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LG München: Zur Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen und der Geltendmachung des Einwands nach § 145 PatG

LG München
Beschluss vom 12.10.2022
21 O 513/22 und 21 O 515/22


Das LG München hat mit der Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen und der Geltendmachung des Einwands nach § 145 PatG befasst.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Zur Konzentrationsmaxime in Patentstreitsachen

Die 21. Zivilkammer (Patentstreitkammer) hat heute in einem internationalen Rechtsstreit zwischen zwei Technologieunternehmen den Antrag der Beklagten auf abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über den Zulässigkeitseinwand nach § 145 PatG mit Beschluss zurückgewiesen.

Die Verfahren mit den Az. 21 O 513/22 und 21 O 515/22 sind Teil eines großen, international geführten Rechtsstreits zweier Unternehmen, die wechselseitig eine Vielzahl von Patentverletzungsklagen erhoben haben. In Deutschland sind vor mehreren Landgerichten Klagen rechtshängig. Vor dem Landgericht München I hat die Klägerin die Verletzung von sechs verschiedenen Klagepatenten durch diverse Konzerngesellschaften der Beklagtenseite geltend gemacht. Fünf dieser Klagepatente sollen nach Meinung der Klägerin standardessentiell für die Mobilfunkstandards 4G (LTE) und 5G sein.

Die 21. Zivilkammer hat am 14.09.2022 den ersten Verhandlungstermin in dem Streitkomplex durchgeführt.

In den oben genannten Verfahren haben die Beklagten den Einwand nach § 145 PatG erhoben. Sie meinen, die Klagen vor dem Landgericht München I seien bereits unzulässig. Denn sie hätten „gleichartige Handlungen“ wie die Klagen vor einem anderen Landgericht zum Gegenstand, diese seien aber (zumindest zum Teil) früher zugestellt (und damit erhoben) worden. Die Beklagten haben daher im frühen ersten Termin nach dem Münchner Verfahren in Patentstreitsachen beantragt, die Kammer solle über die Zulässigkeit der Klage nach § 280 Abs. 1 ZPO abgesondert verhandeln und die Klagen wegen Unzulässigkeit nach § 145 PatG endgültig abweisen.

§ 280 Abs. 1 ZPO räumt der Kammer ein Ermessen ein. Dieses hat sie dahingehend ausgeübt, keine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage anzuordnen und derzeit kein Urteil über die Zulässigkeit der Klage zu erlassen.

Die Kammer führt aus, es sei jetzt noch nicht an der Zeit, über die Zulässigkeit der Klage und insbesondere über den Einwand der Beklagten nach § 145 PatG eine verbindliche Entscheidung zu treffen. Es bestehe derzeit (noch) keine Entscheidungsreife, weil der Gegenstand des Klagepatents bislang nicht hinreichend geklärt sei und daher keine hinreichende Vergleichsmöglichkeit zu dem Gegenstand der Verfahren vor dem anderen Landgericht bestehe.

Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus:

„Es widerspricht dem der Regelung des § 280 ZPO zugrundeliegenden Gedanken der Prozessökonomie, sich bereits zu diesem (frühen) Zeitpunkt (im Verfahren) – dann aber insoweit abschließend – mit zahlreichen technischen Aspekten auseinanderzusetzen und diese verbindlich zu entscheiden. Insbesondere müsste sich die Kammer bereits jetzt umfassend und abschließend mit der – sowohl für die Begründetheit und die Aussetzung maßgeblichen – Auslegung der Patentansprüche befassen, um eine insgesamt widerspruchsfreie Behandlung des Verfahrens sicherzustellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die durch die Klägerin aufgeworfene Frage des Verschuldens und dafür, ob die Klägerin der Einrede der Beklagten erfolgreich die Gegeneinrede des mangelnden Verschuldens entgegenhalten kann, weil auch insofern im Einzelfall zahlreiche technische Details eine Rolle spielen (können), die jedoch erst zu gegebener Zeit, später, von der Kammer hinreichend beurteilt werden können.“

Der in beiden Verfahren ergangene Beschluss ist unanfechtbar.

Trotz des Beschlusses heute bleibt der Einwand nach § 145 PatG bestehen. Über den Einwand wird nach dem Haupttermin zu entscheiden sein.

Die 21. Zivilkammer wird in o.g. Verfahren am 21.12.2022 über den von den Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand) verhandeln. Haupttermin in der Sache ist auf den 15.03.2023 bestimmt.



Zum Hintergrund:

I. § 145 PatG regelt die sog. Konzentrationsmaxime. Die Norm besagt:

„Wer eine Klage nach § 139 erhoben hat, kann gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen.“

Wegen der Konzentrationsmaxime und aus Sorge, dass eine Klage unzulässig sein könnte, werden Klagen wegen derselben oder gleichartigen Handlungen, auch wenn sie mehrere Klagepatente betreffen, regelmäßig in einer Klageschrift zusammengefasst. Solche Klageschriften sind teils sehr umfangreich. So umfasst die Klageschrift in dem Verfahren 21 O 513/22 fünf Klagepatente. Allein die Klageschrift ist 535 Seiten lang, hinzu kommen zahlreiche Anlagen.

Auch wenn die Patente wegen § 145 PatG in einer Klageschrift geltend gemacht werden, handelt es sich um mehrere Verfahren. Die verschiedenen Patente bilden grundsätzlich unterschiedliche Streitgegenstände (andere Anträge, andere Lebenssachverhalte). Auch die technischen Fragen sind regelmäßig von Patent zu Patent andere. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit und der Verhandelbarkeit ist daher in aller Regel eine Abtrennung geboten, geordnet nach den verschiedenen Klagepatenten.

Gleiches gilt, wenn die Klägerseite eine bereits anhängige Klage – wiederum wegen § 145 PatG – um einen neuen Antrag betreffend ein weiteres Patent erweitert.

II. Das Münchner Verfahren in Patentstreitsachen wird seit 2009 von den Patentstreitkammern am Landgericht München I praktiziert. In den Jahren 2019 bis 2020 wurde es vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb evaluiert. Kernpunkte sind die Durchführung zweier Termine in der Sache („erster Termin“ und „zweiter Termin“) und ein strenges Fristenregime. Die Durchführung des (frühen) ersten Termins dient der Konzentration auf die wesentlichen Punkte des Verfahrens. In dem ersten Termin werden primär Auslegung des Klagepatents und dessen Verletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen diskutiert. Die regelmäßig erforderliche Diskussion über den Rechtsbestand des Klagepatents ist dem zweiten Termin vorbehalten. Sofern die Klägerin standardessentielle Patente geltend macht und die Beklagte sich mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand verteidigt, findet häufig ein weiterer „FRAND-Termin“ statt, in dem über die Bemühungen der Parteien um den Abschluss eines fair, reasonable and non discriminatory (FRAND) Lizenzvertrages gesprochen wird.

Diese mit zwei bis drei Terminen aufwändige Verhandlungsleitung hat zum Ziel, in einem für beide Seiten fairen und transparenten Verfahren schnellen und effektiven Rechtsschutz bereitzustellen.



BGH: Weitere Präzisierung der Rechtsprechung zum FRAND-Einwand

BGH
Urteil vom 24.11.202
KZR 35/17
FRAND-Einwand II
AEUV Art. 102 Abs. 2 Buchst. b, c


Der BGH hat seine Rechtsprechung zum FRAND-Einwand weiter präzisiert.

