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OLG Hamm: Unterlassungsanspruch aber kein Lizenzschaden - Urheberrechtsverletzung durch Verbreitung von Software unter Verstoß gegen GNU General Public License

OLG Hamm
Urteil vom 13.06.2017
4 U 72/16


Das OLG Hamm hat entschieden, dass bei einer Urheberrechtsverletzung durch Verbreitung von Software unter Verstoß gegen die GNU General Public License zwar ein Anspruch auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten, aber kein Anspruch auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs bzw. Zahlung eines Lizenzschadens besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

"aa) Die Beklagte hat, als sie die vorgenannte Programmversion in ihrem Internetauftritt in ausführbarer Form zum Download zur Verfügung stellte, in zweifacher Weise gegen die Bestimmungen der „GNU General Public License“ verstoßen.

(1) Entgegen dem in Ziffer 3 Satz 1 (vor lit. a]) der Lizenzbestimmungen enthaltenen Verweis auf Ziffer 1 der Lizenzbestimmungen stellte die Beklagte keine Kopie des Lizenztextes zur Verfügung.

(2) Den Quellcode der Programmversion stellte sie ebenfalls nicht zur Verfügung, und zwar weder auf eine der in Ziffer 3 lit. a) bis c) der Lizenzbestimmungen genannten Arten noch in anderer Weise.

bb) Diese Verstöße gegen die Lizenzbestimmungen führten zugleich zu einer Verletzung der urheberrechtlich geschützten Rechtsposition der Klägerin. Nach wohl einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und der zumindest überwiegenden Auffassung in der Literatur, der sich der erkennende Senat anschließt, stellt die Verbreitung einer unter der „GNU General Public License“ lizenzierten Software unter Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen eine Urheberrechtsverletzung dar (LG Halle [Saale], Urteil vom 27.07.2015 – 4 O 133/15; LG Hannover, Urteil vom 21.07.2015 – 18 O 159/15; LG Leipzig, Beschluss vom 02.06.2015 – 5 O 1531/15; LG Frankfurt, Urteil vom 06.09.2006 – 2-06 O 224/06; LG Berlin, Beschluss vom 21.02.2006 – 16 O 134/06; Jaeger/Metzger, Open Source Software, 4. Aufl. [2016], Rdnr. 152 ff m.w.N.; Schneider, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl. [2017], X. IT-Verfahrensrecht, Rdnr. 158; Schäfer, K&R 2010, 298 [300]). Dogmatisch ist dies damit zu begründen, dass die Regelung in Ziffer 4 Satz 2 der Lizenzbestimmungen eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) darstellt, nach der die urheberrechtliche Nutzungsrechtseinräumung mit dem Versuch einer lizenzbestimmungswidrigen Verbreitung der Software entfällt (LG Frankfurt, Urteil vom 06.09.2006 – 2-06 O 224/06; Jaeger/Metzger, Open Source Software, 4. Aufl. [2016], Rdnr. 152 ff m.w.N.; Schäfer, K&R 2010, 298 [300]; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14, dort Rdnr. 89, zur entsprechenden Rechtskonstruktion bei der „Creative Commons Attribution Non Commercial 2.0“-Lizenz für Lichtbilder). Die lizenzbestimmungswidrige Verbreitung bzw. der entsprechende Versuch führen dabei im Unterlassungsprozess allerdings nicht zu einem „uneingeschränkten“ Verbreitungsverbot für die Zukunft, sondern – lediglich – zu der Verurteilung des Verletzers, es zu unterlassen, die Software ohne die Einhaltung der – im Einzelnen genau zu bezeichnenden und zu beschreibenden – Bestimmungen der „GNU General Public License“ zu verbreiten (vgl. LG Halle [Saale], Urteil vom 27.07.2015 – 4 O 133/15; LG Hannover, Urteil vom 21.07.2015 – 18 O 159/15; LG Leipzig, Beschluss vom 02.06.2015 – 5 O 1531/15; LG Berlin, Beschluss vom 21.02.2006 – 16 O 134/06; Schneider, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl. [2017], X. IT-Verfahrensrecht, Rdnr. 158).
Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Der Klägerin steht der dem Grunde nach geltend gemachte Ersatzanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.
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a) Schadensersatzansprüche
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Ein Schadensersatzanspruch – sei es nach § 97 Abs. 2 UrhG, sei es aufgrund einer anderen Anspruchsgrundlage – steht der Klägerin nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch das von ihr beanstandete Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sein kann.
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Die Klägerin will den Schaden nach den – für eine Schadensberechnung hier von vornherein allein und allenfalls in Betracht kommenden – Grundsätzen der Lizenzanalogie ermitteln. Bei der Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraumes vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.). Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist dabei gemäß § 287 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach der freien Überzeugung des Gerichts zu bemessen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechtes zu berücksichtigen (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.). Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören insbesondere ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.).
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Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die Klägerin die hier streitgegenständliche Programmversion für alle in Betracht kommenden Nutzungen unentgeltlich vertrieben hat und damit der Sache nach auf eine monetäre Verwertung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts vollständig verzichtet hat. Dieser Verzicht geht sogar so weit, dass die Klägerin nach Ziffer 4 Satz 3 der „GNU General Public License“ sogar Personen, die eine Programmkopie aufgrund eines lizenzbestimmungswidrigen Verbreitungsvorganges erhalten haben, diese Kopien (unentgeltlich) belässt. Der „objektive Wert“ der Nutzung der hier in Rede stehenden Programmversion kann vor diesem Hintergrund nur mit Null angesetzt werden (zweifelnd an der Schadensermittlung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie bei kostenlos vertriebener „Open Source“-Software auch Schneider, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl. [2017], X. IT-Verfahrensrecht, Rdnr. 158 a.E.; vgl. zum rechtsähnlichen Fall der lizenzbestimmungswidrigen Verbreitung eines unter der „Creative Commons Attribution Non Commercial 2.0“-Lizenz kostenlos zur Verfügung gestellten Lichtbildes auch OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14, dort Rdnr. 98). Die Klägerin hat die streitgegenständliche Programmversion insgesamt kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass nicht ersichtlich ist, welchen wirtschaftlichen Sinn eine weitere entgeltliche Lizenzierung daneben noch haben könnte (vgl. zu dieser Erwägung auch OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2016 – 6 W 72/16). Da die Nutzung des Programms einschließlich der öffentlichen Weiterverbreitung bereits kostenlos möglich ist, liefe eine weitere kostenpflichtige Lizenz letztlich nur darauf hinaus, sich als Lizenznehmer von den – letztlich nur rein formalen – Bestimmungen der „GNU General Public License“ befreien zu lassen (vgl zu dieser Erwägung auch OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2016 – 6 W 72/16). Anhaltspunkte, die als Grundlage einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO dienen könnten, um den objektiven Wert einer solchen „Befreiung“ zu ermitteln, existieren nicht. Es bestand oder besteht für die von der Beklagten weiterverbreitete und hier streitgegenständliche Programmversion auch kein „dual licensing“-Modell. Diese Programmversion – und nur auf diese konkrete Programmversion kommt es an – wurde von der Klägerin vielmehr ausschließlich unentgeltlich unter der „GNU General Public License“ verbreitet. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die „proprietär“ und entgeltlich vertriebene Programmversion „T Enterprise Client 3.x“ verweist, ist diese mit der hier streitgegenständlichen Programmversion nicht identisch: nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin enthält die Version „T Enterprise Client 3.x“ nämlich „Fehlerbehebungen und Verbesserungen“.
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b) Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung
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Der Feststellungsantrag kann eine materiell-rechtliche Grundlage auch nicht in den Vorschriften der §§ 812 ff BGB finden. Die Beklagte hat durch das von der Klägerin beanstandete Verhalten nichts „erlangt“. Auf Herausgabe eines evtl. "Verletzergewinns" stützt die Klägerin ihren Anspruch nicht. Hierzu trägt sie keine Tatsachen vor.
cc) Die Klägerin ist nicht – weder durch § 242 BGB noch in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB – daran gehindert, sich auf die beiden vorbezeichneten Verstöße der Beklagten gegen die Lizenzbestimmungen der „GNU General Public License“ zu berufen.

(1) Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts (siehe Seite 6 der Urteilsurschrift) hat die Klägerin die hier in Rede stehende Programmversion „1.1.3“ der „T“-Software nur zusammen mit dem Quellcode vertrieben und zur Verfügung gestellt. Eine Verpflichtung oder Obliegenheit der Klägerin, den Quellcode der Programmversion auch noch nach der Einstellung des Vertriebs dieser Programmversion durch sie, die Klägerin, bereitzustellen, besteht nicht. Hätten sich all diejenigen, die die Programmversion von der Klägerin bezogen und sodann weiterverbreitet haben, an die Lizenzbestimmungen der „GNU General Public License“ gehalten, hätte auch die Beklagte die Programmversion zusammen mit dem Quellcode erlangen und sodann weiterverbreiten können.

(2) Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts (siehe Seite 6 der Urteilsurschrift) hat die Klägerin die Programmversion auch stets zusammen mit dem Text der „GNU General Public License“ zur Verfügung gestellt. Selbst wenn sie dies nicht getan hätte, wäre sie nicht daran gehindert, sich im vorliegenden Rechtsstreit auf den entsprechenden Verstoß der Beklagten zu berufen. Die „GNU General Public License“ enthält keine Verpflichtung oder Obliegenheit des Lizenzgebers, die Software nur zusammen mit dem Lizenztext auszuliefern, sondern lediglich eine entsprechende Vorgabe für die Lizenznehmer. Der Lizenztext der „GNU General Public License“ ist überdies im Internet verfügbar. Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass es den Angehörigen des „Zentrums für Informations- und Mediendienste“ der Beklagten möglich gewesen wäre, den Lizenztext durch eine einfache Internetrecherche innerhalb weniger Sekunden im Internet aufzufinden.

dd) Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Klägerin bestehen nicht. Selbst wenn es der Klägerin hier nur um eine „Marktbereinigung“ gehen sollte, wäre dies nicht rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin hat ein schützenswertes Interesse daran, dass die Software, an der sie das ausschließliche Nutzungsrecht besitzt, nur in den von ihr urheberrechtlich gesetzten Grenzen auf dem Markt angeboten und vertrieben wird.

ee) Der Unterlassungsanspruch war schließlich nicht verjährt. Anhaltspunkte, dass die Klägerin bereits vor Ende April / Anfang Mai 2015 Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte hatte oder hätte haben müssen, bestehen nicht.

b) Die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung genügte den formellen Anforderungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 UrhG.

c) Die Klägerin kann indes lediglich den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1.384,34 € beanspruchen.

aa) Der für den Unterlassungsanspruch zugrundegelegte Gegenstandswert von 100.000,00 € ist übersetzt. Der Unterlassungsanspruch bezog sich auf eine von der Klägerin unentgeltlich vertriebene Programmversion, die zudem nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht frei von Fehlern war und zum Zeitpunkt der Abmahnung – angesichts der Existenz weiterentwickelter Programmversionen – auch bereits „veraltet“ war. Vor diesem Hintergrund ist lediglich ein Gegenstandswert von 50.000,00 € für den Unterlassungsanspruch anzusetzen.

bb) Zu hoch ist ebenfalls der Gebührensatz für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Das Bestehen eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruches bei Verstößen gegen die Bestimmungen der „GNU General Public License“ entsprach bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung der wohl einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte. Signifikante Schwierigkeiten waren mit der Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruches nicht verbunden. Gerechtfertigt ist damit lediglich ein Gebührensatz von 1,3.

cc) Die ersatzfähigen Abmahnkosten beliefen sich damit auf 1.531,90 € (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.511,90 € zuzüglich Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 €). Abzüglich der von der Beklagten bereits vorgerichtlich geleisteten Teilzahlung in Höhe von 147,56 € ist von der Beklagten noch ein Abmahnkostenbetrag in Höhe von 1.384,34 € zu ersetzen.

[...]

Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Der Klägerin steht der dem Grunde nach geltend gemachte Ersatzanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Schadensersatzansprüche

Ein Schadensersatzanspruch – sei es nach § 97 Abs. 2 UrhG, sei es aufgrund einer anderen Anspruchsgrundlage – steht der Klägerin nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch das von ihr beanstandete Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sein kann.

Die Klägerin will den Schaden nach den – für eine Schadensberechnung hier von vornherein allein und allenfalls in Betracht kommenden – Grundsätzen der Lizenzanalogie ermitteln. Bei der Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraumes vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.). Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist dabei gemäß § 287 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach der freien Überzeugung des Gerichts zu bemessen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechtes zu berücksichtigen (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.). Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören insbesondere ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen (OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die Klägerin die hier streitgegenständliche Programmversion für alle in Betracht kommenden Nutzungen unentgeltlich vertrieben hat und damit der Sache nach auf eine monetäre Verwertung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts vollständig verzichtet hat. Dieser Verzicht geht sogar so weit, dass die Klägerin nach Ziffer 4 Satz 3 der „GNU General Public License“ sogar Personen, die eine Programmkopie aufgrund eines lizenzbestimmungswidrigen Verbreitungsvorganges erhalten haben, diese Kopien (unentgeltlich) belässt. Der „objektive Wert“ der Nutzung der hier in Rede stehenden Programmversion kann vor diesem Hintergrund nur mit Null angesetzt werden (zweifelnd an der Schadensermittlung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie bei kostenlos vertriebener „Open Source“-Software auch Schneider, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl. [2017], X. IT-Verfahrensrecht, Rdnr. 158 a.E.; vgl. zum rechtsähnlichen Fall der lizenzbestimmungswidrigen Verbreitung eines unter der „Creative Commons Attribution Non Commercial 2.0“-Lizenz kostenlos zur Verfügung gestellten Lichtbildes auch OLG Köln, Urteil vom 31.10.2014 – 6 U 60/14, dort Rdnr. 98). Die Klägerin hat die streitgegenständliche Programmversion insgesamt kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass nicht ersichtlich ist, welchen wirtschaftlichen Sinn eine weitere entgeltliche Lizenzierung daneben noch haben könnte (vgl. zu dieser Erwägung auch OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2016 – 6 W 72/16). Da die Nutzung des Programms einschließlich der öffentlichen Weiterverbreitung bereits kostenlos möglich ist, liefe eine weitere kostenpflichtige Lizenz letztlich nur darauf hinaus, sich als Lizenznehmer von den – letztlich nur rein formalen – Bestimmungen der „GNU General Public License“ befreien zu lassen (vgl zu dieser Erwägung auch OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2016 – 6 W 72/16). Anhaltspunkte, die als Grundlage einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO dienen könnten, um den objektiven Wert einer solchen „Befreiung“ zu ermitteln, existieren nicht. Es bestand oder besteht für die von der Beklagten weiterverbreitete und hier streitgegenständliche Programmversion auch kein „dual licensing“-Modell. Diese Programmversion – und nur auf diese konkrete Programmversion kommt es an – wurde von der Klägerin vielmehr ausschließlich unentgeltlich unter der „GNU General Public License“ verbreitet. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die „proprietär“ und entgeltlich vertriebene Programmversion „T Enterprise Client 3.x“ verweist, ist diese mit der hier streitgegenständlichen Programmversion nicht identisch: nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin enthält die Version „T Enterprise Client 3.x“ nämlich „Fehlerbehebungen und Verbesserungen“.

b) Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung

Der Feststellungsantrag kann eine materiell-rechtliche Grundlage auch nicht in den Vorschriften der §§ 812 ff BGB finden. Die Beklagte hat durch das von der Klägerin beanstandete Verhalten nichts „erlangt“. Auf Herausgabe eines evtl. "Verletzergewinns" stützt die Klägerin ihren Anspruch nicht. Hierzu trägt sie keine Tatsachen vor."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Bochum: Anbieten von Open Source Software unter Verstoß gegen GPL - Auskunftsansprüche und Schadensersatz nach Lizenzanalogie

LG Bochum
Urteil vom 03.03.2016
I-8 O 294/15


Das LG Bochum hat wenig überraschend entschieden, dass beim Anbieten von Open Source Software unter Verstoß gegen die GPL Auskunftsansprüche und ein Anspruch auf Schadensersatz auf Grundlage der Lizenzanalogie besteht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 242 BGB, 97 UrhG einen Anspruch auf Auskunft darüber, in welchem Zeitraum seitens der Beklagten die Software „T“ zum Download angeboten wurde und wie hoch die Studierendenzahl der Beklagten in diesem Zeitraum war.

Nach § 242 BGB besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.

Zwischen den Parteien besteht aufgrund eines Schadensersatzanspruchs wegen Urheberrechtsverletzung die erforderliche Sonderverbindung (OLG München, NJW-RR 1992, 749).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG.

Eine Verletzung des Urheberrechts der Klägerin ist allein darin zu sehen, dass die Beklagte die streitgegenständliche Software ohne Lizenztext und Quellcode i.S.v. § 69 c Nr. 4 UrhG öffentlich zugänglich gemacht hat. Bei dieser Software handelt es sich um eine sog. Open-Source-Software, deren Nutzung gemäß der H kostenlos und deren Weiterentwicklung gestattet ist. Die Nutzungsberechtigung setzt jedoch die Wahrung der H voraus. Erforderlich ist danach insbesondere, dass auf die H hingewiesen, der Lizenztext der H beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht wird (Ziffern 1 und 3 der H). Die Beklagte hat unstreitig diese Bedingungen der H nicht eingehalten. Ziffer 4 der H bestimmt, dass ein Lizenzverstoß automatisch zu einem Erlöschen der Lizenzrechte führt, so dass eine unberechtigte Nutzung durch die Beklagte vorliegt.

Die Beklagte hat die Urheberrechtsverletzung auch zu vertreten, denn sie hat zumindest fahrlässig gehandelt. Die Klägerin hat die Software nur unter den Bedingungen der H veröffentlicht und hierzu ausweislich der als Anlagen K 10 eingereichten Screenshots den erforderlichen Quellcode und die Lizenzbedingungen neben dem Download des Programms auf ihrer Internetseite zur Verfügung gestellt. Die Beklagte kann diese Angaben mit ihrem substanzlosen Vorbringen dahingehend, die Klägerin selbst habe die Software ohne Quellcode und Lizenzbedingungen auf den Markt gebracht habe, nicht widerlegen.

Da die Klägerin die kostenfreie Nutzung ihrer Software nur bei Einhaltung der Bestimmungen der H erlaubt hat, steht ihr bei Nichteinhaltung dieses Regelwerks ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu, mag auch die berechtigte Nutzung kostenfrei sein. Wollte man der Rechtsauffassung der Beklagten folgten, wären die Urheber von unter den Bedingungen der H veröffentlichter Software praktisch rechtslos gestellt. Warum die Möglichkeit eines Unterlassungsanspruchs seitens der Klägerin ihren Anspruch auf Schadensersatz ausschließen soll – wie von der Beklagten vorgebracht −, erschließt sich der Kammer nicht.

2. Auch hat die Klägerin einen Anspruch auf Abmahnkosten gemäß § 97 a UrhG in Höhe von 2.126,94 Euro. Unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin erscheint die Annahme eines Gegenstandswertes von 100.000,00 Euro angemessen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

3. Überdies war festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der sich nach erteilter Auskunft ergeben wird. Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch erst nach erteilter Auskunft über die Nutzungsdauer und Anzahl der Nutzer beziffern, so dass das erforderliche Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO besteht.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet, da die Beklagte – wie dargelegt – gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG verpflichtet ist, den aus der Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

4. Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob die Ansprüche gemäß § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB nach 10 Jahren oder gemäß §§ 195, 199 BGB nach 3 Jahren verjähren. Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass sie bis zum 05.05.2015 keine Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte erlangt hatte, so dass die Klage rechtzeitig erhoben wurde.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.


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LG Leipzig: Urheberrechtsverletzung durch Verstoß gegen GPL wenn Open-Source-Software ohne vollständigen Lizenztext und ohne Quellcode angeboten wird

LG Leipzig
Beschluss vom 02.06.2015
05 O 1531/15


Das LG Leipzig hat in Einklang mit dem klaren Wortlaut der GPL entschieden, dass ein Verstoß gegen die GPL und damit eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn Open-Source-Software die unter der GPL steht ohne vollständigen Lizenztext und ohne Downloadmöglichkeit für den Quellcode angeboten wird

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die Nutzung der verfahrensgegenständlichen Software erfolgte auch rechtswidrig, nämlich entgegen der GPLv2 ohne vollständigen Lizenztext und ohne den Quellcode zum Download oder eine vollständige maschinelesbare Kopie des Quellcodes anzubieten.

Bei der Software handelt es sich um sog. Open-Source-software, deren Nutzung gemäß der General Public Licence (GPL) kostenlos und deren Weiterentwicklung gestattet ist Die Nutzungsberechtigung setzt jedoch die Wahrung der GPL voraus. Erforderlich ist danach insbesondere, dass auf die GPL hingewiesen, der Lizenztext der GPL beigefügt und der Quellcode zugänglich gemacht wird (vgl. Ziffer 1 und 3 der GPL, AS 2). Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragsgegnerin gegen die GPL verstoßen hat. Aus dem als Anlage AS 3 beigefügten Screenshot ergibt sich lediglich ein Hinweis auf die GPL. Dieser werden ausweislich der Dokumentation in Anlage AS 4 beim Download nicht mitgeliefert Ausweislich des Screenshots gemäß Anlage AS 3 bietet die Antragsgegnerin den Quellcode weder zugleich mit dem Objektcode zum Download an, noch erfolgt ein mindestens drei Jahre lang gültiges Angebot, jedem Dritten eine vollständige maschinelesbare Kopie des Quellcodes zu nicht höheren Kosten a!s denen, die durch das physikalische Zugänglichmachen des Quellcodes anfallen, zur Verfügung zu stellen.

Aufgrund dieses Verstoßes gegen den GPL ergibt sich gemäß Ziffer 4 der GPL automatisch ein Lizenzveriust (vgl. AS 2)"


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: