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Volltext BGH liegt vor: Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen kann aufgrund Informationsinteresse der Öffentlichkeit zulässig sein

BGH
Urteil vom 10.04.2018
VI ZR 396/16
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12; BGB § 823, § 824; MRK Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1

Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen kann aufgrund Informationsinteresse der Öffentlichkeit und des Rechts auf Meinungs- und Medienfreiheit zulässig sein über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Maßgeblich für die Ermittlung des Informationsgehalts einer Filmberichter-stattung ist der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenom-menen und verständigen Durchschnittsrezipienten hat. Dabei ist unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten des Übermittlungsmediums auf den Gesamtgehalt der Berichterstattung abzustellen. Das Bild darf in seiner Bedeutung für eine Erweiterung des Aussagegehalts über das gesprochene Wort hinaus nicht überinterpretiert werden. Für eine texterweiternde oder einengende Sinngebung bedarf es einer deutlich in diese Richtung weisenden besonderen Heraushebung des Bildes als eigenständigen Informationsträgers.

b) Die Verbreitung nicht genehmigter Filmaufnahmen über Betriebsinterna, zu denen auch die Produktionsbedingungen gehören, stellt grundsätzlich einen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

c) Die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen ist vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst.

d) Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstattung verwertet, kommt es bei der Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses der Öffentlichkeit und ihres Rechts auf Meinungsfreiheit mit den Interessen des Betroffenen maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird.

e) Zur Abwägung in einer Fallgestaltung, in der sich der Publizierende die Informationen nicht selbst durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft hat, um sie anschließend zu verwerten, sondern aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen gezogen hat.

BGH, Urteil vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16 - OLG Hamburg - LG Hamburg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen kann aufgrund Informationsinteresse der Öffentlichkeit und des Rechts auf Meinungs- und Medienfreiheit zulässig sein

BGH
Urteil vom 10.04.2018
VI ZR 396/16


Der BGH hat entschieden, dass die Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen aufgrund des Informationsinteresses der Öffentlichkeit und des Rechts auf Meinungs- und Medienfreiheit zulässig sein kann.

Die Pressemitteilung des BGH:

Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2018 über die Zulässigkeit der Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen entschieden.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. Mai und 12./13. Mai 2012 drang F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Klägerin zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. F. überließ die Aufnahmen der Beklagten, die sie am 3. September 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein?" bzw. am 18. September 2012 im Rahmen der Sendung "FAKT" unter dem Titel "Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten" ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Senats:

Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletzt weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar sind die Filmaufnahmen - die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen - geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Der Senat ist auch davon ausgegangen, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Klägerin berührt, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen sind aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gilt trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von F. rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Beklagte hatte sich an dem von F. begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen wurden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Die Aufnahmen dokumentieren vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe; an einer näheren Information über diese Umstände hat die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informieren den Zuschauer zutreffend. Sie transportieren keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern geben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen hat die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setzt sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf. Es entspricht der Aufgabe der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit", sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 19. Juli 2016 - 7 U 11/14

Landgericht Hamburg - Urteil vom 13. Dezember 2013 - 324 O 400/13

OLG Frankfurt: Äußerungen im Rahmen einer Streitwertbeschwerde sind keine wettbewerbswidrige Verunglimpfung oder Geschäftsschädigung

OLG Frankfurt a.M.
Beschluss vom 22.09.2016
6 W 88/16


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Äußerungen in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz im Rahmen einer Streitwertbeschwerde keine geschäftlichen Handlungen sind und somit keine wettbewerbswidrige Verunglimpfung bzw. Geschäftsschädigung darstellen können.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Soweit der Eilantrag auf § 4 Nr. 1 und 2 UWG gestützt ist, fehlt es, worauf das Landgericht bereits mit Recht hingewiesen hat, am Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Danach liegt eine geschäftliche Handlung in jedem Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Ware oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Zu einer Förderung des Absatzes oder des Bezugs kann es nur kommen, wenn das fragliche Verhalten nach außen in Erscheinung tritt. Die Handlung muss mit anderen Worten einen Marktbezug aufweisen. Ein Marktbezug liegt vor, wenn die Handlung ihrer Art nach auf die Marktteilnehmer (Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer) einwirken und damit das Marktgeschehen beeinflussen kann (Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 34. Auflage, § 2, Randnummer 35). An einem solchen Marktbezug fehlt es hier. Der Antragsgegner hat die von der Antragstellerin beanstandeten Äußerungen in einem Schreiben an das Landgericht Frankfurt am Main getätigt, mit welchem er eine Streitwertbeschwerde eingelegt hat. Kenntnis von dem Schreiben haben also das Landgericht und die Antragstellerin nebst ihrem Prozessbevollmächtigten erlangt. Damit ist ein Marktbezug wie in oben dargestelltem Sinne nicht hergestellt.

Soweit die Antragstellerin ihren Eilantrag auf §§ 823, 1004 BGB stützt fehlt es am Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Insoweit gilt der Vermutungstatbestand des § 12 Abs. 2 UWG ungeachtet des Vorliegens eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses nicht, da diese Vorschrift ausweislich ihres ausdrücklichen Wortlauts nur für wettbewerbsrechtliche Ansprüche gilt.

