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LG München: Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" verletzt nicht die Rechte an der geschützten geografischen Angabe "Nürnberger Bratwürste / Nürnberger Rostbratwürste"

LG München
Urteil vom 13.06.2024
33 O 4023/23


Das LG München hat entschieden, dass die Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" nicht die Rechte an der geschützten geografischen Angabe "Nürnberger Bratwürste / Nürnberger Rostbratwürste" verletzt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:
„Keine Anspielung auf Nürnberger Bratwürste“

Die unter anderem für das Markenrecht zuständige 33. Zivilkammer des Landgerichts München I hat die Klage eines Schutzverbands gegen eine Produzentin von Bratwürsten heute abgewiesen (33 O 4023/23).

In dem Verfahren ging es um Rechte an dem geschützten Namen "Nürnberger Bratwürste / Nürnberger Rostbratwürste". Der Kläger ist ein Verein von Herstellern, die in Nürnberg Würste mit der entsprechenden sog. „geschützten geografischen Angabe“ (g.g.A.) produzieren. Nach einer EU-Verordnung dürfen g.g.A. bei der Vermarktung von Erzeugnissen (nur) verwendet werden, wenn sie der betreffenden Produktspezifikation entsprechen. Die Beklagte produziert ihre Würste mit der Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" dagegen nicht in Nürnberg, sondern im niederbayerischen Geiselhöring. Rechtlich werden nach einer EU-Verordnung g.g.A. umfassend geschützt, u.a. gegen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung sowie gegen alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

Der Kläger beanstandete nun sowohl die konkrete Produktaufmachung, insbesondere auch die Größe der Würste der Beklagten, sowie die Verwendung der Bezeichnung "Mini Rostbratwürstchen" auf der Verpackung und verlangte die Unterlassung der Produktion.

Der klagende Schutzverband hatte unter anderem damit argumentiert, dass die angegriffenen Warenaufmachungen der Beklagten insbesondere die charakteristische Größe und Form der „Nürnberger Rostbratwürste“ übernehmen würden. Dies stelle – auch ohne explizite Bezeichnung der Würste als „Nürnberger“ – eine Verletzung der geografischen Angabe dar. Denn diese Warengestaltung und die Verpackungsaufmachung führten dazu, dass die Verbraucher eine enge Verbindung zwischen dem Produkt der Beklagten und der g.g.A. herstellten. Auch eine Abbildung im Internet, welche die Würste der Beklagten auf einem Teller mit Weißbrot, Sauerkraut und Senf darstellt, sei eine Anspielung auf Nürnberger Rostbratwürste, die typischerweise mit eben diesen Beilagen gereicht würden.

Dem folgte das Gericht nicht.

Ein Anspielen auf den geschützten Namen „Nürnberger Rostbratwürste“ bzw. „Nürnberger Bratwürste“ insbesondere aufgrund der sichtbaren geringen Größe der Bratwürste und der verwendeten Bezeichnung „Mini-Rostbratwürstchen“ komme nicht in Betracht. Durch ihre Größe und Form werde kein Bezug zu einer bestimmten geographischen Herkunft hergestellt.

Es liege auch keine sonstige Praktik vor, die den Verbraucher hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs der angegriffenen Würstchen irreführe. Insoweit sei die Größe der Würste angesichts der Vielzahl der auf dem Markt erhältlichen Würste in vergleichbarer Größe und Form schon keine – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof erforderliche – besonders unterscheidungskräftige Eigenschaft. Die Kammer erkannte des Weiteren keine Irreführung der Verbraucher. Die Kammer führte hierzu aus: „Der angesprochene Verkehr, der europäische Durchschnittsverbraucher, nimmt das beanstandete Produkt in einem Marktumfeld wahr, in dem ihm eine Vielzahl an unterschiedlichen Wurstprodukten in identischer bzw. ähnlicher Form und Größe gegenübertritt. Er ist daher daran gewöhnt, in der konkreten Verkaufssituation nach anderen, unterscheidungskräftigen Kriterien auszuwählen. Ein solches unterscheidungskräftiges Kriterium ist die konkret genutzte Bezeichnung, wobei gattungsmäßige Begriffe regelmäßig nicht wahrgenommen werden. Maßgeblich bleibt damit die Angabe „Nürnberg“ oder „Nürnberger“, welche damit für die Beurteilung, ob das entsprechende Erzeugnis von der geschützten Bezeichnung erfasst wird, ausschlaggebend ist. Angesichts dieses Kontextes kann eine Irreführung durch das streitgegenständliche Erzeugnis der Beklagten nicht festgestellt werden."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

Maßgeblich ist hier die Verordnung VO (EU) Nr. 2024/1143 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013, (EU) 2019/787 und (EU) 2019/1753 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012, die die vormals geltende VO (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel unter im Wesentlichen Beibehaltung der für den hiesigen Rechtsstreit maßgeblichen Regelungen aufhob.


BGH: Deutscher Balsamico II - Auch wenn nicht geografische Bestandteile einer geografischen Angabe nicht geschützt sind ist zu prüfen ob die Produktaufmachung eine unzulässige Anspielung ist

BGH
Urteil vom 28.05.2020
Deutscher Balsamico II
Verordnung (EG) Nr. 583/2009 Art. 1; Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b und c; MarkenG § 135 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass auch nach der EuGH-Entscheidung (siehe dazu EuGH: Nicht geografische Begriffe "aceto" und "balsamico" sind nicht vom Schutz der geschützten geografischen Angabe "Aceto Balsamico di Modena" umfasst ) zu prüfen ist, ob die konkrete Produktaufmachung eine unzulässige Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 ist.

Leitsatz des BGH:

Der Umstand, dass sich der Schutz einer geschützten geografischen Angabe (hier: "Aceto Balsamico di Modena") nicht auf die Verwendung ihrer einzelnen nicht geografischen Bestandteile (hier: "Aceto", "Balsamico", "Aceto Balsamico") in einer Produktbezeichnung erstreckt, entbindet nicht von der Prüfung, ob eine angegriffene Produktaufmachung unter Berücksichtigung ihrer weiteren sprachlichen und bildlichen Gestaltungsmerkmale eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012 darstellt.

BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - I ZR 253/16 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH: Nicht geografische Begriffe "aceto" und "balsamico" sind nicht vom Schutz der geschützten geografischen Angabe "Aceto Balsamico di Modena" umfasst

EuGH
Urteil vom 04.12.2019
C-432/18
Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena ./. Balema GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass die nicht geografischen Begriffe "aceto" und "balsamico" nicht vom Schutz der geschützten geografischen Angabe "Aceto Balsamico di Modena" umfasst sind.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Schutz der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ erstreckt sich nicht auf die Verwendung ihrer nicht geografischen Begriffe wie „aceto“ und „balsamico“

Die Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena (g.g.A.)“ (Balsamessig aus Modena, Italien) ist seit 2009 im Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und der geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) eingetragen.

Balema ist eine deutsche Gesellschaft, die auf Essig aus badischen Weinen basierende Produkte erzeugt und vermarktet. Auf den Etiketten dieser Produkte befinden sich die Begriffe „Balsamico“ und „Deutscher balsamico“ in der Aufschrift „theo der essigbrauer, Holzfassreifung, Deutscher balsamico traditionell, naturtrüb aus badischen Weinen“ bzw. „1. Deutsches Essig-Brauhaus, Premium, 1868, Balsamico, Rezeptur No. 3“.

Das Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena, ein Konsortium, dem Erzeuger von Erzeugnissen mit der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena (g.g.A.)“ angehören, hatte von Balema verlangt, die Verwendung des Begriffs „balsamico“ zu unterlassen. Daraufhin erhob Balema bei den deutschen Gerichten Klage auf Feststellung, dass sie diesen Begriff für ihre
Produkte verwenden darf.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof (Deutschland) möchte vom Gerichtshof wissen, ob der durch die Verordnung über den Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel gewährte Schutz der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ nur die Gesamtbezeichnung, d. h. „Aceto Balsamico di
Modena“, betrifft oder sich auf die Verwendung ihrer nicht geografischen Bestandteile, d. h. „aceto“, „balsamico“ und „aceto balsamico“, erstreckt.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass sich der Schutz der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ nicht auf die Verwendung ihrer einzelnen nicht geografischen Begriffe erstreckt.

Der Gerichtshof führt aus, dass die Eintragung der in Rede stehenden g.g.A. und der sich aus ihr ergebende Schutz die Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ als Ganzes betreffen, weil diese Bezeichnung sowohl auf dem nationalen Markt als auch im Ausland ein unzweifelhaftes Ansehen genießt. Dagegen können die nicht geografischen Begriffe dieser g.g.A., nämlich „aceto“ und „balsamico“, sowie ihre Kombination und ihre Übersetzungen nicht in den Genuss dieses Schutzes kommen, insbesondere weil der Begriff „aceto“ ein üblicher Begriff ist und der Begriff „balsamico“ ein Adjektiv ist, das üblicherweise zur Bezeichnung eines durch einen süßsauren Geschmack gekennzeichneten Essigs verwendet wird.

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass die Begriffe „aceto“ und „balsamico“ in den eingetragenen g.U. „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ und „Aceto balsamico tradizionale di Reggio Emilia“ erscheinen, ohne dass ihre Verwendung den Schutz der in Rede stehenden g.g.A. beeinträchtigt.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: