Der BGH hat entschieden, dass auch beim Dieselskandal gilt, dass regelmäßig kein Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung möglich ist.
Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zum sog. Dieselskandal: Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung nicht ohne weiteres möglich
Der Bundesgerichtshof hat sich in einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung damit beschäftigt, ob der Käufer eines aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung mangelhaften Neufahrzeugs (siehe hierzu bereits Senatsurteile vom 21. Juli 2021 – VIII ZR 254/20 et al. – Pressemitteilung Nr. 140/2021) vom Kaufvertrag zurücktreten kann, ohne dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Mangelbeseitigung (hier: durch ein Software-Update) zu geben.
Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im Jahr 2015 bei der beklagten Fahrzeughändlerin ein mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug Škoda Yeti, dessen Motorsteuerungssoftware den Prüfstandlauf erkannte und in diesem Fall den Ausstoß von Stickoxiden verringerte. Nachdem die Verwendung entsprechender Vorrichtungen bei Dieselmotoren des Typs EA 189 im Verlauf des sogenannten Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, erklärte der Kläger im Herbst 2017 den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte verweigerte die Rücknahme des Fahrzeugs und verwies den Kläger auf das von der Volkswagen AG entwickelte und von der zuständigen Behörde freigegebene Software-Update, das hinsichtlich des Stickoxidausstoßes einen vorschriftsmäßigen Zustand herstellen sollte. Der Kläger ließ das Software-Update nicht aufspielen, weil er negative Folgen für das Fahrzeug befürchtete.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die Vorinstanzen haben der auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage weitgehend stattgegeben. Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheitere der vom Kläger erklärte Rücktritt auch nicht an der unterbliebenen Fristsetzung zur Nacherfüllung, da diese vorliegend nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB und § 440 BGB entbehrlich gewesen sei. Dem Kläger sei eine Nachbesserung unzumutbar, weil er nicht gehalten sei, mit der Durchführung des Software-Updates die Beseitigung des Mangels letztlich der Herstellerin zu überlassen, auf deren arglistiges Verhalten das Bestehen des Mangels zurückzuführen sei. Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Update keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug oder den Fahrbetrieb entfalte, denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte die Herstellerin nicht ohne Not zu "illegalen Mitteln" gegriffen, wenn der mit der Prüfstanderkennung bezweckte Effekt so einfach und ohne anderweitige Nachteile zu erreichen gewesen wäre.
Den Wert des bei Rückabwicklung des Kaufvertrags vom Kläger für die Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu leistenden Ersatzes haben beide Instanzen im Wege der Schätzung ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 250.000 Kilometern bestimmt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger zu seinen Gunsten demgegenüber den Ansatz eine Gesamtfahrleistung von 400.000 Kilometern erreichen, während die Beklagte mit ihrer ebenfalls zugelassenen Revision die Abweisung der Klage insgesamt begehrt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine dem Verkäufer vor Ausübung eines mangelbedingten Rücktrittsrechts vom Käufer einzuräumende Frist zur Nacherfüllung nicht allein deshalb entbehrlich ist, weil das betreffende Fahrzeug vom Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht worden ist oder der (bloße) Verdacht besteht, dass ein zur Mangelbeseitigung angebotenes Software-Update zu anderen Nachteilen am Fahrzeug führen könnte. In einer solchen Fallgestaltung bedarf es vielmehr zunächst weitergehender Prüfung und (sachverständiger) Feststellungen durch das Tatgericht.
Ein Rücktritt nach § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB setzt neben dem Vorliegen eines Sachmangels im Sinne des § 434 BGB grundsätzlich weiter voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) gesetzt hat. Diese Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn dem Käufer - wofür dieser allerdings darlegungs- und beweisbelastet ist - eine Nacherfüllung unzumutbar wäre (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB) oder besondere Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dies bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung unter anderem dann, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bekannten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen hat, weil hierdurch regelmäßig die auf Seiten des Käufers zur Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage entfällt.
Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch - was das Berufungsgericht vorliegend nicht hinreichend beachtet hat - nicht ohne weiteres auf Fallgestaltungen wie die vorliegende übertragen, in denen zwar der Hersteller das Fahrzeug mit einem ihm bekannten und verschwiegenen Mangel - der unzulässigen Abschalteinrichtung - in den Verkehr gebracht hat, dem Verkäufer selbst dieser Mangel bei Vertragsabschluss aber nicht bekannt war. Zwar kann die Vertrauensgrundlage zwischen einem Käufer und einem Verkäufer unter Umständen auch dann gestört sein, wenn der Verkäufer sich bei Vertragsabschluss ordnungsgemäß verhalten hat, aber eine Nachbesserung allein in Form eines von eben diesem Hersteller entwickelten Software-Updates anbietet. Ob eine solche Störung vorliegt, hängt jedoch stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die der Tatrichter nicht allein schematisch, sondern in sorgfältiger Abwägung zu würdigen hat. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sich der Verkäufer, dem vom Gesetz grundsätzlich ein Recht zur zweiten Andienung eingeräumt wird, nach der Rechtsprechung des Senats ein arglistiges Vorgehen des Herstellers gerade nicht zurechnen lassen muss. Weiterhin wird in Betracht zu ziehen sein, ob vor dem Hintergrund der erforderlichen Prüfung und Freigabe des Updates durch die zuständige Behörde und der Beobachtung der weiteren Entwicklung durch die (Fach-)Öffentlichkeit ein erneutes arglistiges Verhalten des Herstellers nicht fraglich sein könnte (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 7/20, Pressemitteilung Nr. 101/2020). Denn wäre - was die Tatgerichte im Einzelnen zu prüfen haben - ein weiteres arglistiges Verhalten des Herstellers aus objektiver Sicht auszuschließen, ließe sich auch eine auf dessen früheres arglistiges Vorgehen gestützte Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nicht begründen.
Ebenso wenig ist vorliegend ein sofortiger Rücktritt bereits deshalb gerechtfertigt, weil - wie das Berufungsgericht gemeint hat - nach der allgemeinen Lebenserfahrung das vom Verkäufer angebotene Software-Update mit dem Verdacht oder gar einer tatsächlichen Vermutung negativer Folgen für das Fahrzeug und dessen Betrieb (höherer Verbrauch, kürzere Lebensdauer des Fahrzeugs, erhöhter Verschleiß, verminderte Leistung, schlechtere Emissionen) behaftet wäre. Vielmehr ist zunächst durch entsprechende Feststellungen und vorliegend durch das vom Kläger diesbezüglich angebotene Sachverständigengutachten zu klären, ob und in welchem Umfang das vom Verkäufer angebotene Software-Update tatsächlich zu den vom Käufer behaupteten Folgeschäden führt.
Nach alledem hat der Senat das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben, soweit darin zu deren Nachteil erkannt worden ist, und es an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen nunmehr nachgeholt werden können.
Die Revision des Klägers, mit welcher dieser die Bemessung des bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrages in Abzug zu bringenden Nutzungsersatzes als überhöht angreift, hat der Senat hingegen zurückgewiesen. Die Instanzgerichte haben ihrer Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO analog) insoweit im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung die zeitanteilige lineare Wertminderung zugrunde gelegt, die bei Neufahrzeugen ausgehend vom Bruttokaufpreis anhand eines Vergleichs zwischen tatsächlichem Gebrauch (gefahrene Kilometer) und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer (erwartete Gesamtlaufleistung) zu bestimmen ist. Für die zu erwartende Gesamtlaufleistung ist dabei die Lebensdauer des gesamten Fahrzeugs maßgebend, die unter Berücksichtigung von der Motorisierung, der Qualität und der Preisklasse des Fahrzeugs zu beurteilen ist. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanzen an den in der Gerichtspraxis anzutreffenden Schätzwerten bei Mittelklassewagen neueren Datums orientiert und für das Fahrzeug eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometern angesetzt haben. Die demgegenüber unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung des Klägers, das erworbene Fahrzeug habe eine voraussichtliche Laufleistung von 400.000 Kilometern, ist unbeachtlich. Denn der Kläger hat vorliegend nicht aufgezeigt, dass ein Sachverständigengutachten eine tragfähigere Schätzgrundlage als die seit vielen Jahren veröffentlichten Schätzwerte der Tatgerichte böte.
§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
[…]
3. im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. […]
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) 1Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
1. die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, […]
(1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. […]
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. […]
2. nach §§ 440, 323 […] von dem Vertrag zurücktreten oder […]
§ 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
1Außer in den Fällen des […] § 323 Absatz 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn […] die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. […]
(1) 1Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 2Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. […]
Der BGH hat entschieden, dass kein Anspruch auf Schadensersatz gegen Volkswagen bei Kauf eines Gebrauchtwagens mit unzulässiger Abschalteinrichtung einer anderen Konzernmarke nach Aufdeckung des Dieselskandals besteht.
Die Pressemitteilung des BGH:
Schadensersatzklage in einem sog. "Dieselfall" gegen die VW AG bei Kauf eines Gebrauchtwagens
einer anderen Konzernmarke nach Aufdeckung des "Dieselskandals" erfolglos
Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen der Marke Audi erst nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche verneint.
Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 32.600 €, der mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Motors. Die im Zusammenhang mit diesem Motor verwendete Software führte zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren. Die Software bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde. Im normalen Betrieb außerhalb des Prüfstands war diese Abgasaufbereitung abgeschaltet.
Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189, die auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden sei, informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete die Beklagte, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wiederherzustellen. Das daraufhin von der Beklagten entwickelte Software-Update wurde im Januar 2017 bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.
Wie der Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20, Rn. 30 ff.) entschieden hat, ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat. Durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wurden wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.
Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass der Kläger im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke Volkswagen erworben hat. Die Beklagte hat ihre Verhaltensänderung nicht auf ihre Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen. Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit und der damit verbundenen Mitteilung, mit den zuständigen Behörden und dem KBA bereits in Kontakt zu stehen, hat die Beklagte ihre strategische unternehmerische Entscheidung, das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, auch bezüglich der weiteren Konzernmarken ersetzt durch die Strategie, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten. Damit war das Verhalten der Beklagten generell, d.h. hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen.
Dass der Kläger im Rahmen des Verkaufsgesprächs eine im Hinblick auf die Verwendung des VW-Motors EA189 und die zugehörige Abgasproblematik unzutreffende Auskunft ("Wir sind Audi und nicht VW") erhalten haben mag, könnte unter Umständen eine eigenständige Haftung des Autohauses begründen, ist aber nicht der Beklagten zuzurechnen.
Vorinstanzen:
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 13. Februar 2020 - 14 U 244/19
Landgericht Aurich - Urteil vom 26. Juli 2019 - 5 O 762/18
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).
BGH, Beschluss vom 29. September 2020 - VI ZB 92/19 - OLG Frankfurt a.M. - LG Kassel
"Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5. September 2019 entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründung, ist nicht zu beanstanden.
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten
Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, MDR 2020, 626 Rn. 5; vom 21. Juli 2020 - VI ZB 59/19, juris Rn. 4, VI ZB 68/19, juris Rn. 10, VI ZB 7/20, juris Rn. 7; vom 25. August 2020 - VI ZB 67/19, juris Rn. 7, VI ZB 5/20, juris Rn. 7 jeweils mwN).
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers mit der pauschalen Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und dem unspezifischen Hinweis auf eine abweichende Rechtsprechung "anderer Kammern" des erstinstanzlichen Gerichts ersichtlich nicht gerecht.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung des einen Sekretariatsfehler klarstellenden Schreibens des Prozessbevollmächtigen des Klägers vom 21. Oktober 2019. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lässt sich der danach gemeinten Formulierung "welche nicht die Rollen der Parteien in ihr Gegenteil verkehren" nicht aus sich heraus verständlich entnehmen, dass sich der Berufungsangriff des Klägers im Wesentlichen gegen die vom Landgericht gewählte Beweislastverteilung gerichtet habe und darauf abgezielt worden sei, dass es eigentlich an der Beklagten sei, darzulegen und zu beweisen, dass der als unstreitig festgestellte Unterschied bei den Abgaswerten im Labor und im tatsächlichen Straßenverkehr unbeachtlich sei bzw. der erhöhte Verbrauch nach erfolgtem Softwareupdate keinen Schaden des Klägers darstelle. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine eigenständige Interpretationsleistung der Rechtsbeschwerde.
Diese verfängt im Übrigen auch in der Sache schon deshalb nicht, weil auch sie die fehlende Zuordnung der vermeintlichen Beweislastfrage zu den im erstinstanzlichen Urteil abgehandelten möglichen Anspruchsgrundlagen nicht ersetzen kann, zumal das Erstgericht den maßgeblichen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB ersichtlich nicht aus Beweislasterwägungen, sondern im Gegenteil ausdrücklich "bereits aufgrund des Vortrags des Klägers" verneint hat."
Das OLG Hamm hat entschieden, dass Audi AG und Volkswagen AG dem Käufer eines gebrauchten vom Dieselskandal betroffenen Audi A1 Schadensersatz zahlen müssen.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
Oberlandesgericht Hamm: Abgasskandal: Auch Audi muss Schadensersatz an Kunden zahlen
Die Audi AG und die Volkswagen AG müssen dem Käufer eines gebrauchten Audi A 1 wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung als Schadensersatz den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs zahlen. Dies hat der 45. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.08.2020 entschieden.
Der klagende Kunde aus Gütersloh kaufte im Februar 2014 bei einem Autohaus in Gütersloh einen erstmals im Februar 2013 zugelassenen Audi A1, 1.6 TDI zu einem Kaufpreis von 16.385 Euro. In dem Fahrzeug eingebaut ist ein vom sog. Abgasskandal betroffener Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung EA 189. Im März 2017 ließ der Kläger ein angebotenes Software-Update ausführen, welches dafür sorgen sollte, im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte einzuhalten.
Der klagende Kunde macht u. a. geltend, er hätte den Audi A1 nicht gekauft, wenn er von der Manipulation der Abgaswerte gewusst hätte. Ihm stünde sowohl gegenüber der Volkswagen AG als auch der Audi AG ein Schadensersatzanspruch zu, weil er von ihnen vorsätzlich sittenwidrig im Hinblick auf die Schadstoffemissionen getäuscht worden sei.
Die Volkswagen AG hat insbesondere behauptet, dass die Entscheidung zum Einsatz der Motorsteuerungssoftware unterhalb ihrer Vorstandsebene getroffen worden sei. Die Audi AG hat sich darauf berufen, sie habe den Motor nicht entwickelt, weshalb sie von den Vorgängen keine Kenntnisse gehabt habe; ein etwaiges Wissen der Volkswagen AG könne ihr nicht zugerechnet werden.
Das Landgericht Bielefeld hat die Volkswagen AG und die Audi AG – gesamtschuldnerisch – mit Urteil vom 22.07.2019 (Az. 19 O 314/18) insbesondere zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, der klagende Kunde sei durch das Inverkehrbringen des Motors – mit Blick auf die Volkswagen AG – und des Fahrzeugs – in Bezug auf die Audi AG – geschädigt worden.
Zu Recht! Die Audi AG und die Volkswagen AG hätten – so der Senat – jede für sich zum Nachteil des Käufers des Audi A 1 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Mehr als fernliegend sei, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung der Vorstände oder sonstiger Repräsentanten der Unternehmen erfolgt sei und lediglich einem untergeordneten Konstrukteur zugeschrieben werden könne, der sich eigenmächtig verhalten habe. Der Gesichtspunkt, dass die beteiligten Unternehmen in einem Konzern verbunden seien, genüge für sich genommen zwar nicht, um eine Wissenszurechnung zu begründen. Eine Mithaftung der Audi AG folge aber daraus, dass nicht vorstellbar sei, dass kein Vorstandsmitglied der Audi AG von dem Einsatz der illegalen Software gewusst habe. Diese Kenntnis dränge sich geradezu angesichts eines bei der Audi AG vorhandenen Compliance-Systems auf, nach dem für jedes Detail eines zu produzierenden Pkw das Einverständnis zumindest eines Vorstandsmitglieds eingeholt werden müsse. Beiden Herstellern sei es nicht gelungen, Umstände darzulegen, wonach eine Kenntnis ihrer Vorstände oder sonstigen Repräsentanten ausscheiden würde.
Rechtskräftiges Urteil des 45. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.08.2020 (Az. 45 U 22/19, OLG Hamm)
Das OLG Köln hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Algorithmus eines Online-Automarktes aufgrund falscher km-Angabe ein Angebot blickfangmäßig als Top-Angebot platziert
Die Pressemitteilung des OLG Köln:
Wo „TOP-Angebot“ drauf steht, muss auch „TOP-Angebot“ drin sein- Zu irreführenden Angaben in KFZ-Onlinebörsen
Die irrtümlich erheblich zu geringe Angabe des Kilometerstandes in einem Gebrauchtwagenangebot auf einer Internetplattform (2.040 km statt 204.032 km) ist irreführend, wenn sie aufgrund des Algorithmus der Plattform zu einer blickfangmäßig hervorgehobenen Bewertung als „TOP-Angebot“ führt, auch wenn der Verkehr die Diskrepanz zwischen dem Kaufpreis und der angeblich geringen Laufleistung sofort erkennt oder auf einem eingestellten Foto den tatsächlichen Tachostand erkennen kann.
Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 09.03.2020 – 6 W 25/20 – entschieden.
Der Beklagte bewarb auf der Plattform autoscout24.de einen Pkw Golf unter Angabe eines Kilometerstandes von 2.040 km für 1.100 Euro. Tatsächlich betrug der Kilometerstand 204.032 km, was auf einem dem Angebot beigefügten Foto zu erkennen war.
Nachdem der Beklagte die vom Kläger begehrte Unterlassungserklärung abgegeben und dessen vorgerichtliche Kosten erstattet hatte, erklärten beide Parteien den Rechtsstreit für erledigt. Das Landgericht Köln legte die Kosten dem Kläger mit der Begründung auf, dass eine Irreführung nicht vorliege. Der angesprochene Verkehr würde aufgrund der Diskrepanz den offensichtlichen Eingabefehler erkennen und weiter durch das Foto vom Tachometer ausreichend aufgeklärt. Daran ändere auch die Bewertung als „TOP Angebot“ nichts.
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat die Entscheidung des Landgerichts Köln aufgehoben und die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung führt er aus, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zugestanden habe. Die Angabe eines Tachostandes von nur 2.040 km sei unlauter, weil insbesondere das Verhältnis von Tachostand und Kaufpreis entscheidend für die Bewertung des Angebots durch den Algorithmus der Internetplattform sei. Obwohl das Angebot tatsächlich nicht die Kriterien für die Bewertung als „TOP- Angebot“ erfüllt habe, habe die fehlerhafte Kilometerangabe im Text zu einer Einordnung als ein solches „TOP-Angebot“ geführt. Es liege damit eine blickfangmäßig hervorgehobene unwahre Bewertung vor, die nicht ausreichend aufgeklärt werde. Solange ein Verbraucher nicht wisse, wie sich die Bewertung zusammensetze und er möglicherweise annehme, dass auch noch andere Umstände eine maßgebliche Rolle spielen, bestehe eine Irreführungsgefahr i.S.d. § 5 UWG. Diese bestehe so lange fort, wie das Siegel „TOP-Angebot“ weiterhin gültig sei. Unerheblich sei letztlich, dass die Bewertung seines Angebots als „TOP-Angebot“ nicht durch den Beklagten selbst vorgenommen worden sei, da der Algorithmus jedenfalls auf die von ihm zur Verfügung gestellten Daten zugegriffen und diese ausgewertet habe. Ein schuldhaftes Handeln des Beklagten sei keine Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gem. § 5 UWG.
Der Beschluss ist rechtskräftig.
Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 09.03.2020 – Az. 6 W 25/20.
Das OLG Koblenz hat entschieden, dass ein als Mietwagen genutzter Pkw beim Verkauf nicht als Werkswagen deklariert werden darf. Geschieht dies doch, so kann der Käufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen.
Die Pressemitteilung des OLG Koblenz:
Ein Mietwagen ist kein "Werkswagen" - ein als Mietwagen genutzter Pkw darf beim Verkauf nicht als "Werkswagen" deklariert werden
Unter den Begriff „Werkswagen“ fallen nur Fahrzeuge eines Automobilherstellers, die entweder im Werk zu betrieblichen Zwecken genutzt oder von einem Mitarbeiter vergünstigt gekauft, eine gewisse Zeit genutzt und dann auf dem freien Markt wiederverkauft werden. Bietet ein Gebrauchtwagenhändler hingegen unter dem Begriff „Werkswagen“ auch Fahrzeuge an, die vom Fahrzeughersteller einem Mietwagenunternehmen zur Verfügung gestellt wurden, muss er den Käufer hierüber aufklären. Geschieht dies nicht, kann der Käufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Dies hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden (Urteil vom 25. Juli 2019, Az. 6 U 80/19) und damit ein Urteil des Landgerichts Mainz abgeändert.
Der Beklagte handelt gewerblich mit Kraftfahrzeugen. Im Rahmen dieser Tätigkeit kaufte er Gebrauchtwagen, die zuvor von einer internationalen Autovermietung als Mietwagen genutzt worden waren. Ein solches Auto kauften die Kläger bei dem Beklagten, wobei das Fahrzeug im Kaufvertrag ausdrücklich als „Werkswagen“ der betreffenden Fahrzeugherstellerin bezeichnet wurde. Nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages erhielten die Kläger von dem Beklagten die Fahrzeugpapiere, in denen das international tätige Mietwagenunternehmen als vorherige Halterin ausgewiesen ist. Hierauf ließen die Kläger den Wagen vor Ort stehen und nahmen den Beklagten schließlich gerichtlich auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch. Sie waren der Auffassung, das Fahrzeug sei mangelhaft, weil es sich nicht um einen „Werkswagen“ handele. Hierunter falle nach ihrem Verständnis das von einem Werksmitarbeiter genutzte Fahrzeug. So hätten sie den Begriff „Werkswagen“ auch bei Abschluss des Kaufvertrages verstanden. Dass das Fahrzeug tatsächlich zuvor als Mietwagen eingesetzt worden sei, hätten sie erst aus den Fahrzeugpapieren erfahren.
Der Beklagte verteidigte sich im Prozess unter anderem mit der Argumentation, dass der betreffende Automobilhersteller verschiedene Kategorien von Werkswagen anbiete, unter anderem die zuvor als Mietwagen genutzten Fahrzeuge. Hierüber und über die konkrete Nutzung als Mietwagen seien die Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages aufgeklärt worden. Die verschiedenen Arten von Werkswagen würden sich auch nicht unterscheiden, da alle Fahrzeuge vor ihrer Weiterveräußerung von der Herstellerin vollumfänglich überprüft würden.
Während das Landgericht Mainz der Darstellung des Beklagten gefolgt war und die Klage abgewiesen hatte, verurteilte der 6. Zivilsenat - nach einer in Teilen wiederholten Beweisaufnahme - auf die Berufung der Kläger den Beklagten zur Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Der Senat sah es als maßgeblich an, dass beim Autokauf der Begriff „Werkswagen“ allgemein so verstanden werde, dass das Fahrzeug entweder im Werk zu betrieblichen Zwecken genutzt wurde oder von einem Mitarbeiter vergünstigt gekauft, eine gewisse Zeit genutzt und dann auf dem freien Markt wiederverkauft wird. Eine Nutzung als Mietwagen werde hingegen üblicherweise mit dem Begriff „Werkswagen“ nicht verbunden. Dass die betreffende Fahrzeugherstellerin und der Beklagte den Begriff „Werkswagen“ intern möglicherweise weiter fassen, sei unerheblich. Für die Auslegung des Vertragsinhalts komme es grundsätzlich darauf an, wie der Vertragspartner, hier die Kläger, diesen nach dem üblichen Sprachgebrauch im Automobilhandel verstehen durfte. Den Beweis dafür, dass die Kläger über die vorherige Nutzung als Mietwagen aufgeklärt wurden und sie daher ausnahmsweise den Begriff „Werkswagen“ ebenso weit gefasst verstanden hätten wie der Beklagte, habe dieser nicht geführt. Das veräußerte Fahrzeug weise also, weil es sich wegen der Nutzung als Mietwagen nicht um einen „Werkswagen“ handelt, nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und sei mangelhaft. Die Kläger seien daher berechtigt, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Eine Nutzungsentschädigung müssten sie sich hierbei nicht anrechnen lassen, da sie das Fahrzeug unstreitig nicht bewegt und beim Beklagten belassen hatten.
Das OLG Köln hat entschieden, dass eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn ein Auto auf einer Online-Plattform mit einem Preis beworben wird, der nur erzielt wird, wenn das alte Fahrzeug des Käufers in Zahlung gegeben wird. Ein aufklärender Hinweis unter "Weiteres" am Ende des Angebots reicht nicht aus, um die Irreführung auszuräumen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"1. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 5 UWG zu.
a) Der Kläger ist als ein unbestritten nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierter Verein berechtigt, Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen.
b) Die angegriffene Werbung gegenüber Verbrauchern stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
c) Eine solche geschäftliche Handlung ist nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unlauter ist. Der Kläger beruft sich auf die Unlauterkeitstatbestände der Irreführung, §§ 5, 5a Abs. 2, Abs. 3 UWG, sowie auf einen Verstoß gegen die PAngV.
aa) Auch wenn hier unstreitig ein qualifiziertes Angebot nach § 5a Abs. 3 UWG vorliegt, insoweit eine Anwendung des § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG naheliegt und der Kläger sich in erster Instanz auch nur auf § 5a UWG berufen hat, ist die von ihm gerügte Irreführung nach § 5 UWG zu beurteilen. Es geht um eine gegen die Grundsätze der Preiswahrheit und Preisklarheit verstoßende Preisangabe und damit um eine irreführende Handlung, nicht um das Bestehen von Informationspflichten / ein irreführendes Unterlassen i.S.d. § 5a UWG. Ein irreführendes Handeln i.S.d § 5 UWG liegt grundsätzlich dann vor, wenn das Verhalten des Unternehmers aus der Sicht der Abnehmer einen falschen Gesamteindruck begründet und das Unterlassen nur darin besteht, dass die Fehlvorstellung nicht ausgeräumt wird. Erst wenn - wie hier nicht - an dem Vorliegen einer Fehlvorstellung Zweifel bestehen oder der Abnehmer sich über einen bestimmten Umstand, der seine Entscheidung beeinflussen könnte, keine Gedanken macht, ist zu fragen, ob der Unternehmer den Abnehmer entsprechend hätte aufklären müssen (s. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5a Rn. 1.14).
bb) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist z.B. dann irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Preis enthält, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG. Wegen der Bedeutung des Preises für den Absatz ist ein wirksamer Schutz vor irrführenden Preisangaben unbedingt geboten und die wettbewerbliche Relevanz in der Regel gegeben (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 3.22 f.).
(1) Die Preisangabe in der streitgegenständlichen Werbung ist falsch. Die Werbung erweckt beim angesprochenen informierten Durchschnittsverbraucher den Eindruck, dass der abgebildete A B als Neuwagen für 12.490 € gekauft werden kann, und zwar von jedermann. Die Werbung richtet sich uneingeschränkt an alle Verbraucher. Der gleich im ersten Rahmenfeld ausgewiesene Bruttopreis bezieht sich gemäß den Angaben unter „Technische Daten“ im dem unmittelbar darunter befindlichen zweiten Rahmenfeld auf ein „Neufahrzeug“.
Der mit der Werbung erweckte Eindruck stimmt mit den tatsächlichen Verhältnissen in doppelter Hinsicht nicht überein.
(a) Zum einen gilt der Preis nur dann, wenn für den Wagen eine Tageszulassung vorgenommen wird. Dies ist unstreitig und von der Beklagten selbst so vorgetragen; ob es sich dabei um einen Ausrutscher handelt oder nicht, ist für den verschuldensunanhängigen Unterlassungsanspruch ohne Belang. Schon in der Detailsuche bei C.de wird zwischen Neuwagen mit und ohne Tageszulassung unterschieden, so dass der informierte Durchschnittsverbraucher die Angabe „Neufahrzeug“ auf ein solches ohne Tageszulassung bezieht, bei dem er als erster Halter eingetragen wird. Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, ohne weiteres selbst beurteilen. Ein Wagen mit Tageszulassung ist in aller Regel deutlich preisgünstiger als ein Neuwagen und kann gegenüber diesem in verschiedener Hinsicht (Garantielaufzeit, Wiederverkaufswert pp.) wirtschaftliche Nachteile haben. Dass nach der Rechtsprechung des BGH im Bereich des Gewährleistungsrechts ein Wagen mit Tageszulassung unter bestimmten Umständen noch als „fakrikbneu“ gelten kann und dann nicht mit einem Sachmangel behaftet ist, spielt für das hier maßgebliche Verkehrsverständnis keine Rolle.
Dem Einwand der Beklagten, dass soweit sie auf C.de Tageszulassungen bewerbe, dies für jeden Interessenten schon dadurch klar werde, weil im Portal ein eigener Marktplatz „Tageszulassungen“ bestehe, in Abgrenzung zu Neuwagen und Gebrauchtwagen, kann nicht beigetreten werden. Selbst wenn die Beklagte die angegriffene Werbung unter „Tageszulassung“ geschaltet haben sollte, war nicht ausgeschlossen, dass sie auch Interessenten für Neuwagen angezeigt wurde. Auf der Plattform www.C.de lässt sich in der Suchmaske zwar eine Einschränkung vornehmen, wonach nur Tageszulassungen angezeigt werden sollen, nimmt man diese Einschränkungsmöglichkeit jedoch nicht in Anspruch, erscheinen in der Ergebnisliste nebeneinander Tageszulassungen und Neuwagen.
(b) Zum anderen gilt der Preis nur für die Verbraucher, die über ein zugelassenes Gebrauchtfahrzeug verfügen und zudem bereit sind, ihren Altwagen bei der Beklagten in Zahlung zu geben. Verbraucher, die erstmalig einen Wagen kaufen oder ihren Altwagen selbst anderweitig (bestmöglich) weiterveräußern möchten, konnten den beworbenen Wagen zum angegebenen Preis nicht erwerben. Tatsächlich konnte sogar niemand den Wagen zum angegebenen Preis kaufen, da in jedem Fall zusätzlich ein Gebrauchtwagen an die Beklagte zu übereignen war und der – unbestimmte – Preis für diesen dann auf den angegebenen Bruttopreis von 12.490 € zu verrechnen war.
(2) Bezüglich beider Punkte liegt eine sog. „dreiste Lüge“ vor. Eine solche kann nicht durch einen erläuternden Zusatz richtiggestellt werden (s. Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.89; Dreyer in: Harte-Bavedamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 5 B Rn. 129 ff.).
Die Plattform C.de gibt die Kategorien Neuwagen und Tageszulassung ausdrücklich vor, so dass kein vernünftiger Anlass dafür bestand, das Fahrzeug unter „Neuwagen“ einzustellen und einen Preis für einen Wagen mit Tageszulassung anzugeben.
Auch für den Vorbehalt der Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens bestand kein vernünftiger Anlass. Soweit die Beklagte vorträgt, dass es überhaupt keinen „Normalpreis“ gebe, sondern vielmehr eine Fülle von Preisen für ganz unterschiedliche Kunden, rechtfertigt dies die damit im Ergebnis ausdrücklich zugestandene Irreführung gerade nicht. Wird mit einer Preisangabe geworben, muss diese den Grundsätze der Preiswahrheit und Preisklarheit genügen. Preiswahrheit bedeutet, dass der angegebene Preis mit dem Preis übereinstimmen muss, den der Verbraucher tatsächlich zu zahlen hat, Preisklarheit bedeutet, dass der angegebene Preis für den Verbraucher klar erkennbar, verständlich und unzweideutig sein muss. Ist dies nicht der Fall, ist (neben dem Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG i.V.m. den Regelungen der PAngV als Marktverhaltensvorschriften) der Irreführungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG erfüllt (s. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Vorb PAngV Rn. 5, § 1 PAngV Rn. 36, 37, 44). Preisangaben sollen durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Klarheit über die Preise und ihre Gestaltung gewährleisten. Zugleich soll verhindert werden, dass der Verbraucher seine Preisvorstellungen anhand untereinander nicht mehr vergleichbarer Preise gewinnen muss (s. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 34. Aufl., PAngV Vorb Rn. 2, 5). Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten lässt naturgemäß offen, wie das Entgelt für den Gebrauchtwagen zu bestimmen ist. Es bleibt unklar, welchen Preis der Verbrauch im Ergebnis zu zahlen haben wird. Insoweit verstöß die angegriffene Werbung nicht nur gegen das Gebot der Preiswahrheit sondern vor allem auch gegen das Gebot der Preisklarheit. Für den Verbraucher ist die angegriffene Preisangabe letztlich wertlos; er kann das Angebot der Beklagten in preislicher Hinsicht nicht sinnvoll mit den Angeboten anderer Händler vergleichen.
(3) Aber selbst wenn - wie nicht - hier noch eine sog. „halbe Wahrheit“ vorläge, führen die Angaben unter „Weiteres“ am Ende der Werbung keineswegs aus der Täuschung hinaus.
Das erste Rahmenfeld der Internetwerbung mit der Abbildung des Wagens, seiner Bezeichnung „A B …“ und der Preisangabe „12.490 € (Brutto)“ stellt den Blickfang der Werbung dar. Dabei hat auch die für den Verbraucher besonders interessante und fett hervorgehobene Gesamtpreisangabe am Blickfang teil. Im Gesamtkontext der Werbung ist die Preisangabe im Vergleich zu den sonstigen Angaben herausgestellt; sie soll - wie üblich - in Kombination mit dem abgebildeten Fahrzeug die Aufmerksamkeit des Publikums erwecken.
Vermittelt der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung, kann der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang Teil hat. Zwar ist nicht in jedem Fall ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben in der Werbung erforderlich, um einen Irrtum der Verbraucher auszuschließen. Vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine Werbung – etwa für langlebige und kostspielige Güter – handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird. Eine Werbung ist jedoch nur dann „kurz und übersichtlich“ gestaltet, wenn der Zusammenhang zwischen unrichtiger Blickfangwerbung und aufklärendem Hinweis gewissermaßen „auf einen Blick“ erkannt werden kann, weil beide Bestandteile in räumlicher Nähe zueinander stehen und die aufklärende Information nicht in einem unübersichtlichen Text versteckt wird. Insgesamt ist die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt (BGH GRUR 2018, 320 - Festzins Plus, juris-Tz. 24, 25; Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.90 f.).
Nach diesen Maßstäben können die Hinweise unter „Weiteres“ am Ende der Werbung die Irreführung nicht ausräumen. Die Werbung ist gerade nicht „kurz und übersichtlich“ gestaltet. Zwischen der Preisangabe und dem auf sie bezogenen Hinweis befinden sich vielmehr mehrere Seiten mit umfangreichem Text. Die Angaben zum Angebotspreis finden sich zudem gut versteckt mitten in einem unübersichtlichen Fließtext mit unzusammenhängendem Inhalt, vordergründig rein informativer Art. Angesichts der unübersichtlichen Gestaltung der Werbung wirkt sich auch nicht aus, dass die Anschaffung eines neuen Pkw für den Verbraucher in der Regel eine wirtschaftlich besonders bedeutsame Entscheidung darstellt, bei der anzunehmen ist, dass er sich mit Werbeangaben eingehend befasst (vgl. insoweit BGH GRUR 2015, 698 – Schlafzimmer komplett). Auch bei wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbsvorgängen ist nach der Lebenserfahrung nicht sichergestellt, dass der Irrtum, der durch eine irreführende Blickfangwerbung verursacht wird, durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Textes ausgeräumt wird, dessen inhaltlicher Bezug zum Blickfang nicht klargestellt wird (BGH GRUR 2018, 320 – Festzins Plus, Juris-Tz. 26). Die Annahme des Landgerichts, der Verbraucher lese sich erst die gesamte Werbung in allen Einzelheiten durch, einschließlich der Angaben in einem zweiten, weitere Informationen betreffenden „Weiteres“ am Ende der Werbung, erscheint fernliegendaus. Jedenfalls der Verbraucher, der sich im Rahmen der Suche nach einem Neufahrzeug – wie wohl regelmäßig, zumindest aber nicht selten - bereits anderweitig mit dem Wagentyp und seinen technischen Details beschäftigt hat, benötigt zur Bewertung des Angebots der Beklagten als für ihn interessant oder nicht neben dem Kaufpreis nur wenige weitere Informationen und wird nicht die gesamte Werbung bis zum Ende gründlich durchlesen.
(4) Die angegriffene Werbung ist geeignet, den Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Das Befassen mit der Bewerbung alleine mag noch keine geschäftliche Handlung darstellen (kritisch hierzu Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 34. Aufl., § 5 Rn. 2.98a). Der Verbraucher soll durch die angegriffene Werbung jedoch veranlasst werden, sich mit der Beklagten per eMail oder telefonisch in Verbindung zu setzen oder die Händlerhomepage aufzusuchen. Genau diese Möglichkeiten eröffnet das unmittelbar neben das erste Rahmenfeld mit der Abbildung des Wagens, seiner Beschreibung und der Bruttopreisangabe gesetzte Feld mit den Kontaktdaten der Beklagen. Eine solche Kontaktaufnahme ist - ebenso wie das Aufsuchen des Geschäftslokals des Werbenden - eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 UWG. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Verbrauchern wird sich für oder gegen eine nähere Beschäftigung mit dem Angebot der Beklagten entscheiden, ohne die Werbung vollständig gelesen zu haben.
(5) Auf eine räumliche Beschränkung des Kommunikationsmittels (s. § 5a Abs. 4 UWG) kann sich die Beklagte im Rahmen der Irreführung durch eine falsche Preisangaben nach § 5 UWG nicht berufen. Unabhängig davon wäre es ihr aber auch ohne weiteres möglich gewesen, den „richtigen“ Preis anzugeben, d.h. den Preis, für den jedermann den abgebildeten A als Neuwagen ohne Tageszulassung und ohne Vereinbarung einer Gebrauchtwagen-Inzahlungnahme von ihr hätte erwerben können. Im Folgenden hättet die Beklagte dann z.B. einen Preisnachlass für die Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens bewerben können.
Der Einwand der Beklagten, es gebe keinen „richtigen“ Preis im Sinne eines Normalpreises, ist unerheblich. Der Preis für den abgebildeten Wagen als Neuwagen, ohne Tageszulassung oder sonstige den Preis mindernde Umstände, mag sich der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers annähern und insoweit weniger werbewirksam sein, dies rechtfertigt jedoch gerade keine irreführende Werbung unter Angabe eines objektiv falschen und missverständlichen / zweideutigen Preises.
Welchen Einfluss der angegebene Preis auf das Ranking innerhalb Plattform C.de hatte bzw. hat, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich."
Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass ein Gebrauchtwagenverkäufer nach § 5a Abs. 2 UWG darauf hinweisen, wenn ein Gebrauchtwagen zuvor gewerblich als Mietwagen genutzt wurde, Andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale.
Das OLG Naumburg hat entschieden, dass die Laufleistung eines Gebrauchtwagens als wesentliches Merkmal nach § 5a Abs. 2 und 3 UWG in Online-Angeboten angegeben werden.
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der Annahme des Landgerichts gehören die in Rede stehenden Angaben zur Laufleistung eines gebrauchten PKW zu den als wesentlich anzusehenden Informationen, die dem Verbraucher in Anzeigen von Gebrauchtwagenhändlern nicht vorenthalten werden dürfen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
1.
a) Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 UWG in der seit dem 10. 12. 2015 geltenden Fassung handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Als Vorenthalten gilt nach § 5 a Abs. 2 Satz 2 UWG auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
b) Diese Bestimmungen dienen der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (vgl. BGH CuR 2018, 10, 13 m.w.N.).
c) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet zwar Informationspflichten, die über das hinausreichen, was notwendig ist, um Fehlvorstellungen zu vermeiden, die sich andernfalls einstellen würden; dass derartige unerlässliche Informationen nicht verschwiegen werden dürfen, ergibt sich bereits aus § 5a Abs. 1 UWG und damit aus dem allgemeinen Irreführungsverbot (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5a Rn. 10; ferner zu § 3 UWG 1909 BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 - I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1123 = WRP 1999, 1151 - EG-Neuwagen, mwN). Doch auch die weiterreichenden Pflichten, die nach § 5a Abs. 2 UWG im Interesse des Verbraucherschutzes zu erfüllen sind, zwingen nur zur Offenlegung von Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 16. Mai 2012 – I ZR 74/11 –, Rn. 36, juris).
2. Die Bestimmung des § 5a Abs. 3 UWG setzt Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in deutsches Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Unter einer “Aufforderung zum Kauf” im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG - und damit unter einem Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG - ist nach Art. 2 Buchst. i dieser Richtlinie jede kommerzielle Kommunikation zu verstehen, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen. Dafür ist eine Werbung erforderlich, durch die der Verbraucher so viel über das beworbene Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann, ohne dass er durch die Art der kommerziellen Kommunikation schon die tatsächliche Möglichkeit zum Kauf erlangt oder die Auswahl anderer Ausführungen des Produkts aufgegeben haben muss (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Rn. 33 [= WRP 2012, 189] - Ving Sverige; Urteil vom 26. Oktober 2016 - C-611/14, GRUR 2016, 1307 Rn. 52 = WRP 2017, 31 - Canal Digital; BGH, GRUR 2017, 922 Rn. 17 [= WRP 2017, 1081] – Komplettküchen, WRP 2018, 320, S. 322 - Kraftfahrzeugwerbung).
3. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichtes, dass bei dem Verkauf von Gebrauchtwagen die Laufleistung eine Information darstellt, die sowohl nach § 5a Abs. 2 UWG als auch nach § 5a Abs. 3 UWG anzugeben ist.
a) Bei einem Gebrauchtwagen lässt sich anhand der Laufleistung grundsätzlich der Grad an Abnutzung des Wagens überschlägig bestimmen. Zusammen mit dem Baujahr wird klar, ob es sich um einen durchschnittlich benutzten Gebrauchtwagen handelt oder etwa um einen "jungen" Gebrauchtwagen, der viel benutzt worden ist bzw. einen "alten" mit geringer Nutzung. Auch wenn viele andere Ausstattungsmerkmale für den Verbraucher interessant sein können und sich damit letztlich auf den Preis auswirken, so kommt doch dem Abnutzungsgrad im Rahmen der Preisbildung aus der Sicht des Verbrauchers eine besondere Bedeutung zu.
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass nach seinen Informationen der Kilometerstand bei ca. einem Drittel der Gebrauchtwagen manipuliert wird, unterstreicht dies nur eindrucksvoll die besondere Bedeutung der Laufleistung.
b) Dies gilt allerdings nur für Gebrauchtwagen im Rahmen der üblichen Lebensdauer. Soweit sich der Beklagte auf Annoncen für sog. Oldtimer bezieht, ist dies nicht vergleichbar. Da Oldtimer die übliche Lebensdauer eines Fahrzeugs überschritten haben, ist für sie die reine Laufleistung nicht mehr in dem Maße aussagekräftig. Hier kommt es auf den tatsächlichen Erhaltungszustand des Fahrzeugs an.
c) Die Angabe der Laufleistung in Kilometern erschwert Werbeanzeigen für Gebrauchtwagen nicht über Gebühr oder macht sie gar unmöglich. Der Aufwand hierfür ist überschaubar.
Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass die Formulierung "gekauft wie gesehen" schließt Gewährleistungsansprüche für von Laien nicht erkennbare Mängel nicht aus. Vorliegend ging es um einen nicht erkennbaren Unfallschaden beim Autokauf.
Die Pressemitteilung des Gerichts:
"Gebrauchtwagenkauf - „gekauft wie gesehen“
Bei einem Gebrauchtwagenkauf nutzen die Beteiligten häufig bestimmte Formulierungen, um die Haftung des Verkäufers für Mängel des Wagens auszuschließen. Oft wird dabei die Wendung „gekauft wie gesehen" gewählt. In einer aktuellen Entscheidung hat sich der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg damit auseinandergesetzt, was dies im Einzelfall bedeuten kann.
Eine Frau aus dem Emsland hatte von einem Mann aus Wiesmoor einen gebrauchten Peugeot für gut 5.000,- € gekauft. Nach einiger Zeit wollte sie das Fahrzeug zurückgeben und ihren Kaufpreis zurückerhalten. Sie behauptete, das Fahrzeug habe einen erheblichen Vorschaden, von dem sie beim Kauf nichts gewusst habe. Der Verkäufer bestritt einen Vorschaden und berief sich außerdem darauf, dass man mit der benutzen Formulierung „gekauft wie gesehen" Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen habe.
Das Landgericht Aurich gab der Frau Recht, was jetzt der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestätigt hat. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen habe der Wagen einen erheblichen, nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden. Beide Kotflügel wiesen Spachtelarbeiten und eine Neulackierung auf. Die Formulierung „gekauft wie gesehen" schließe einen Gewährleistungsanspruch der Klägerin nicht aus. Denn diese Formulierung gelte nur für solche Mängel, die ein Laie ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen bei einer Besichtigung erkennen könne. Dass dem Verkäufer der Vorschaden ebenfalls nicht bekannt war, spiele keine Rolle. Denn für den Gewährleistungsanspruch sei eine Arglist des Verkäufers nicht Voraussetzung. Auch das Argument des Verkäufers, die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines privaten Verkäufers würden überspannt, greife nicht. Denn ihm hätte freigestanden, im Kaufvertrag einen umfassenden Haftungsausschluss für alle ihm nicht bekannten Mängel zu vereinbaren.
Die Frau kann jetzt den Wagen zurückgeben und erhält den Kaufpreis zurück.
Oberlandesgericht Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 02.08.2017, Zurückweisungsbeschluss vom 28.08.2017, Aktenzeichen 9 U 29/17"
Der BGH hat entschieden, dass Gebrauchtwagen mit Fahndungseintrag im Schengener Informationssystem einen Rechtsmangel hat und dies den Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigt.
Die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof bejaht Mangelhaftigkeit eines Gebrauchtwagens bei internationaler
Fahndungsausschreibung (Schengener Informationssystem - SIS)
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Ausschreibung eines Gebrauchtwagens im Schengener Informationssystem (SIS) einen den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Rechtsmangel (§ 433 Abs. 1 Satz 2*, § 435 Satz 1 BGB**) darstellen kann.
Beim Schengener Informationssystem handelt es sich um eine umfangreiche Datenbank, die unter anderem Informationen über gestohlene oder vermisste Fahrzeuge enthält. Der Hauptzweck der Datenbank ist - vor dem Hintergrund grundsätzlich weggefallener Grenzkontrollen an den Binnengrenzen - die Sicherstellung eines hohen Maßes an Sicherheit innerhalb der Schengen-Staaten, indem den zuständigen nationalen Behörden, wie Polizei und Grenzschutz, gestattet wird, Ausschreibungen zu Personen und Gegenständen einzugeben und abzufragen.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Der Kläger kaufte vom Beklagten im Jahr 2012 einen gebrauchten Oldtimer Rolls Royce Corniche Cabrio zum Preis von 29.000 €. Beim Versuch des Klägers, das Fahrzeug im Juli 2013 anzumelden, wurde es jedoch polizeilich sichergestellt, weil es im Schengener Informationssystem (SIS) von den französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem im Zuge der Ermittlungen - die auch gegen den Kläger und den Beklagten wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden - die Vermutung aufkam, der ehemalige französische Eigentümer könnte den Diebstahl des Fahrzeugs zum Zwecke des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht haben, wurde das Fahrzeug Ende 2013 von der Polizei freigegeben und vom Kläger zugelassen. Bereits kurz darauf wurden die Ermittlungen allerdings auch gegen die Parteien wiederaufgenommen.
Aufgrund der unverändert fortdauernden SIS-Ausschreibung erklärte der Kläger im Mai 2014 schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises. Seine entsprechende Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem Gebrauchtwagen ein Fahndungseintrag im Schengener Informationssystem (SIS) einen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Rechtsmangel darstellen kann.
Um seine Leistungspflicht zu erfüllen, hat ein Verkäufer dem Käufer nicht nur Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er muss weiterhin dafür sorgen, dass sie frei von Rechtsmängeln ist, der Käufer sie also unangefochten und frei von Rechten Dritter wie ein Eigentümer nutzen kann (§ 433 Abs. 1 Satz 2, § 435 Satz 1, § 903 Satz 1 BGB). Insofern ist nicht erst die behördliche Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs, sondern bereits dessen Eintragung in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen. Denn eine solche Eintragung ist für den Käufer mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs oder einer Halteränderung oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt und ihm das Fahrzeug daraufhin auf unbestimmte Zeit entzogen wird.
Im vorliegenden Fall war dies im Jahr 2013 bereits für die Dauer von einigen Monaten geschehen. Nachdem die SIS-Eintragung weiterhin nicht beseitigt ist, muss der Kläger auch zukünftig im gesamten Schengen-Raum jederzeit mit einer erneuten Beschlagnahme rechnen. Gerade bei einem Entzug im Ausland wäre dies für ihn nicht nur mit einem erneuten zeitweisen Entzug der Nutzungsmöglichkeit, sondern insbesondere auch mit erheblichen Anstrengungen zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes verbunden. Weiterhin ist auch die (Weiter-)Verkäuflichkeit eines Pkw durch die Fahndungseintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die SIS-Eintragung aufzuklären.
433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag
(1) 1Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. 2Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht.
903 BGB Befugnisse des Eigentümers
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. […]
Vorinstanzen:
Landgericht Ravensburg - Urteil vom 1. Dezember 2014 - 6 O 243/14
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 30. September 2015 - 3 U 192/14