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BGH: Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig nach § 826 BGB in Gesamtschau des Verhaltens bis zum Eintritt des Schadens beim konkret Geschädigten zu ermitteln

BGH
Urteil vom 08.12.2020
VI ZR 244/20
BGB § 826

Leitsatz des BGH:


Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (hier: Erstreckung der Verhaltensänderung des VW-Konzerns in dem sog. "Dieselskandal" ab dem 22. September 2015 auf andere Konzernmarken; Fortführung Senatsurteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 30 ff.).

BGH, Urteil vom 8. Dezember 2020 - VI ZR 244/20 - OLG Oldenburg - LG Aurich

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BMJV: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags

Das BMJV hat den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vorgelegt. Der Entwurf dient der Umesetzung der EU-Warenkauf-Richtlinie.

Die Pressemitteilung des BMJV:

Stärkung der Verbraucherrechte beim Kauf - Update-Pflichten für Verkäufer von digitalen Geräten

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie veröffentlicht und an die Länder und interessierten Kreise mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übersandt.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:
„Wer ein Smartphone oder Tablet kauft, soll sicher sein können, dass er oder sie das Gerät auch noch lange nach dem Kauf problemlos und sicher nutzen kann. Mit dem heute vorgelegten Gesetz, mit dem wir europäisches Recht umsetzen, führen wir eine Update-Pflicht für Verkäuferinnen und Verkäufer von digitalen Produkten ein, die diese Produkte an Verbraucherinnen und Verbraucher verkaufen. Auf diese Weise wird eine dauerhafte Funktionstüchtigkeit und IT-Sicherheit von digitalen Gütern gewährleistet. Dies ist zugleich ein wichtiger Schritt zur Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele. Darüber hinaus stärken wir die Gewährleistungsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher: tritt nach dem Kauf einer Sache ein Mangel auf, so wird künftig ein Jahr statt bisher sechs Monate nach dem Kauf vermutet, dass der Mangel bereits beim Kauf vorlag und damit ein Gewährleistungsfall vorliegt.“

Mit dem heute vorgelegten Referentenentwurf zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie wird das Kaufgewährleistungsrecht in Europa weiter vereinheitlicht. Auf diese Weise wird der grenzüberschreitende elektronische Handel gefördert und das Wachstumspotenzial des Online-Handels ausgenutzt. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen profitieren von einheitlichen Gewährleistungsregeln, weil die Kosten für die Anpassung von Verträgen geringer ausfallen. Durch die Förderung des grenzüberschreitenden Handels sollen den Händlern weitere Absatzmöglichkeiten und den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine größere Produktvielfalt mit attraktiveren Preisen eröffnet werden.

Zur Umsetzung der Richtlinie sieht der Entwurf insbesondere folgende Änderungen vor:

Für Sachen mit digitalen Elementen, die eine Verbraucherin oder ein Verbraucher von einem Händler erwirbt, wird eine Aktualisierungsverpflichtung („Updates“) eingeführt, so dass die Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit auch nach Übergabe der Kaufsache zu gewährleisten sind. Für Sachen, für die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente vereinbart ist, werden Sonderbestimmungen eingeführt. So muss der Verkäufer etwa dafür Sorge tragen, dass die in der Sache integrierten digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums mangelfrei sind und bleiben.

Bei Kaufverträgen, an denen eine Verbraucherin oder ein Verbraucher beteiligt ist, wird die Vermutung, dass ein Mangel der Kaufsache bereits beim Kauf vorlag, von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert.
Die Bestimmungen für Garantien werden ergänzt. So muss eine Garantieerklärung der Verbraucherin oder dem Verbraucher zukünftig auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Aus der Garantieerklärung muss zudem deutlich hervorgehen, dass eine Garantie die daneben bestehenden Gewährleistungsrechte unberührt lässt und die Inanspruchnahme der gesetzlichen Rechte unentgeltlich ist.
Die Länder und Verbände haben Möglichkeit, bis zum 7. Januar 2021 zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen.



BGH: Kein Schadensersatz im Dieselskandal gegen Volkswagen bei Kauf eines Gebrauchtwagens einer anderen Konzernmarke nach Aufdeckung des Dieselskandals

BGH
Urteil vom 08.12.2020
VI ZR 244/20


Der BGH hat entschieden, dass kein Anspruch auf Schadensersatz gegen Volkswagen bei Kauf eines Gebrauchtwagens mit unzulässiger Abschalteinrichtung einer anderen Konzernmarke nach Aufdeckung des Dieselskandals besteht.

Die Pressemitteilung des BGH:

Schadensersatzklage in einem sog. "Dieselfall" gegen die VW AG bei Kauf eines Gebrauchtwagens
einer anderen Konzernmarke nach Aufdeckung des "Dieselskandals" erfolglos

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen der Marke Audi erst nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche verneint.

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 32.600 €, der mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Motors. Die im Zusammenhang mit diesem Motor verwendete Software führte zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren. Die Software bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde. Im normalen Betrieb außerhalb des Prüfstands war diese Abgasaufbereitung abgeschaltet.

Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189, die auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden sei, informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete die Beklagte, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wiederherzustellen. Das daraufhin von der Beklagten entwickelte Software-Update wurde im Januar 2017 bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt.

Wie der Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20, Rn. 30 ff.) entschieden hat, ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat. Durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wurden wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.

Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass der Kläger im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke Volkswagen erworben hat. Die Beklagte hat ihre Verhaltensänderung nicht auf ihre Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen. Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit und der damit verbundenen Mitteilung, mit den zuständigen Behörden und dem KBA bereits in Kontakt zu stehen, hat die Beklagte ihre strategische unternehmerische Entscheidung, das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, auch bezüglich der weiteren Konzernmarken ersetzt durch die Strategie, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten. Damit war das Verhalten der Beklagten generell, d.h. hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen.

Dass der Kläger im Rahmen des Verkaufsgesprächs eine im Hinblick auf die Verwendung des VW-Motors EA189 und die zugehörige Abgasproblematik unzutreffende Auskunft ("Wir sind Audi und nicht VW") erhalten haben mag, könnte unter Umständen eine eigenständige Haftung des Autohauses begründen, ist aber nicht der Beklagten zuzurechnen.

Vorinstanzen:

Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 13. Februar 2020 - 14 U 244/19

Landgericht Aurich - Urteil vom 26. Juli 2019 - 5 O 762/18

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.




BGH: Erneut unzulässige Berufung in Schummeldieselverfahren zu Lasten des Geschädigten durch unzureichende Berufungsbegründung bestehend aus Textbausteinen

BGH
Beschluss vom 29.09.2020
VI ZB 92/19
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3


Der BGH hat erneut in einem Schummeldiesel-Verfahren zu Lasten eines Geschädigten entschieden, dass eine Berufung unzulässig ist, wenn die Berufungsbegründung nur aus Textbausteinen ohne hinreichenden inhaltlichen Bezug zu den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils besteht (siehe auch zum Thema BGH: Unzulässige Berufung wenn Berufungsbegründung nur aus Textbausteinen ohne hinreichenden inhaltlichen Bezug zu den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils besteht).

Leitsatz des BGH:

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).

BGH, Beschluss vom 29. September 2020 - VI ZB 92/19 - OLG Frankfurt a.M. - LG Kassel

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5. September 2019 entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründung, ist nicht zu beanstanden.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten
Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, MDR 2020, 626 Rn. 5; vom 21. Juli 2020 - VI ZB 59/19, juris Rn. 4, VI ZB 68/19, juris Rn. 10, VI ZB 7/20, juris Rn. 7; vom 25. August 2020 - VI ZB 67/19, juris Rn. 7, VI ZB 5/20, juris Rn. 7 jeweils mwN).

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers mit der pauschalen Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und dem unspezifischen Hinweis auf eine abweichende Rechtsprechung "anderer Kammern" des erstinstanzlichen Gerichts ersichtlich nicht gerecht.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des einen Sekretariatsfehler klarstellenden Schreibens des Prozessbevollmächtigen des Klägers vom 21. Oktober 2019. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lässt sich der danach gemeinten Formulierung "welche nicht die Rollen der Parteien in ihr Gegenteil verkehren" nicht aus sich heraus verständlich entnehmen, dass sich der Berufungsangriff des Klägers im Wesentlichen gegen die vom Landgericht gewählte Beweislastverteilung gerichtet habe und darauf abgezielt worden sei, dass es eigentlich an der Beklagten sei, darzulegen und zu beweisen, dass der als unstreitig festgestellte Unterschied bei den Abgaswerten im Labor und im tatsächlichen Straßenverkehr unbeachtlich sei bzw. der erhöhte Verbrauch nach erfolgtem Softwareupdate keinen Schaden des Klägers darstelle. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine eigenständige Interpretationsleistung der Rechtsbeschwerde.

Diese verfängt im Übrigen auch in der Sache schon deshalb nicht, weil auch sie die fehlende Zuordnung der vermeintlichen Beweislastfrage zu den im erstinstanzlichen Urteil abgehandelten möglichen Anspruchsgrundlagen nicht ersetzen kann, zumal das Erstgericht den maßgeblichen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB ersichtlich nicht aus Beweislasterwägungen, sondern im Gegenteil ausdrücklich "bereits aufgrund des Vortrags des Klägers" verneint hat."



AG Essen: Sachmangel wenn sich bei eBay angebotener Pullover als Plagiat entpuppt - Hinweis Artikel originalverpackt mit Etikett und Bezugnahme auf Marke lässt auf Originalmarkenware schließen

AG Essen
Urteil vom 15.07.2020
22 C 97/20


Das AG Essen hat entschieden, dass ein Sachmangel vorliegt, wenn sich ein bei eBay angebotener Pullover als Plagiat entpuppt. Der Hinweis "Artikel originalverpackt mit Etikett" und Bezugnahme auf Marke lässt auf Originalmarkenware schließen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Einstellen des Artikels ist ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages unter Berücksichtigung der Ebay-Bedingungen, welche zwar nicht unmittelbar zwischen den Vertragsparteien, sondern nur im Verhältnis der jeweiligen Nutzer zu Ebay wirken. Da diese jedoch von jedem Nutzer akzeptiert werden, sind sie als Auslegungshilfe heranzuziehen. Danach ist im Lichte des § 6 Ziff. 2 S. 1 der Ebay-AGB das Einstellen eines Artikels als verbindliches Angebot auszulegen. Der Beklagte hat den streitgegenständlichen Artikel in einer Auktion angeboten.

Der Kläger hat dieses Angebot im Lichte des § 6 Ziff. 5 S. 1 der Ebay-AGB durch Abgabe seines Gebotes in Höhe von 30,40 € zzgl. Versandkosten in Höhe von 4,99 €, unter der aufschiebenden Bedingung zum Zeitpunktes des Ablaufs der Auktion noch Höchstbietender zu sein, angenommen.

Die vom Beklagten gelieferte Ware ist mangelhaft.

Gemäß § 434 BGB ist eine Sache mangelhaft, wenn ihre Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Dies ist der Fall, wenn (1) die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, (2) sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB oder (3) sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die Beschaffenheit hat, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten darf, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Der Pullover ist mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, denn die Parteien haben eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, von deren Inhalt die Beschaffenheit des Pullovers abweicht.

Denn laut dieser Vereinbarung sollte es sich bei dem Pullover um Markenware handeln. Diese Markenqualität weist er in Wirklichkeit jedoch nicht auf.

Ob und mit welchem Inhalt bei einer Internetauktion durch die Angebotsbeschreibung des Anbieters eine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Meistbietenden zustande kommt, ist, unter umfassender Würdigung der abgegebenen Willenserklärungen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Als Indizien können herangezogen werden, dass der Verkäufer bei der Beschreibung des Artikels Bezug zum Markennamen herstellt, Angaben von Typenbezeichnung abgibt oder Serien- und Identifikationsmerkmale nennt. Diese Indizien sind im Rahmen des Vertrauensschutzes zu würdigen. Immerhin verbieten die Ebay-AGB ausdrücklich den Vertrieb von Plagiaten und Fälschungen. Ebenso ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass in Fällen, in denen der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise beschreibt und der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft, die Erklärungen des Verkäufers ohne Weiteres zum Inhalt des Vertrages und damit zum Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung werden.

Die Anzeige des Beklagten umfasst die Angaben der Artikel sei originalverpackt mit Etikett, es handele sich um Neuware und es wird Bezug genommen auf den Markennahmen „Givenchy“. Dazu wird eine Artikelnummer genannt. All dies sind für den objektiven Betrachter Merkmale, die auf Originalmarkenware hindeuten. Diese Merkmale sind dann auch Bestandteil der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung geworden. Die Formulierung des Beklagten „PREIS SAGT ALLES, also bitte nur bieten, wenn man damit einverstanden ist.“, ist nicht in der Lage, das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben zu erschüttern und eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung zu verhindern. Zudem wurde der Artikel bei einer online Auktion eingestellt. Dabei werden grundsätzlich niedrige Preise angesetzt, um möglichst viele Käufer auf das Angebot aufmerksam zu machen, um letztendlich hohe Kaufangebote zu erzielen. Die Formulierung der Preis sage alles, ist im Zusammenhang mit einer Internetauktion daher nicht besonders vielsagend und daher kein Indiz für Annahme eines gefälschten Artikels oder der Nichteinbeziehung der Merkmale in den Vertrag.

Der Mangel lag bereits bei Gefahrübergang gemäß § 446 BGB vor. Dem Kläger ist nach Erhalt der Ware die fehlende Markenqualität aufgefallen. Mit Schreiben vom 14.02.2020 forderte der Kläger den Beklagten auch erfolglos zur Nachbesserung nach § 281 BGB auf, in Form der Neulieferung unter angemessener Fristsetzung bis zum 02.03.2020.

Es besteht kein vertraglicher Ausschluss des Gewährleistungsanspruches. Zwar hat der Beklagte in seiner Anzeige sämtliche Gewährleistungsrechte ausgeschlossen. Allerdings gilt die Möglichkeit des Ausschlusses des Gewährleistungsrechtes nur insoweit, als die Angaben der Anzeige der Wahrheit entsprechen. Der Kläger machte gerade aus dem Grund seine Gewährleistungsrechte geltend, da der Beklagte unwahre Tatsachen in seiner Anzeige veröffentlicht hat und der Zustand der Ware von dem der Beschreibung abweicht. Zudem umfasst der Gewährleistungsausschluss nicht zugesicherte Merkmale, wie vorliegend die Beschaffenheit des Pullovers als Pullover der Marke Givenchy.

Es besteht auch kein gesetzlicher Ausschluss des Anspruchs im Sinne des § 442 BGB. Der Käufer hatte weder positive Kenntnis von der Tatsache, dass es sich bei dem Artikel um ein Plagiat handelt, noch lag diesbezüglich grobfahrlässige Unkenntnis vor. Insofern trägt der Beklagte die Beweislast.

Für eine positive Kenntnis des Klägers genügt insbesondere nicht die Anmerkung in der Anzeige „Preis sagt alles, also bitte nur bieten wenn man damit einverstanden ist“. Denn es befindet sich im Übrigen kein eindeutiger Hinweis darauf, dass es sich nicht um Originalware handelt.

Zudem handelt der Kläger als Käufer nicht grob fahrlässig, wenn er sich wie im vorliegenden Fall auf die Angaben des Verkäufers verlässt, ohne weitere Informationen einzuholen (vgl. Palandt, BGB-Weidenkaff, § 442, Rn. 11).

Ferner ist es unerheblich, wenn der Kläger auch andere Verkäufer, die entgegen der Vereinbarung keine Originalware verkauft haben, in Anspruch nimmt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst in seiner Mahnung vom 14.02.2020 alternativ statt der Überweisung des Originalpreises als Schadenersatz auch die Möglichkeit der Zusendung eines Original Pullovers einer entsprechenden Marke verlangt hat. Ihm ging es also nicht nur darum, Schadenersatz wegen fehlerhafter Ebayanzeigen zu erlangen. Zudem ist es das Risiko des Verkäufers, welcher keine Originalware verkauft, dass die Käufer dies herausfinden und dann ihre Rechte geltend machen.

Der Beklagte konnte nicht beweisen, dass der Kläger positive Kenntnis vom Mangel oder aber grob fahrlässige Unkenntnis gehabt hat.

Der Beklagte hat die Pflichtverletzung auch gemäß § 276 BGB zu vertreten. Sein Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Eine Exkulpation seinerseits erfolgte nicht.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des gesamten Schadens gemäß § 249 BGB und damit auf Schadensersatz statt der Leistung, allerdings nur in Höhe von 814,61 €.

Denn der Anspruch besteht in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Sache im Original (850,00 €) sowie dem bereits gezahlten Kaufpreis (35,39 €).

Gemäß § 281 Abs. 5 BGB finden die Vorschriften der §§ 346-348 BGB Anwendung, was zu der Zug-um-Zug-Verurteilung führt.

Der Kläger hat zudem einen Freistellungsanspruch von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 iVm § 257 BGB in Höhe von 147,56 €. Denn der Beklagte hat eine vorvertragliche Pflicht im Sinne von § 311 Abs. 1, 42 Abs. 2 BGB verletzt, indem er den Kläger vorsätzlich über die Beschaffenheit des Pullovers täuschte. Denn dem Beklagten war bewusst, dass es sich nicht um Originalware handelt. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war vorliegend aufgrund der Schwierigkeit des Sachverhaltes und der rechtlichen Würdigung auch erforderlich. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich im Übrigen auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



OLG Hamm: Audi AG und Volkswagen AG müssen Käufer eines gebrauchten vom Dieselskandal betroffenen Audi A1 Schadensersatz zahlen

OLG Hamm
Urteil vom 14.08.2020
45 U 22/19


Das OLG Hamm hat entschieden, dass Audi AG und Volkswagen AG dem Käufer eines gebrauchten vom Dieselskandal betroffenen Audi A1 Schadensersatz zahlen müssen.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Oberlandesgericht Hamm: Abgasskandal: Auch Audi muss Schadensersatz an Kunden zahlen

Die Audi AG und die Volkswagen AG müssen dem Käufer eines gebrauchten Audi A 1 wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung als Schadensersatz den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs zahlen. Dies hat der 45. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.08.2020 entschieden.

Der klagende Kunde aus Gütersloh kaufte im Februar 2014 bei einem Autohaus in Gütersloh einen erstmals im Februar 2013 zugelassenen Audi A1, 1.6 TDI zu einem Kaufpreis von 16.385 Euro. In dem Fahrzeug eingebaut ist ein vom sog. Abgasskandal betroffener Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung EA 189. Im März 2017 ließ der Kläger ein angebotenes Software-Update ausführen, welches dafür sorgen sollte, im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte einzuhalten.

Der klagende Kunde macht u. a. geltend, er hätte den Audi A1 nicht gekauft, wenn er von der Manipulation der Abgaswerte gewusst hätte. Ihm stünde sowohl gegenüber der Volkswagen AG als auch der Audi AG ein Schadensersatzanspruch zu, weil er von ihnen vorsätzlich sittenwidrig im Hinblick auf die Schadstoffemissionen getäuscht worden sei.

Die Volkswagen AG hat insbesondere behauptet, dass die Entscheidung zum Einsatz der Motorsteuerungssoftware unterhalb ihrer Vorstandsebene getroffen worden sei. Die Audi AG hat sich darauf berufen, sie habe den Motor nicht entwickelt, weshalb sie von den Vorgängen keine Kenntnisse gehabt habe; ein etwaiges Wissen der Volkswagen AG könne ihr nicht zugerechnet werden.

Das Landgericht Bielefeld hat die Volkswagen AG und die Audi AG – gesamtschuldnerisch – mit Urteil vom 22.07.2019 (Az. 19 O 314/18) insbesondere zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, der klagende Kunde sei durch das Inverkehrbringen des Motors – mit Blick auf die Volkswagen AG – und des Fahrzeugs – in Bezug auf die Audi AG – geschädigt worden.

Zu Recht! Die Audi AG und die Volkswagen AG hätten – so der Senat – jede für sich zum Nachteil des Käufers des Audi A 1 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Mehr als fernliegend sei, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung der Vorstände oder sonstiger Repräsentanten der Unternehmen erfolgt sei und lediglich einem untergeordneten Konstrukteur zugeschrieben werden könne, der sich eigenmächtig verhalten habe. Der Gesichtspunkt, dass die beteiligten Unternehmen in einem Konzern verbunden seien, genüge für sich genommen zwar nicht, um eine Wissenszurechnung zu begründen. Eine Mithaftung der Audi AG folge aber daraus, dass nicht vorstellbar sei, dass kein Vorstandsmitglied der Audi AG von dem Einsatz der illegalen Software gewusst habe. Diese Kenntnis dränge sich geradezu angesichts eines bei der Audi AG vorhandenen Compliance-Systems auf, nach dem für jedes Detail eines zu produzierenden Pkw das Einverständnis zumindest eines Vorstandsmitglieds eingeholt werden müsse. Beiden Herstellern sei es nicht gelungen, Umstände darzulegen, wonach eine Kenntnis ihrer Vorstände oder sonstigen Repräsentanten ausscheiden würde.

Rechtskräftiges Urteil des 45. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.08.2020 (Az. 45 U 22/19, OLG Hamm)


LG Stuttgart: Schummeldiesel-Käufer haben keine Amtshaftungsansprüche gegen Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit VW-Diesel-Skandal

LG Stuttgart
Urteile vom 27.08.2020
7 O 425/19 - 7 O 66/20 - 7 O 67/20


Das LG Stuttgart hat entschieden, dass Schummeldiesel-Käufer keine Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem VW-Diesel-Skandal haben.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Kein Anspruch der Kläger gegen die BRD wegen "VW-Diesel-Abgasskandals"

Kurzbeschreibung: Urteile der 7. Zivilkammer: Kein Anspruch der Kläger auf Schadenersatz gegen die BRD im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom sogenannten „VW-Diesel-Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugs

Feststellungsklagen unzulässig und unbegründet

Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat heute unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht Schabel drei Urteile in den mittlerweile mehr als 20 anhängigen gleichgelagerten Schadenersatzklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen behaupteter Amtspflichtverletzung verkündet. Die Kläger sind bzw. waren jeweils Inhaber eines mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs des VW-Konzerns und begehren jeweils die Feststellung, dass ihnen die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem sog. VW-Diesel-Abgasskandal zum Schadenersatz verpflichtet ist. Die Kammer hat die Feststellungsklagen jeweils abgewiesen.

Erwägungen der Kammer
Die Kammer hält die Feststellungsklagen bereits für unzulässig und jedenfalls für unbegründet. Den Klägern fehle es bereits aus mehreren Gründen am erforderlichen Feststellungsinteresse. So hat sich ein Kläger bereits mit der VW AG auf einen Vergleich verständigt und hat infolgedessen das Fahrzeug nicht mehr im Besitz. Zudem sei der von den Klägern jeweils geltend gemachte europarechtliche Staatshaftungsanspruch nicht gegeben. So fehle es bereits an einer europarechtlichen Norm, die dem Schutz individueller Vermögensinteressen der Fahrzeugkäufer diene und bezwecke, diesen insoweit Rechte zu verleihen. Das Ziel der von den Klägern bemühten Richtlinie 2007/46/EG sei in erster Linie die Vollendung des europäischen Binnenmarktes; darüber hinaus solle sie die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisieren und spezifizieren, wobei diese Rechtsakte vor allem auf hohe Verkehrssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung abzielten. Individualinteressen, vor allem das Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, finde darin nach Ansicht der Kammer keine Erwähnung. Zudem sei für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG unzureichend in nationales Recht umgesetzt habe. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Richtlinie, insbesondere beim Anbieten, Verkaufen und Inbetriebnehmen von nicht genehmigten Teilen und Ausrüstungen nach Art. 31 der Richtlinie, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen. Auch einen die Haftung begründenden erforderlichen hinreichend qualifizierten Verstoß des Kraftfahrtbundesamts bei der Erteilung der Typengenehmigung für die streitgegenständlichen Fahrzeuge – in Gestalt der von den Klägern behaupteten fehlerhaften Überwachung der Automobilindustrie – könne die Kammer nicht feststellen. Etwaigen Ansprüchen der Kläger nach der deutschen Amtshaftungsnorm § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG stünde entgegen, dass nach dem vorgetragenen Sachverhalt eine Haftung der Herstellerin VW AG gemäß § 826 BGB in Betracht komme und ein etwaiger Amtshaftungsanspruch daher kraft Gesetzes zurücktrete.

Urteile nicht rechtskräftig – Berufung zum OLG möglich

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Den Kläger steht das Rechtsmittel der Berufung zum Oberlandesgericht offen.

Urteile Landgericht Stuttgart vom 27.08.2020 Aktenzeichen 7 O 425/19, 7 O 66/20, 7 O 67/20



Volltext BGH liegt vor: Geschädigte Käufer eines VW-Schummeldiesels haben keinen Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises ab Kaufpreiszahlung - Deliktszinsen

BGH
Urteil vom 30. Juli 2020
VI ZR 397/19
BGB § 249, § 826, § 849; ZPO § 256


Wir hatten berets in dem Beitrag BGH: Geschädigte Käufer eines VW-Schummeldiesels haben keinen Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises ab Kaufpreiszahlung - Deliktzinsen über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Deliktszinsen nach § 849 BGB können nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes.

b) Zu den Voraussetzungen einer auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteten Feststellung bei einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (hier: VW-Diesel-Fälle).

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



Volltext BGH liegt vor: Späteres Software-Update bei Schummeldiesel beseitigt sittenwidrige Schädigung bei Vertragsschluss nicht

BGH
Urteil vom 30.07.2020
VI ZR 367/19
BGB § 826


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Späteres Software-Update bei Schummeldiesel beseitigt sittenwidrige Schädigung bei Vertragsschluss nicht über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Zur sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem beklagten Fahrzeughersteller getroffen hatte und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.

b) Auf den Schutzzweck der §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV und der zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union kommt es im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB nicht an.

BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Volltext BGH liegt vor: Keine Deliktszinsen Käufer von VW-Schummeldiesel - Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch komplett aufzehren

BGH
Urteil vom 30.07.2020
VI ZR 354/19
BGB § 249, § 849


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine Deliktszinsen ab Zahlung des Kaufpreises für geschädigte Käufer von VW-Schummeldiesel - Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch komplett aufzehren über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Der Schadensersatzanspruch des Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung versehenen Fahrzeugs kann durch die im Wege des Vorteilsausgleichs erfolgende Anrechnung gezogener Nutzungen vollständig aufgezehrt werden (Fortführung Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 64-77).

b) Deliktszinsen nach § 849 BGB können nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes.

BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Späteres Software-Update bei Schummeldiesel beseitigt sittenwidrige Schädigung bei Vertragsschluss nicht

BGH
Urteil vom 30.07.2020
VI ZR 367/19


Der BGH hat entschieden, dass ein späteres Software-Update bei einem Schummeldiesel die sittenwidrige Schädigung bei Vertragsschluss nicht beseitigt. Der BGH hat dieses Verfahren an das OLG zurückverwiesen.

Die Pressemitteilung des BGH:

Erfolgreiche Revision gegen Abweisung einer Schadensersatzklage in einem "Dieselfall" gegen die VW
AG. Zurückverweisung an Oberlandesgericht.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb am 4. April 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Tiguan 2.0 TDI zu einem Preis von 21.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet. Die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und schaltete in diesem Falle in einen Stickoxid-optimierten Modus. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete Mitte Oktober 2015 einen Rückruf an, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah. Der Kläger ließ das Software-Update im Februar 2017 durchführen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Braunschweig hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB schieden aus, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den Betrugstatbestand verwirklicht bzw. den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Abgesehen davon fehle es an einem Schaden des Klägers.

Entscheidung des Senats:

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil unter Anwendung der Grundsätze seines Urteils vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht vom Kläger näheren Vortrag dazu verlangt, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung betrifft die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Vor diesem Hintergrund genügte die Behauptung des Klägers, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen, dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Liegt der Schaden - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern. Ein solcher Schaden fällt auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

Vorinstanzen:

Landgericht Braunschweig - Urteil vom 06.07.2018, Az. 11 O 2675/17

Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 13.08.2019, Az. 7 U 352/18



BGH: Kein Schadensersatz gegen Volkswagen AG bei Kauf eines gebrauchten Schummeldiesels nach Aufdeckung des Dieselskandals

BGH
Urteil vom 30.07.2020
VI ZR 5/20


Der BGH hat entschieden, dass kein Schadensersatz gegen die Volkswagen AG bei Kauf eines gebrauchten Schummeldiesels nach Aufdeckung des Dieselskandals besteht.

Die Pressemitteilung des BGH:

Schadensersatzklage im sogenannten "Dieselfall" gegen die VW AG bei Gebrauchtwagenkauf nach Aufdeckung des "Dieselskandals" erfolglos

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat heute über einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche verneint.

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im August 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Touran Match zu einem Kaufpreis von 13.600 €, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Oktober 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung erlassen und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge hat die Beklagte bei Fahrzeugen mit dem betroffenen Motortyp ein Software-Update bereitgestellt, das nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt wurde. Das Thema war Gegenstand einer umfangreichen und wiederholten Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Entscheidung des Senats:

Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Ansprüche aus § 826 BGB deshalb verneint hat, weil das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.

War das Verhalten der Beklagten gegenüber Käufern, die ein mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug vor dem 22. September 2015 erwarben, sittenwidrig (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), so wurden durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist. So war bereits die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Für die Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit war damit kein Raum mehr; hierauf konnte das geänderte Verhalten der Beklagten nicht mehr gerichtet sein. Käufern, die sich, wie der Kläger, erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem die Beklagte ihr Verhalten geändert hatte, wurde deshalb - unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen - nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt.

Auch Ansprüche aus sonstigen Vorschriften hat der Senat verneint.

Vorinstanzen:

Landgericht Trier - Urteil vom 03. Mai 2019 - 5 O 686/18

Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 2. Dezember 2019 - 12 U 804/19

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.



BGH: Geschädigte Käufer eines VW-Schummeldiesels haben keinen Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises ab Kaufpreiszahlung - Deliktzinsen

BGH
Urteil vom 30. Juli 2020
VI ZR 397/19


Der BGH hat in einem weiteren Verfahren entschieden, dass geschädigte Käufer eines VW-Schummeldiesels keinen Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises ab Kaufpreiszahlung - Deliktzinsen

Die Pressemitteilung des BGH:

Keine "Deliktzinsen" für geschädigte VW-Käufer

In einem weiteren VW-Verfahren hat der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass geschädigten Käufern eines vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs unter dem Gesichtspunkt sogenannter "Deliktszinsen" kein Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises bereits ab Kaufpreiszahlung zusteht.

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb im August 2014 von einem Autohändler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Golf VI 1,6 TDI mit einer Laufleistung von rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 €. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der mit einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ließ die Klägerin das von der Beklagten entwickelte Software-Update im Jahr 2017 aufspielen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen ab Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht Oldenburg hat die Beklagte im Wesentlichen zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat dieses Urteil auf die Berufung der Klägerin dahingehend abgeändert, dass es ihr Zinsen bereits ab Kaufpreiszahlung zugesprochen hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu, auf den sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab dem Zeitpunkt der Zahlung könne die Klägerin von der Beklagten gemäß § 849 BGB zudem sogenannte "Deliktszinsen" verlangen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

Entscheidung des Senats:

Beide Revisionen hatten nur zum Teil Erfolg.

Im Wesentlichen unter Verweis auf sein erstes Urteil zum sogenannten "Dieselskandal" vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) hat der VI. Zivilsenat auch hier einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB auf Erstattung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises abzüglich der ihr durch den Gebrauch des Fahrzeugs zugeflossenen Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen "Rückgabe" des Fahrzeugs für gegeben erachtet. Einen Anspruch der Klägerin auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB hat er hingegen - anders als das Berufungsgericht - verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. Vorliegend stand einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass die Klägerin als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.

Vorinstanzen:

Landgericht Oldenburg - Urteil vom 11. Januar 2019 -3 O 1275/18

Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 2. Oktober 2019 - 5 U 47/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.



BGH: Keine Deliktszinsen ab Zahlung des Kaufpreises für geschädigte Käufer von VW-Schummeldiesel - Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch komplett aufzehren

BGH
Urteil vom 30.07.2020
VI ZR 354/19


Der BGH hat entschieden, dass geschädigten Käufer eines VW-Schummeldiesel keine Deliktszinsen ab Zahlung des Kaufpreises erhalten. Zudem hat der BGH entschieden, dass die vom Käufer gezogenen Nutzungsvorteile den Schadensersatzanspruch komplett aufzehren können.

Die Pressemitteilung des BGH:

"VW-Dieselverfahren": Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren und keine "Deliktszinsen" für geschädigte VW-Käufer

Sachverhalt:

Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Dritten einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten VW Passat 2,0 I TDI zum Preis von 23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger eine Laufleistung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor der Baureihe EA189, Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Der Motor ist mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete einen Rückruf an. Ein von der Beklagten daraufhin entwickeltes Software-Update ließ der Kläger nicht durchführen, fuhr das Fahrzeug aber trotzdem weiter. Das Fahrzeug hat inzwischen eine Laufleistung von rund 255.000 km. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Braunschweig die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden schon deshalb nicht, weil der im Hinblick auf die vom Kläger mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer vorzunehmende Vorteilsausgleich dazu führe, dass der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis vollständig aufgezehrt sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.

Entscheidung des Senats:

Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat die Revision zurückgewiesen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die vorzunehmende Anrechnung der vom Kläger durch den Gebrauch des Fahrzeugs gezogenen Nutzungsvorteile (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19) zehre den Kaufpreiserstattungsanspruch vollumfänglich auf, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom Oberlandesgericht dabei zur Berechnung des Wertes der Nutzungsvorteile herangezogene Formel (Bruttokaufpreis mal gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt) war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; die Annahme des Oberlandesgerichts, das Fahrzeug habe im Erwerbszeitpunkt eine Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern gehabt, hatte der Kläger mit seiner Revision nicht angegriffen.

Einen Anspruch des Klägers auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB ab Zahlung des Kaufpreises hat der VI. Zivilsenat ebenfalls verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. Vorliegend stand einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.

Vorinstanzen:

Landgericht Braunschweig - Urteil vom 27. November 2017 -11 O 603/17

Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 20. August 2019 - 7 U 5/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.



[…].

§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.


OLG Köln: Rückabwicklung des Kaufvertrages über Kauf von 36 Flaschen seltener Weine für 300.000 EURO wenn es sich um Fälschungen handelt

OLG Köln
Urteil vom 25.06.2020
28 U 53/19


Das OLG Köln hat wenig überraschend entschieden, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über Kauf von 36 Flaschen seltener Weine für 300.000 EURO besteht, wenn es sich dabei um Fälschungen handelt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Neuer Wein in alten Schläuchen? Händler muss gefälschte hochwertige Weine zurücknehmen

Hochwertige Weine erzielen Spitzenpreise und werden weltweit gehandelt. Nicht immer ist die Ware aber echt, wie sich in einem vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall herausgestellt hat.

Die Klägerin ist eine in Bayern ansässige Firma, die mit hochwertigen und seltenen Weinen handelt. Im März 2012 hatte sie von einer Kölner Weinhändlerin 36 Flaschen Rotwein der Weinlage Romanée-Conti - Jahrgänge 2004 - 2007 - zum Preis von fast 300.000 Euro gekauft. Unmittelbar danach verkaufte sie den Wein an einen Händler in Singapur weiter.

Im April 2013 kamen in der Weinbranche Gerüchte auf, dass Teile der auf den Markt gelangten Weine dieser Weinlage gefälscht seien. Mit der Begründung, dass ihre Kundin in Singapur davon ausgehe, dass es sich bei den verkauften Weinen um Fälschungen handele und 34 der 36 Flaschen zurückgeschickt habe, forderte die Klägerin daraufhin die Beklagte zur Rückzahlung des anteiligen Kaufpreises auf. Nachdem die Beklagte zur Zahlung nicht bereit war, machte die Klägerin den Anspruch gerichtlich geltend. Mit Urteil vom 11.07.2019 hatte das Landgericht Köln der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe der betroffenen Flaschen Wein im Wesentlichen stattgegeben. Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln nun mit Urteil vom 25.06.2020 zurückgewiesen.

Die Beklagte hatte bestritten, dass es sich bei den von ihr gelieferten Weinen um Fälschungen handele. Mit Hilfe einer speziellen Lupe ließ sich jedoch feststellen, dass nur 2 der 34 Flaschen echt waren. Bei der Erstellung der Etiketten wurde ein besonderes Verfahren angewandt, welches zu einem unverkennbaren Druckergebnis führte. Die Beweisführung überzeugte Landgericht und Oberlandesgericht.

Auch ein weiterer Einwand der Beklagten blieb erfolglos. Sie hatte geltend gemacht, das Landgericht hätte genauer aufklären müssen, ob es sich bei den dem Gericht vorliegenden Flaschen tatsächlich um jene gehandelt habe, die die Beklagte der Klägerin im Jahr 2012 verkauft hatte. Das überzeugte das Oberlandesgericht jedoch nicht. Ein aufmerksamer Mitarbeiter der Klägerin hatte nämlich bei Anlieferung des Weins auf der Rückseite der Rechnung der Beklagten die Flaschennummern notiert. 34 der seinerzeit notierten Nummern fanden sich auf der bei Rückkehr der Weine aus Singapur erstellten Packliste. Sie stimmten außerdem mit den durch das Landgericht in Augenschein genommenen Flaschen überein. Anlass zur weiteren Aufklärung sah der 28. Zivilsenat daher nicht.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 25.06.2020 - 28 U 53/19.