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OLG Frankfurt: Wettbewerbsverstoß durch Werbung mit Kundenbewertungen wenn Gegenleistung für Bewertung Teilnahme an Gewinnspiel ist - Wirksame Vollziehung einer einstweiligen Verfügung bei zum Tei

OLG Frankfurt
Urteil vom 16.05.2019
6 U 14/19

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn mit Kundenbewertungen geworben wird und die Kunden als Gegenleistung für eine Bewertung die Teilnahme an einem Gewinnspiel erhalten. Eine Irreführung liegt auch dann vor, wenn mit einer Gesamtbewertung geworben wird, die sich aus diesen Bewertungen und herkömmlich erlangten Kundenbewertungen zusammensetzt.

Zudem hat das Gericht entschieden, dass eine einstweilige Verfügung auch dann wirksam zugestellt und vollzogen wurde, wenn eine Anlage zum Teil unleserlich ist der Empfänger aber ohne unzumutbaren Aufwand erkennen kann, wie der nicht lesbare Text lautet.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Der Eilantrag ist zulässig Die Antragsgegnerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Bestimmtheit des Eilantrags und des entsprechend ergangenen Verbots (§ 253 II Nr. 2 ZPO).

a) Das verbotene Verhalten ist im abstrakten Teil des Antrags bereits klar umrissen. Die Antragsgegnerin soll es unterlassen, mit Bewertungen zu werben, wenn auf diese Bewertungen Einfluss durch Teilnahme an einem Gewinnspiel als Gegenleistung für die Bewertung genommen wurde. Der Antrag nimmt außerdem auf die konkrete Verletzungsform Bezug (Anlage CF1). Die Anlage zeigt auf S. 6 unter anderem die Facebook-Seite der Antragsgegnerin, auf der zwei offensichtlich durch das Gewinnspiel veranlasste Bewertungen zu sehen sind. Außerdem findet sich dort die Zahl der Gesamtbewertungen (4.735) und die Durchschnittsnote aller Bewertungen (4,9 von 5 Sternen).

b) Zu Unrecht reklamiert die Antragsgegnerin, es sei nicht ersichtlich, auf welche der angezeigten Gesamtbewertungen in der beschriebenen Weise Einfluss genommen wurde; im Vollstreckungsverfahren müsse geprüft werden, ob das angezeigte Gesamtergebnis Bewertungen umfasst, die auf dem Gewinnspieleinfluss beruhen. Das ist nicht der Fall. Der Antrag ist in dem Sinn auszulegen, dass nicht mit Bewertungen geworben werden darf, die durch das Gewinnspiel beeinflusst sein können. Es geht damit um alle Bewertungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewinnspielauslosung, also zwischen der erstmaligen Schaltung der Gewinnspielwerbung am 29.3.2018 und der Verlosung am 17.6.2018 abgegeben wurden. Werden sie weiterhin angezeigt bzw. in das Gesamtergebnis eingerechnet, liegt ein Verstoß gegen das Verbot vor.

2. Mit Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung nicht wegen fehlender Vollziehung innerhalb der Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO aufgehoben. Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 24.5.2018 ist dem Antragsgegnervertreter am 28.5.2018 im Parteibetrieb zugestellt worden (Anlage CF6, Bl. 120 d.A.). Die Antragsgegnerin beanstandet, die Anlage CF1 sei in der zugestellten Version der Antragsschrift nicht vollständig lesbar gewesen.

a) Die wirksame Vollziehung einer Unterlassungsverfügung, die - wie hier - bereits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen ist, erfordert, dass der Schuldner Umfang und Inhalt des Verbots zweifelsfrei ermitteln kann. Eine ohne Begründung versehene Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, wird nur dann wirksam vollzogen, wenn dem Schuldner neben dem Beschluss selbst zumindest auch diejenigen Anlagen zugestellt werden, die Aufschluss über den Inhalt und die Reichweite des Verbots geben können. Hierher gehören auf jeden Fall Anlagen, auf die im Verbotstenor verwiesen wird (Senat, Beschl. v. 1.6.2011, 6 W 12/11 - Ankle Tube). Ist eine solche Anlage in teilweise nicht lesbarer Form zugestellt worden, steht dies der Vollziehung allerdings dann nicht entgegen, wenn der Schuldner ohne unzumutbaren Aufwand erkennen kann, wie der nicht lesbare Text lautet (Senat, Urt. v. 8.6.2017 - 6 U 2/17, juris).

b) Die Antragsschrift wurde der Antragsgegnerin per Fax übermittelt. Die konkrete Verletzungsform in Gestalt der 16 Seiten umfassenden Anlage CF1 sowie die Anlage CF2 sind teilweise nicht bzw. schlecht lesbar (vgl. Anlage A1, Bl. 197, 263 d.A.). Unstreitig verfügte die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Zustellung allerdings bereits über die der vorgerichtlichen Abmahnung beigefügten Anlagen. Die Anlage LHR9 stimmt mit der Anlage CF1 überein (Anlagenband). Dies war auch bei der per Fax übersandten Version der Antragsschrift unschwer zu erkennen (vgl. Anlage A1, Bl. 197, 263 d.A.). Ob das Datum des Screenshots lesbar war, ist unerheblich, da ersichtlich ein inhaltlich übereinstimmender Screenshot übermittelt wurde. Ebenso ist unerheblich, dass die Antragstellerin den Anlagensatz in der Abmahnung mit „Anlage Verletzungshandlung“ und im Eilantrag nur mit „Verletzungshandlung“ bezeichnete. Ein Vollziehungsmangel liegt bei dieser Sachlage nicht vor.

3. Es besteht ein Verfügungsgrund (§ 12 II UWG).

4. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3, 5 I, 8 I, III Nr. 1 UWG zu. Die Werbung mit Bewertungen der angegriffenen Art ist irreführend.

a) Äußerungen Dritter wirken in der Werbung objektiv und werden daher im Allgemeinen höher bewertet als eigene Äußerungen des Werbenden (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, 37. Aufl., § 5 Rn. 1.165). Die Werbung mit bezahlten Empfehlungen ist daher unzulässig. Ein Kunde, der eine Empfehlung ausspricht, muss in seinem Urteil frei und unabhängig sein. Ein zu Unrecht erzeugter Anschein der Objektivität ist irreführend. Eine Ausnahme gilt nur für Empfehlungen Prominenter in der Werbung, da der Verkehr weiß, dass der bekannte Name nicht unentgeltlich verwendet werden darf (Bornkamm/Feddersen aaO Rn. 1.166).

b) Die Antragsgegnerin wirbt mit ihren Facebook-Bewertungen und der dort erzielten guten Durchschnittsnote auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken, namentlich bei „Google My Business“ (Anlage CF1, S. 1) und bei „11880.com“ (Anlage CF1, S. 11, 14). Die Bewertungen sind zumindest teilweise nicht frei und unabhängig abgegeben worden. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bewertungen nur deshalb abgegeben wurde, weil die Bewerter durch die Gewinnspielteilnahme „belohnt“ wurden. Es liegt auch auf der Hand, dass Bewertungen aus Anlass des Gewinnspiels eher positiv ausfallen. Es ist damit zwar keine „bezahlte“ Empfehlung im Wortsinn gegeben. Gleichwohl sind die Bewertungen nicht als objektiv anzusehen. Besucher der Seiten der Antragsgegnerin auf den Plattformen Facebook, Google My Business und 18800.com, die die Werbung mit der hohen Anzahl an Bewertungen und der hohen Durchschnittspunktzahl sehen, gewinnen demgegenüber den Eindruck grundsätzlich objektiver Bewertungen. Sie werden irregeführt. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gilt nicht deshalb etwas anderes, weil es sich nicht um Produktbewertungen handelt, bei denen der Käufer ein bereits erworbenes Produkt bewertet. Vorliegend bewerten Nutzer von Social-Media-Plattformen die Facebook-Seite der Antragsgegnerin. Dies macht keinen wesentlichen Unterschied. Der Durchschnittsverbraucher geht davon aus, dass nur zufriedene Kunden oder solche Verbraucher, die das gesehene Angebot für überzeugend halten, den Social-Media-Auftritt positiv bewerten. Die Anzahl der Bewertungen lässt außerdem auch Rückschlüsse auf die Bekanntheit des Unternehmens und seiner Produkte zu. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann nicht angenommen werden, dass alle Besucher der Seite die Bewertungen inhaltlich durchgehen und daher selbst erkennen, dass sie teilweise nur anlässlich des Gewinnspiels abgegeben wurden.

c) Entgegen der von dem Antragsgegnervertreter in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht kann nicht angenommen werden, dass Besuchern von Social-Media-Plattformen die (unlauteren) Praktiken bei der Generierung von Bewertungen bereits so geläufig sind, dass sie den Bewertungen von vornherein keine objektive Aussagekraft zumessen. Würde dies zutreffen, hätte die Antragsgegnerin für die Abgabe von Bewertungen sicher keine werthaltige Belohnung ausgesetzt.

d) Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, für eine Gewinnspielteilnahme sei die Abgabe einer Bewertung nicht zwingend erforderlich gewesen. Vielmehr sei es für die Teilnahme ausreichend gewesen, die Facebook-Seite der Antragsgegnerin bzw. den Gewinnspielpost zu „liken“, zu kommentieren oder zu teilen. Tatsächlich war es so, dass „jede Aktion“ ein Los erhält und die Gewinnchancen erhöht (Anlage CF1, S. 6). Ein Teilnehmer, der möglichst gute Gewinnchancen haben möchte, wird also nach Möglichkeit von mehreren oder allen Aktionen Gebrauch machen, die ein Los einbringen.

e) Die Antragsgegnerin kann schließlich auch nicht damit gehört werden, eine Irreführung scheide deshalb aus, weil der Verkehr ohne weiteres erkenne, dass es sich bei den Angaben auf „Google My Business“ um Werbung handelt. Darum geht es nicht. Der Vorwurf liegt nicht in der Schaltung getarnter Werbung, sondern in der (offenen) Werbung mit Bewertungen, die (verdeckt) gekauft wurden.

f) Die Irreführung ist auch geeignet, im Sinne von § 5 I UWG den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Begriff „geschäftliche Entscheidung" erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (vgl. BGH, GRUR 2016, 1076 Rn. 29 - LGA tested) oder - wie hier - den Zugang zu einem im Internet angebotenen Produkt über eine Werbeseite, um sich mit dem Produkt im Detail zu beschäftigen (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2019 - I ZR 184/17 - Energieeffizienzklasse III, Rn. 29, juris). Die Werbung mit einer hohen Zahl ganz überwiegend positiver Bewertungen ist geeignet, Verbraucher dazu zu veranlassen, sich mit dem Angebot der Antragsgegnerin näher zu befassen. Es kommt nicht darauf an, dass die Antragstellerin lediglich bei zwei der insgesamt rund 4.000 Bewertungen nachgewiesen hat, dass sie tatsächlich durch das Gewinnspiel veranlasst wurden. Es liegt ohne weiteres nahe, dass durch die Gewinnspielauslobung eine erhebliche Zahl an Bewertungen generiert wurde. Die Beeinflussung muss sich nicht explizit aus dem Text der Bewertung ergeben. Bei der Mehrzahl der beeinflussten Bewertungen dürfte sich die Einflussnahme nicht direkt aus dem Bewertungstext erschließen.