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OLG Frankfurt: Zum urheberrechtlichen Schutz eines von einem Graphikdesigner entworfenen Logos wenn Farb- und Formgebung vorgegeben und dem Gebrauchszweck geschuldet sind

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.06.2019
11 U 51/18


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit dem urheberrechtlichen Schutz eines von einem Graphikdesigner entworfenen Logos befasst, wenn Farb- und Formgebung vorgegeben und dem Gebrauchszweck geschuldet sind

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Das streitbefangene Logo ist dem Bereich der angewandten Kunst i. S. von § 2 I Nr. 4 UrhG zuzuordnen, denn es handelt sich um ein Graphikdesign, das zur Kennzeichnung und Bewerbung der klägerischen Produkte eingesetzt wird.

Die Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst ist nach den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 13.11.2013 aufgestellten Grundsätzen zu beurteilen (Az.: I ZR 143/12 - Geburtstagszug I = GRUR 2014, 175). Danach genügt es, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen (BGH aaO., Rn 15; OLG Hamburg ZUM 2004, 386 - Handy-Logos).

Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (BGH aaO., Rn 41). Die ästhetische Wirkung der Gestaltung kann allerdings einen Urheberrechtsschutz nur begründen, wenn sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht.

Daher ist bei Werken der angewandten Kunst und namentlich bei der Gebrauchsgraphik eingehend zu überprüfen, was vom Gebrauchszweck vorgegeben ist und deshalb den Urheberrechtsschutz nicht begründen kann (vgl. Schulze in: Eichmann / Kur, Praxishandbuch Designrecht, 2. Aufl., Kapitel 4, Rn 34 zu § 4 Urheberrecht; Nordemann in: Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., Rn 150 zu § 2 UrhG).

Eine individuelle Schöpfung scheidet aus, wenn in dem Erzeugnis lediglich vorhandene Ausdrucksformen wiederholt werden, ohne dem Werk persönliche Züge zu geben. Formelemente, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen, können demnach nur dann berücksichtigt werden, wenn gerade ihre Kombination eine für einen Kunstschutz ausreichende schöpferische Leistung darstellt (OLG Schleswig, Urteil vom 11.9.2014 - 6 U 74/10 - Geburtstagszug II, Rn 19 = GRUR-RR 2015, 1). Hierfür ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig, da sie sich des Schutzrechts berühmt.

a)

Die Beklagte nimmt für sich in Anspruch, dass sowohl die Namensgebung des Logos (durch Herrn A) als auch die graphische Ausgestaltung (durch den bei ihr beschäftigten Graphiker B) in ihrem Haus „geschöpft“ worden sind. Weder die Namensfindung noch die graphische Gestaltung an sich noch der Gesamteindruck des Logos erreichen allerdings die für den Schutz als „kleine Münze“ in § 2 II UrhG geforderte Schöpfungshöhe.

Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass das aus dem englischen Wortschatz vorbekannte Verb „match“ u. a. im Zusammenhang mit Audioprodukten vom Verkehr mit der deutschen Übersetzung „passen“ oder „zusammenpassen“ verknüpft wird und daher lediglich die Charakteristik der neuen „Plug-and-Play“ - fähigen Geräte symbolisieren sollte. Die Namensgebung leitet sich somit unmittelbar aus dem Gebrauchszweck der für die Produktlinie vorgesehenen Produktbezeichnung ab und kann daher nicht als schöpferische Leistung angesehen werden.