Es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass die Angelegenheit für die Antragstellerin dringlich sein könnte. Der Antragsgegner hat die Äußerungen im Rahmen einer Streitwertbeschwerde getätigt und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er diese in absehbarer Zeit wiederholen wird. Die Antragstellerin bedarf daher keines vorläufigen Rechtsschutzes."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Köln: Entfernung einer negativen Bewertung bei eBay kann regelmäßig nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren erreicht werden

OLG Köln
Urteil vom 08.03.2012
15 U 193/11


Das OLG Köln hat entschieden, dass die Entfernung einer unzulässigen negativen Bewertung bei eBay regelmäßig nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren erreicht werden kann. Es fehlt nach Ansicht des Gerichts am Eilbedürfnis, da durch die Bewertung regelmäßig keine derartige Existenzgefährdung droht, dass dem Betroffenen ein Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Köln: Bezeichung des Verkäufers in einer negativen eBay-Bewertung als "Abzocker" ohne sachlichen Grund unzulässig

LG Köln
Beschluss vom 13.02.2012
28 O 44/12
Abzocker


LG Köln hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass die Bezeichung des Verkäufers in einer negativen eBay-Bewertung als "Abzocker" ohne sachlichen Grund unzulässig ist.

LG Hamburg: Reisebuchungs- und Bewertungsportal haftet für rechtswidrige negative Bewertungen seiner Nutzer

LG Hamburg
Urteil
37 O 607/10


Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Reisebuchungs- und Bewertungsportal für rechtswidrige negative Bewertungen seiner Nutzer haftet.

Aus der Pressemitteilung des LG Hamburg:

"Das Gericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und es der Beklagten verboten, mehrere der von der Klägerin angegriffenen Nutzerkommentare zu verbreiten. Die Beklagte betreibe das Bewertungsportal als Teil ihres gewerblichen Online-Reisebüros. Buchungsgeschäft und Bewertungsportal seien derart engmaschig verbunden, dass eine klare Trennung in zwei verschiedene Geschäftsbereiche nicht möglich sei. Im Vordergrund stehe für die Beklagte bei dem Meinungsportal nicht das uneigennützige Motiv, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern die Attraktivität ihres gewerblichen Online-Angebots zu steigern. Daran sei nichts verwerflich, jedoch würden andere Maßstäbe gelten als für die Betreiber rein informativer und nicht gewerblichen Zwecken dienender Bewertungs- und Meinungsäußerungsportale. Wer als Mitbewerber einen anderen Mitbewerber herabsetze, werde strenger beurteilt, als derjenige, der nicht gewerblich tätig sei. Wer als Mitwettbewerber herabsetzende Tatsachen über einen anderen Wettbewerber verbreite, müsse diese auch beweisen können. Dies sei der Beklagten nur zum Teil gelungen."

Die vollständige Pressemitteilung des LG Hamburg finden Sie hier:

"LG Hamburg: Reisebuchungs- und Bewertungsportal haftet für rechtswidrige negative Bewertungen seiner Nutzer" vollständig lesen

OLG Köln: Geschäftsschädigung durch negative Restaurantkritik in einem Restaurantführer nach nur einem Besuch

OLG Köln
Urteil vom 03.05.2011
15 U 194/10
Restaurantkritik

Das OLG Köln hat entschieden, dass eine negative Restaurantkritik in einem Restaurantführer dann unzulässig sein kann, wenn diese nur auf Grundlage eines Besuchs erstellt wurde und die Bewertung ganz erhebliche Nachteile für den Restaurantbetreiber nach sich ziehen kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Der Bericht der von ihr eingesetzten Testesserin, der unstreitig das Ergebnis eines einzigen Besuchs einer einzigen Person war, stellt keine hinreichend zuverlässige Tatsachengrundlage für die vorgenommene Abwertung dar (vgl. BGH, AfP 1997, 909 ff – "Restaurantkritiker" – Rdn. 34 gemäß Juris-Ausdruck). Auch wenn hier – anders als in der vorerwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs – nicht ohne weiteres eine existenzvernichtende Auswirkung der Kritik der Beklagten in ihrem Restaurantführer drohte, lag es auch für die Beklagte erkennbar anhand der oben aufgezeigten Umstände nahe, dass die Auswirkungen der in ihrem Restaurantführer über das Gourmetrestaurant der Klägerin veröffentlichten Kritik ganz erhebliche Nachteile nach sich ziehen konnten, die bis an die Grenze einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gehen konnten.
[...]
Angesichts der erheblichen negativen Auswirkungen der Kritik, die das Restaurant der Klägerin für die Dauer bis zum Erscheinen der Folgeauflage des Restaurantführers in einem negativen Licht erscheinen ließ, legten jedoch nicht nur die Gebote der Objektivität und des Bemühens um Richtigkeit die Überprüfung nahe, ob die vorgelegte Kritik sich als das Ergebnis nur eines einmaligen Besuchs einer einzigen Testesserin darstellte, sondern geht auch der von der Beklagten angesprochene Adressatenkreis davon aus, dass die auf die beschriebene Weise zeitlich perpetuierte schlechte und in ihren Auswirkungen schwerwiegende Restaurantkritik auf der Grundlage nicht nur eines einzigen Besuchs, sondern auf gesicherter Grundlage, beispielweise nach wiederholtem Besuch derselben Testperson im Restaurant der Klägerin, getroffen worden ist. Eben diesen Anforderungen hat die Beklagte hier indes nicht genügt, weil die streitgegenständliche Kritik das Resultat nur des einmaligen Besuchs der von ihr dazu abgestellten Redakteurin in dem Gourmetrestaurant der Klägerin ist.
"



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: