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OLG Hamm: Presserechtlicher Auskunftsanspruch gegen private Unternehmen der Daseinsvorsorge die von öffentlicher Hand beherrscht werden - Behörde im Sinne des Landespressegesetzes

OLG Hamm
Urteil vom 16.12.2015
11 U 5/14


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Journalisten gegen private Unternehmen der Daseinsvorsorge, die von öffentlicher Hand beherrscht werden, ein presserechtlicher Auskunftsanspruch nach dem Landespressegesetz zusteht. Es handelt sich - so das OLG Hamm - bei derartigen Unternehmen um Behörden im Sinne des Landespressegesetzes.

Das Revisionsverfahren ist beim BGH unter dem AktenzeichenI ZR 13/16 anhängig.

Die Pressemitteilung des OLG Hamm:

Oberlandesgericht Hamm tritt für presserechtlichen Auskunftsanspruch ein

Ein Journalist kann von einem privaten Unternehmen der Daseinsvorsorge, das durch die öffentliche Hand beherrscht wird, gem. § 4 des nordrhein-westfälischen Landespressegesetzes Auskunft über den Abschluss und die Abwicklung von Verträgen mit Dienstleistern verlangen, um über verdeckte Wahlkampffinanzierungen zu recherchieren. Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16.12.2015 unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Essen entschieden.

Der Kläger, Journalist aus Bottrop, verlangt vom beklagten Unternehmen, welches im Bereich Trinkwasserversorgung, Energieversorgung und Abwasserentsorgung tätig ist, auf der Grundlage des nordrheinwestfälischen
Landepressegesetzes Auskunft über Abschluss, Inhalt, erbrachte Leistungen und Vergütung von Verträgen, die die Beklagte
mit verschiedenen Dienstleistern bzw. hinter diesen stehenden Personen abgeschlossen hat. Dabei macht er geltend, dass die Dienstleister für die Internetblogs ʺWir-in-NRW-Blogʺ und ʺpeerblogʺ tätig geworden seien. Sein Auskunftsverlangen begründet der Kläger mit einem Verdacht, die Beklagte habe die Blogs über die mit den Dienstleistern abgeschlossenen Verträge indirekt finanziell unterstützt. Der Kläger beabsichtigt zu ermitteln, ob die Beklagte durch Scheinaufträge eine verdeckte
Wahlkampffinanzierung vorgenommen hat.

Die Beklagte hat in Abrede gestellt, in Zusammenhang mit den vom Kläger genannten Dienstleistern und Personen Parteienwahlkampf finanziert zu haben und umrissen, in welchem Umfang die Dienstleister für sie tätig waren. Die vom Kläger verlangte detaillierte Auskunft hat sie unter Hinweis auf ihre Geschäftsgeheimnisse verweigert und bestritten,
dass der Kläger insoweit noch ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse verfolge.

Nach der Entscheidung des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm war die Klage weitgehend erfolgreich. Als Journalist sei der Kläger, so der Senat, anspruchsberechtigt. Die Beklagte sei als Behörde im Sinne des nordrhein-westfälischen
Landespressegesetzes zur Auskunft verpflichtet, auch wenn sie als Aktiengesellschaft organisiert sei und privatrechtlich tätig werde. Dem Landespressegesetz unterfielen auch juristische Personen des Privatrechts, wenn sich die öffentliche Hand ihrer zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bediene. Das treffe auf die Beklagte zu. Sie werde von der öffentlichen Hand beherrscht und erfülle Aufgaben der Daseinsvorsorge. Der Kläger verlange die Auskünfte, um eine öffentliche Aufgabe der
Presse zu erfüllen. Er wolle sie zur Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung auswerten. Es sei hinzunehmen, wenn die Presse auf einen bloßen Verdacht hin recherchiere und auch nicht zu bewerten, ob ein öffentliches Interesse an der Auskunftserteilung bestehe. Andernfalls bestehe die Gefahr einer verbotenen Zensur. Die vom Kläger vorgetragene Verdachtsgrundlage begründe - im Umfang des vom Senat zuerkannten Auskunftsbegehrens - eine zulässige journalistische
Recherche und gebe keinen Grund zu der Annahme, der Kläger verfolge lediglich private Interessen oder handle aus bloßer Neugier. Die im Landespressegesetz genannten Gründe, die die Behörde zur Auskunftsverweigerung berechtigten, seien im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der Kläger verlange zwar die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen der Beklagten, weil diese auch Vertragskonditionen und Kalkulationen preisgeben solle. Insoweit überwiege aber das Interesse der Presse an einer Offenlegung gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Bei dem Verdacht einer indirekten Parteien- oder
Wahlkampffinanzierung habe das Informationsinteresse der Presse ein erhebliches Gewicht. Zu geschäftlichen Nachteilen nach der Offenlegung der verlangten Informationen habe die Beklagte zudem konkret wenig vorgetragen.

Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.12.2015 (11 U 5/14), nicht rechtskräftig (BGH I ZR 13/16)