Leitsätze des BGH:

a) Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, der eine auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung gerichtete Patentverletzungsklage erhebt, missbraucht seine Marktmacht nicht, wenn der auf die Schutzrechtsverletzung und die Bereitschaft zur Lizenzierung hingewiesene Verletzer nicht unzweideutig zu erkennen gegeben hat, eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden (FRAND) Bedingungen anzustreben.

b) Die Lizenzwilligkeit des Verletzers darf sich grundsätzlich ebenso wenig wie die Lizenzierungsbereitschaft des Patentinhabers in der einmaligen Bekundung des Lizenzierungsinteresses oder der Vorlage eines (Gegen-) Angebots erschöpfen. Vielmehr sind beide Parteien gehalten, in jeweils situationsangemessener Weise und in Übereinstimmung mit den Geboten von Treu und Glauben dazu beizutragen, dass ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden Interessen in Gestalt eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen ausgehandelt werden kann.

c) Außerhalb des Anwendungsbereichs des Sukzessionsschutzes nach § 15 Abs. 3 PatG können Einwendungen, die einem Nutzer der Erfindung gegen den früheren Patentinhaber zustanden, dessen Einzelrechtsnachfolger nicht entgegengehalten werden. Dies gilt insbesondere für den Einwand eines "Patenthinterhalts" (patent ambush).

BGH, Urteil vom 24. November 2020 - KZR 35/17 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Düsseldorf legt EuGH Fragen im Patentstreit zwischen Nokia und Daimler zur Entscheidung vor - FRAND-Bedingungen

LG Düsseldorf
Beschluss vom 26.11.2020
4c O 17/19


Das LG Düsseldorf hat dem EuGH Fragen im Patentstreit zwischen Nokia und Daimler zur Entscheidung vorgelegt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof in der patentrechtlichen Verletzungsklage Nokia ./. Daimler

Mit Entscheidung vom 26. November 2020 legt die 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (4c O 17/19) in einem Patentverletzungsstreit der Nokia Technologies Oy gegen die Daimler AG dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) mehrere Fragen zur Lizenzierung von standardessentiellen Patenten innerhalb von mehrstufigen Zulieferketten vor. Die Verletzungsklage beim Landgericht Düsseldorf wird ausgesetzt.

Mit der Klage nimmt Nokia die Daimler AG wegen Verletzung des deutschen Teils ihres europäischen Patents EP 2 087 629 B1 auf Unterlassung in Anspruch. Das Patent betrifft ein Verfahren zum Senden von Daten in einem Telekommunikationssystem, wobei das Patent essentiell für den LTE-Standard (4G) ist. Von diesem Standard machen LTE-fähige Module unterschiedlicher Zulieferer Gebrauch, die in den Automobilen der Herstellerin Daimler verbaut werden. Diese Module ermöglichen mobilfunkbasierte Dienstleistungen wie Musik- oder Datenstreaming und/oder Over-the-Air-Updates.

Im September 2014 zeigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin an, dass sie ihr Patent als essentiell für den LTE-Standard erachte und gab eine FRAND-Erklärung ab, mit der sie sich zur Erteilung von Lizenzen an Dritte zu
Bedingungen verpflichtete, die fair, reasonable and non discriminatory sind.

Sowohl die Beklagte als auch zahlreiche ihrer Zulieferer nutzen das Patent bisher, ohne Lizenzgebühren zu zahlen.

Nokia meint, sie als Inhaberin eines standardessentiellen Patents könne frei entscheiden, auf welcher Stufe einer komplexen Produktions- und Zulieferkette sie Lizenzen zu FRAND-Bedingungen erteile.

Daimler meint, aufgrund der Regeln im EU-Binnenmarkt und aufgrund der FRAND-Erklärung aus September 2014 habe die Klägerin als Inhaberin des standardessentiellen Patents jedem lizenzwilligen Lizenzsucher eine eigene
unbeschränkte Lizenz für alle patentrechtlich relevanten Nutzungsarten an dem standardessentiellen Patent anzubieten. Vorrangig seien daher die lizenzsuchenden Zulieferer zu lizenzieren, was auch der Standardvorgehensweise in der Automobilindustrie entspreche.

In der heutigen Entscheidung geht die 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf davon aus, dass Nokia gegen Daimler einen Unterlassungsanspruch wegen Patentverletzung hat. Das Gericht wirft dann jedoch die Frage auf, ob die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch Nokia gegenüber Daimler als Missbrauch ihrer auf dem Lizenzvergabemarkt unstreitig gegebenen marktbeherrschenden Stellung anzusehen ist. Entscheidend sei, ob und ggfs unter welchen Umständen der Inhaber eines standardessentiellen Patents seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, wenn er gegen den Vertreiber des Endprodukts eine Unterlassungsklage wegen Patentverletzung erhebt, ohne zuvor dem Lizenzierungswunsch seiner patentbenutzenden Zulieferer
nachgekommen zu sein.

Die 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf legt deshalb dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen vor:

A. Besteht eine Pflicht zur vorrangigen Lizenzierung von Zulieferern?

1. Kann ein Unternehmen einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe der auf Unterlassung gerichteten Patentverletzungsklage des Inhabers eines Patents, das für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essentiell ist
(SEP) und der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND- Bedingungen zu erteilen, den Einwand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV
entgegenhalten, wenn der Standard, für den das Klagepatent essentiell ist, bzw. Teile desselben bereits in einem von dem Verletzungsbeklagten bezogenen Vorprodukt implementiert wird, dessen lizenzwilligen Lieferanten der Patentinhaber die Erteilung einer eigenen unbeschränkten Lizenz für alle patentrechtlich relevanten Nutzungsarten zu FRAND-Bedingungen für den Standard implementierende Produkte verweigert?

a) Gilt dies insbesondere dann, wenn es in der betreffenden Branche des Endproduktevertreibers den Gepflogenheiten entspricht, dass die Schutzrechtslage für die von dem Zulieferteil benutzten Patente im Wege der Lizenznahme durch
die Zulieferer geklärt wird?

b) Besteht ein Lizenzierungsvorrang gegenüber den Zulieferern auf jeder Stufe der Lieferkette oder nur gegenüber demjenigen Zulieferer, der dem Vertreiber des Endprodukts am Ende der Verwertungskette unmittelbar vorgelagert ist ? Entscheiden auch hier die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs?

2. Erfordert es das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, dass dem Zulieferer eine eigene, unbeschränkte Lizenz für alle patentrechtlich relevanten Nutzungsarten zu FRAND-Bedingungen für den Standard implementierende Produkte in dem Sinne erteilt wird, dass die Endvertreiber (und ggf. die vorgelagerten Abnehmer) ihrerseits keine eigene, separate Lizenz vom SEP-Inhaber mehr benötigen, um im Fall einer bestimmungsgemäßen Verwendung des betreffenden Zulieferteils eine Patentverletzung zu vermeiden?

3. Sofern die Vorlagefrage zu 1. verneint wird: Stellt Art. 102 AEUV besondere qualitative, quantitative und/oder sonstige
Anforderungen an diejenigen Kriterien, nach denen der Inhaber eines standardessentiellen Patents darüber entscheidet, welche
potenziellen Patentverletzer unterschiedlicher Ebenen der gleichen Produktions- und Verwertungskette er mit einer auf Unterlassung gerichteten Patentverletzungsklage in Anspruch nimmt?

B. Konkretisierung der Anforderungen aus der Entscheidung des Gerichtshofs in Sachen Huawei ./. ZTE (Urteil vom 16. Juli 2015, C170/13):

1. Besteht ungeachtet dessen, dass die vom SEP-Inhaber und vom SEP-Benutzer wechselseitig vorzunehmenden Handlungspflichten (Verletzungsanzeige, Lizenzierungsbitte, FRAND-Lizenzangebot; Lizenzangebot an den vorrangig zu lizenzierenden Zulieferer) vorgerichtlich zu erfüllen sind, die Möglichkeit, Verhaltenspflichten, die im vorgerichtlichen Raum versäumt wurden, rechtswahrend im Laufe eines Gerichtsverfahrens nachzuholen?

2. Kann von einer beachtlichen Lizenzierungsbitte des Patentbenutzers nur dann ausgegangen werden, wenn sich aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Begleitumstände klar und eindeutig der Wille und die Bereitschaft des SEP-Benutzers
ergibt, mit dem SEP-Inhaber einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie immer diese (mangels eines zu
diesem Zeitpunkt formulierten Lizenzangebotes überhaupt noch nicht absehbaren) FRAND-Bedingungen aussehen mögen?

a) Gibt ein Verletzer, der mehrere Monate auf den Verletzungshinweis schweigt, damit regelmäßig zu erkennen, dass ihm an einer Lizenznahme nicht gelegen ist, so dass es – trotz verbal formulierter Lizenzbitte – an einer solchen fehlt, mit der Folge,
dass der Unterlassungsklage des SEP-Inhabers stattzugeben ist?

b) Kann aus Lizenzbedingungen, die der SEP-Benutzer mit einem Gegenangebot eingebracht hat, auf eine
mangelnde Lizenzbitte geschlossen werden, mit der Folge, dass der Unterlassungsklage des SEPInhabers ohne vorherige Prüfung, ob das eigene Lizenzangebot des SEP-Inhabers (welches dem Gegenangebot des SEP-Benutzers vorausgegangen
ist) überhaupt FRAND-Bedingungen entspricht, daraufhin stattgegeben wird?

c) Verbietet sich ein solcher Schluss jedenfalls dann, wenn diejenigen Lizenzbedingungen des Gegenangebotes, aus denen auf eine mangelndeLizenzbitte geschlossen werden soll, solche sind, für die weder offensichtlich noch höchstrichterlich
geklärt ist, dass sie sich mit FRAND-Bedingungen nicht vereinbaren lassen?

Streitwert insgesamt 3 Mio Euro

Gegen den Beschluss kann sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden.


LG Mannheim: Nokia obsiegt gegen Daimler wegen Patentverletzungen im Zusammenhang mit Synchronisation in Mobilfunknetzen- FRAND-Einwand greift mangels Lizenzwilligkeit von Daimler nicht

LG Mannheim
Urteil vom 18.08.2020
2 O 34/19


Nokia obsiegt gegen Daimler nach dieser Entscheidung des LG Mannheim wegen Patentverletzungen im Zusammenhang mit der Synchronisation in Mobilfunknetzen. Der FRAND-Einwand greift mangels Lizenzwilligkeit von Daimler nicht.

Die Pressemitteilung des LG Mannheim:

Entscheidung im Rechtsstreit Nokia ./. Daimler (2 O 34/19) - Klage erfolgreich

Die für das Verfahren zuständige 2. Zivilkammer hat dem Klagebegehren heute fast vollständig entsprochen.

Der Vorsitzende hat im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, dass das Klagepatent EP 2 981 103 durch die Fahrzeuge der Beklagten verletzt werde. Der FRAND-Einwand greife nicht, da nach Auffassung der Kammer aus den vorgetragen Gesamtumständen nicht von einer Lizenzwilligkeit der Beklagten und ihrer Streithelferinnen auszugehen sei. Aus Sicht der Kammer seien weder die Beklagte noch die Streithelferinnen ernsthaft bereit bzw. bereit gewesen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen mit der Klägerin abzuschließen.

Die im Raum stehende mögliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hat die Kammer nicht für sachgerecht erachtet. Da die Kammer nach den Ausführungen des Vorsitzenden bereits die Lizenzwilligkeit der Beklagten und der Streithelferinnen verneint habe, habe sich ein Großteil der Vorlagefragen nicht mehr gestellt. Nicht zuletzt aus diesem Grund, aber auch wegen der überschaubaren Restlaufzeit des Klagepatents, habe es die Kammer vielmehr für sachgerecht erachtet, in der Sache zu entscheiden und in der ersten Instanz auf eine Vorlage an den EuGH zu verzichten.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um die vierte von insgesamt vier beim Landgericht Mannheim anhängigen Verfahren handelt. Während in einem Verfahren die Klage abgewiesen worden ist, ist in zwei weiteren Verfahren eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsklagen erfolgt.

Der Beklagten steht das Rechtsmittel der Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts zu. Zuständig ist dann das Oberlandesgericht in Karlsruhe.



BGH präzisiert Rechtsprechung zu FRAND-Bedinungen und den besonderen Verhaltenspflichten eines marktbeherrschenden Patentinhabers

BGH
Urteil vom 05.05.2020
KZR 36/17
FRAND-Einwand
AEUV Art. 102 Abs. 2 Buchst. b, c; GWB §§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 1 bis 4


Der BGH hat seine Rechtsprechung zu FRAND-Bedinungen und den besonderen Verhaltenspflichten eines marktbeherrschenden Patentinhabers präzisiert.

Leitsätze des BGH:

a) Die klageweise Geltendmachung der Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung durch den Patentinhaber kann sich auch dann als missbräuchlich darstellen, wenn der Verletzer sich zwar (noch) nicht rechtsverbindlich zum Abschluss eines Lizenzvertrages zu bestimmten angemessenen Bedingungen bereit erklärt hat, dem Patentinhaber aber anzulasten ist, dass er sich seinerseits nicht hinreichend bemüht hat, der mit der marktbeherrschenden Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrages zu ermöglichen.

b) Besondere Verhaltenspflichten des marktbeherrschenden Patentinhabers können sich insbesondere daraus ergeben, dass der von der Verletzung unterrichtete Verletzer klar und eindeutig seinen Willen und seine Bereitschaft bekundet hat, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abzuschließen, aber nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres in der Lage ist, von sich aus die Bedingungen zu formulieren, die ihm der Patentinhaber unter Beachtung des ihn treffenden Diskriminierungs- und Behinderungsverbots einräumen muss. Den Patentinhaber kann die Verpflichtung treffen, seine Lizenzforderung im Einzelnen zu begründen, um dem Lizenzwilligen eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Lizenzforderung einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellt.

c) Das Angebot eines Portfoliolizenzvertrages oder eines sonstigen, weitere Schutzrechte umfassenden Lizenzvertrages durch einen marktbeherrschenden Inhaber eines standardessentiellen Patents ist jedenfalls insoweit grundsätzlich kartellrechtlich unbedenklich, als er den Lizenznehmer nicht zu Zahlungen für die Benutzung nicht-standardessentieller Patente verpflichtet und die Vergütung so berechnet wird, dass Anwender, die ein Produkt für ein speifisches, geografisch begrenztes Gebiet entwickeln möchten, nicht benachteiligt werden.

d) Der Verletzer kann dem Schadensersatzanspruch des Patentinhabers einen eigenen Schadensersatzanspruch entgegenhalten, der auf die Nichterfüllung seines Anspruchs auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen gestützt ist. Ein solcher Gegenanspruch kann erst entstehen, wenn der Verletzer vom Patentinhaber (zunächst durch Bekundung seiner Lizenzbereitschaft) den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND- Bedingungen verlangt und der Patentinhaber hierauf nicht in Einklang mit den ihn wegen seiner marktbeherrschenden Stellung treffenden Verpflichtungen reagiert, indem er sich entweder rechtswidrig weigert, einen solchen Lizenzvertrag abzuschließen oder trotz der Lizenzbereitschaft des Patentverletzers kein Angebot zu FRAND-Bedingungen abgibt.

BGH, Urteil vom 5. Mai 2020 - KZR 36/17 - OLG Düsseldorf - LG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: