Fall nicht gewährleistet, dass alle Fitness-Studio-Mitglieder vor der Konfrontation mit den Aufstellern am Drehkreuz diese E-Mails auch tatsächlich erhalten und gelesen haben. Sie waren daher nicht vorbereitet auf die ihnen konkludent abverlangte Willenserklärung unmittelbar vor dem Betreten des Fitness-Studios. Dies gilt um so mehr, als der Besuch eines Fitness-Studios eine Freizeitaktivität darstellt, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.
2.2.4. Die Vorgehensweise der Beklagte erfüllt zugleich den Begriff der Nötigung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG. Der Begriff ist unionsrechtlicher Natur und daher einheitlich und autonom auszulegen, weshalb unter einer Nötigung die Anwendung körperlicher Gewalt oder psychischen Zwangs zu verstehen ist und muss der auf den Kunden ausgeübte Druck so stark sein, dass dieser entweder keine Wahl hat, sich anders zu entscheiden, oder zumindest seine Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.30 f., 1.48).
Der Kunde steht vorliegend unter dem Druck der erzwungenen Entscheidung, entweder der Beitragserhöhung zuzustimmen oder nicht zu trainieren. Situationsabhängig kann der Druck noch steigen, wenn sich am Drehkreuz hinter dem Mitglied ein Stau gebildet hat oder wenn das Mitglied sich als Teil einer Gruppe zum Fitness-Studio begeben hat, um gemeinsam zu trainieren. Dann vervielfacht sich der Druck auf das einzelne Mitglied, da es seine Entscheidung das Drehkreuz nicht zu durchschreiten nicht nur vor sich selbst rechtfertigen, sondern sich zusätzlich gegen den Gruppendruck stemmen muss.
2.3. Die aggressive geschäftliche Handlung muss geeignet sein, die Entscheidungsfreiheit des Adressaten zu beeinträchtigen, d.h. der von ihr ausgehende Druck muss nach Art oder Umfang so stark sein, dass objektiv wahrscheinlich ist, dass sich der Kunde ihm tatsächlich oder voraussichtlich nicht mehr entziehen kann, wobei maßgebend die wahrscheinliche Reaktion eines Durchschnittskunden der jeweils angesprochenen Zielgruppe ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 4 a Rn. 1.32 m.w.N.). Eine erhebliche Beeinträchtigung ist immer dann anzunehmen, wenn ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer kritischer (bzw. verständiger) Durchschnittsverbraucher oder durchschnittlicher sonstiger Marktteilnehmer davon ausgeht, dass er sich dem von dem Mittel ausgehenden Druck nicht entziehen kann und daher zumindest ernsthaft in Erwägung zieht, die von ihm erwartete geschäftliche Entscheidung zu treffen bzw. sich in der erwarteten Weise zu verhalten, um die ihm sonst drohenden Nachteile abzuwenden. Dabei muss das eingesetzte Mittel von einer gewissen Intensität oder Nachhaltigkeit sein (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.34).
Vorliegend war es gerade Sinn und Zweck der Maßnahme, die Kunden zu einer ad-hoc-Zustimmung zur Beitragsanpassung zu veranlassen, indem sie vor die Wahl gestellt wurden, entweder der Beitragserhöhung zuzustimmen und – jedenfalls zunächst einmal – das Fitness-Studio nicht betreten zu dürfen. Insofern wird auf die Ausführungen unter 2.2. verwiesen.
2.4. Die aggressive geschäftliche Handlung muss außerdem geeignet sein, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit muss für die Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung ursächlich sein, wobei eine widerlegliche Vermutung für diese Ursächlichkeit spricht. Denn nach der Lebenserfahrung ist es kaum vorstellbar, dass eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nicht zu einer Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers führt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4a Rn. 1.36).
Diese Vermutung wurde nicht widerlegt. Vielmehr wurden unstreitig zahlreiche Kunden durch das Druckmittel der unzulässigen Beeinflussung und Nötigung veranlasst einer Preiserhöhung zuzustimmen.
2.5. An der Einstufung des geschäftlichen Verhaltens der Beklagten als aggressiv ändert auch der Umstand nichts, dass die Kunden nachträglich die Möglichkeit hatten, der Beitragserhöhung zu widersprechen. Denn zunächst einmal waren sie gezwungen, ihre Zustimmung zu erteilen, um das Fitness-Studio betreten zu können. Sie mussten aktiv werden, um sich aus dieser eingegangenen Verpflichtung wieder zu lösen. Dabei bleibt aus dem angegriffenen Text unklar, welche Konsequenzen es für die Mitglieder hat, wenn sie ihre Zustimmung widerrufen. Zwar heißt es, sie könnten unverändert weiter trainieren, aber nur, wenn man sich vor dem nächsten Studiobesuch beim Customer Service meldet. Gerade durch diese Verknüpfung über ein „aber“ mit einer Meldepflicht beim Customer Service entsteht der Eindruck, dass die Ablehnung der Preiserhöhung nicht näher genannte, aber womöglich auch negative Konsequenzen haben wird.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass zahlreiche Mitglieder gerade diese Sorge gehabt haben und daher von einem Widerruf ihrer Zustimmung abgesehen haben. Denn was für einen Sinn macht eine auf diese Weise erzwungene Zustimmung, wenn man sie ohne jegliche Konsequenz sofort widerrufen kann?
2.6. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Mitglieder gleichzeitig mit der Beitragserhöhung zusätzliche Leistungen erhalten haben. Denn auch diese wären ihnen aufgezwungen worden.
3. Die Vorgehensweise der Beklagten verstößt außerdem gegen gesetzliche Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG a.F. i.V.m. §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB (vgl. auch BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20; LG Hannover, Urteil vom 28.11.2022, 13 O 173/22).
3.1. Die von Beklagtenseite verwendeten Formulierungen zur Zustimmung zur Beitragsanpassung sind allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbestimmungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei stellt. Der Begriff der allgemeinen Geschäftsbedingung setzt damit eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll. Für die Unterscheidung von allgemeinen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt demnach vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden, wobei auf den rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 404/12, Rn. 23 f.).
Vorliegend legt die Beklagte durch eine für alle ihre Mitglieder vorformulierte Regelung fest, dass dem Durchschreiten des Drehkreuzes eine bestimmte Bedeutung zu kommt, nämlich die einer Zustimmungserklärung, und dass sich dadurch deren Mitgliedsverträge ändern. Die mit der Klage angegriffenen Formulierungen stellen vor diesem Hintergrund allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Ein Aushandeln im Einzelnen ist nicht gegeben.
3.2. Die angegriffenen Klauseln weichen von dem wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB ab.
Die von der Beklagten verwendete Klausel knüpft an ein bestimmtes Verhalten die Bedeutung einer Zustimmungserklärung und fingiert damit letztendlich das Zustandekommen eines Konsenses hinsichtlich der Vertragsänderung. Dieses Vorgehen der Beklagten weicht jedoch von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, wonach sowohl ein Vertragsschluss als auch eine Vertragsänderung durch zwei, ggf. auch konkludente übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen.
3.3. Diese Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wobei eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders vermutet wird, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist (BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 24 juris).
Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 24 juris).
Vorliegend ist die Vermutung jedoch nicht widerlegt. Die Beklagte darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes einen Zustimmungswillen der Mitglieder zum Ausdruck bringt. Denn, wie bereits ausgeführt, geht es diesen beim Durchschreiten des Drehkreuzes vorrangig darum, ihr vertraglich vereinbartes Recht wahrzunehmen und zu trainieren und nicht darum, einer für sie nachteiligen Preiserhöhung zuzustimmen. Für diesen Fall hat sich die Beklagte mit Hilfe von AGB eine Handhabe geschaffen, um die Verträge einseitig umzugestalten. Dies ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Gleichzeitig ist die Möglichkeit des Widerspruchs kein geeignetes Mittel, um den Schutzzweck der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB auf vergleichbare Weise zu gewährleisten. Auch hier ändert daher der Umstand, dass die Mitglieder der Vertragsänderung widersprechen können, nichts an der Unzulässigkeit des Vorgehens der Beklagten. Denn der Verbraucher muss aktiv werden, um die herbeigeführte Vertragsänderung wieder zu beseitigen. Die Gründe, aus denen er untätig bleibt, können vielfältig sein und haben letztlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vertragsänderung. Insofern wird auf die Ausführungen unter 2.5. verwiesen (vgl. auch BGH Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, Rn. 26 juris).
4. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr liegt ebenfalls vor.
Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 226/13). Vorliegend ergibt sich die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte den Unterlassungsanspruch negiert und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat. Es ist daher davon auszugehen ist, dass auch künftig mit ähnlichen Methoden Beitragserhöhungen oder ähnliche Vertragsänderungen durchgesetzt werden könnten. Denn die Wiederholungsgefahr beschränkt sich nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8 Rn. 1.43).
5. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten ergibt sich aus §§ 13 Abs. 3 UWG, 5 UKlaG a.F., der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 BGB.
OVG Schleswig-Holstein
Beschluss vom 13.07.2022 4 LA 11/20
Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Videoüberwachung von Trainingsfläche, Herrenumkleide und Sitzbereich durch ein Fitnessstudio unzulässig ist.
Aus den Entscheidungsgründen: 1. Ernstliche Zweifel an der angegriffenen Entscheidung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten zumindest insoweit infrage gestellt werden, dass der Erfolg des Rechtsmittels bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg. Ferner ist darzulegen, dass und aus welchen Gründen das verwaltungsgerichtliche Urteil auf diesen – aus Sicht der Klägerin fehlerhaften – Erwägungen beruht, d. h. die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein (stRspr des Senats, vgl. Beschl. v. 11.03.2021 – 4 LA 241/19 –, juris Rn. 4; Beschl. v. 27.01.2021 – 4 LA 165/19 –, juris Rn. 4 m. w. N.). Dies leistet das Zulassungsvorbringen nicht.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Verfügung des Beklagten vom 19. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2017, mit dem er der Klägerin aufgab, es zu unterlassen, den Bereich der Herrenumkleide (Kamera CH-02 und CH-03), den Bereich der Trainingsfläche (Kamera CH-05 und CH-06) sowie den Aufenthaltsbereich und die Sitzgelegenheiten bei der Getränkezapfanlage (Kamera CH-07) während der Öffnungszeiten ihres Fitnessstudios in Pinneberg mittels optisch-elektronischer Einrichtungen zu beobachten und Bildaufzeichnungen anzufertigen, sowie gespeicherte Aufzeichnungen zu vernichten, seine rechtliche Grundlage in „§ 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F.“ finde. Nach dieser Vorschrift habe die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreift, um den datenschutzrechtlich gebotenen Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung sinngemäß ferner zugrunde gelegt, dass die streitbefangene Anfertigung von Videoaufnahmen in den genannten Bereichen gegen § 4 Abs. 1 BDSG a.F. verstoße, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig sei, soweit das Bundesdatenschutzgesetz a.F. oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaube oder anordne oder der Betroffene eingewilligt habe. Bei den Videoaufzeichnungen, die hier der Identifikation der Personen dienten, handele es sich um personenbezogene Daten, die durch die Aufzeichnung verarbeitet und ggf. genutzt würden. Eine Einwilligung der Besucher des Fitnessstudios sei nicht gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren ausgeführt, dass die hier in Streit stehende Datenverarbeitung auch nicht gemäß § 6b BDSG a.F. zulässig sei. Danach sei die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie 1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, 2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder 3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich sei und keine Anhaltspunkte bestünden, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die sich daraus ergebenden Voraussetzungen für eine zulässige Videoüberwachung lägen nicht vor. Zwar seien hier schutzwürdige Interessen der Klägerin an der Videoüberwachung tangiert. Für den Bereich der Herrenumkleide bestünden allerdings Anhaltspunkte, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwögen. Hier sei die Intimsphäre der Betroffenen berührt. Dies stelle einen besonders intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Die Kameraüberwachung in Umkleidebereichen sei deshalb grundsätzlich unzulässig, weil sich Betroffene hier zum Teil unbekleidet zeigten und durch Kameraaufnahmen das Schamgefühl in erheblicher Weise berührt werde. Aber auch im Bereich der Trainingsfläche überwögen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Hinsichtlich der Überwachung des Aufenthaltsbereichs habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Untersagungsverfügung nicht die Videoüberwachung der Automaten und der Getränkezapfanlage umfasse. Betroffen sei allein die Beobachtung des Aufenthaltsbereichs und der Sitzgelegenheiten. Hier ist von der Klägerin schon kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 6b Abs. 2 BDSG a.F. dargelegt worden.
a) Soweit die Klägerin vorträgt, dass sich nicht erschließe, warum die Videoüberwachung in einem Fitnessstudio unzulässig sein solle, weil man sich dort längere Zeit aufhalte, gleichzeitig aber eine ständige Videoüberwachung in einem Verkehrsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs zulässig sein solle, bleibt unklar, auf welche Prüfungspunkte der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sich dieses Vorbringen bezieht. Weder ordnet die Klägerin diesen Vortrag der Prüfung bestimmter Normen oder konkret bezeichneter Tatbestandsvoraussetzungen der herangezogenen Ermächtigungsgrundlage zu, noch lässt sich anderweitig erkennen, welchen tragenden Rechtssatz oder welche entscheidungsrelevante Tatsachenfeststellung sie insoweit beabsichtigt in Frage zu stellen. Das Vorbringen erscheint daher mehr als pauschale Kritik an dem Endergebnis der Entscheidung denn als Darlegung, die aufgrund einer intensiven Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung deren Richtigkeit in Frage zu stellen vermag. Auch im Übrigen fehlt es weitgehend an konkreten Bezugnahmen auf die angegriffene Entscheidung.
b) Es lässt sich insoweit nur vermuten, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der im Rahmen der Prüfung des § 6b BDSG a.F. geäußerten Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen das berechtigte Interesse der Klägerin an der Videoaufzeichnung überwiegen, entgegentritt. Dies bleibt jedoch ohne Erfolg.
aa) Die Klägerin vermag zunächst nicht mit dem sinngemäßen Verweis darauf, dass die Videoüberwachung im Öffentlichen Personennahverkehr zulässig sei, obwohl die Betroffenen dort auch längere Zeit beobachtet würden, dieser Beobachtung nicht ausweichen könnten und auch dort Personal (z.B. der Busfahrer) zur Abwehr von Gefahren zur Verfügung stünde, die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis ernstlich in Zweifel zu ziehen. Denn die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung bei anderer Sachlage kann nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. im vorliegenden Fall begründen. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 6b Abs. 1 BDSG a.F. ist auf Seiten der verantwortlichen Stelle insbesondere die Zwecksetzung der Videoüberwachung zu beachten, während auf Seiten der von der Überwachung betroffenen Personen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung, des Rechtes am eigenen Bild sowie des Schutzes der Privatsphäre von Bedeutung ist. Der Frage der Eingriffsintensität kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Das Gewicht des Eingriffs wird maßgeblich durch Art und Umfang der erfassten Informationen, durch Anlass und Umstände der Erhebung, den betroffenen Personenkreis und die Art und den Umfang der Verwertung der erhobenen Daten bestimmt (OVG Lüneburg, Urt. v. 07.09.2017 – 11 LC 59/16 –, juris Rn. 47 m.w.N.). Die Interessenabwägung ist damit abhängig von den konkreten Gegebenheiten des jeweils zu beurteilenden Falles (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.04.2017 – OVG 12 B 7.16 –, juris Rn. 32). Neben dem Umstand, dass die Zulässigkeit der Videoüberwachung im Öffentlichen Personennahverkehr von der Klägerin im Zulassungsverfahren ohnehin nur ohne weitere Darlegungen behauptet wird, ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die für eine Videoüberwachung im Öffentlichen Personennahverkehr sprechenden berechtigten Interessen grundsätzlich identisch mit den hier von der Klägerin dargelegten berechtigten Interessen sind oder sein können. Gleiches gilt mit Blick auf die Interessen der Betroffenen. Vielmehr drängt sich hier insbesondere mit Blick auf die Videoüberwachung einer Umkleidekabine ein gewichtiger Unterschied zur Überwachung öffentlicher Verkehrsmittel auf. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Interessenabwägung mit Blick auf den Öffentlichen Personennahverkehr zwingend identisch zu der hier vorzunehmenden Interessenabwägung auszufallen hat.
bb) Die Klägerin verweist außerdem darauf, dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass die Betroffenen ihr Fitnessstudio trotz der Videoüberwachung freiwillig aufsuchten oder die Videoüberwachung möglicherweise gerade in deren Interesse läge, weil diese ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelte und Straftaten vermeiden könnte. Insoweit kritisiert die Klägerin zwar die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung. Dies jedoch ohne darzulegen, ob und inwieweit die nach ihrer Auffassung begangenen Fehler hier ergebnisrelevant sind, d.h. die Interessenabwägung – trotz der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass hier die Intimsphäre der Besucher betroffen und die Interessen der Klägerin geringer zu bewerten seien bzw. es schon an der Darlegung eines berechtigten Interesses fehle – bei Berücksichtigung der genannten Aspekte zugunsten der Klägerin ausgefallen wäre. Dies ist auch nicht ohne weiteres zu erkennen.
2. Die Klägerin zeigt mit der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache nur dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Im Tatsächlichen ist dies besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen der Fall (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.05.1999 – 2 L 244/98 –, juris Rn. 17; Beschl. d. Senats v. 02.10.2020 – 4 LA 141/18 –, juris Rn. 57). Zur Darlegung genügt nicht allein die Behauptung einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit, die problematischen Rechts- und Tatsachenfragen und die Schwierigkeit müssen vielmehr konkret bezeichnet werden. Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und aus welchen Gründen sie sich qualitativ von denjenigen eines Verwaltungsrechtsstreits „durchschnittlicher“ Schwierigkeit abheben (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 16.06.2021 – 3 LA 56/20 –, juris Rn. 23; Beschl. v. 05.03.2021 – 2 LA 214/17 –, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das Zulassungsvorbringen nicht.
Die Klägerin meint besondere Schwierigkeiten darin zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, dass ein Fitnessstudio ein „öffentlicher Raum“ im Sinne des § 6b BDSG a.F. sei, ohne sich gegebenenfalls mit den Unterschieden zu beispielsweise einem Bahnhofsplatz auseinanderzusetzen. Außerdem sei schwierig, welche Folgen eine Unanwendbarkeit der herangezogenen Rechtsgrundlage habe und dass das Verwaltungsgericht nicht weiter zwischen den rechtfertigenden Gründen einer Videoüberwachung, nämlich der Wahrnehmung des Hausrechts einerseits und der Wahrnehmung berechtigter Interessen andererseits, differenziert habe. Damit sind besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder gar tatsächlicher Art jedoch nicht dargelegt. In diesem Vorbringen ist lediglich eine Kritik an der rechtlichen Prüfung des Verwaltungsgerichts, insbesondere der Subsumtion des Sachverhalts unter die herangezogenen Vorschriften erkennbar. Dass die an die gerichtliche Prüfung zu stellenden Anforderungen ausgefallen oder neuartig und damit als überdurchschnittlich schwierig zu bewerten sind, ergibt sich daraus jedoch nicht.
3. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Eine solche erfordert u.a., dass eine konkrete Rechts-(oder Tatsachenfrage) aufgeworfen wird, die klärungsfähig und -bedürftig ist, mithin für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war und dies auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren sein wird, sowie, dass sie bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, ist u.a. auszuführen, dass die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (stRspr. des Senats, vgl. Beschl. des v. 17.02.2021 – 4 LA 208/19 –, juris Rn. 67 m.w.N.).
Entsprechende Darlegungen lässt der Antrag auf Zulassung der Berufung vollständig vermissen. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten, grundsatzbedeutsamen Frage. Der bloße Verweis darauf, dass hier die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der in Streit stehenden Ordnungsverfügung bzw. die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Videoüberwachung im allgemeinen Interesse lägen, genügt insoweit nicht. Daneben ist im Übrigen auch nicht dargelegt, ob und inwieweit bereits Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Videoüberwachung ergangen ist und inwieweit sich die Zulässigkeit einer solchen allgemeingültig, d.h. losgelöst vom jeweiligen konkreten Sachverhalt, beantworten lässt.
Das LG Augsburg hat entschieden, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zu einer Preiserhöhung darstellt und eine entsprechende Regelung als aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig ist.
Aus den Entscheidungsgründen: Das klägerseits gerügte Verhalten stellt eine aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 1,S.2 Nr. 3, S. 3 UWG dar.
Eine solche liegt dann vor, wenn die Handlung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser anderenfalls nicht getroffen hätte. Aggressiv ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen, wobei bei der Beurteilung der Aggressivität insbesondere abzustellen ist auf Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung bzw belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln, § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 4 UWG. Eine unzulässige Beeinflussung ist dann gegeben, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.
Dies ist vorliegend der Fall. Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung gibt es nicht. Die Mitglieder standen nun also vor der Entscheidung, die Preiserhöhung zu akzeptieren, um das Studio betreten zu können oder es eben - ohne Zustimmung zur Preiserhöhung auch künftig — nicht zu nutzen, obwohl der Mitgliedsvertrag weiterhin Bestand hatte. Hierdurch haben die Studioinhaber ihre Machtposition zur Ausübung von Druck ausgeübt. Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie angesichts der erstmaligen Bekanntgabe der erforderlichen (konkludenten) Willenserklärung erst unmittelbar vor dem Betreten des Mitgliederbereichs nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte. Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen. Sie werden folglich durch derlei Aushänge überrumpelt und sind so in ihrer Fähigkeit zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt.
Im Hinblick auf das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz gilt eine Vermutung, die von Seiten des Unternehmers zu widerlegen ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Auflage 2023, 8 4a Rn. 1.36). Die Beklagte hat diesbezüglich nichts Substantielles vorgebracht. Das Gericht folgt insbesondere nicht der Auffassung der beklagten Partei, dass es aufgrund der Evidenz der Rechtsunwirksamkeit der beabsichtigten Erklärungsfiktion an der Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers fehle. Denn der durchschnittliche Verbraucher verfügt nicht über das erforderliche rechtliche Wissen, um die Wirksamkeit einer solchen Fiktion beurteilen zu können. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst darlegt, die von Mitgliedern infolge dieser Aktion bezahlten erhöhten Mitgliedsbeiträge seien erstattet worden.
Der BGH hat entschieden, dass keine Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios besteht und sich auch die Mitgliedschaft nicht um die geschlossenen Monate verlängert. Für gezahlte Mitgliedbeiträge während der Schließung besteht ein Rückzahlungsanspruch.
Die Pressemitteilung des BGH: Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios
Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob die Betreiberin eines Fitness-Studios zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet ist, welche sie in der Zeit, in der sie ihr Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen musste, von einem Kunden per Lastschrift eingezogen hat.
Die Parteien schlossen am 13. Mai 2019 einen Vertrag über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio der Beklagten mit einer Laufzeit von 24 Monaten, beginnend ab dem 8. Dezember 2019. Der monatliche Mitgliedsbeitrag, der im Lastschriftverfahren eingezogen wurde, betrug 29,90 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Beklagte das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum zog sie weiterhin vom Konto des Klägers ein. Eine vom Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2020 erklärte Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 8. Dezember 2021 wurde von der Beklagten akzeptiert. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen. Die Beklagte händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum in Höhe von 86,75 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf. So liegt der Fall hier.
Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird - wie im vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine solche Vertragsanpassung wird zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit - wie im vorliegenden Fall - der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.
Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.
Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handelt es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.
Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher konnten vielfach bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.
Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.
Durch diese "Gutscheinlösung" hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Unternehmer im Veranstaltungs- und Freizeitbereich als auch der Interessen der Kunden eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage findet daneben nicht statt.
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. […]
(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. [...]
(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.
Art 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch
(1) Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. [...]
(2) Soweit eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen war oder ist, ist der Betreiber berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Nutzungsberechtigung anstelle einer Erstattung des Entgelts einen Gutschein zu übergeben.
(5) Der Inhaber eines nach den Absätzen 1 oder 2 ausgestellten Gutscheins kann von dem Veranstalter oder Betreiber die Auszahlung des Wertes des Gutscheins verlangen, wenn
1. der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder
2. er den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst hat.
Das VG Ansbach hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO durch Videoüberwachung der gesamten Trainingsfläche eines Fitnessstudios vorliegt.
Aus den Entscheidungsgründen: 2. Die Klage ist jedoch nur begründet, soweit sie sich gegen Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheides wendet. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.
Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht ist richtiger Beklagter gemäß § 20 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BDSG.
a) Die Unterlassungsanordnung in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids ist formell wie materiell rechtmäßig. Es sind keine Verfahrensfehler ersichtlich, insbesondere wurde die Klägerin ordnungsgemäß angehört i.S.d. Art. 28 BayVwVfG (vgl. auch DS-GVO-Erwägungsgrund 129).
Die Untersagungsanordnung beruht als Abhilfemaßnahme auf Art. 58 Abs. 2 DS-GVO. Da es sich um ein Verbot handelt, ist Buchst. f) einschlägig, nicht wie vom Beklagten vorgebracht Buchst. d). Tatbestandsvoraussetzung für die Abhilfemaßnahmen des Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO (vgl. Nguyen in: Gola, DS-GVO, Art. 58, Rn. 4). Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall.
(1) Die Videoüberwachung konnte nicht auf eine Einwilligung der Trainierenden gestützt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO dürfen personenbezogene Daten verarbeitet werden, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Eine solche Einwilligung erfordert gemäß Art. 4 Nr. 11 DS-GVO eine freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Eine solche eindeutige bestätigende Handlung der Trainierenden kann allerdings nicht in der bloßen Kenntnisnahme der Hinweise auf die Videoüberwachung in den Datenschutzhinweisen und der Hinweisschilder an der Eingangstür gesehen werden, denn gemäß Satz 3 des DS-GVO-Erwägungsgrundes 32 sollen Stillschweigen oder Untätigkeit gerade keine Einwilligung darstellen. Dass die Klägerin anderweitig ein Einverständnis der Trainierenden mit der Videoüberwachung durch eine eindeutig bestätigende Handlung eingefordert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sodass die Videoüberwachung nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO erlaubt war.
(2) Die Videoüberwachung konnte auch nicht auf vertragliche (Neben-)Pflichten der Klägerin, ihre Kundschaft im vorgetragenen Umfang vor Diebstählen und Übergriffen zu schützen, gestützt werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b) Alt. 1 DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, erforderlich ist. Vertragliche Nebenpflichten wie Rücksichtnahme- und Schutzpflichten sind zwar auch von dieser Vorschrift erfasst (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6, Rn. 33), jedoch ging die streitgegenständliche lückenlose Videoüberwachung über diese Pflichten hinaus. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage - wie hier durch den Betrieb eines Fitnessstudios - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern; umfasst werden hiervon diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Betreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 2018, 2956, Rn. 17 m.w.N.). Es muss dabei aber nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts vorgesorgt, sondern nur ein Sicherheitsgrad erreicht werden, den die herrschende Verkehrsauffassung im jeweiligen Bereich für erforderlich hält (vgl. BGH NJW 2018, 2956, Rn. 18 m.w.N.).
Inwiefern die Klägerin eine Schutzpflicht treffen soll, die über das Instandhalten der Fitnessgeräte und die Bereitstellung hilfsbereiten Personals und von Spinden o.Ä. hinausgeht, ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass es der herrschenden Verkehrsanschauung im Fitnessstudiobetrieb entspricht, die Trainierenden durch lückenlose Videoüberwachung vor Übergriffen und Diebstählen zu schützen oder ihnen eine erleichterte Verfolgung solcher Vorkommnisse durch die Videoüberwachung zu ermöglichen.
(3) Schließlich konnten auch nicht die berechtigten Interessen der Klägerin oder der Trainierenden selbst die Videoüberwachung rechtfertigen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen […]. Die Klägerin kann zwar berechtigte Interessen im Sinne der Vorschrift geltend machen (hierzu (a)), zu deren Wahrung die Videoüberwachung erforderlich ist (hierzu (b)), jedoch überwiegen die Interessen der Trainierenden, namentlich deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, diese Interessen (hierzu (c)).
(a) Die Klägerin machte als berechtigte Interessen zum einen eigene Interessen (Prävention und Verfolgung von Diebstahl und Sachbeschädigung) und zum anderen Interessen der Trainierenden (Schutz vor Diebstahl und Übergriffen) geltend. Erforderlich, aber auch ausreichend für den Begriff des berechtigten Interesses ist ein „guter Grund“, sprich ein schutzwürdiges und objektiv begründbares Interesse (BVerwG, U. v. 27. März 2019 - 6 C 2/18 - Rn. 25 bei juris (noch zu § 6b Abs. 1 BDSG a.F.)). Die Geltendmachung, Ausübung und Durchsetzung von Rechtsansprüchen (wie Schadensersatzansprüche nach Diebstahl oder Sachbeschädigung) sind berechtigte Interessen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147). Ebenso kann das Interesse der Trainierenden, von einem Fitnessstudiobetreiber vor Diebstählen und Übergriffen geschützt zu werden, als „berechtigt“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO eingeordnet werden, da der Begriff des berechtigten Interesses weit auszulegen ist; eine normative Einschränkung erfolgt erst später im Rahmen der Interessenabwägung (Albers/Veit in: BeckOK Datenschutzrecht, Art. 6, Rn. 50).
(b) Auch die Erforderlichkeit der Videoüberwachung kann noch bejaht werden, da jedenfalls für die Aufklärung von Diebstählen, Sachbeschädigungen und Übergriffen kein anderes, gleich effektives Mittel (vgl. Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147a) ersichtlich ist.
(c) Die Interessen der Trainierenden überwiegen jedoch die von der Klägerin vorgebrachten berechtigten Interessen an der Videoüberwachung. Die Trainierenden sind in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG berührt und zwar in ganz erheblicher Weise. Bei der durchgehenden Videoüberwachung im Fitnessstudio der Klägerin während der gesamten Öffnungszeiten auf allen Trainingsflächen handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in dieses Grundrecht aller Trainierenden, mithin einer erheblichen Anzahl von Personen, ohne räumliche oder zeitliche Ausweichmöglichkeit. Schon aufgrund dieser Alternativlosigkeit der Trainierenden überwiegen deren Interessen die der Klägerin. Ihr stehen nämlich durchaus andere, zwar möglicherweise nicht genauso effektive, aber jedenfalls ausreichend effektive Maßnahmen zur Wahrung ihrer Interessen zur Verfügung wie beispielsweise eine Aufstockung des Personals. Die Klägerin kann sich nicht allein darauf berufen, die Videoüberwachung sei gegenüber der Personalaufstockung die wirtschaftlich sinnvollere Alternative (vgl. Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, Art. 6 DS-GVO, Rn. 147a).
Erschwerend kommt hinzu, dass die Trainierenden nicht mit einer Videoüberwachung im Fitnessstudio rechnen mussten. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass gemäß Satz 4 des DS-GVO-Erwägungsgrundes 47 insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten. Laut den gemäß Art. 70 Abs. 1 Buchst. e) DS-GVO zur Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung der DS-GVO erlassenen Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) ist entscheidendes Kriterium für die Auslegung des Begriffs der vernünftigen Erwartung, ob ein objektiver Dritter vernünftigerweise in der konkreten Situation erwarten kann, dass er überwacht wird (EDSA, Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte, Version 2.0, Rn. 36, abgerufen unter edpb_guidelines_201903_video_devices_de.pdf (europa.eu)). Hinweisschilder, die über die Videoüberwachung informieren, sind zur Bestimmung, was eine betroffene Person objektiv in einer bestimmten Situation erwarten kann, unerheblich (EDSA, a.a.O, Rn. 40). In öffentlich zugänglichen Bereichen können betroffene Personen davon ausgehen, dass sie nicht überwacht werden, vor allem, wenn diese Bereiche typischerweise für Freizeitaktivitäten genutzt werden, wie es bei Fitnesseinrichtungen der Fall ist (EDSA, a.a.O., Rn. 38). Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der Trainierenden.
Auch bei Betrachtung des Umfangs der der Klägerin entstandenen Schäden ist keine andere Gewichtung der Interessen geboten. Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung belaufen sich die Diebstähle auf circa zehn Fälle jährlich und die Sachbeschädigungen auf circa 10.000 EUR bis 15.000 EUR jährlich, während die Einnahmen beispielhaft im Jahr 2019 200.000 EUR betrugen. Die finanziellen Einbußen der Klägerin halten sich daher in einem Rahmen, der in keinem Verhältnis zu einer lückenlosen Videoüberwachung der Trainierenden steht. Wenn die Klägerin darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung ausführt, dass hinsichtlich der Kleingeräte keinerlei Diebstahlsicherungen sinnvoll umsetzbar sind, muss letztlich aus unternehmerischer Sicht hingenommen werden, dass nicht jegliche finanziellen Risiken abgewendet werden können, ganz besonders nicht auf Kosten der informationellen Selbstbestimmung der gesamten Kundschaft.
Auch die berechtigten Interessen der Trainierenden selbst, die die Klägerin ebenfalls geltend macht, begründen kein anderes Abwägungsergebnis. Zwar mag die Videoüberwachung für manche eher ein willkommenes Gefühl der Sicherheit als einen unangenehmen Anpassungsdruck auslösen. Die Risiken der Aufklärbarkeit eines Diebstahls oder Übergriffs liegen aber primär im Verantwortungsbereich der Trainierenden selbst, nicht dem der Klägerin. Wer das Smartphone nicht in den Spind sperrt, ist sich regelmäßig der so erleichterten Möglichkeit eines Diebstahls im Trainingsraum im Fitnessstudio bewusst. Auch dass die Aufklärung von Straftaten in einem verhältnismäßig engen Raum unter vielen sich fremden Menschen erschwert ist, dürfte den Trainierenden als Teil des allgemeinen Lebensrisikos bewusst sein. Es liegt in der Hand der Trainierenden selbst, dieses Risiko bei Bedarf zu minimieren, indem beispielsweise Trainingsgeräte in der Nähe der Empfangstheke gewählt werden oder zu zweit oder zu einer „risikoärmeren“ Uhrzeit trainiert wird. Das Interesse der Trainierenden, vor diesem allgemeinen Lebensrisiko durch die Klägerin mittels Videoüberwachung geschützt zu werden, wiegt nicht so schwer, wie das Interesse daran, im Fitnessstudio überwachungsfrei trainieren zu können.
Das Gericht sieht hier auch keine Vergleichbarkeit mit dem Einzelhandel, da dort zum einen ein deutlich geringerer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt (regelmäßig kürzerer Aufenthalt und auch weniger private Tätigkeit als im Fitnessstudio), zum anderen aber das Diebstahlrisiko und die Aufklärungsschwierigkeiten noch höher sein dürften durch den schnelleren Kundenwechsel, die höhere Zahl an kleinen Gegenständen und die leichteren Verstauungsmöglichkeiten beispielsweise in Jacken- und Hosentaschen.
Da somit mangels Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung mittels Videoüberwachung ein datenschutzrechtlicher Verstoß gegeben war, durfte die Beklagte eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ergreifen. Der Aufsichtsbehörde steht bezüglich der Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme ein Ermessen zu (vgl. dazu DS-GVO-EG 129), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist, § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 114 VwGO. Vorliegend sind Ermessensfehler hinsichtlich der Untersagungsanordnung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Untersagungsanordnung war auch verhältnismäßig (vgl. DS-GVO-Erwägungsgrund 129), insbesondere ist kein milderes, gleich effektives Mittel zur Herstellung des Einklangs mit der DS-GVO ersichtlich. Da die gesamte Trainingsfläche lückenlos überwacht wurde, könnte eine (nachträgliche) Einwilligung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO mangels Freiwilligkeit und Widerruflichkeit i.S.d. Art. 7 DS-GVO nicht wirksam eingeholt werden. Eine mögliche Anordnung des Beklagten nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. d) DS-GVO, die Videoüberwachung wirksam zum Bestandteil des Vertrags mit den Trainierenden zu machen (statt des bloßen Hinweises in den Datenschutzhinweisen), erscheint zum einen schon mit Blick auf die zivilrechtlichen Vorschriften zur AGB-Kontrolle problematisch (vgl. dazu LG Koblenz BeckRS 2014, 1243) und hätte zum anderen einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie der Klägerin und somit auch kein milderes Mittel dargestellt. Das Verbot der Videoüberwachung war daher als ultima ratio erforderlich. Das Verbot war auch angemessen, denn das öffentliche Interesse an der Herstellung eines datenschutzkonformen Zustands im Fitnessstudio der Klägerin überwiegt das Interesse der Klägerin an der Videoüberwachung, da ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Trainierenden vorlag (siehe hierzu auch die Ausführungen oben zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO).
b) Die Mitteilungsanordnung in Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids ist demgegenüber materiell rechtswidrig und daher aufzuheben, denn der streitgegenständliche Bescheid enthält bezüglich seiner Ziffer II keinerlei Begründung i.S.d. Art. 39 BayVwVfG (vgl. auch DS-GVO-Erwägungsgrund 129) oder Ermessenserwägungen. An diesem Ermessensausfall konnte auch der Schriftsatz des Beklagten vom 31. Januar 2022 nichts ändern.
Die fehlende Begründung der Ziffer II stellte zunächst einen Formfehler dar, der aber durch die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. Januar 2022 gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG geheilt werden konnte, sodass Ziffer II formell rechtmäßig war.
Als Rechtsgrundlage für Ziffer II wurde in diesem Schreiben vom 31. Januar 2022 Art. 58 Abs. 1 Buchst. a) DS-GVO genannt. Hinsichtlich der Wahl der im Einzelfall anzuwendenden Untersuchungsbefugnis des Abs. 1 des Art. 58 DS-GVO steht der Aufsichtsbehörde ein Auswahlermessen zu (vgl. DS-GVO-Erwägungsgrund 129), welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist gemäß § 20 Abs. 2 BDSG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid enthält jedoch keine Ausführungen, aus denen ersichtlich wäre, dass der Beklagte dieses Ermessen bezüglich Ziffer II des Bescheids erkannt und ausgeübt hat. Dies allein stellt schon ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall dar (BayVGH NVwZ-RR 2008, 787 (787 f.); Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39, Rn. 28 m.w.N.).
Es können auch nicht die zur Untersagungsanordnung in Ziffer I des Bescheids angestellten Ermessenserwägungen auf Ziffer II übertragen werden, da sich diese in keiner Weise mit der Art und Weise, wie die Umsetzung der Untersagung überprüft werden könnte, auseinandersetzen (vgl. zur Übertragung von Ermessenserwägungen BVerwG NVwZ 2007, 470 (471)). Insgesamt ist schlicht nicht erkennbar, dass bei der Wahl der passenden Untersuchungsbefugnis zur Kontrolle der Umsetzung der Untersagungsanordnung die notwendige Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den privaten Interessen der Klägerin stattgefunden hat. Auch das nachträgliche Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. Januar 2022 konnte diesbezüglich nicht berücksichtigt werden, denn § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht lediglich die Ergänzung defizitärer Ermessenserwägungen, nicht aber die nachträgliche erstmalige Ausübung (BVerwG NVwZ 2007, 470 (471)). Nach alldem lag ein Ermessensausfall vor.
Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids war daher wegen des Ermessensausfalls rechtswidrig. Insoweit war die Klägerin als Adressatin des belastenden Verwaltungsakts auch in ihrem Recht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt, sodass Ziffer II gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben war.
c) Die formell rechtmäßige Zwangsgeldandrohung in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids ist auch materiell rechtmäßig, insbesondere wurde wirksam eine Frist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gesetzt. Zwar setzt Ziffer III nach ihrem Wortlaut selbst keine entsprechende Frist, jedoch enthält die Begründung zur Ziffer III auf Seite 4 des streitgegenständlichen Bescheids eindeutig die vom Beklagten beabsichtigte Frist, nämlich zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids. Da die Begründung zur Bestimmung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts zu Hilfe zu nehmen ist (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 35, Rn. 76), ist vorliegend eine Frist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ordnungsgemäß gesetzt worden. Auch die Bestimmtheit gemäß Art. 37 BayVwVfG ist dabei gewahrt (vgl. hierzu Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 39, Rn. 26).
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die PAngV vorliegt, wenn ein Fitnessstudio mit einem monatlichem Preis wirbt ohne die quartalsweise anfallende Servicegebühr mit einzuberechnen
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Preiswerbung für einen Fitnessstudio-Vertrag ohne Einbeziehung einer quartalsweise anfallenden Servicegebühr ist unlauter
Preisangaben in der Werbung müssen den Gesamtpreis ausweisen, der vom Verbraucher für die Leistung zu zahlen ist. Die Preiswerbung für einen Fitnessstudio-Vertrag ohne Einbeziehung einer quartalsweise zu zahlenden Servicegebühr verstößt gegen diese Verpflichtung und ist unlauter. Der Verletzer kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich Wettbewerber ebenso verhalten wie er. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb mit heute veröffentlichter Entscheidung die Berufung eines Fitnessstudios gegen eine Unterlassungsverpflichtung zurückgewiesen.
Die Parteien streiten um Preisangaben für einen Fitnessstudio-Vertrag. Die Beklagte betreibt ein Fitnessstudio im Großraum Frankfurt. Sie warb für Mitgliedschaften mit einem Monatspreis von „Euro 29,99 bei 24-Monats-Abo“. Die Angabe war durch ein Sternchen gekennzeichnet, das auf der rechten Seite kleingedruckt mit dem Hinweis „zzgl. 9,99 € Servicegebühren/Quartal“ aufgelöst wurde.
Das Landgericht hatte die Beklagte zur Unterlassung der geschilderten Preiswerbung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die angegriffene Werbung sei wegen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) unlauter, begründete das OLG die Entscheidung. Preisangaben sollten „durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Klarheit über die Preise und ihre Gestaltung gewährleisten“. Die Beklagte habe den Verbrauchern gegenüber in der Werbung den Gesamtpreis angeben müssen, dies jedoch nicht getan.
Der Gesamtpreis sei gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung das „tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt“, d.h. einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. Hier hätte die Beklagte den Gesamtpreis unter Einbeziehung der Servicegebühr ausweisen müssen. Es genüge nicht, einen Teilpreis zu nennen und einen weiteren Betrag anzugeben, den der Kunde hinzurechnen muss, um den Gesamtpreis zu ermitteln. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn der zusätzlich zu zahlende Preis unschwer erkennbar sei und die Aufspaltung keinen nennenswerten Einfluss auf die Verbraucherentscheidung habe. Davon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden. Der Hinweis auf die Servicegebühr und die zu Grunde liegenden Konditionen seien nicht so deutlich erkennbar, dass der Verbraucher diesen weiteren Preisbestandteil ohne weiteres erkenne. Gerade die drucktechnische Gestaltung spreche dagegen. Mit ihr werde vielmehr der unter der psychologisch wichtigen Schwelle von 30 € liegende monatliche Preis von 29,99 € hervorgehoben. Lediglich ein Sternchen verweise auf die obligatorisch anfallende Servicegebühr, die zudem deutlich kleiner dargestellt und quer gedruckt sei.
Durch diesen Verstoß habe sich die Beklagte auch unlauter verhalten. Ihr Verhalten eigne sich zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen. Ohne Erfolg verweise die Beklagte darauf, andere Wettbewerber würden ebenso handeln, weshalb die Verbraucher hieran gewöhnt seien. „Die Tatsache, dass sich auch eine Vielzahl anderer (nicht aller!) Wettbewerber rechtswidrig verhalten, kann nicht dazu führen, mit diesem Argument die Spürbarkeit zu verneinen“, betont das OLG. Andernfalls würde dies dazu führen, „dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die eine ganze Branche regelmäßig begeht, nicht mehr möglich wäre“. Ein solches Ergebnis entspreche nicht dem Schutzzweck des UWG.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim BGH begehren.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 04.02.2021, Az. 6 U 269/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.10.2019, Az. 3/8 O 36/19)
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Erläuterungen:
§ 1 PAngV Grundvorschriften
Wer Verbrauchern gemäß § BGB § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Gesamtpreise). ...
Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Saunabetreiber nicht verpflichtet ist, den Gesundheitszustand der Saunabesucher regelmäßig und ständig zu überwachen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine umfassende und alle Gefahren erfassende Beaufsichtigung des Saunabereichs weder möglich noch zumutbar ist.
Der Gesundheitszustand der Saunanutzer ist dem Betreiber regelmäßig nicht bekannt. Insoweit ist es ihm nicht möglich, Gefahren etwa in Bezug auf Herz-/Kreislauf der Saunanutzer verlässlich einzuschätzen. Es bliebe hiernach zur Vermeidung jeglicher Gefahr nur eine durchgehende Beaufsichtigung der Sauna. Selbst die von den Klägern vorgeschlagenen Kontrollintervalle von 30 Minuten wären jedenfalls bei Einzelnutzung der Sauna nicht stets ausreichend, um jeglicher abstrakter Gefahr mit letzter Sicherheit zu begegnen."