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OLG Frankfurt: "Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel in AGB einer Versicherung bedeutet "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss

OLG Frankfurt
Urteil vom 08.02.2023
7 U 66/21


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der "Wohnort“ in einer Gerichtsstandsklausel in den AGB einer Versicherung "Wohnort" bei Klageerhebung und nicht bei Vertragsschluss bedeutet.

Die Pressemitteilung des Gerichhts:
"Wohnort“ in Gerichtsstandsklausel einer Versicherung ist Wohnort bei Klageerhebung

Es kommt auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.

Stellen Versicherungsbedingungen einer ausländischen Lebensversicherung in einer Gerichtsstandsklausel auf den Wohnort des Versicherungsnehmers ab, kommt es auf den Wohnort bei Klageerhebung - nicht bei Vertragsschluss - an, entschied das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung.


Der Kläger beantragte im Jahre 2000 den Abschluss einer Lebensversicherung bei der Beklagten. Sitz der Beklagten ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. Hinsichtlich des Gerichtsstands für Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherung enthalten die Versicherungsbedingungen folgende Regelung: „Hat der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt der Vertrag deutschem Recht. Das Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat oder etabliert ist, ist zuständig, jegliche Streitigkeiten zu entscheiden, die sich möglicherweise aus diesem Vertrag ergeben“.

Der Kläger wohnte bei Abschluss des Vertrages in Frankfurt am Main. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 befand sich sein Wohnsitz in der Schweiz.

Das vom Kläger angerufene Landgericht Frankfurt am Main hat die auf Rückabwicklung des Lebensversicherungsvertrages gerichtete Klage mangels Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Sie hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Das Landgericht habe die Klage zu Recht mangels seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen, führt das OLG aus. Die Versicherungsbedingungen stellten hinsichtlich des örtlichen Gerichtsstands auf den Wohnsitz ab. Der Klausel sei nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob es auf den Wohnsitz bei Vertragsschluss oder bei Klageerhebung ankomme. Im Wege der aus Sicht eines durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmers vorzunehmenden Auslegung sei auf den Wohnsitz bei Klageerhebung abzustellen. Dafür spreche nicht nur der im Präsens gehaltene Wortlaut der Klausel, sondern insbesondere auch der Sinn und Zweck der Regelung. „Dem Versicherungsnehmer soll durch die Regelung die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Rechte wohnortnah zu verfolgen“, betont das OLG. Dadurch sollten für ihn Erschwernisse vermieden werden, die mit einer Prozessführung in einem weit entfernten Ort verbunden sein könnten. Bei Versicherungs- und Verbraucherverträgen solle - auch im Rahmen anderer Vorschriften - die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger seien.

Bei der Auslegung erlangten die konkreten Umstände des Einzelfalls dagegen keine Bedeutung. Insoweit komme es nicht darauf an, dass nach Einschätzung des Klägers eine Klage in Frankfurt am Main für ihn günstiger wäre.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.2.2023, Az. 7 U 66/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 1.4.2021, Az. 2-23 O 27/20



OLG Frankfurt: Gerichtsstandsklausel gilt auch für gesetzliche Ansprüche die mit den vertraglichen Ansprüchen konkurrieren und auch nach Kündigung des Vertrages

OLG Frankfurt
Urteil vom 30.06.2015
11 U 31/14


Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass sich Gerichtsstandsklausel nicht nur auf vertragliche Ansprüche, sondern auch auf konkurrierende gesetzliche Ansprüche Anwendung findet. Dies gilt auch, - so das Gericht zutreffend - wenn der Vertrag gekündigt wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Gerichtsstandsvereinbarung in Ziff. 11 Satz 2 des Vertrags ist gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 25 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zulässig und in ordnungsgemäßer Form geschlossen worden.

Damit haben die Parteien nicht nur die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die vertraglichen Ansprüche, sondern auch für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus UrhG und UWG begründet. Denn die Parteien wollen durch eine solche Vereinbarung regelmäßig die Prozessführung der aus dem Vertragsabschluss und der Vertragsabwicklung herrührenden Streitigkeiten gebündelt an einem Gerichtsstandort führen und eine doppelte Prozessführung vermeiden. Dementsprechend umfassen Zuständigkeitsvereinbarungen im Zweifel auch in Anspruchskonkurrenz stehende deliktische Anspruchsgrundlagen (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, Anh I, Art. 23 EuGVVO, Rn. 39; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 40 Rn. 4 und Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 12. Auflage, § 40 Rn. 3, OLG Stuttgart, Urteil vom 8.11.2007 - 7 U 104/07 -, juris; jeweils für die Auslegung einer inländischen Gerichtsstandsvereinbarung). Die Streitigkeiten stehen zudem, auch soweit sich die Klägerin auf UrhG und UWG stützt, in einer inhaltlichen Verbindung zum Vertrag und rühren damit im Sinne von Ziff. 11 aus dem Vertrag her.

Die Kündigung des Vertrags führt nicht zum Außerkrafttreten der Zuständigkeitsvereinbarung. Denn das forum prorogatum ist im Zweifel gerade für Streitigkeiten in solchen Situationen gewollt (Geimer, aaO, Rn. 40)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: