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BVerfG: Regelungen zur Online-Durchsuchung und zur (Quellen-)Telekommunikationsüberwachung mittels Überwachungssoftware in §§ 100a, 100b und 100d StPO teilweise verfassungswidrig - Trojaner II

BVerfG
Beschluss vom 24.06.2025
1 BvR 180/23
Trojaner II


Das BVerfG hat entschieden, dass die Regelung zur Online-Durchsuchung und zur (Quellen-)Telekommunikationsüberwachung mittels Überwachungssoftware in § 20c PolG NW verfassungskonform ist.

Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
1. Eine Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung laufender Telekommunikation in der Weise, dass mit technischen Mitteln in von Betroffenen eigengenutzte IT-Systeme eingegriffen wird (Quellen-Telekommunikationsüberwachung, vgl. § 100a Abs. 1 Satz 2 StPO), begründet einen sehr schwerwiegenden Eingriff sowohl in das IT-System-Grundrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als auch in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis.

2. a) Eine Befugnis zur Überwachung und Aufzeichnung der auf einem IT-System Betroffener gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation in der Weise, dass mit technischen Mitteln in ein IT-System eingegriffen wird (erweiterte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, vgl. § 100a Abs. 1 Satz 3 StPO), ist allein am IT-System-Grundrecht zu messen.

b) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt nicht nur vor einzelnen Datenerhebungen, sondern auch vor dem Zugriff auf große und dadurch typischerweise besonders aussagekräftige Datenbestände. Ermächtigt aber eine Norm zur Datenerhebung aus einem IT-System, auf das mit technischen Mitteln zugegriffen wird, wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vom IT-System-Grundrecht verdrängt.

c) Von diesen beiden Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistet das IT-System-Grundrecht einen gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung spezifischen Schutz, der gerade die mit dem Zugriff auf eigengenutzte IT-Systeme verbundene Verletzung ihrer Integrität und Gefährdung der Vertraulichkeit in den Blick nimmt.

3. Eine Befugnisnorm, die dazu ermächtigt, heimlich mit technischen Mitteln in ein von Betroffenen genutztes IT-System einzugreifen und daraus Daten zu erheben, die auch solche der laufenden Fernkommunikation umfassen (Online-Durchsuchung), ermöglicht Eingriffe sowohl in das IT-System-Grundrecht als auch in Art. 10 Abs. 1 GG. Sind beide Grundrechte betroffen, ist die Befugnis zur Online-Durchsuchung an beiden Grundrechten zu messen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerfG: Regelung zur Online-Durchsuchung und zur (Quellen-)Telekommunikationsüberwachung mittels Überwachungssoftware in § 20c PolG NW verfassungskonform - Trojaner I

BVerfG
Beschluss vom 24.06.2025
1 BvR 2466/19
Trojaner I


Das BVerfG hat entschieden, dass die Regelung zur Online-Durchsuchung und zur (Quellen-)Telekommunikationsüberwachung mittels Überwachungssoftware in § 20c PolG NW verfassungskonform ist.

Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts:
1. Art. 10 Abs. 1 GG schützt vor den spezifischen Gefahren, die mit einer räumlich distanzierten Kommunikation einhergehen, und gewährleistet insoweit eine Privatheit auf Distanz. Diese Gefahren realisieren sich nicht nur bei einer Fernkommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen. Im Lichte seiner Entwicklungsoffenheit begegnet das Grundrecht auch neuen Gefährdungen, die sich aus der gestiegenen Bedeutung der Informationstechnik für die Entfaltung des Einzelnen ergeben, und erfasst insoweit grundsätzlich auch andere mithilfe von Telekommunikationstechniken über Distanz transportierte Daten.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-System-Grundrecht) schützt insbesondere vor heimlichen Zugriffen durch eine Online-Durchsuchung, ist hierauf aber nicht beschränkt (Anschluss an BVerfGE 120, 274).

a) Schutzgegenstand sind IT-Systeme, die aufgrund ihrer technischen Funktionalität allein oder durch ihre technische Vernetzung Daten einer betroffenen Person in einem Umfang und einer Vielfalt vorhalten können, dass ein Zugriff auf das System es ermöglicht, einen Einblick in wesentliche Teile der Lebensgestaltung einer Person zu gewinnen oder gar ein aussagekräftiges Bild der Persönlichkeit zu erhalten.

b) Grundrechtlich gewährleistet ist die Vertraulichkeit und Integrität des vom Schutzbereich erfassten IT-Systems. Das IT-System-Grundrecht schützt nicht nur die Vertraulichkeit der Daten, die durch Datenerhebungsvorgänge verletzt wird, sondern verlagert diesen Schutz nach vorne. Denn bereits mit dem Zugriff auf ein IT-System entsteht eine besondere Gefährdungslage für die dort erzeugten, verarbeiteten und gespeicherten oder von dort aus zugänglichen Daten. Der Gewährleistungsgehalt des IT-System-Grundrechts geht dementsprechend über den Schutz personenbezogener Daten hinaus und vermittelt einen insoweit vorgelagerten Schutz der Persönlichkeit. Der Schutzbereich ist daher stets vom IT-System her zu definieren und auf ein auf dieses System insgesamt bezogenes Gefährdungspotenzial ausgelegt.

3. Darf die Überwachung und Aufzeichnung laufender Telekommunikation auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von Betroffenen genutzte IT-Systeme eingegriffen wird (Quellen-Telekommunikationsüberwachung), begründet dies sowohl einen Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis als auch in das IT-System-Grundrecht. Solche Maßnahmen sind an beiden Grundrechten zu messen (Abweichung von BVerfGE 141, 220).

4. Den im präventiven Bereich erforderlichen Rechtsgüterschutz kann der Gesetzgeber auch in der Weise sicherstellen, dass er an hinreichend gewichtige Straftaten anknüpft. Er kann ihn aber auch unabhängig vom Gewicht der Straftat mit einer ergänzenden Rechtsgutbetrachtung oder jedenfalls dergestalt sicherstellen, dass er eine hinreichende Qualifizierung als terroristische Straftat im Einzelfall vorsieht.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BVerwG: Art. 79 Abs. 1 DSGVO schließt öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gegen kommunale Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge nicht aus

BVerwG
Beschluss vom 02.05.2024
6 B 66.23


Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, das Art. 79 Abs. 1 DSGVO einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die kommunale Videoüberwachung einer Grünfläche zur Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge nicht ausschließt.

Leitsatz des Gerichts:
Art. 79 Abs. 1 DSGVO schließt die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Datenverarbeitung im Bereich der kommunalen Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge - hier durch Videoüberwachung einer als öffentliche Einrichtung gewidmeten Grünfläche - nicht aus.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: