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Bundeskartellamt: Bußgelder gegen Stahlhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen bei Quartoblechen in Höhe von insgesamt rund 646 Mio Euro

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen Stahlhersteller wegen kartellrechtswidriger Preisabsprachen bei Quartoblechen in Höhe von insgesamt rund 646 Mio Euro verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartelamtes:

Rund 646 Mio. Euro Bußgeld gegen Stahlhersteller wegen Preisabsprachen bei Quartoblechen

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 646 Millionen Euro gegen die Ilsenburger Grobblech GmbH, die thyssenkrupp Steel Europe AG und die voestalpine Grobblech GmbH sowie drei verantwortliche Personen verhängt, weil sie sich über bestimmte Aufpreise und Zuschläge für Quartobleche in Deutschland ausgetauscht und verständigt haben. Die kartellrechtswidrige Absprache wurde von Mitte 2002 bis Juni 2016 praktiziert. Die hieran ebenfalls beteiligte Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke hat als erstes Unternehmen mit dem Bundeskartellamt kooperiert und hierfür einen vollständigen Erlass der Geldbuße erhalten.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages im Juli 2002 bis zum August 2008 haben sich Vertreter der Stahlhersteller regelmäßig im sogenannten Technikerkreis der Walzstahl-Vereinigung getroffen und haben Absprachen über die wichtigsten Aufpreise und Zuschläge für bestimmte Quartobleche in Deutschland getroffen. In den Folgejahren bis Mitte 2016 haben die Unternehmen diese Preisbestandteile weiterhin nach den einheitlichen, untereinander vereinbarten Modellen berechnet oder koordiniert voneinander abgeschrieben.“

Quartobleche sind warm gewalzte Stahl-Flacherzeugnisse. Sie kommen insbesondere in den Bereichen Stahl- und Brückenbau, Hochbau, Schiffsbau, Kessel- bzw. Druckbehälterbau, allgemeiner Maschinenbau, sowie zum Bau von Windtürmen und Pipelines und in der Offshore-Industrie zum Einsatz. Von diesem Verfahren nicht betroffen sind dabei die rost-, säure-, und hitzebeständigen Stähle, die Werkzeug- und Vergütungsstähle sowie die Stähle für Offshore-Konstruktionen nach DIN-EN 10225. Ebenfalls nicht betroffen sind walzplattierte Quartobleche.

Der Preis für die betroffenen Quartobleche setzte sich in Deutschland traditionell zusammen aus einem kundenindividuell verhandelten Basispreis und diversen Aufpreisen und Zuschlägen. Die Aufpreise wurden für die Erfüllung bestimmter Qualitätsmerkmale wie z.B. besondere Festigkeit oder Zähigkeit, aber auch für Zusatzleistungen, wie z.B. Ultraschallprüfungen, erhoben. Bei den Zuschlägen handelt es sich um die Legierungszuschläge und den Schrottzuschlag, also um Zuschläge für bestimmte Einsatzstoffe bei der Produktion einiger Quartoblechgüten. Die im Grundsatz brancheneinheitlichen Aufpreise und Zuschläge machten etwa 20-25 Prozent des Gesamtpreises für Quartobleche aus und waren bis Mitte 2016 in Preislisten der betroffenen Quartoblechhersteller enthalten und veröffentlicht.

Hintergrund der Absprachen war das gemeinsame Verständnis und Ziel der Unternehmen, mit ihren Kunden möglichst nur über die Basispreise und nicht über diese Aufpreise und Zuschläge zu verhandeln. Insgesamt hat die Bedeutung des traditionellen Preissystems im relevanten Zeitraum abgenommen.

Zum 1. Juli 2016 hat die thyssenkrupp Steel Europe AG eine neue Preisliste mit Aufpreisen und Zuschlägen herausgebracht, die von dem im Technikerkreis besprochenen Preismodell und den daraus abgeleiteten Preisen deutlich abweichen. Hierdurch endete die Geltung des im Technikerkreis besprochenen Preismodells insgesamt.