Der Graphiker B hat dann von Herrn A die Aufgabe erhalten, die Bezeichnung „Match“ zur Gestaltung eines Logos in der Weise graphisch umzusetzen, das es zur Kennzeichnung der Produktlinie und zur Bewerbung und Vermarktung der klägerischen HiFi-Geräte eingesetzt werden konnte. Die Tätigkeit von Herrn B orientierte sich an diesem Gebrauchszweck. Sie ging im Übrigen nicht über lediglich handwerkliche bzw. routinemäßige Leistungen eines Graphikdesigners hinaus und enthält keinen eigenschöpferischen „Überschuss“.

b)

Das von Herrn B erarbeitete Logo besteht aus dem Wort „Match“ und einem vorangestellten in Schreibrichtung ausgerichteten schwarzen Doppeldreieck. Der Graphiker hat sich bei der Farbauswahl einer vorbekannten Standardfarbe, nämlich der Farbe „Pantone 152“ und bei der Schrifttype der in der öffentlich zugänglichen Schrifttypensammlung „www.dufont.com“ erhältlichen Type „911 Porscha“ bedient, die von einer namhaften deutschen Fahrzeugherstellerin zur Kennzeichnung ihrer Produkte entwickelt worden war. Die Gegenüberstellung des Logos mit der Schreibweise in der „Originaltype“ belegt, dass lediglich geringfügige Veränderungen in der Schrifthöhe der Buchstaben erfolgt sind, die sich nach dem Vortrag der Kläger mit dem bei Graphikdesignern gebräuchlichen Software-Produkt „Photoshop“ ohne erheblichen Arbeitsaufwand bewerkstelligen lassen.

Die Beklagte ist dem nicht in substantiierter Weise entgegen getreten, denn sie hat nicht dargelegt, welche schöpferischen bzw. über das rein handwerkliche hinausgehenden Entwicklungsschritte für die Veränderung der Schrifttype vorgenommen wurden. Hinzu kommt, dass die von Herrn B durchgeführten Änderungen an der Original-Schrifttype sich an dem Gebrauchszweck des Logos orientierten, das auch bei kleineren Abbildungen gut lesbar sein sollte (BB S. 13 - Bl. 235). Insoweit wird auch auf die E-Mail der Klägerin zu 1) vom Februar 2012 mit entsprechenden Anregungen hingewiesen (Anlage K 8).

Das dem Wort vorangestellte Doppeldreieck kann dem Logo ebenso wenig eine eigenschöpferische künstlerische Note verleihen. Hier hat sich der Graphiker eines vorbekannten, in öffentlichen Zeichensammlungen frei verfügbaren und im Audiobereich häufig verwendeten Symbols bedient, das im Verkehrsverständnis mit dem Begriff „Vorlauftaste“ (fast forward) gleichgesetzt wird (Anlage K 2).

Auch in der Zusammenschau mit der Bezeichnung „match“ ist durch die hiesige graphische Umsetzung nicht der für ein Kunstwerk erforderliche Mindestgrad an ästhetischem Gehalt erreicht. Es ist ein Zeichen geschaffen worden, das seiner Zielrichtung entsprechend, unterscheidungskräftig i. S. von § 3 I MarkenG ist, aber einen den Gebrauchszweck überschießenden künstlerischen Anspruch vermissen lässt (vgl. dazu OLG Köln GRUR 1986, 889, 890 - ARD-1; OLG Hamm, Urteil vom 24. 8. 2002, 4 U 51/04, Tz 22 - Web-Graphiken = ZUM 2004, 927; OLG Hamburg ZUM 2004, 386 - Handy Logos).

Zuletzt spielt es auch keine Rolle, dass die Entwicklung des Logos bis zu deren Freigabe einen Zeitraum von über einem Jahr eingenommen hat und mehrfache Änderungen und Ergänzungen beinhaltete, denn damit ist nicht gesagt, dass die Tätigkeit von Herrn B über eine rein handwerklich-graphische Umsetzung der Änderungswünsche hinausging.

c)

Wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt, Herr B habe durch die Gestaltung des Logos Assoziationen zur Herkunft der Marke „Made in Germany“ und zum Car-Hi-Fi-Bereich, zur Aktualität und Modernität und zur leichten Bedienbarkeit der Produkte herstellen wollen, mag dies zutreffen. Maßgeblich ist allein, welche ästhetische Wirkung die Gestaltung beim Betrachter hervorruft und diese geht nicht über eine Zusammenstellung vorbekannter Formenelemente zur Produktkennzeichnung hinaus.

Die Beklagte kann sich nicht auf die von ihr zitierten Entscheidungen des OLG München vom 16.7.2014 (29 U 4823/13) bzw. des OLG Naumburg vom 7.4.2005 (10 U 7/4) zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Schriftzügen / Schriftzeichen berufen, denn die dort entschiedenen Fälle sind in tatsächlicher Hinsicht mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Namentlich aus der Begründung der Münchener Entscheidung geht hervor, dass der dort zu beurteilende Graffiti - Schriftzug individuelle Züge trug, die über einen etablierten Graffiti-Stil hinausgingen.

2.

Selbst wenn man das anders sehen wollte, so scheitert die Abmahnung der Beklagten jedenfalls daran, dass sie der Klägerin zu 1) ein unentgeltliches, zeitlich unbegrenztes und exklusives Nutzungsrecht an dem Logo eingeräumt hat.

a)

Es kann unterstellt werden, dass die Beklagte für die Verfolgung etwaiger urheberrechtlicher Ansprüche anspruchsberechtigt ist. Das Landgericht hat angesichts der Tätigkeitsbeschreibung des Graphikers B nachvollziehbar ausgeführt, dass aus § 43 UrhG eine Einräumung der Nutzungsrechte des Mitarbeiters auf die Beklagte ableitbar ist. Der im Berufungsverfahren vorgelegte vollständige Arbeitsvertrag der Beklagten mit Herrn B enthält keine Regelungen, die Zweifel an den erstinstanzlichen Feststellungen rechtfertigen könnten (Anlage BB 6). Letztlich spielt das keine Rolle, weil die Klägerin zu 1) zur unbefristeten und exklusiven Nutzung des Logos berechtigt ist.

b)

Die Parteien haben keine ausdrückliche Absprache über die Bedingungen für die Nutzung des Logos durch die Klägerin zu 1) getroffen. Es liegt auch keine schriftlich fixierte Vereinbarung über den Inhalt der vertrieblichen Aktivitäten der Beklagten vor. Unstreitig ist allerdings, dass das streitgegenständliche Logo der Klägerin im Mai 2012 zur Kennzeichnung ihrer Produkte (mit dem Zusatz „by Audiotec X“) zur Verfügung gestellt worden ist. Eine Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen und der daraus abgeleitete Sinn und Zweck ihrer Absprachen führt zu dem vom Landgericht festgestellten Ergebnis, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt ein unentgeltliches, unbefristetes und ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt worden ist.

c)

Wenn die Parteien - wie hier - beim Abschluss eines Vertrages nicht ausdrücklich geregelt haben, ob der urheberrechtlich Berechtigte seinem Vertragspartner ein Nutzungsrecht an dem Werk zubilligt, so bestimmt sich gemäß § 31 V Satz 2 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungszweckgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (BGH, Urteil vom 29. 4. 2010, I ZR 68/08 - Restwertbörse I Tz. 20 = GRUR 2010, 623).

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der in § 31 V UrhG normierte Grundsatz der Begrenzung von Nutzungsrechten auf den gemeinsamen Vertragszweck das gesetzgeberische Ziel verfolgt, eine möglichst weitgehende Beteiligung des Urhebers an den wirtschaftlichen Früchten seines Werks zu sichern (BGH, Urteil vom 27. 9. 1995, I ZR 215/93, Tz. 19 - Pauschale Rechtseinräumung = GRUR 1996, 121). Dies hat zur Folge, dass die Verwertungsrechte, soweit der Vertragszweck dies nicht unbedingt erfordert, im Zweifel beim Urheber verbleiben (vgl. Wandtke/Bullinger/Grunert, UrhG, 4. Aufl., Rn 58 zu § 31 UrhG). Nach den überzeugenden Feststellungen des Landgerichts sind die Verwertungsrechte hier aber unbegrenzt auf die Klägerin übertragen worden:

d)

Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass das von Herrn B gestaltete Logo der Kennzeichnung der neuen Plug-and-Play - Produktlinie der Klägerin zu 1) und damit als Herstellerkennzeichnung dienen sollte. Dies ist der Vertragszweck der Entwicklung und der Nutzungsrechteeinräumung gewesen.

Die Beklagte hatte sich von Anfang an damit einverstanden erklärt, dass das Logo als Herstellerkennzeichnung zugunsten der der klägerischen Produkte eingesetzt werden sollte. Das zeigt auch der Schriftwechsel vom Februar 2012, in dem es noch um die Verwendung des Designs mit der Dachmarke „D“ der Klägerin gegangen ist ((powered by D) - Anlage B 12 - Bl. 139/142 d. A.).

Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte als Vertriebspartnerin der Klägerin auch eigene wirtschaftliche Interessen mit der Verwendung des Logos verfolgt hat. Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Vertriebspartnerschaft mit der Klägerin weitergehende Aufgaben, wie etwa die Entwicklung von Marketingkonzepten, die Herstellung von Merchandising-Artikeln oder aber den Aufdruck und die Verwendung von Werbemitteln mit dem Logo übernommen hat (beispielhaft BB 1), so verwies die Kennzeichnung mit dem streitbefangenen Logo doch immer auf die Produkte der Klägerin selbst und nicht etwa auf etwaige davon zu separierende Dienstleistungen der Beklagten.

Nachdem die Klägerin zu 1) im Mai 2012 entschieden hatte, „Match“ als eigenständige Produktlinie aufzubauen, hat die Beklagte konsequenterweise auch akzeptiert, dass das Logo als Teil einer Warenmarke, d. h. zur Kennzeichnung der klägerischen Produkte zugunsten des Klägers zu 2) mit dem Zusatz „by Audiotec X“, also der Firmenbezeichnung der Klägerin zu 1) registriert worden ist. Unerlässlicher Inhalt der Absprache war demnach, dass diese Kennzeichnung auch dauerhaft und exklusiv auf und für die klägerischen Erzeugnisse verwendet werden kann. Mit Recht hat das Landgericht daraus auch ein Recht zur Unterlizensierung zugunsten des Klägers zu 2) abgeleitet. Auf die Erwägungen des Landgerichts (S. 8-9 des Urteils), denen sich der Senat anschließt, kann verwiesen werden.

Ergänzend ist lediglich auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

Es ist nach dem Vertragszweck nicht ersichtlich, dass die Beklagte an der Nutzung des Logos ein wirtschaftliches Interesse (gehabt) hätte, das über ihr damaliges Vertriebsinteresse hinausging und das dafür sprechen könnte, die Nutzung des Logos auf die Laufzeit der geschäftlichen Beziehungen der Parteien zu begrenzen. Die Beklagte vertrieb und vertreibt ihre Produkte unter abweichenden Eigenmarken, ist also für ihre geschäftlichen Aktivitäten auf das Zeichen nie angewiesen gewesen (Anlagenkonvolut B 9, Bl. 125 ff d. A.). Demgegenüber war es für die Beklagte immer klar, dass die Klägerin zu 1) uein elementares wirtschaftliches Interesse an dem Zeichen hatte, weil sie sich bei der Kennzeichnung ihrer neuen Produktlinie auf dieses Logo festgelegt hatte. Die Beklagte hat dieses Interesse beachtet, in dem sie sich immer (nur) als Vertriebspartner der Klägerin vorgestellt hat (Anlagen B 5 und B 6).

Soweit die Beklagte „in den Raum stellt“, sie sei wegen ihrer umfassenden Marketing-Aktivitäten als Mitherstellerin der Produkte anzusehen, lässt sich das aus dem Sachvortrag nicht ableiten. Die technische Entwicklung und die verantwortliche Herstellung der Produkte (möglicherweise auch mit Hilfe von Subunternehmern) lag unstreitig allein bei der Klägerin zu 1), die mit ihrer Kennzeichnung „Match by Audiotec X“ auch die markenrechtliche Garantiefunktion übernommen hat.