Skip to content

OVG Sachsen-Anhalt: Untersagungsverfügung gegen Streamer wegen streamens seiner Teilnahme an in Deutschland unzulässigen Glücksspielen rechtmäßig

OVG Sachsen-Anhalt
Urteil vom 11.07.2024
3 M 105/24


Das OVG Sachsen-Anhalt hat vorliegend entschieden, dass die Untersagungsverfügung gegen einen Streamer wegen streamens seiner Teilnahme an in Deutschland unzulässigen Glücksspielen rechtmäßig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller in der Vergangenheit bis heute für unerlaubtes Glücksspiel geworben, indem er jedenfalls mittelbar den Absatz durch das Wecken des Interesses der Konsumenten seiner gestreamten Glücksspiel-Inhalte an den dort gezeigten Produkten zu Gunsten des jeweiligen Unternehmens gefördert hat bzw. fortgesetzt fördert.

Die Antragsgegnerin ist zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 6. Juli 2023 zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller als sog. Streamer betätigt und unter dem Profil namens „...“, insbesondere auf der von Deutschland aus zu erreichenden Streaming-Plattform K. unerlaubte öffentliche Glücksspiele, die im Internet in mehr als einem Land angeboten werden, beworben hatte, indem er virtuelle Automatenspiele u.a. auf den Internetseiten https://...com und https://... … spielte, deren Anbieter bis heute über keine Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen in Deutschland verfügen, sich hierbei filmte und die Aufnahmen als Video im Livestream veröffentlichte. Für den Zeitraum des Verwaltungsverfahrens ist insbesondere auch belegt, dass der Antragsteller durch die Verwendung verschiedener Links (im Einzelnen: S. 2 f. der streitbefangenen Verfügung) für kostenlose Freispiele geworben bzw. zeitweise die Glücksspielseite V. sowie weitere Online-Casinos auf der Internetseite … beworben hat. Dies stellt der Antragsteller auch nicht in Abrede, sondern wendet ein, im Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung dieses Verhalten „weitgehend“ - mit Ausnahme des Streams seiner Teilnahme an Glücksspielen des in Deutschland nicht lizensierten Anbieters S. - eingestellt zu haben bzw. gibt vor, dass eine Wiederholung nicht drohe. Damit genügt der Antragsteller den durch die Verfügung gestellten Anforderungen, die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel dauerhaft und gesichert einzustellen, jedenfalls noch nicht. Der Antragsteller ist aus der Vergangenheit bis hinein in den Zeitraum des Erlasses der Verfügung als Streamer von Teilnahmen an unerlaubten Glücksspiel bekannt. Bis heute veröffentlicht der Antragsteller auf der Streaming-Plattform K. nahezu täglich im Livestream Videos zu seiner Teilnahme an virtuellen Automatenspielen (und Online-Casinospielen) auf der - jedenfalls derzeit ausschließlich von ihm genutzten - Internetseite https://S..com. Während der Livestreams ist stets eindeutig das Logo der ausschließlich verwendeten Glücksspielseite S. zu erkennen, so dass seine Zuschauer ohne Weiteres nachvollziehen können, auf welcher Webseite bzw. bei welchem Anbieter der Antragsteller sich am Glücksspiel beteiligt. Weder hat der Antragsteller damit vollständig im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung die Live-Übertragung seiner Teilnahme an in Deutschland nicht erlaubtem Online-Glücksspiel eingestellt noch kann aus seiner fortgesetzten Handlung geschlossen werden, dass hinsichtlich anderer Glücksspiel-Anbieter, etwaiger Verlinkungen etc. keine Wiederholungen drohen.

3.2. Das Streamen der Teilnahme an unerlaubten Online-Glücksspiel ist - entgegen der Darstellung des Antragstellers - nicht lediglich unterhaltend, sondern geeignet, ein Interesse an den gezeigten Glücksspiel-Angeboten zu wecken.

Voranzustellen ist, dass der Senat bereits hinsichtlich der Möglichkeit der Werbung durch Streamer im Rahmen des erlaubten Glücksspiels in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden hat (Beschluss vom 15. Juni 2023, a.a.O. Rn. 66 f.):

„Der Einsatz sog. Streamer als Werbepartner für virtuelle Glücksspiele geht über das zulässige Maß an Werbung hinaus. Dem Werbeformat im Rahmen des Streamings ist immanent, dass durch Filmen und Verbreiten/Liveübertragen des eigenen oder fremden Spiels - hier im vorliegenden Fall des zu bewerbenden virtuellen Automatenspiels - für den Zuschauer die Emotionen des Streamers sicht- und erlebbar werden, so dass sie auf emotionaler Ebene mit dem (Glücks-)Spiel konfrontiert werden. Typische, mit der Teilnahme an Glücksspielen verbundene Sinnesreize sprechen überdurchschnittlich Problemspieler an (vgl. Glücksspiel-Survey 2021, Seite 48; siehe auch Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23. Dezember 2022, Seite 17 f. betreffend die Einwände der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 8. Dezember 2022). Diese spielsuchtspezifischen Sinnesreize werden durch den Streamer in Abbildung eigenen oder fremden Glücksspiels erzeugt und dem Zuschauer zugänglich gemacht. In die Betrachtung ist auch das besondere Gefahrenpotential der hier vorliegenden Spielform einzustellen. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass sich eine übermäßige emotionale Einflussnahme durch Vorgaben zur Ausgestaltung von Streamer-Videos verhindern ließe, etwa durch ein Verbot übermäßiger Gefühlsausbrüche und ein Sachlichkeitsgebot, folgt der Senat dem nicht. Vorliegend geht es nicht nur darum, eine übermäßige emotionale Einflussnahme zu verhindern, sondern spielsuchtspezifische Sinnesreize zu unterbinden. Mit der kommentierten Wiedergabe einer konkreten Spielsituation des virtuellen Automatenspiels werden Schlüsselreize gesetzt, denen sich insbesondere Problemspieler und Minderjährige nicht entziehen können. Hinsichtlich Minderjähriger ist darüber hinaus festzustellen, dass Streaming die am häufigsten wahrgenommene Werbeform ist. Nach dem Report der UK Gambling Commission zur Spielteilnahme Minderjähriger 2022 waren 36 % der 17- bis 18-jährigen und 47 % der 11 bis 16-jährigen dem Streaming als führende Werbeform der Beeinflussung zur Glücksspielteilnahme ausgesetzt. Streaming-Formate gehen in Verknüpfung von suchtunspezifischen mit spielsuchtspezifischen Inhalten über eine bloße Informationswiedergabe hinaus, so dass eine Wahrnehmungsverzerrung und Risikounterschätzung für Kinder und Jugendliche angesichts deren sozialkognitiven Entwicklungsstandes hiermit verbunden ist (Beutel et al., a.a.O., Seite 113, 124, 134).

Schließlich greift der Einwand der Antragstellerin zu kurz, das „Totalverbot“ berücksichtige nicht die Möglichkeit, das Streaming nur einer geschlossenen Empfängergruppe - etwa durch Registrierungspflichten - zugänglich zu machen. Eine geschlossene Empfängergruppe mag zwar - die technischen Möglichkeiten vorausgesetzt - ein Hinzutreten von Minderjährigen und gesperrten Spielern verhindern. Problemspieler, d.h. Personen mit leichten, mittleren und schweren Glücksspielstörungen, kann hierdurch ein Zugriff auf den Inhalt allerdings nicht verwehrt werden, solange sie nicht der gesperrten und damit individualisierbaren Personengruppe unterfallen. Dass hinsichtlich der Werbewirkung allgemein und so auch bei Streaming-Formaten auf den Durchschnittsspieler abzustellen sei, ist weder verständlich noch wird dies den hier verfolgten Zielen des Glücksspielstaatsvertrags 2021 zureichend gerecht.“

Hieran ist festzuhalten. Mit der Übertragung des Livespiels gehen suchtspezifische Sinnesreize (sog. Trigger) einher. Ein Trigger ist jeder Sinneseindruck, den gefährdete Spieler eng mit dem Spielergebnis assoziieren, wie etwa das Klimpern der Münzen bei einem Gewinn an Geldspielgeräten. Gerade spielsüchtige bzw. spielsuchtgefährdete Spieler sind der Wirkung von Sinnesreizen, die dem Glücksspiel eigentümlich sind, überproportional zugänglich (Glücksspiel-Survey 2021, Seite 48). Durch den Einsatz suchtauslösender Schlüsselreize wird gerade gegenüber dieser Personengruppe - wenn auch nur ungewollt - ein besonderer Anreiz zur Spielteilnahme gesetzt. Bei Patienten mit akuter Glücksspielsucht ist nachgewiesen worden, dass gerade derartige spielbezogene Suchtreize die Potenz haben, schon nach wenigen Bruchteilen einer Sekunde das Gehirn von süchtig Konsumierenden nahezu zu überfluten; im Hirnstromfeld dieser Patienten ist ein konditioniertes Muster höchster Erregung nachzuweisen (vgl. Wölfling/Müller/Giralt/Beutel, Emotionale Befindlichkeit und dysfunktionale Stressverarbeitungen bei Personen mit Internetsucht, Zeitschrift Sucht 2011, Bd. 57, Seite 27). Ausgehend von diesem besonderen Anreiz wird durch die Übertragung der Teilnahme von Glücksspielen ungeachtet der Frage, ob das Glücksspiel in Deutschland erlaubt ist oder nicht, das Interesse am Spiel insbesondere bei spielsüchtigen bzw. spielsuchtgefährdeten Spielern geweckt.

Hinzutritt, dass auch Zuschauer, die nicht spielsüchtig bzw. spielsuchtgefährdet sind, über das Unterhaltungsformat des Antragstellers die Normalität der Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel erfahren und hierdurch angeregt werden könnten, ebenfalls unerlaubtes Glücksspiel auszuprobieren. Auf beliebten Streaming-Plattformen - wie T. und K. - verfügen Streamer wie der Antragsteller, was er selbst auch nicht in Abrede stellt, über eine große und engagierte Anhängerschaft und genießen das Vertrauen bei den von ihnen unterhaltenden Zuschauer. Damit geht einher, dass der Antragsteller mit den regelmäßigen und interaktiven Streams eine starke persönliche Bindung zu seinen Zuschauern bzw. insbesondere bei seinen Followern aufbaut. Die Interaktionen in Echtzeit schaffen ein einzigartiges Gefühl der Zugehörigkeit und Nähe zwischen dem Streamer und seinen Zuschauern. Diese emotionale Bindung und das Engagement sind entscheidend für die besondere Authentizität, die der Streamer als Meinungsführer genießt. Wenn der Antragsteller bei der Erstellung seines Contents, der neben dem Spiel Grand Theft Auto V den Bereich Slots/Casinos umfasst, - wie derzeit hier - ausschließlich einen Glücksspielanbieter (S.) durch sein nahezu tägliches Spiel hervorhebt, wird dies von dem Zuschauer nicht als herkömmliche Werbung wahrgenommen, sondern als authentische, ehrliche und glaubwürdige Empfehlung von jemanden, den sie schätzen und vertrauen (vgl. https://streamboost.de). Folglich werden die Konsumenten des Glücksspiel-Contents des Antragstellers nicht lediglich durch diesen unterhalten, sondern auf die Teilnahme an unerlaubten Glücksspiel beim Anbieter S. aufmerksam gemacht.

Dem Einwand des Antragstellers, es trete bereits kein „Werbeeffekt“ ein, da seine Zuschauer bereits aus der Glücksspielbranche kämen und nicht durch ihn animiert würden, kann nicht gefolgt werden. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die Zuschauer entweder bereits eine gewisse Affinität zum Glücksspiel entwickelt haben und durch die „unterhaltsamen“ Streams des Antragstellers im Glücksspielkontext gehalten werden, was ggf. bewirkt, dass die von ihrem Idol gespielten Spiele des Anbieters S. ausprobiert werden, oder aber, dass die Zuschauer des Antragstellers, die ihn aus Streams mit anderem Inhalt (Grand Theft Auto V, Only Chatting) kennen, angesichts einer ggf. über diese Streams aufgebauten besonderen Beziehung ein Interesse daran entwickeln, am Leben des Antragstellers darüber hinaus teilzuhaben, was einschließen kann, dass diese zu dem von ihm gestreamten Glücksspiel bei S. geführt werden.

In diesem Zusammenhang führt auch der Vortrag des Antragstellers nicht weiter, wonach der gewöhnliche Vorgang des Streamens nicht mit Werbung gleichgesetzt werden dürfe, weil das Verhalten eines Streamers „glaubwürdiger“ erscheine. Hierbei ist ohne Relevanz, dass sich Menschen mit Streaming-Diensten analog zum klassischen Fernsehen ein Programm suchten, welches ihrem Interesse entspreche, so dass sie sich nur die Zeit vertrieben und sich unterhalten ließen. Denn es handelt sich schon angesichts des festzustellenden werblichen Charakters nicht um ein nur „privates Verhalten“ des Antragstellers. Anders als der Antragsteller meint, ist eine nahezu tägliche mehrstündige Übertragung seiner Teilnahme am Glücksspiel auch nicht mit der Wiedergabe einer „Glücksspielszene“ im Rahmen eines Spielfilmes etc. vergleichbar.

Der werbliche Charakter wird auch nicht dadurch ausgeglichen, indem der Antragsteller während seines Online-Glücksspielstreams einblendet:

„Dieser Stream dient nur der Unterhaltung.

Er stellt keine Aufforderung dar, an Glücksspielen teilzunehmen. Glücksspiel kann süchtig machen und in deinem Land erst ab einem bestimmten Alter (> 18 Jahren) erlaubt oder generell verboten sein. Du musst die jeweiligen, auf deinen Aufenthaltsort zutreffenden Glücksspielgesetze beachten.“

bzw. deutliche Worte wie:

„So, ganz wichtig! Spielt auf keinen Fall Casino. Ihr werdet 100% Minus machen. Ihr werdet keinen Gewinn machen. Ihr werdet nicht mal Plus-Minus-Null gehen. Ihr werdet euer Geld verhauen. Ich mach das nur wegen Unterhaltung. Ihr könnt bei mir zugucken, aber fang nicht selber an. Nicht anfangen zu spielen.“

an seine Zuschauer richtet. Das von dem Antragsteller als „Anti-Werbung“ beschriebene Verhalten soll zuvorderst dem eigenen Schutz des Antragstellers und der Fortführung seines Glücksspiel-Contents dienen, so dass mit der Antragsgegnerin davon auszugehen ist, dass es lediglich eine Alibi-/Haftungsausschlussfunktion hat. Es kommt allein auf die Sichtweise des mit der Werbebotschaft angesprochenen Verkehrskreises an (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 - juris). Folglich kann dahinstehen, ob der Antragsteller meint, sich dadurch hinreichend distanziert zu haben. Die Einblendung sowie die zeitweise gewählten warnenden Worte wiegen den werblichen Charakter seines Unterhaltungsformats, das insbesondere durch eine reißerische Darstellung der Gewinnerzielung und die daneben erfolgenden Einblicke in die von erheblichen finanziellen Ressourcen getragene Lebensführung des Antragstellers (Sportwagen, Reisen etc.) gekennzeichnet ist, nicht auf. Dass die Zuschauer der Glücksspiel-Inhalte auch mit Blick auf die regelmäßigen hohen Gewinne des Antragstellers trotz der „Anti-Werbung“ eine entsprechende Verbindung herstellen, mithin gleichwohl ein Anreiz zum eigenen Spiel in Entsprechung ihres Vorbildes entsteht, ist naheliegend. Für den Senat liegt auf der Hand, dass die zu dem übrigen Verhalten des Antragstellers während seiner Glücksspielstreams im absoluten Gegensatz stehenden Aussagen weder ernsthaft noch authentisch sind und dementsprechend von den Zuschauern auch eingeordnet werden.

Dem Einwand des Antragstellers, bei der Veranlassung zum Spiel handele es sich um einen unvermeidbaren Nebeneffekt, der jedoch nicht zum Nachteil des Antragstellers gereichen dürfe, solange es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, folgt der Senat nicht. Wie dargestellt ist das Werbeverbot weit zu verstehen und schließt auch einen etwaigen werblichen Überschuss mit ein. Dass der GlüStV 2021 keine eigenständige Verbotsregel für den Werbeeffekt von Streaming-Aktivitäten vorsieht, ändert hieran nichts. Es greift zu kurz, darauf zu verweisen, dass der Antragsteller als bekannte Persönlichkeit mit irgendeiner Marke in Verbindung gebracht werde. Tatsache ist, dass sein Streaming-Inhalt auf unerlaubtes Online-Glücksspiel ausgerichtet ist.

Randnummer39
3.3. Soweit der Antragsteller vorträgt, für die Übertragung seiner Online-Glücksspielteilnahme beim Anbieter S. keine Gegenleistung von dem Glücksspielanbieter zu erhalten, folgt der Senat dem nicht. Denn dem Rechtsgedanken des § 5a Abs. 4 UWG folgend ist der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung zu vermuten, solange der Antragsteller nicht glaubhaft macht, dass er eine solche nicht erhalten hat. An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es vorliegend.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es fernliegend, dass der Antragsteller für seine täglichen, oft auch mehrstündigen Streams über seine Teilnahme am Online-Glücksspiel des Anbieters S. auf der Streaming-Plattform K. keine finanziell bewertbaren Vorteile außerhalb der gewöhnlichen Einnahme als K.-Streamer (Umsatzbeteiligung von 95/5 zugunsten des Content-Creators) zieht. Zwar hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vom 30. Juni 2024 vorgelegt, wonach er „keinen Werbevertrag“ mit S. oder anderen Glücksspielanbietern habe, nur unterhaltsamen Content mit dem Zeigen einer seiner Freizeitbeschäftigungen - nämlich das Spielen von Glücksspielen bei S. - bieten wolle und sich freue, dass dies bei seinen Zuschauern ankomme. Dies schließt für sich betrachtet jedoch nicht aus, dass der Antragsteller durch den Anbieter oder die Streaming-Plattform bevorteilt wird.

Allgemein bekannt ist, dass die Spielbedingungen beim Glücksspiel und damit die Gewinnwahrscheinlichkeit so gestaltet sind, dass der jeweilige Glücksspielanbieter als ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen jedenfalls auf längere Sicht einen Gewinn gegenüber dem Glücksspielkonsumenten erwirtschaftet. Weshalb der Antragsteller fortgesetzt „sein eigenes Geld“ zu bloßen Unterhaltungszwecken („Spannungsbogen hoch halten“) verspielen sollte, wenn seine Zuschauerzahlen im Glücksspielbereich nicht annährend an die seiner sonstigen Streaming-Inhalte heranreichen (im Einzelnen: vgl. streitbefangene Verfügung S. 6), mithin seine dadurch erzielten Einnahmen auf der Plattform K. aus der Anzahl der Abonnenten gegenüber seinen sonstigen Einnahmen zu vernachlässigen sein dürften, erschließt sich ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Antragsteller regelmäßig höhere Gewinne beim Online-Glücksspiel des nach seinen eigenen Angaben seit ca. 1,5 Jahren ausschließlich genutzten Anbieters S. erzielt (vgl. https://K..com/“...“).

Der Antragsteller trägt selbst vor, seinen Lebensunterhalt auf der Streaming-Plattform T., hinsichtlich derer er aufgrund der dortigen Rahmenbedingungen seinen Glücksspiel-Content nicht mehr veröffentlicht bzw. veröffentlichen kann, und nicht etwa auf der Streaming-Plattform K. erziele. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es unverständlich, dass der Antragsteller seine auf der Plattform T. durch Reichweiten/Zuschauer-/Abonnentenzahlen verdienten Einnahmen ohne nennenswerten Ertrag allein aus Freizeit- und Unterhaltungszwecken einsetzt. Hiervon dürfte mit Blick auf die tägliche, oft auch mehrstündige Übertragung einer - gewöhnlichen - Spielteilnahme und die deutlich limitierte Zuschauer- und Abonnentenzahl auszugehen sein. Für den Senat liegt auch nicht auf der Hand, dass der Antragsteller mit seinem Glücksspiel-Content bei K. seine Zuschauerzahlen in anderen Bereichen in einem solchen Maße steigert, dass ein etwaiger Nachteil ausgeglichen werden könnte. Unwidersprochen bleibt zudem das Vorbringen der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid, wonach der Antragsteller in einem Livestream auf der Streaming-Plattform K. am 2. Mai 2023 während eines virtuellen Automatenspiels beim Anbieter S. seine Zuschauer darauf hingewiesen habe, von diesen keine Spenden mehr zu benötigen, da er als „Casinostreamer“ pro Spinn 38 € „mache“.