Die Unternehmen haben die vom Bundeskartellamt gegen sie jeweils erhobenen Vorwürfe eingeräumt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt. Die voestalpine Grobblech GmbH hat darüber hinaus auch während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert, was ebenfalls bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt wurde.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den gegebenenfalls das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.
Ein Fallbericht mit den Inhalten des § 53 Abs. 5 GWB wird in Kürze auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht.


Bundeskartellamt: 100 Mio EURO Bußgeld gegen BMW, Daimler und Volkswagen wegen kartellrechtswidriger Praktiken beim Stahleinkauf

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen BMW, Daimler und Volkswagen wegen kartellrechtswidriger Praktiken beim Stahleinkauf in Höhe von insgesamt rund 100 Mio Euro verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartelamtes:

Bußgelder gegen deutsche Automobilhersteller wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Stahl

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro gegen die Bayerische Motoren Werke AG, die Daimler AG und die Volkswagen AG wegen wettbewerbswidriger Praktiken beim Einkauf von Langstahl verhängt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Von 2004 bis Ende 2013 haben sich Vertreter von BMW, Daimler und Volkswagen regelmäßig zweimal im Jahr mit Stahlherstellern, Schmieden und großen Systemzulieferern getroffen und sich dabei über einheitliche Preiszuschläge beim Einkauf von Langstahl ausgetauscht. Schrott- und Legierungszuschläge machen einen wesentlichen Teil der Einkaufspreise bei Langstahl aus. Soweit in der Folge der Gespräche hierüber nicht mehr individuell mit den Lieferanten verhandelt wurde, wurde der Wettbewerb untereinander in Bezug auf diese Preisbestandteile ausgeschaltet.“

Die Automobilhersteller verbauen bei der Produktion viele Teile, die aus Langstahl gefertigt werden (z.B. Kurbelwellen, Pleuel, Nockenwellen, Zahnräder und Lenkstangen). Diese Bauteile werden bei Schmiedeunternehmen eingekauft oder von den Automobilherstellern selbst in eigenen Schmieden gefertigt. Dazu wird im Vorfeld Langstahl als Rohmaterial eingekauft.

Üblicherweise wird Langstahl von den Stahlherstellern bzw. von den Schmieden nach einem bestimmten Preismodell vertrieben. Der Preis setzt sich aus einem Basispreis und aus Schrott- und Legierungszuschlägen zusammen. Die Zuschläge, die der Höhe nach schwanken, machten beim Edelbaustahl, dem hier hauptsächlich betroffenen Typ des Langstahls, im Tatzeitraum im Schnitt rund ein Drittel des Endpreises aus. Der Anteil der Einkaufskosten für Langstahl an den Gesamtkosten eines PKW liegt bei unter einem Prozent.

Im Gegensatz zu den Basispreisen wurden die Zuschläge traditionell nicht verhandelt, sondern nach feststehenden, branchenweit einheitlichen Formeln berechnet und als gesonderte Preisbestandteile auf den Basispreis aufgeschlagen. In den Jahren 2003 und 2004 nahmen die Stahlhersteller einseitig und zum Teil unter Androhung von Lieferstopps gewisse Veränderungen bei der Zuschlagsberechnung vor. Als Reaktion darauf wurden die Gesprächsrunden zwischen Automobilherstellern und Stahlherstellern sowie Schmieden unter dem Dach des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung aufgenommen. In den Gesprächen versicherten und bestärkten die Vertreter der Automobilhersteller sich gegenseitig darin, die von den Stahlherstellern vorgenommenen Veränderungen zu übernehmen und weiterhin an der etablierten Praxis einheitlich berechneter Preiszuschläge festzuhalten. Dies taten sie jedenfalls bis Januar 2016.

Die Unternehmen haben den vom Bundeskartellamt ermittelten Sachverhalt als zutreffend anerkannt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung ebenso berücksichtigt, wie die Tatsache, dass sie während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert haben.

Gegen drei Zuliefer-Unternehmen und einen Verband wurden die Ermittlungen aus Ermessensgründen eingestellt.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet.

Ein Fallbericht mit den Inhalten des § 53 Abs. 5 GWB wird in Kürze auf der Internetseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht.

Hintergrund – sonstige Verfahren im Bereich Stahl- bzw. Automobilhersteller

- In einem anderen Verfahren führt das Bundeskartellamt Ermittlungen gegen Hersteller von Edelstahlerzeugnissen. In diesem Verfahren wurden bereits erste Bußgelder verhängt (siehe PM vom 12. Juli 2018).

- Im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Flachstahl führt das Bundeskartellamt Verfahren gegen mehrere Stahlhersteller und einen Verband wegen des Verdachts auf Preisabsprachen.

- Das vorliegende Verfahren steht in keinem Zusammenhang zu den laufenden Ermittlungen der Europäischen Kommission gegen verschiedene Automobilhersteller wegen des Verdachts auf Absprachen bei



OLG Stuttgart: Betroffene LKW-Käufer haben dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz gegen am LKW-Kartell beteiligte Verkäufer

OLG Stuttgart
Urteil vom 04.04.2019
2 U 101/18


Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass betroffene LKW-Käufer haben dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz gegen am LKW-Kartell beteiligte Verkäufer.

Pressemitteilung des Gerichts:

Oberlandesgericht Stuttgart zu Ansprüchen eines Käufers auf Schadensersatz gegen einen am LKW-Kartell beteiligten Verkäufer

Kurzbeschreibung:

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Christoph Stefani hat mit einem heute verkündeten Berufungsurteil in einem Zivilrechtsstreit zwischen dem Käufer mehrerer LKW und der Daimler AG als Verkäuferin entschieden, dass dem Käufer Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zustehen.

Die Beklagte war Mitglied eines von 1997 bis 2011 bestehenden Kartells von LKW-Herstellern, die untereinander Bruttopreislisten und Informationen über Bruttopreise austauschten. Ein von der Europäischen Kommission gegen die LKW-Hersteller geführtes Kartellverfahren endete im Juli 2016 mit einem Vergleich und der Verhängung von Bußgeldern.

Mit der Begründung, dass aufgrund des Kartells die von ihren Tochterfirmen bezahlten Kaufpreise für die im Zeitraum 1997 bis 2011 gekauften LKW kartellbedingt überhöht gewesen seien, verlangt die Klägerin Schadensersatz. Das Landgericht Stuttgart hat in einem sogenannten Grundurteil die Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Frage, in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, der Klärung im anschließenden Betragsverfahren überlassen.

Der 2. Zivilsenat hat dieses Urteil im Wesentlichen bestätigt. Der Kartellrechtsverstoß sei zwischen den Parteien unstreitig und auch durch den Beschluss der Kommission vom 19.07.2016 bindend festgestellt. Die LKW-Käufe, die Gegenstand der Klage seien, seien mit Ausnahme des zeitlich ersten Kaufs im Jahr 1997 von dem Kartellverstoß betroffen, weil nach den Feststellungen der Europäischen Kommission die ausgetauschten Bruttopreislisten die Preise aller mittelschweren und schweren LKW-Modelle sowie sämtlicher vom jeweiligen Hersteller ab Werk angebotenen Sonderausstattungen enthalten hätten. Es sei auch wahrscheinlich, dass ein Schaden entstanden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diene die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der am Kartell beteiligten Unternehmen, weshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass das Kartell gebildet und erhalten werde, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringe. Damit sei zugleich wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern der am Kartell beteiligten Firmen hierdurch ein Schaden verursacht werde. Die gegen diesen wirtschaftlichen Erfahrungssatz des Bundesgerichtshofs von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen hat der Senat nicht für durchgreifend erachtet, weil diese im Widerspruch zu den bindenden Feststellungen der Europäischen Kommission stünden. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist ab den ersten Ermittlungsmaßnahmen der Europäischen Kommission bis zum Abschluss des Verfahrens gehemmt gewesen sei.

Die Revision wurde zugelassen.

Aktenzeichen:

2 U 101/18 - Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 4. April 2019
45 O 1/17 - Landgericht Stuttgart - Urteil vom 30. April 2018

Relevante Normen:

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

§ 33 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

§ 33a Schadensersatzpflicht
(1) Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Artikel 101
(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere
a) Die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;




Bundeskartellamt: Verbotene Kundenabsprachen von acht Lesezirkel-Unternehmen - Bußgelder in Höhe von 3 Millionen

Das Bundeskartellamt hat wegen verbotener Kundenabsprachen von acht Lesezirkel-Unternehmen Bußgelder in Höhe von 3 Millionen verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts:

Bußgelder gegen acht Lesezirkel-Unternehmen wegen verbotener Kundenabsprachen

Das Bundeskartellamt hat Geldbußen in Höhe von rund drei Mio. Euro gegen acht Lesezirkel-Unternehmen verhängt. Den Unternehmen wird vorgeworfen, verbotene Absprachen über die Aufteilung von Kunden getroffen zu haben.

Bei den betroffenen Unternehmen handelt es sich um die Daheim Liefer-Service GmbH, Hamburg, ein Unternehmen der Ganske Verlagsgruppe, die Werbeagentur.Lesezirkel Brabandt LZ plus Media GmbH, Aalen, die Lesezirkel Dörsch GmbH & Co. KG, Nürnberg, die Lesezirkel Detlef Krumbeck GmbH, Pinneberg, die Lesezirkel Die Medien-Palette GmbH & Co. KG, Hamm, die Lesezirkel Media-Collection GmbH, Vellmar, die Lesezirkel „Die Hanse“ GmbH, Vellmar, sowie die Firma Hettling´s LeseZirkel.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die in Arztpraxen, Friseursalons oder Gaststätten ausliegenden Zeitschriften sind oft über Lesezirkel-Anbieter gemietet. Die Absprachen der Lesezirkel-Anbieter zielten darauf ab, das gegenseitige Abwerben solcher geschäftlicher Kunden zu vermeiden. Durch die Kundenaufteilung wurde ein Preiswettbewerb zwischen den Lesezirkel-Anbietern vermieden.“

Lesezirkel-Unternehmen erwerben verschiedene Zeitschriften von Verlagen und stellen diese zu einem Paket – der Lesemappe – zusammen, die sie im Regelfall für einen Zeitraum von einer Woche an ihre Kunden vermieten. Zum Kundenkreis der Lesezirkel-Anbieter gehören zum einen Privatpersonen und zum anderen die sogenannte „öffentliche Auslage“; bei letzterer handelt es sich zum Beispiel um das Geschäft mit Arztpraxen, Friseursalons und Gaststätten, in denen die Zeitschriften von den wartenden Patienten bzw. der Kundschaft gelesen werden können.

Nach den Feststellungen des Amtes handelte es sich jeweils um bilaterale Absprachen zwischen der Daheim Liefer-Service GmbH, die deutschlandweit tätig ist, und den übrigen, nur regional tätigen Unternehmen. Gegenstand eines jeden Kartells war die Absprache, die gegenseitige Abwerbung von Bestandskunden der öffentlichen Auslage (Arztpraxen, Friseursalons, etc.) zu vermeiden. Abgesichert wurde diese Abrede in der Regel durch die Vereinbarung, dem anderen Unternehmen einen eigenen Kunden zu überlassen, wenn es trotz der Abrede zu einer Abwerbung kam. Durch diesen Ausgleichsmechanismus wurde der wirtschaftliche Anreiz für die Abwerbung von Kunden genommen.

Mit allen genannten Unternehmen wurde eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung erzielt. Zwei Unternehmen haben bei der Aufklärung des Sachverhalts mit dem Bundeskartellamt kooperiert und dementsprechend eine Ermäßigung der Bußgelder erhalten. Die verhängten Geldbußen sind bestandskräftig.


Volltext BGH liegt vor: Hemmung der Verjährung nach § 33h Abs. 6 GWB für Schadensersatzansprüche wegen Kartellverstoß durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens auch für Altfälle

BGH
Urteil vom 12.06.2018
KZR 56/16
GWB 2005 § 33 Abs. 4, Abs. 5; BGB § 849
Grauzementkartell II


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Hemmung der Verjährung nach § 33h Abs. 6 GWB für Schadensersatzansprüche wegen Kartellverstoß durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens auch für Altfälle über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) § 33 Abs. 4 GWB 2005 findet Anwendung auch dann, wenn ein kartellbehördliches oder gerichtliches Verfahren wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle eingeleitet, jedoch erst nach deren Inkrafttreten abgeschlossen wurde.

b) Auf Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangen wurden, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 Anwendung.

c) Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen eines vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erfolgten Verstoßes gegen das Kartellverbot ist in entsprechender Anwendung von § 849 BGB für die Zeit ab Schadensentstehung mit 4 % jährlich zu verzinsen.

BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16 - OLG Karlsruhe - LG Mannheim

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




BGH: Hemmung der Verjährung nach § 33h Abs. 6 GWB für Schadensersatzansprüche wegen Kartellverstoß durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens auch für Altfälle

BGH
Urteil vom 12.06.2018
KZR 56/16
Grauzementkartell II

Der BGH hat entschieden, dass die Hemmung der Verjährung nach § 33h Abs. 6 GWB für Schadensersatzansprüche wegen Kartellverstoß durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens auch für Altfälle gilt.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellverstößen

Die Klägerin, eine Baustoffhändlerin, erhebt gegen die Beklagte, eine Zementherstellerin, Schadensersatzansprüche und macht geltend, sie habe in den Jahren 1993 bis 2002 wegen deren Beteiligung an einem Kartell überhöhte Preise für Zement zahlen müssen.

Die Beklagte hatte mit anderen Zementherstellern unter Verstoß gegen das Kartellrecht Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Gegen sie wurde deshalb 2003 ein Bußgeld festgesetzt. Der Bußgeldbescheid wurde 2013 durch eine Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs rechtskräftig (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 – KRB 20/12).

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob mögliche Schadensersatzansprüche verjährt sind. Im Juli 2005 trat eine gesetzliche Bestimmung in Kraft (§ 33 Abs. 5 GWB 2005), wonach der Lauf der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Kartellverstoßes durch die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen dieses Verstoßes gehemmt wird. Die Hemmung endet sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens. Die Frage, ob diese Norm Anwendung findet, wenn der Kartellverstoß vor ihrem Inkrafttreten erfolgte, ein dadurch begründeter Anspruch aber im Juli 2005 noch nicht verjährt war, wurde in der Fachliteratur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt. Der Antwort auf diese Frage hat nicht nur für den Streitfall Bedeutung, sondern kann auch Schadensersatzforderungen betreffen, die in der Folge der Aufdeckung anderer Kartelle (z.B. LKW, Schienen, Zucker) erhoben werden.

Während die Klage beim Landgericht – bis auf einen Teil der geforderten Zinsen – Erfolg hatte, hat das Oberlandesgericht die Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB verneint und die Ansprüche als verjährt angesehen.

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts abgeändert und der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht – hinsichtlich der Zinsansprüche allerdings nicht in beantragter Höhe – stattgegeben.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005 (jetzt § 33h Abs. 6 GWB) auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1. Juli 2005 begangen wurden, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Dies entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, wonach bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung eines Anspruchs das neue Gesetz ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf zuvor bereits entstandene, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung findet. Dieser bereits vom Reichsgericht entwickelte Grundsatz hat sowohl in Art. 169 EGBGB als auch – in jüngerer Zeit – in Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB und Art. 229 § 6 Absatz 1 Satz 1 und 2 EGBGB seinen Niederschlag gefunden. Anders würde sich die Rechtslage nur darstellen, wenn die Neufassung der Verjährungsregelung mit grundlegenden Änderungen im materiellen Recht einherginge oder wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen hätte. Beides ist hier jedoch nicht der Fall.

Vorinstanzen:

LG Mannheim – Urteil vom 30. Oktober 2015 – 7 O 34/15 (Kart.)