Auch legen die regelmäßigen hohen Gewinne des Antragstellers bei seiner ausschließlichen Glücksspielteilnahme bei dem Anbieter S. den Schluss nahe, dass ihm Sonderbedingungen für seine Teilnahme am Glücksspiel eingeräumt sind, um fortgesetzt zu spielen. Der Antragsteller verhält sich dazu nicht, sondern beschränkt sich darauf, keinen Werbevertrag mit dem Anbieter S. eingegangen zu sein und seinen Lebensunterhalt mit den Einnahmen aus T. zu erwirtschaften. Dies genügt indes nicht, um den Nichterhalt einer Gegenleistung glaubhaft zu machen. Denn er lässt offen bzw. belegt nicht im Ansatz dar, welche Einnahmen er wo konkret erwirtschaftet, in welchem Umfang er täglich sein „eigenes Geld“ für Glücksspiel-Streams einsetzt bzw. welche Gewinne er dabei erzielt. Für eine besondere Verflechtung zwischen dem Antragsteller und dem Anbieter S. spricht zudem, dass der Antragsteller vorgibt, Einfluss auf S. dahingehend genommen zu haben, dass dieser ein Geoblocking für Deutschland einrichte, so dass ein gewöhnlicher Zugriff auf das Spieleangebot des Anbieters nicht mehr erfolgen könne. Dass dies auf Zuruf eines gewöhnlichen Glücksspielteilnehmers erfolgt, ist bereits wenig wahrscheinlich. Insbesondere das ausschließliche Spiel bei S. deutet darauf hin, dass der Antragsteller Vorteile zieht. Es ist unverständlich, dass eine glücksspielaffine Person - wie der Antragsteller („Freizeitbeschäftigung“) - seit 1,5 Jahren ausschließlich bei einem Anbieter spielt, nur weil ihr die Bedienung und Optik der Seite gefielen. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass sich der von dem Antragsteller mit der Glücksspielteilnahme beabsichtigte „Spannungsbogen“ nach 1,5 Jahren bei einem Anbieter abgenutzt haben dürfte.

Selbst wenn der Antragsteller mit dem Glücksspielanbieter S. keine geschäftliche Beziehung (Werbevertrag, Sonderbedingungen etc.) unterhalten sollte, so liegt es ebenso nahe, dass die Streaming-Plattform K. und der Glücksspielanbieter S. ihrerseits geschäftlich verbunden sind und der Antragsteller hiervon mittelbar profitiert. Betrieben wird die Plattform K. von der K. Streaming Pty Ltd. Alleiniger Anteilseigner von K. ist die E. E. Pty Ltd, welche wiederum zu einem Drittel im Besitz eines anderen Unternehmens ist, der A. H. Pty Ltd. Die A. H. befindet sich vollständig im Besitz des S..com Mitbegründers C.. Die restlichen zwei Drittel von E. E. gehören dem anderen Mitbegründer von S..com, B.. Obwohl K. nicht direkt im Besitz von S..com oder den Mitbegründern von S. ist, deuten die Aufzeichnungen darauf hin, dass sie die Mehrheitsaktionäre an der Streaming-Seite K. sind und es Verbindungen zu S. und der Förderung des Glücksspiel-Streamings gibt. Sowohl die Unternehmensstruktur als auch die Finanzierung der Plattform K. wirft erhebliche Fragen auf (zum Ganzen: vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/K..com). Dies zugrunde gelegt kann jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller über seine regelmäßigen Einnahmen als Content-Creator bei K. (s.o.) hinaus aufgrund weiterer Vertragsabsprachen mit der Streaming-Plattform K. für das von ihm gestreamte Online-Glücksspiel bei dem Anbieter S. bevorteilt wird.

Fehlt es damit an einer hinreichenden Glaubhaftmachung des Antragstellers ist mit der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen luxuriösen Lebensstil jedenfalls auch durch Werbeeinnahmen im Rahmen seines Glücksspiel-Contents finanziert. Der Vortrag des Antragstellers zur Art und Weise der Einnahmeerzielung erfolgreicher Streamer (Erzeugen von Reichweite, Abonnements, Spenden) insbesondere auch im Unterschied zu Influencern, zur exponentiellen Steigerung der Einnahmen über Streaming-Plattformen (Marktvolumen etc.) sowie dazu, dass sich der Antragsteller seine Bekanntheit als GTA RP Streamer erarbeitet und es angesichts seiner T.-Einnahmen „nicht nötig“ habe, Glücksspielwerbung zu betreiben, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung und mangels hinreichender Glaubhaftmachung nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller eine Gegenleistung für seinen Glücksspiel-Content erhält. Dass Streamer „denklogisch“ kein Interesse daran hätten, ihre Zuschauer auf andere Plattformen - so auch auf Plattformen von Glücksspielanbietern - zu bewegen, weil sie sie an ihre Streams binden wollten, greift zu kurz. Der Antragsteller kann seine Zuschauer von vornherein nur für die Dauer seiner Streams binden. Daneben steht den Zuschauern ein ausreichender Zeitkorridor zur Verfügung, um sich auf andere Plattformen zu begeben bzw. an Online-Glücksspielen teilzunehmen. Gerichtsbekannt ist darüber hinaus, dass erfolgreiche Glücksspiel-Streamer Verträge mit der Streaming-Plattform K. in Fortsetzung ihres Glücksspiel-Contents auf der Plattform eingegangen sind. Schließlich rechtfertigt die „Anti-Werbung“ des Antragstellers keine abweichende Bewertung (s.o.). Insbesondere teilt der Senat mit Blick auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Aussagen die Einschätzung nicht, dass ein Glücksspielanbieter unter diesen Umständen keinen Werbevertrag anbieten würde.

3.4. Ausgehend von einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines anderen Unternehmens (Gegenleistung durch Dritten) bedarf die Frage keine Beantwortung mehr, ob eine geschäftliche Handlung zur Förderung des eigenen Unternehmens eines Streamers durch das Werbeverbot in § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 erfasst wird (werblicher Überschuss, vgl. zum Influencer-Marketing: BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20 - juris).

3.5. Der werbende Effekt geht nicht dadurch ins Leere, dass der Antragsteller seit geraumer Zeit nur noch die Teilnahme an Online-Glücksspielen des Anbieters S. streame (https://S..com), der wegen des mittlerweile eingerichteten Geoblockings (technische Ländersperre) von Deutschland aus nicht (mehr) aufrufbar sei.

(1) Nach summarischer Prüfung bestehen bereits berechtigte Zweifel daran, ob der Anbieter S. das von ihm eingerichtete Geoblocking fortgesetzt und kontinuierlich anwendet, um den gewöhnlichen Zugriff von Deutschland aus auszuschließen. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass der Anbieter S. bereits im Jahr 2022 die sog. Ländersperre eingerichtet haben soll und allein aus technischen - vom Antragsteller nicht zu verantwortenden - Gründen bis zum 5. Januar 2023 Zugriffsmöglichkeiten bestanden hätten. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs war jedoch zeitweise der gewöhnliche Zugriff auf dieses Online-Glücksspielangebot von Deutschland aus (bspw. Login und Spiel am 25. Mai 2023 bzw. am 10. Juli 2023, Bl. 258, 274), mithin unmittelbar vor als auch während des Erlasses der streitbefangenen Verfügung möglich. Hierzu verhält sich der Antragsteller nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Glücksspielbehörde gehalten, fortgesetzt die Einhaltung der bestehenden Beschränkungen hinsichtlich des Werbenden und des Anbieters zu kontrollieren. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller vorgibt, persönlich gegenüber dem Anbieter S. darauf hingewirkt zu haben, dass der Anbieter S. eine Ländersperre für Deutschland einrichte, um fortgesetzt die Teilnahme an den Online-Glücksspielen des Anbieters S. live übertragen zu können. Denn es ist bereits fraglich, welche Möglichkeiten des „Einwirkens“ der Antragsteller als gewöhnlicher Konsument des Glücksspielangebotes des Anbieters S. haben soll, wenn er selbst vorträgt, über das bloße Spiel hinaus keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen gegenüber dem Anbieter zu unterhalten. Dessen ungeachtet belegt der Antragsteller seinen Vortrag nicht.

(2) Dessen ungeachtet geht der in Deutschland eintretende werbende Effekt durch eine etwaige Ländersperre (sog. Geoblocking/IP-Blocking) des Anbieters S. nicht verloren und kann dem Antragsteller entgegengehalten werden.

Fest steht, dass der Anbieter S. über keine glücksspielrechtliche Erlaubnis in Deutschland verfügt und eine solche auch nicht beantragt hat, mithin unerlaubtes Glücksspiel i.S.d. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 vorliegt. Er darf damit weder in Deutschland sein Online-Glücksspiele veranstalten, durchführen und vermitteln noch selbst hierfür werben (vgl. §§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 5 Abs. 7 GlüStV 2021).

Nach § 3 Abs. 4 GlüStV 2021 wird ein Glücksspiel zwar nur dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird, so dass gegenüber dem Glücksspielanbieter die Geolokalisation und das damit in Zusammenhang stehende Geoblocking als ein geeignetes Instrument angesehen wird, um die Möglichkeit der Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel zu begrenzen (vgl. Dietlein in: Dietlein/Ruttig, a.a.O. § 3 GlüStV Rn. 20). Der vorliegende Sachverhalt macht jedoch deutlich, dass dieses Mittel den Zugriff nicht in Gänze ausschließt. Allgemein bekannt ist, dass durch den Einsatz eines VPN-Netzwerks die für Deutschland eingerichtete Ländersperre ohne Weiteres umgangen werden kann (vgl. https://www.S.fans.com/de/S.-standort-registrien/). Hierzu hat auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in einem anderen beim Senat geführten Verfahren zum Payment-Blocking vorgetragen (vgl. Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2023, a.a.O.). Mittels VPN-Nutzung kann das unerlaubte Glücksspiel von Deutschland aus aufgenommen werden. Dies geschieht sodann bspw. über Österreich, was den in Deutschland verorteten Spielern einen stabilen Empfang, ein weitgehend uneingeschränktes Spielerlebnis sowie die Nutzung in deutscher Sprache erlaubt. Der Senat geht davon aus, dass der Anbieter S. regelmäßig keine weiteren - über das Geoblocking hinausgehenden - Prüfungen vornimmt, so dass eine Registrierung eines neuen Nutzerskontos bzw. ein Zugriff auf ein vorhandenes Benutzungskonto durch Spieler, die sich tatsächlich örtlich in Deutschland aufhalten und lediglich vorgeben, nicht von Deutschland aus zu spielen, erfolgen kann. Auch wird der Zahlungsverkehr nicht eingeschränkt. Da S. ein Online-Casino ist, das finanzielle Transaktionen generell in Form von Krypto-Währungen durchführt, wird mit der Einrichtung eines Wallets für Krypto-Währungen der Zahlungsverkehr - anders als bei nicht lizensierten Anbietern, deren Auszahlungen auf Bankkonten, Kreditkarten und Echtgeld-Wallets erfolgt, was sodann eingeschränkt werden könnte - relativ verlässlich abgewickelt (vgl. https://www.S.fans.com/de/S.-standort-registrien/). Diese fortschreitende technische Entwicklung und damit verbundene - dem Antragsteller auch bekannte - allgemein üblich werdende Handhabung durch Anwender bedingt, dass der werbende Effekt sodann nicht ins Leere läuft, wenn ein Zugriff auf das unerlaubte Glücksspielangebot unter Umgehung der Ländersperre gleichwohl erfolgen kann und - wie hier - erfolgt.

Der Vortrag des Antragstellers, der Staatsvertrag erfasse kein ausländisches Glücksspiel, für das keine Teilnahme im Inland eröffnet sei, greift mit Blick auf das gesetzlich statuierte weitreichende Werbeverbot und die festzustellenden Umgehungsmöglichkeiten zu kurz. Der Antragsteller führt selbst aus, dass der Staatsvertrag das Bewerben einer Teilnahmemöglichkeit von nicht in Deutschland konzessioniertem Glücksspiel umfasst. Es kommt für das Bewerben indes nicht darauf an, ob der Glücksspielanbieter alles Erforderliche getan hat, um die Teilnahmemöglichkeit von Deutschland aus wirksam zu begrenzen. Denn auch einem Glücksspielanbieter wäre nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 die Werbung in Deutschland für sein unerlaubtes Glücksspiel fortgesetzt untersagt, auch wenn dieser durch Unterbindung des gewöhnlichen Zugriffs, die Teilnahme von Deutschland aus nicht (mehr) eröffnet. Folglich hat es der Antragsteller - wie der Anbieter unerlaubten Glücksspiels - selbst in der Hand, seine Werbehandlungen in Deutschland dem gewöhnlichen Zugriff zu entziehen, mithin nicht abrufbar zu machen, indem er - wie die Antragsgegnerin in ihrer Untersagungsverfügung unwidersprochen ausführt - die Einrichtung eines IP-Blockings in Bezug auf seine Glücksspiel-Inhalte auf den genutzten Streaming-Plattformen vornehmen lässt. Der Antragsteller wirbt jedoch fortgesetzt für in Deutschland nicht erlaubtes Online-Glücksspiel, das mittels Umgehungsmöglichkeiten auch durch örtlich in Deutschland verortete Spieler gespielt werden kann, und verstößt damit gegen § 5 Abs. 7 GlüStV 2021. Die Einrichtung eines Geoblockings durch den Anbieter führt nicht dazu, dass es sich nicht mehr um unerlaubtes Glücksspiel im Sinne der Norm handelt, sondern allein dazu, dass der gewöhnliche Zugriff auf das unerlaubte Glücksspiel von Deutschland aus beschränkt wird. Nach der hier allein möglichen summarischen Prüfung bewirkt die Maßnahme zur Beschränkung des Zugriffs folglich nicht, dass ein Werbender lediglich für „ausländisches“ nicht aber für unerlaubtes Glücksspiel wirbt, wenn - wie hier - ein werblicher Effekt zugunsten des Glücksspielanbieters gleichwohl gewöhnlich in Deutschland eintreten kann und eintritt. Dies ist dem Antragsteller auch bewusst.

Für das vorliegende Verfahren kann offenbleiben, ob ein Glücksspielanbieter angesichts der bestehenden und ihm auch bekannten Umgehungsmöglichkeiten bei einer eingerichteten Ländersperre sein Online-Glücksspiel nicht mehr i.S.d. § 3 Abs. 4 GlüStV 2021 in Deutschland veranstaltet und vermittelt oder es neben der Geolokalisation zusätzlicher Maßnahmen des Anbieters bedarf (bspw. im Registrierungsprozess), um eine Teilnahme von Deutschland aus zu begrenzen.

(3) Selbst wenn - entgegen der hier vertretenen Rechtssauffassung - angesichts der sich stellenden Rechtsfragen zur Möglichkeit der Werbung für unerlaubte Glücksspielanbieter, die über ein Geoblocking verfügen, lediglich offene Erfolgsaussichten zu attestieren wären, fiele die danach anzustrengende Interessenabwägung mit Blick auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Suchtbekämpfung zum Nachteil des Antragstellers aus. Nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung überwiegt der gesetzlichen Wertung aus § 9 Abs. 2 GlüStV 2021 folgend das öffentliche Interesse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der Schutz der Allgemeinheit vor den Folgen des Glücksspiels allgemein, insbesondere des unerlaubten Glücksspiels kann u.a. dadurch erreicht werden, dass die Werbung durch das Streamen von Glücksspielinhalten unterbunden wird. Hinter den öffentlichen Interessen am Gesundheits- und Minderjährigen-/Jugendschutz bleiben die Interessen des Antragstellers zurück. Insbesondere besteht für ein überwiegendes wirtschaftliches Interesse des Antragstellers kein konkreter Anhalt. Der Antragsteller gibt selbst vor, weder eine Gegenleistung für seine Glücksspiel-Inhalte noch sonstige Vorteile - außer die an ihn geleisteten Auszahlungen der Streaming-Plattform K. aufgrund der Zuschauer- und Abonnentenzahlen (Quote 95/5) - zu erhalten. Diese Angaben als zutreffend unterstellt sowie der Umstand, dass es sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bei einer Teilnahme am Online-Glücksspiel bei einem Regelspielbetrieb auf lange Sicht um ein - wie er selbst vorgibt - „100% Minus“- Geschäft handelt, ist der wirtschaftliche Wert seines Glücksspiel-Streamings angesichts der vielfältigen anderweitigen Streams des Antragstellers zu vernachlässigen.

5. Verstößt der Antragsteller damit gegen das Verbot aus § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 kann die Antragsgegnerin als zuständige Glücksspielbehörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 treffen. Die Ermessensausübung der Antragsgegnerin begegnet - entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts - keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5.1. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen in rechtlich zulässiger Weise ausgeübt.

Sie hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Gemäß der Begründung des Bescheides soll mit der Untersagung der legitime Zweck verfolgt werden, die Werbung für unerlaubte öffentliche Glücksspiele in Deutschland zu unterbinden und damit die Ziele des GlüStV 2021 zu fördern. Die Geeignetheit der Maßnahme ist - wie dargestellt - auch nicht deshalb zu bezweifeln, weil der Antragsteller erklärt hat, sich an die Vorgaben der Verfügung „weitgehend“ zu halten, indem er nur noch seine Teilnahme am Online-Glücksspiel des Anbieters S. übertrage. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist zwar bei einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung - jedenfalls hinsichtlich der Regelungswirkungen für Gegenwart und Zukunft - der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, da der streitgegenständliche Bescheid als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist und die einschlägigen gesetzlichen Regelungen - wie hier - keinen abweichenden Zeitpunkt bestimmen (vgl. Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2023, a.a.O. Rn. 64, juris m.w.N.). In Bezug auf den derzeit vom Antragsteller bevorzugten Anbieter ist allerdings nicht sichergestellt, dass dieser an dem eingerichteten Geoblocking fortgesetzt und ununterbrochen festhält (vgl. Zugriffsmöglichkeit nach Erlass der streitbefangenen Verfügung), so dass mit der vorliegenden Verfügung auch die Wiederaufnahme der Tätigkeit zu untersagen ist. Im Übrigen geht der Senat zudem davon aus, dass auch bei einem lückenlosen Geoblocking durch den Anbieter unerlaubten Glücksspiel das Werbeverbot mit Blick auf die bestehende und allgemein bekannte Umgehungsmöglichkeit Geltung beansprucht (s.o.).

Die Untersagung der Werbung ist zur Gewährleistung eines effektiven Spielerschutzes erforderlich, da zu verhindern ist, dass potentielle Spieler mit Aufenthaltsort Deutschland (registrierte bzw. neue Spieler) durch die Werbehandlungen des Antragstellers zur Teilnahme an unerlaubten Glücksspiel verleitet und damit den erheblichen Risiken des unerlaubten Glücksspiels ausgesetzt werden bzw. sich nach § 285 StGB strafbar machen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschränkung auf bestimmte andere Maßnahmen den gleichen Erfolg erzielen würden.

Die Anordnung ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Anordnung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Antragsteller das Übertragen seines Glücksspiel-Content gegebenenfalls vollständig aufgeben müsste. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass der Antragsteller im Wege des Geoblockings verhindern könne, dass seine Werbehandlungen von Deutschland aus gewöhnlich abgerufen werden könnten. Hierzu verhält sich weder der Antragsteller noch liegt für den Senat Gegenteiliges auf der Hand.

5.2. Gegen die Ermessensentscheidung, den Antragsteller als Verhaltensstörer heranzuziehen, ist rechtlich ebenfalls nichts zu erinnern.

Die Beschwerde wendet gegen die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht ein, dass ein Ermessensausfall nicht vorliegt. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass im streitgegenständlichen Bescheid keine Ermessenserwägungen dahingehend ersichtlich seien, ob Anordnungen gegen die betroffenen Plattformen ausreichend seien, um der aus ihrer Sicht vorhandenen Werbung durch die von dem Antragsteller veröffentlichten Videos und Live-Streams wirksam zu begegnen, greifen zu kurz.

Ein gesetzliches Rangverhältnis zwischen der Inanspruchnahme des Verhaltens- und des Zustandsstörers nach § 27a Abs. 4 GlüStV 2021 i.V.m. §§ 7 f. SOG LSA besteht nicht, so dass die Maßnahmen gegen die Person, die eine Gefahr verursacht hat (vgl. § 7 Abs. 1 SOG LSA, sog. Handlungsstörer) ebenso gerichtet werden können wie gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Sache, von der eine Gefahr ausgeht (vgl. § 8 Abs. 1 SOG LSA, sog. Zustandsstörer). Die Störerauswahl wird von dem Prinzip der Effektivität der Gefahrenabwehr beherrscht, so dass im Rahmen des bestehenden Auswahlermessens insbesondere zu berücksichtigen ist, wer am erfolgversprechendsten einwirken kann, um die Störung abzuwenden. Daneben können die Leistungsfähigkeit, Sach- und Ortsnähe sowie andere Kriterien von Relevanz sein (zum Ganzen: vgl. Peters in: Dietlein/Ruttig, a.a.O. § 9 GlüStV Rn. 12).

Dementsprechend setzt die ordnungsgemäße Ausübung des Auswahlermessens in der Regel voraus, dass die Behörde die Frage der tatbestandsmäßigen Verantwortlichkeit der ihr zur Kenntnis gelangten Personen prüft und - wenn sich als Ergebnis dieser Prüfung herausstellt, dass eine Mehrzahl von ihnen verantwortlich ist - eine bewusste Entscheidung darüber trifft, gegen welche dieser Personen sie aus welchen Gründen ihre Maßnahme richtet (vgl. Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2021 - 3 M 169/21 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Mit der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als sog. Handlungsstörer anzusehen ist. Unzweifelhaft verursacht der Antragsteller fortgesetzt die Gefahrenlage, indem er durch das Hochladen seiner Live-Streams und Video, unerlaubtes Online-Glücksspiel u.a. in Deutschland bewirbt. Zwar bedient er sich hierbei sog. Streaming-Plattformen (Zustandsstörer), die die tatsächliche Gewalt über den hochgeladenen Content ausüben, so dass ihnen ohne Weiteres eine Einwirkungsmöglichkeit zukommt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht allein seinen Glücksspiel-Content, sondern in vielfältiger anderer Weise auf verschiedenen Internetplattformen als Streamer bzw. Content-Creator aktiv ist. Dies macht es erforderlich, dass der jeweilige Inhaber der Internet-Plattform, die der Antragsteller zur Verbreitung seines Glücksspiel-Contents verwendet - ggf. in Echtzeit - den hochgeladenen Inhalt prüft, dem Antragsteller im bestehenden Vertragsverhältnis beschränkende Regelungen auferlegt (wie bspw. T.) bzw. ein Geoblocking für die Glücksspiel-Inhalte einrichtet oder ähnliche Maßnahmen ergreift. Dies vorausgesetzt, liegt mit der Antragsgegnerin für den Senat schon nicht auf der Hand, dass das Ziel der Gefahrenabwehr - anders als bei der Heranziehung des Antragstellers - ebenso einfach, schnell und endgültig durch den alleinigen Zugriff auf verschiedene - zum jetzigen Zeitpunkt ggf. noch unbekannte - Zustandsstörer erreicht werden kann. Die Notwendigkeit näherer Ausführungen zum Auswahlermessen besteht jedenfalls dann nicht, wenn das von der Behörde verfolgte Ziel durch die Inanspruchnahme Dritter offensichtlich nicht oder nicht in gleich effektiver Weise erreichbar ist.

Die Antragsgegnerin hat mit der Anordnung das Ziel verfolgt, unerlaubte Werbung des Antragstellers für illegales Glücksspiel zu unterbinden. Dem Antragsteller wurde mit der Verfügung generell, d.h. ungeachtet der konkreten Streaming-Plattform, untersagt, für unerlaubte Glücksspiele, die im Internet in mehr als einem Land angeboten werden, zu werben, soweit seine Werbehandlungen in Deutschland abrufbar sind. Die in der Verfügung genannten Internetseiten https://T..tv/“...“ und https://K..com/“...“ sind nur beispielhaft erwähnt, was durch den verwendeten Begriff „insbesondere“ klar hervortritt. Die Antragsgegnerin führt in ihrer Verfügung hierzu aus, dass diese nicht auf die vorbezeichneten Internetseiten beschränkt sei, damit im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr verhindert werde, dass die Verfügung durch die Verwendung einer anderen Domain oder schlichte Auswechselung der Domain unterlaufen werde (vgl. dort S. 10 Absatz 4). Hierdurch werden insbesondere auch etwaige Ausweichbewegungen des Antragstellers auf andere Streaming-Plattformen umfasst. Mithin soll wird umfänglich sichergestellt werden, dass eine Werbung für unerlaubte Glücksspiele auf in Deutschland abrufbaren Internetseiten künftig unterbleibt. Die Antragsgegnerin ist davon ausgegangen, dass es zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, Ausweichbewegungen auf andere Streaming-Plattformen zu vermeiden. Sie hat deutlich gemacht, dass es aus ihrer Sicht zur Gefahrenabwehr nicht ausreicht, Werbung für unerlaubtes Glücksspiel des Antragstellers auf bestimmten Internetseiten zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist das von der Behörde verfolgte Ziel - anders als in Fällen, in denen die angeordnete Maßnahme sowohl vom Verhaltensstörer und vom Zustandsstörer durchgeführt werden könnte (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2021, a.a.O. Rn. 8) - durch Anordnungen gegen Zustandsstörer nicht erreichbar. Die alleinige Inanspruchnahme der bezeichneten beiden Streaming-Plattformen T. und K. hätte Ausweichbewegungen nicht unterbunden. Eine - vorsorgliche - Untersagungsverfügung gegen andere Plattformen kam ersichtlich nicht in Betracht, zumal unabsehbar war, um welche Plattformen es sich handeln könnte.

Vor diesem Hintergrund ist Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Einzelfallumstände bezüglich der alleinigen Inanspruchnahme der betroffenen Plattformen geprüft habe, nicht tragfähig. Angesichts der klar aus der Begründung des Bescheides hervorgehenden Zielrichtung und den Erwägungen zu etwaigen Ausweichbewegungen auf anderen Plattformen war es nicht geboten, explizit im Rahmen der Begründung des Auswahlermessens näher zu erwägen, ob die Gefahrenabwehr gleichermaßen durch Untersagungsverfügungen gegen Streaming-Anbieter zu gewährleisten wäre. Vielmehr war in diesem Zusammenhang die Einschätzung ausreichend, dass mit der Heranziehung des Handlungsstörers das Ziel, künftig Werbehandlungen des Antragstellers für unerlaubtes Glücksspiels zu unterbinden, erreicht werden kann. Es liegt auf der Hand, dass allein durch die Inanspruchnahme des Antragstellers der erstrebte Erfolg auf einfache Weise und endgültig erreicht werden kann, wenn dieser in Deutschland abrufbare Werbehandlungen unterlässt. Dies kann der Antragsteller durch die Einrichtung eines effektiven Geoblockings für Deutschland, ggf. durch entsprechende Vereinbarungen mit den von ihm gewählten Internetplattformen, oder durch endgültige Aufgabe der werbenden Handlungen erreichen. Die Frage, ob die beiden bezeichneten Plattformen als Zustandsstörer neben dem Antragsteller als Handlungsstörer hätten herangezogen werden können, kommt es mithin nicht entscheidend an.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuG: Bußgeld der EU-Kommission gegen den Steam-Betreiber Valve wegen unzulässigen Geoblockings rechtmäßig

EuG
Urteil vom 27.09.2023
T-172/21
Valve Corporation / Kommission


Das EuG hat entschieden, dass das Bußgeld der EU-Kommission gegen den Steam-Betreiber Valve wegen unzulässigen Geoblockings rechtmäßig war.

Die Pressemitteilung des EuG:
Online-Videospiele: Das Gericht bestätigt einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union durch das Geoblocking von Produktschlüsseln für die Plattform Steam

Indem sie dieses Geoblocking bilateral vereinbart haben, haben die Betreiberin der Plattform Steam, Valve, und fünf PC-Videospielverleger den grenzüberschreitenden Absatz bestimmter mit dieser Plattform kompatibler PC-Videospiele unzulässig beschränkt

Nachdem die Kommission Informationen erhalten hatte, dass bestimmte PC-Videospiele auf der Plattform Steam aufgrund des Nutzerstandorts einem Geoblocking unterlagen, leitete sie eine Untersuchung ein. Mit Beschlüssen vom 20. Januar 2021 stellte sie einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union durch die Betreiberin der Plattform, Valve, und fünf Spielverleger, nämlich Bandai, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax, fest.

Die Kommission warf Valve und den fünf Verlegern vor, an einem Bündel wettbewerbswidriger Vereinbarungen oder abgestimmter Verhaltensweisen teilgenommen zu haben. Diese hätten darauf abgezielt, den grenzüberschreitenden Absatz bestimmter mit der Plattform Steam kompatibler PC-Videospiele durch die Einrichtung gebietsbezogener Kontrollfunktionen in verschiedenen Zeiträumen zwischen 2010 und 2015 zu beschränken, und zwar insbesondere in den Ländern des Baltikums sowie in bestimmten mittel- und osteuropäischen Ländern.

Valve hat beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des sie betreffenden Beschlusses erhoben.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage ab.

Es stellt fest, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass es zwischen Valve und jedem der fünf Verleger eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise gab, die bezweckte, Paralleleinfuhren durch Geoblocking der Schlüssel zu beschränken, mit denen die fraglichen Videospiele auf der Plattform Steam aktiviert und gegebenenfalls genutzt werden konnten, Mit diesem Geoblocking sollte verhindert werden, dass die Videospiele, die in einigen Ländern zu niedrigen Preisen vertrieben werden, von Vertriebshändlern oder Nutzern gekauft werden, die ihren Standort in anderen Ländern haben, in denen die Preise deutlich höher sind.

Das in Rede stehende Geoblocking verfolgte somit nicht das Ziel, die Urheberrechte der Verleger der PC-Videospiele zu schützen, sondern diente dazu, Paralleleinfuhren dieser Videospiele zu unterbinden und das hohe Niveau der von den Verlegern erhobenen Lizenzgebühren und darüber hinaus der von Valve erzielten Margen zu schützen.

Auf verschiedene Argumente von Valve hin äußert sich das Gericht auch zum Verhältnis zwischen dem Wettbewerbsrecht der Union und dem Urheberrecht. Es erinnert insbesondere daran, dass das Urheberrecht den Inhabern der betreffenden Rechte nur die Möglichkeit sichern soll, das Inverkehrbringen oder die Bereitstellung der Schutzgegenstände dadurch kommerziell zu verwerten, dass gegen Zahlung einer Vergütung Lizenzen erteilt werden. Es garantiert ihnen jedoch nicht die Möglichkeit, die höchstmögliche Vergütung zu verlangen oder ein Verhalten an den Tag zu legen, das geeignet ist, zu künstlichen Preisunterschieden zwischen abgeschotteten nationalen Märkten zu führen. Eine solche Abschottung und der
daraus resultierende künstliche Preisunterschied sind mit der Verwirklichung des Binnenmarkts nicht vereinbar.

Auch die Berufung von Valve auf die von ihr behauptete wettbewerbsfördernde Wirkung des fraglichen Geoblocking
ändert nichts an der Gesamtbeurteilung, dass das in Rede stehende, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestufte kollusive Verhalten ein für den Wettbewerb hinreichend schädliches Ausmaß erreichte.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: Streaminganbieter haftet nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG nicht wenn Nutzer per VPN geografische Zugangssperre umgeht

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 20.10.2022
C‑423/21
Grand Production d.o.o. gegen GO4YU GmbH, DH, GO4YU d.o.o, MTEL Austria GmbH


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass ein Streaminganbieter nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG nicht haftet, wenn der Nutzer per VPN eine geografische Zugangssperre umgeht.

Ergebnis der Schlussanträge:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

ist dahin auszulegen,

dass ein Betreiber einer Streamingplattform, der eine Fernsehübertragung im Internet weiterverbreitet, das in dieser Bestimmung verankerte ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken nicht verletzt, wenn die Nutzer mittels eines virtuellen privaten Netzwerks (VPN) die geografische Zugangssperre in der Weise umgehen, dass die geschützten Werke in der Europäischen Union zugänglich sind, wofür der Betreiber dieser Plattform keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers hat; ein solcher Betreiber verletzt jedoch dieses Recht, wenn die geschützten Werke auf seiner Plattform ohne Beschränkungen in der Europäischen Union zugänglich sind, ohne dass der Urheberrechtsinhaber die Erlaubnis dazu erteilt hat.

2. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29

ist zudem dahin auszulegen,

dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der mit dem Betreiber einer Streamingplattform verbunden ist, auf der urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht werden, der Werbung für diese Plattform macht, Verträge mit Kunden über die von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistungen abschließt und sich um die Kundenpflege kümmert, jedoch weder auf die Inhalte Einfluss hat, die auf der Plattform zugänglich gemacht werden, noch auf die dort angewendeten Zugangsbeschränkungen, die darauf abzielen, die Urheberrechte Dritter zu schützen, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vornimmt.

Die vollständigen Schlussanträge finden Sie hier:



EU-Kommission: Unzulässiges Geoblocking - Insgesamt 7,8 Mio EURO Geldbußen gegen Steam-Betreiber Valve und Spielepublisher Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax

Die EU-Kommission hat wegen unzulässigem Geoblocking gegen den Steam-Betreiber Valve und die Spielepublisher Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax Geldbußen in Höhe von insgesamt 7,8 Mio EURO verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission:

Kartellrecht: Kommission verhängt gegen Valve und fünf PC-Videospieleverlage Geldbußen von 7.8 Mio. EUR wegen Geoblocking-Praktiken

Die Europäische Kommission hat gegen das Unternehmen Valve, das Eigentümer der Online-PC-Spieleplattform „Steam“ ist, und die fünf Spieleverlage Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax wegen ihrer Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht Geldbußen von insgesamt 7.8 Mio. EUR verhängt.

Valve und die Verlage beschränkten den grenzüberschreitenden Verkauf bestimmter PC-Videospiele an Nutzer in bestimmten Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Wegen dieser sogenannten Geoblocking-Praktiken wurden Geldbußen von insgesamt mehr als 6 Mio. EUR gegen die Verlage verhängt, die jedoch aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission ermäßigt wurden. Valve hatte beschlossen, nicht mit der Kommission zusammenzuarbeiten, und wurde mit einer Geldbuße von mehr als 1.6 Mio. EUR belegt.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Mehr als die Hälfte aller Menschen in Europa spielen Videospiele. Die Videospielbranche in Europa floriert und hat mittlerweile ein Marktvolumen von mehr als 17 Mrd. EUR. Die heute wegen der Geoblocking-Praktiken von Valve und fünf PC-Videospieleverlagen verhängten Geldbußen dienen als Erinnerung daran, dass es den Unternehmen nach dem EU-Wettbewerbsrecht untersagt ist, den grenzüberschreitenden Verkauf vertraglich zu beschränken. Denn solche Praktiken verhindern, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa die Vorteile des digitalen Binnenmarktes nutzen und sich in der gesamten EU das beste Angebot aussuchen können.“

Steam ist mit einem weltweiten Angebot von 35 000 Spielen eine der größten PC-Videospieleplattformen der Welt. Über diese Plattform können Nutzer nach ihrer Anmeldung PC-Videospiele direkt herunterladen oder streamen. Außerdem können PC-Videospiele, die nicht über Steam, sondern beispielsweise in physischen Verkaufsräumen (z. B. auf DVD) oder über Websites Dritter in digitaler Form gekauft wurden, auf Steam aktiviert und gespielt werden.

Valve stellt mit seinen Aktivierungsschlüsseln die technischen Mittel bereit, mit denen die Videospiele der Verlage auf Steam aktiviert und gespielt werden können, auch wenn sie nicht auf Steam gekauft wurden. Die Verlage weisen diese Schlüssel ihren PC-Videospiele zu, sodass die betreffenden Spiele nur mit diesen Schlüsseln aktiviert werden können. Anschließend werden die PC-Videospiele von Drittanbietern im EWR verkauft. Valve bietet den Verlagen zudem eine Gebietskontrollfunktion, sodass die Aktivierung der PC-Videospiele geografisch beschränkt werden kann. Wenn die Nutzung von Steam-Aktivierungsschlüsseln mit der Gebietskontrollfunktion verknüpft wird, kann die Aktivierung von PC-Videospielen abhängig vom geografischen Standort des Nutzers blockiert werden (Geoblocking).

Die Videospieleverlage erteilten Valve eine nichtausschließliche Lizenz für die weltweite Verwertung bestimmter PC-Videospiele, die auch für den gesamten EWR galt. Im Gegenzug erhielten die Verlage von Valve eine Lizenz für die Nutzung der Steam-Aktivierungsschlüssel für den Vertrieb dieser Spiele außerhalb von Steam. Die Verlage forderten Valve auf, geografische Beschränkungen durch die Bereitstellung geoblockierter Steam-Aktivierungsschlüssel zu ermöglichen. Diese Schlüssel stellten sie dann ihren Vertriebshändlern für den Verkauf und Vertrieb der PC-Videospiele in den betreffenden Mitgliedstaaten zur Verfügung. So wurden außerhalb bestimmter Mitgliedstaaten ansässige Nutzer daran gehindert, bestimmte PC-Videospiele mit Steam-Aktivierungsschlüsseln zu aktivieren.

Die Kommission stellte fest, dass Valve und die einzelnen Verlage durch ihre bilateralen Vereinbarungen zum Geoblocking bestimmter PC-Videospiele außerhalb bestimmter Gebiete den EWR-Markt abschotteten und damit gegen das EU-Kartellrecht verstießen. In dem heutigen Beschluss wird festgestellt, dass Valve und die Verlage die folgenden Geoblocking-Praktiken anwandten:

Bilaterale Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Valve und jedem der fünf Verlage: Diese wurden durch geoblockierte Steam-Aktivierungsschüssel umgesetzt, mit denen bei unaufgeforderten Kaufanfragen bzw. Bestellungen („passiver Verkauf“) die Aktivierung bestimmter PC-Videospiele dieser Verlage außerhalb von Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Estland, Lettlandsund Litauen verhindert wurde. Diese Praktiken erstreckten sich zwischen September 2010 und Oktober 2015 über Zeiträume von ein bis fünf Jahren.

Geoblocking-Praktiken im EWR in Form von bilateralen Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen zwischen vier der fünf Verlage (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) und einigen Anbietern ihrer PC-Videospiele im EWR (ausgenommen Valve): Die Vereinbarungen enthielten Klauseln, durch die der grenzüberschreitende Verkauf der betreffenden PC-Videospiele innerhalb des EWR einschließlich der oben genannten mittel- und osteuropäischen Länder beschränkt wurde. Diese Praktiken wurden in der Regel über längere Zeiträume von drei bis elf Jahren (entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen) zwischen März 2007 und November 2018 angewandt.

Die Geoblocking-Praktiken betrafen rund 100 PC-Videospiele unterschiedlicher Genres (z. B. Sport-, Simulations- und Actionspiele). Dadurch wurden Verbraucher daran gehindert, PC-Videospiele, die sie bei Vertriebshändlern der Verlage auf physischen Medien wie DVDs oder in digitaler Form gekauft hatten, zu aktivieren und zu spielen. Somit wurden europäischen Verbrauchern durch diese Geschäftspraktiken die Vorteile des digitalen Binnenmarkts verwehrt, und zwar insbesondere die Möglichkeit, in verschiedenen Mitgliedstaaten das beste Angebot auszuwählen.

Die Kommission hat daher festgestellt, dass Valve und die fünf Verlage mit ihren illegalen Praktiken den EWR-Markt abgeschottet und gegen das EU-Kartellrecht verstoßen haben.

[...]

Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe auch Pressemitteilung und MEMO) festgesetzt.

Die fünf Verlage arbeiteten mit der Kommission zusammen, indem sie Beweismittel vorlegten, die für die Untersuchung einen zusätzlichen Nutzen boten, und indem sie den Sachverhalt sowie die Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht ausdrücklich anerkannten.

Daher wurden den Unternehmen – abhängig von ihrer jeweiligen Zusammenarbeit mit der Kommission – Geldbußenermäßigungen von 10 % (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) bzw. 15 % (Capcom) gewährt.

Gegen die einzelnen Verlage wurden folgende Geldbußen verhängt:

Videospieleverlag

Ermäßigung für die Zusammenarbeit

Geldbuße (in EUR)

Bandai Namco

10 %

340 000 EUR

Capcom

15 %

396 000 EUR

Focus Home

10 %

2 888 000 EUR

Koch Media

10 %

977 000 EUR

ZeniMax

10 %

1 664 000 EUR

Valve beschloss, nicht mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Daher erließ die Kommission gegen Valve einen Verbotsbeschluss nach dem Standardkartellverfahren und belegte das Unternehmen mit einer Geldbuße von insgesamt 1 624 000 EUR.

Hintergrund der Untersuchung

Die Kommission hatte am 2. Februar 2017 ein förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um die bilateralen Vereinbarungen zwischen der Valve Corporation und den fünf PC-Videospieleverlagen zu untersuchen.

Am 5. April 2019 übermittelte sie Valve und den fünf Verlagen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die das Geoblocking von PC-Videospielen betraf.

Dies ist ein eigenständiges, unabhängiges Verfahren, in dem jedoch einige der in der Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel ermittelten Probleme aufgegriffen werden.

Die Untersuchungen bezüglich des Geoblockings bei PC-Videospielen ergänzen die Verordnung (EU) 2018/302 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking, die seit dem 3. Dezember 2018 in der ganzen EU anwendbar ist.

Hintergrundinformationen zum Verfahren

Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen, verboten.

Wenn Unternehmen wegen Zuwiderhandlungen gegen die EU-Kartellvorschriften Geldbußen zahlen müssen, fließen diese als nicht zweckgebundene Mittel in den Gesamthaushalt der EU ein.Dadurch sinken die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt im darauffolgenden Jahr um den entsprechenden Betrag. Somit tragen die Geldbußen zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter den Nummern AT.40413, AT.40414, AT.40420, AT.40422 und AT.40424 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht.

Schadensersatzklagen

Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten, erleichtert es Opfern von Kartellrechtsverstößen, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hier.




OLG Frankfurt: E-Book-Internet-Plattform für in den USA gemeinfreie Werke haftet für Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichung von in Deutschland noch nicht gemeinfrei gewordener Werke

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.04.2019
11 O 27/18

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine international ausgerichtete E-Book-Internet-Plattform für in den USA gemeinfreie Werke für Urheberrechtsverletzungen durch Veröffentlichung von in Deutschland noch nicht gemeinfrei gewordener Werke haftet.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Internationale Internet-Plattform für literarische Werke haftet für Urheberrechtsverletzung von in Deutschland noch nicht gemeinfreien Werken

Die Betreiberin einer international ausgerichteten Internet-Plattform, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, haftet für Urheberrechtsverletzungen in Deutschland, wenn die in deutscher Sprache angebotenen Werke nach deutschem Urheberrecht noch nicht gemeinfrei sind und die Betreiberin sich die von Dritten auf der Plattform eingestellten Werke „zu eigen“ gemacht hat. Der Geschäftsführer haftet ebenfalls, wenn er lediglich eine Prüfung US-amerikanischen Urheberrechts veranlasst, trotz der bestimmungsgemäßen Ausrichtung der Webseite auch auf deutsche Nutzer.

Die Klägerin ist ein Verlag und gibt u.a. Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin heraus. Die Beklagte ist eine „non-for-profit-Corporation“ nach US-amerikanischem Recht. Sie betreibt eine auch in Deutschland abrufbare Webseite, deren Ziel die Veröffentlichung von in den USA gemeinfreien Werken ist. Auf der Homepage sind über 50.000 Bücher als E-Books kostenlos abrufbar, u.a. 18 Werke der genannten drei Autoren auch in deutscher Sprache. Die Bücher werden von freiwillig für die Beklagte tätigen Dritten (sog. volunteers) auf der Plattform eingestellt. Die Beklagte veranlasst vor der Veröffentlichung eine Prüfung ausschließlich nach US-amerikanischem Urheberrecht.

Die Klägerin meint, die Beklagte verletze die ihr zustehenden Urheberrechte an den 18 Werken. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die deutschen Gerichte seien international zuständig, da die Inhalte der Webseite auch in Deutschland abgerufen werden können, stellt das OLG zunächst klar. Anwendbar sei deutsches Recht. Nach den Regelungen des internationalen Privatrechts richte sich die Frage, ob Ansprüche wegen der Verletzung von Urheberrechten bestehen, nach dem Recht des sog. Schutzlandes, also hier der Bundesrepublik Deutschland.
Die Beklagte verletze ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte der Klägerin. Die Klägerin habe nachweisen können, dass ihr in Deutschland an den streitgegenständlichen Werken ausschließliche Nutzungsrechte zustünden. Nach deutschem Recht seien die Werke - noch - nicht gemeinfrei (anders als in den USA).

Die Beklagte hafte für die über ihre Plattform abrufbaren Werke auch als sog. Täterin. Der Betreiber einer Internetplattform sei für dort zugänglich gemachte Inhalte nicht nur verantwortlich, wenn er die Inhalte selbst geschaffen habe. Es genüge, dass er sich die Inhalte „zu eigen“ gemacht habe. Das sei hier der Fall. So bezeichne die Beklagte die von den sog. volunteers auf ihrer Plattform eingestellten Werke als „our books“; zudem verweise sie auf eine mit der angebotenen Literatur verbundene „Project ... License“. Schließlich habe sie willentlich an dem Angebot ihrer Webseite für deutsche Nutzer festgehalten, auch nachdem die Klägerin sie auf den noch bestehenden Urheberschutz in Deutschland hingewiesen hatte. Die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten sei für die Frage einer unzulässigen öffentlichen Wiedergabe ohne Bedeutung.

Der zudem in Anspruch genommene Geschäftsführer der Beklagten hafte ebenfalls für die Urheberrechtsverletzungen. Grundsätzlich treffe einen Geschäftsführer zwar nicht die Verpflichtung, „jedwedes deliktische Verhalten – also im urheberrechtlichen Bereich jede Urheberrechtsverletzung – zu verhindern, die aus dem von ihm geleiteten Unternehmen heraus begangen werden“. Beruhe aber die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden werde, sei davon auszugehen, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden sei. Hier habe der Geschäftsführer das Konzept der Beklagten, literarische Werke vor ihrer Veröffentlichung lediglich nach US-amerikanischen Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite bestimmungsgemäß auch an deutsche Nutzer richtete, selbst herausgearbeitet und praktiziert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.04.2019, Az. 11 O 27/18
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2018, Az. 2-03 O 494/14)

Des Urteils nicht rechtskräftig. Es kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH die Zulassung der Revision begehrt werden.


EU-Kommission: Bußgeld von knapp 40 Mio. EURO gegen Modeunternehmen Guess wegen Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe

Die EU-Kommission hat gegen das Modeunternehmen Guess eine Geldbuße in Höhe von knapp 40 Mio. Euro wegen der Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe verhängt.

Die Pressemitteilung der EU-Kommission

Kommission bestraft Modeunternehmen Guess wegen Unterbindung grenzüberschreitender Verkäufe
Die Europäische Kommission hat heute gegen Guess eine Geldbuße in Höhe von knapp 40 Mio. Euro verhängt, weil das Bekleidungsunternehmen Online-Werbung und Online-Verkäufe an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten verhindert („Geoblocking“) und damit gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen hat.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte hierzu: „Guess hat versucht, Verbraucher in der EU daran zu hindern, in anderen Mitgliedstaaten einzukaufen, indem es in den Vertriebsvereinbarungen mit Einzelhändlern die Werbung und den Verkauf über Grenzen hinweg untersagte. So konnte das Unternehmen künstlich hohe Endkundenpreise aufrechterhalten, insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Diese Vorgehensweise von Guess haben wir heute mit Sanktionen belegt. Unser Fall ergänzt die Geoblocking-Vorschriften, die am 3. Dezember in Kraft getreten sind. In beiden Fällen geht es um Verkaufsbeschränkungen, die nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.“

Guess entwirft und vertreibt – auch mittels Lizenzvergabe – unter zahlreichen Marken wie „GUESS?“ und „MARCIANO“ Bekleidung und Accessoires. Im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) praktiziert das Unternehmen ein selektives Vertriebssystem, in dem Vertragshändler auf der Grundlage von Qualitätskriterien ausgewählt und zugelassen werden.

Den im EWR ansässigen Unternehmen ist es grundsätzlich erlaubt, ihr Vertriebssystem nach eigenen Wünschen zu gestalten. Zulässig sind auch selektive Vertriebssysteme, in denen die Produkte nur von vorab ausgewählten, zugelassenen Verkäufern verkauft werden dürfen. Geltendes EU-Wettbewerbsrecht ist allerdings einzuhalten. Insbesondere haben Verbraucher das Recht, Waren bei jedem von einem Hersteller zugelassenen Händler zu erwerben, auch wenn letzterer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Gleichzeitig muss es den zugelassenen Einzelhändlern freistehen, die unter den Vertriebsvertrag fallenden Produkte über das Internet anzubieten, für sie auch in anderen Mitgliedstaaten zu werben und sie grenzüberschreitend zu verkaufen. Ihre Weiterverkaufspreise müssen sie dabei frei festsetzen können.

Im Juni 2017 hatte die Kommission eine förmliche kartellrechtliche Untersuchung der Vertriebsverträge und -praktiken von Guess eingeleitet, um zu prüfen, ob Guess seine Einzelhändler rechtswidrig am grenzüberschreitenden Verkauf an Verbraucher innerhalb des EU-Binnenmarktes hinderte.

Die Untersuchung der Kommission hat ergeben, dass die Vertriebsverträge von Guess zugelassene Einzelhändler an folgenden Handlungen hinderten:

Verwendung der Markennamen und Warenzeichen von Guess für die Zwecke der Werbung auf Online-Suchmaschinen;
Online-Verkauf ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung durch Guess. Das Unternehmen verfügte über einen uneingeschränkten Ermessensspielraum für diese Genehmigung, die nicht auf bestimmten Qualitätskriterien basierte;
Verkauf an Verbraucher außerhalb der zugewiesenen Händlergebiete;
Querverkauf zwischen zugelassenen Großhändlern und Einzelhändlern;
unabhängige Festsetzung der Einzelhandelspreise für Guess-Produkte.
Diese Verträge ermöglichten es Guess, die europäischen Märkte voneinander abzuschotten. Die Kommission stellte fest, dass die Einzelhandelspreise für Guess-Produkte in Mittel- und Osteuropa (Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Tschechien) im Durchschnitt um 5-10 Prozent über dem westeuropäischen Niveau liegen.

Auf dieser Grundlage kam die Kommission zu dem Schluss, dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die Guess bis zum 31. Oktober 2017 ausübte, den europäischen Verbrauchern einen der wichtigsten Vorteile des europäischen Binnenmarkts vorenthielten, nämlich die Möglichkeit, grenzüberschreitende Einkaufsmöglichkeiten für mehr Auswahl und günstigere Angebote zu nutzen.

Zusammenarbeit mit Guess

Guess hat über seine rechtlichen Verpflichtungen hinaus mit der Kommission zusammengearbeitet. Insbesondere hat das Unternehmen einen der Kommission damals noch nicht bekannten Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften aufgedeckt: das Verbot der Verwendung von Guess-Marken und -Warenzeichen für die Zwecke der Online-Suchmaschinenwerbung. Zudem hat das Unternehmen Beweismittel mit erheblichem Mehrwert vorgelegt und den Sachverhalt sowie die Zuwiderhandlungen gegen das EU-Kartellrecht ausdrücklich anerkannt.

Daher gewährte die Kommission Guess eine Geldbußenermäßigung von 50 Prozent als Gegenleistung für diese Zusammenarbeit. Weitere Informationen über diese Art der Zusammenarbeit finden Sie auf der Website der GD Wettbewerb.

Geldbußen

Die Geldbuße wurde auf der Grundlage der Geldbußenleitlinien der Kommission von 2006 (siehe Pressemitteilung und Memo) festgesetzt. Bei der Höhe der Geldbuße berücksichtigte die Kommission insbesondere den Wert der von dem Verstoß betroffenen Verkäufe, die Schwere des Verstoßes und seine Dauer sowie den Umstand, dass Guess während der Untersuchung mit der Kommission zusammengearbeitet hatte.

Die von der Kommission verhängte Geldbuße beläuft sich auf 39 821 000 Euro. Der Verstoß gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften dauerte vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Oktober 2017.

Hintergrund

Die Vereinbarungen von Guess verstießen gegen Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der Vereinbarungen zwischen Unternehmen verbietet, welche den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen.

Weitere Informationen zu diesem Kartellfall können auf der Website der Generaldirektion WettbewerbDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40428 eingesehen werden.

Die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel

In ihrem Abschlussbericht über die Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel vom 10. Mai 2017 hatte die Kommission festgestellt, dass mehr als 10 Prozent der befragten Einzelhändler bereits mit Einschränkungen des Auslandsverkaufs in ihren Vertriebsverträgen konfrontiert waren. Dieser Bericht wurde im Rahmen der Halbzeitbewertung der Strategie der Kommission für einen digitalen Binnenmarkt veröffentlicht.

Dank der Erkenntnisse aus der Sektoruntersuchung konnte die Kommission die Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln auf die am weitesten verbreiteten und problematischsten Geschäftspraktiken im elektronischen Handel konzentrieren, die sich negativ auf den Wettbewerb und den grenzüberschreitenden Handel und damit auf das Funktionieren des digitalen Binnenmarkts der EU auswirken könnten.

Der Guess-Beschluss geht auf die Ergebnisse der Sektoruntersuchung zurück. Die Guess-Untersuchung wurde von der Kommission als eigenständiges, von der Sektoruntersuchung unabhängiges Verfahren eingeleitet.

Die Geoblocking-Verordnung

Außerdem ergänzt der heutige Beschluss die Verordnung 2018/302 über ungerechtfertigtes Geoblocking, die seit dem 3. Dezember 2018 gilt.

Die Verordnung verbietet Geoblocking und andere Beschränkungen auf geografischer Grundlage, die den Online-Einkauf und den Verkauf über Grenzen hinweg beeinträchtigen und damit die Möglichkeiten von Verbrauchern und Unternehmen, von den Vorteilen des Online-Handels zu profitieren, einschränken.

Gemäß der Verordnung darf ein Anbieter einem Einzelhändler nicht vertraglich untersagen, auf nicht angeforderte Kundenanfragen zu reagieren (die sogenannten „passiven Verkäufe“), wenn spezifische, in der Verordnung aufgeführte Voraussetzungen vorliegen. Die Verhaltensweisen von Guess, mit denen der passive Verkauf an Verbraucher eingeschränkt wurde, sind mittlerweile auch durch die Geoblocking-Verordnung verboten.

Nicht durch die Verordnung verboten sind hingegen Beschränkungen des „aktiven Verkaufs“, d. h. der aktiven Annäherung an einzelne Kunden, z. B. durch Werbung. Allerdings müssen auch Beschränkungen des aktiven Verkaufs mit den EU‑Wettbewerbsregeln vereinbar sein. Das war in dieser Sache, wie die Kommission in ihrem Beschluss feststellte, nicht der Fall.

Schadensersatzklagen

Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Schadensersatz kann auch dann gewährt werden, wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in innerstaatliches Recht umsetzen mussten, macht es für die Opfer von Kartellrechtsverstößen einfacher, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hierDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN•••.

Instrument für Whistleblower

Die Kommission hat ein System eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen. Das Instrument wahrt die Anonymität von Whistleblowern über ein spezielles verschlüsseltes Mitteilungssystem, das wechselseitige Kommunikation ermöglicht. Das Tool kann über diesen Link aufgerufen werden.


Europäisches Parlament verabschiedet Portabilitätsverordnung - Streaming im Ausland nach dem Wohnsitzprinzip ohne Geoblocking

Das Europäische Parlament hat die Portabilitätsverordnung verabschiedet.

Die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments:

Online-Filme und -Fernsehen im Ausland schauen

EU-Bürger mit Abonnements für Online-Filme und -Fernsehen können bald auch bei vorübergehenden Aufenthalten in anderen EU-Ländern auf diese Inhalte zugreifen.

Zugriff auf abonnierte Online-Inhalte bei Aufenthalten in anderen EU-Ländern

Überprüfungen des ständigen Wohnsitzes des Nutzers, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern Gewährleistung des Schutzes der Privatsphäre und des Datenschutzes

EU-Bürger, die ein anderes EU-Land besuchen, werden dort oft daran gehindert, auf Online-Inhalte wie Filme, Fernsehserien, Musik, Spiele oder Sportveranstaltungen zuzugreifen, für die sie in ihrem Heimatland Abonnementgebühren bezahlen.

Die am Donnerstag verabschiedete neue Regelung, die bereits im Februar 2017 informell mit den Verhandlungsführern des Rates vereinbart wurde, wird diese Beschränkungen beseitigen, sodass EU-Bürger bald auch bei Ferien-, Studien- oder Geschäftsaufenthalten im EU-Ausland Online-Dienste wie Netflix, HBO Go, Amazon Prime, Spotify oder Deezer nutzen können.

Die neuen Regeln wurden mit 586 Stimmen angenommen, bei 34 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen.

Wohnsitzüberprüfungen und Datenschutz

Dienstleister für Online-Inhalte können „wirksame und zumutbare“ Maßnahmen ergreifen, um zu überprüfen, ob der Abonnent nicht dauerhaft in ein anderes EU-Land umgezogen ist, da sich die erforderlichen Urheberrechtslizenzen von Land zu Land unterscheiden können. Eine Liste zulässiger Methoden umfasst Überprüfungen von Personalausweisen, Zahlungsdetails, öffentlich verfügbaren Steuerinformationen, Postanschriften oder IP-Adressen. Die Dienstleister müssen sicherstellen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten verhältnismäßig ist und Schutzvorkehrungen einrichten, insbesondere für Überprüfungen von IP-Adressen.

Die neuen Regeln werden nur für kostenpflichtige Dienste gelten. Aber auch Anbieter kostenloser Dienstleistungen können ihre Inhalte EU-weit übertragbar machen, sofern sie die Vorschriften bezüglich der Wohnsitzüberprüfungen einhalten.

Zitat

„Die europäischen Bürger haben lange auf diese Regeln gewartet, die einen Schritt zu einem gemeinsamen digitalen Markt darstellen. Die neuen Vorschriften erhöhen die Mobilität und bieten den Nutzern europäischer Online-Inhalte Portabilität, ohne das Urheberrecht zu zu verletzen”, sagte der Berichterstatter Jean-Marie Cavada (ALDE, FR).

Die nächsten Schritte

Der Gesetzesentwurf muss noch formell vom EU-Ministerrat gebilligt werden. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung haben die Mitgliedstaaten 9 Monate Zeit, um die neuen Regeln zur Anwendung zu bringen.

Hintergrundinformationen

Einer Umfrage der EU-Kommission zufolge haben im Jahr 2016 64% der Europäer das Internet genutzt, um Spiele, Bilder, Filme oder Musik herunterzuladen. In Deutschland waren es sogar rund 70%. Viele von ihnen erwarten, dies auch während ihrer Reisen in der EU tun zu können. Die Zahlen werden voraussichtlich steigen, da EU-Bürger mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren am 15. Juni 2017 weniger zahlen werden, um auch in anderen EU-Ländern über ihre Mobilgeräte auf das Internet zuzugreifen.