OLG Karlsruhe – Urteil vom 9. November 2016 – 6 U 204/15 Kart. (2)

§ 33 GWB GWB 2005 – Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht

(1) 1Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.(…)

(3) 1Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (…) 4Geldschulden nach Satz 1 hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. 5Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.

(4) 1Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Schadensersatz begehrt, ist das Gericht insoweit an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Kommission der Europäischen Gemeinschaft oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft getroffen wurde. 2Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. (…)

(5) 1Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 wird gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder die Kommission der Europäischen Gemeinschaft oder die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft wegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ein Verfahren einleitet. 2§ 204 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

Art 169 EGBGB [Verjährungsfristen]

(1) 1Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung finden auf die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs entstandenen, noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. 2Der Beginn sowie die Hemmung und Unter-brechung der Verjährung bestimmen sich jedoch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den bisherigen Gesetzen.

(…)

Art 229 § 6 EGBGB – Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001

(1) 1Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung finden auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. 2Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung.

Art 231 § 6 EGBGB – Verjährung

(1) 1Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung finden auf die am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts bestehenden und noch nicht verjähr-ten Ansprüche Anwendung. 2Der Beginn, die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung bestimmen sich jedoch für den Zeitraum vor dem Wirksamwerden des Beitritts nach den bislang für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet geltenden Rechtsvorschriften.



BGH: Bundeskartellamt durfte Handlungen im Fall der geplanten Fusion EDEKA / Kaiser's Tengelmann die gegen Vollzugsverbot verstießen untersagen

BGH
Beschluss vom 14.11.2017
KVR 57/16
EDEKA/Kaiser's Tengelmann
GWB §§ 32 Abs. 1, 41 Abs. 1 Satz 1


Der BGH hat entschieden, dass das Bundeskartellamt Handlungen im Fall der geplanten Fusion EDEKA / Kaiser's Tengelmann die gegen das Vollzugsverbot verstießen, untersagen durfte.

Leitsätze des BGH:

a) Das Bundeskartellamt ist jedenfalls mit Untersagung des Zusammenschlusses auf der Grundlage von §§ 32 Abs. 1, 41 Abs. 1 Satz 1 GWB befugt, ein Verhalten zu untersagen, das gegen das Vollzugsverbot verstieße.

b) Unter das Vollzugsverbot können auch solche Maßnahmen oder Verhaltensweisen fallen, die, ohne selbst einen Zusammenschlusstatbestand auszufüllen, im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Zusammenschluss erfolgen und geeignet sind, dessen Wirkungen zumindest teilweise vorwegzunehmen.

BGH, Beschluss vom 14. November 2017 - KVR 57/16 - OLG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Abstimmung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch von Informationen über ihr künftiges Marktverhalten begründet Vermutung für Kartellrechtsverstoß

BGH
Urteil vom 12.04.2016
KZR 31/14
Gemeinschaftsprogramme
GWB § 1


Der BGH hat entschieden, dass die Abstimmung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch von Informationen über ihr künftiges Marktverhalten die Vermutung für einen Kartellrechtsverstoß bei einem entsprechenden späteren Marktverhalten begründet.

Leitsatz des BGH:

Die Abstimmung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch von Informationen über ihr künftiges Marktverhalten hat nach der Lebenserfahrung auch ohne weiteres Zutun nachteiligen Einfluss auf den Wettbewerb. Dies begründet die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Ein in der Folge von der Abstimmung unabhängiges Marktverhalten aufgrund einer selbständig getroffenen unternehmerischen Entscheidung kann daher nur dann angenommen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür feststellbar sind.

BGH, Urteil vom 12. April 2016 - KZR 31/14 - OLG Düsseldorf - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Brauereien, Kaffee- und Süßwarenhersteller sowie Handelsunternehmen wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung im Lebensmittelhandel

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder gegen Brauereien, Kaffee- und Süßwarenhersteller sowie Handelsunternehmen wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung im Lebensmittelhandel verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Vertikale Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel – Nun auch Bußgeldverfahren in der Warengruppe Bier weitgehend

Das Bundeskartellamt hat im sog. Vertikalfall im Lebensmittelhandel weitere Kartellverfahren abgeschlossen und erneut Bußgelder gegen Handelsunternehmen in einer Gesamthöhe von 90,5 Mio. € verhängt. Im Fokus der Ermittlungen standen in diesem Teil des Gesamtverfahrens Absprachen zwischen der Brauerei Anheuser Busch InBev Germany Holding GmbH, Bremen (AB InBev), und Händlern über die Ladenpreise von Bieren, insbesondere der Marken „Beck’s“, „Franziskaner“ und „Hasseröder“.

Bußgeldbescheide wurden gegen die folgenden Unternehmen verhängt: A. Kempf Getränkegroßhandel GmbH, Offenburg, EDEKA Handelsgesellschaft Minden-Hannover mbH, Minden, EDEKA Handelsgesellschaft Rhein-Ruhr mbH, Moers, EDEKA Handelsgesellschaft Südbayern mbH, Gaimersheim, EDEKA Handelsgesellschaft Südwest mbH, Offenburg, EDEKA Nordbayern-Sachsen-Thüringen GmbH, Rottendorf, METRO AG, Düsseldorf, und NETTO Marken-Discount AG & Co. KG, Maxhütte. Gegen AB InBev und das Handelsunternehmen REWE Zentral – Aktiengesellschaft, Köln, wurden wegen frühzeitiger und umfassender Kooperation mit dem Bundeskartellamt im Rahmen der Ermittlungen keine Bußgelder verhängt.

Außerdem erging noch je ein Bußgeldbescheid im Bereich Süßwaren wegen Preisbindungen bei Haribo-Produkten gegen das Unternehmen Lidl Stiftung & Co. KG sowie im Bereich Kaffee wegen Preisbindungen bei Melitta-Produkten gegen die Dirk Rossmann GmbH (vgl. zu den Absprachen in diesen Warengruppen auch Pressemitteilung vom 18.06.2015).

Der gesamte Verfahrenskomplex, der mit Durchsuchungen im Januar 2010 seinen Anfang nahm und zu den aufwändigsten Bußgeldverfahren des Bundeskartellamtes zählte, ist damit nahezu abgeschlossen. Wegen verbotener Absprachen zwischen Herstellern und Handelsunternehmen über die Ladenpreise in den Warengruppen Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung, Bier und Körperpflegeprodukte hat das Bundeskartellamt ein vorläufiges Gesamtbußgeld in Höhe von gut 242 Mio. € verhängt. Gegen drei Unternehmen in den Bereichen Süßwaren und Bier ist das Verfahren vor dem Bundeskartellamt noch offen und wird voraussichtlich in den nächsten Monaten abgeschlossen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die betroffene Brauerei hat beim Absatz ihrer wichtigsten Biermarken mehrfach Erhöhungen der Ladenpreise mit den Händlern abgesprochen und die Einzelheiten, insbesondere die Stichtage und die Höhe der jeweiligen Preisanhebung, zwischen diesen koordiniert. Die Händler hatten die Erwartungshaltung, dass die Brauerei dafür sorgt, dass die Erhöhung gleichzeitig auch bei konkurrierenden Händlern umgesetzt wird. Leidtragende solcher systematischen Preisbindungspraktiken sind die Endverbraucher.“

Bußgeldmindernd hat sich ausgewirkt, dass die Bescheide mit Ausnahme des Bescheids gegen Rossmann im Wege der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) ergangen sind. Rossmann hat gegen den an das Unternehmen gerichteten Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden wird. Soweit in einem weiteren Fall das Bußgeld noch nicht rechtskräftig ist, kann gegen diesen Bescheid ebenfalls Einspruch eingelegt werden.


BGH: Zur Umstellung eines qualitativen selektiven Systems von Vertragswerkstätten zur einer quantitativen Selektion - Jaguar Vertragswerkstatt

BGH
Urteil vom 26.01.2016
KZR 41/14
Jaguar-Vertragswerkstatt
GWB § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 33; Verordnung EU Nr. 461/2010

Leitsätze des BGH:


a) Ob der Status einer Vertragswerkstatt eine notwendige Ressource für die Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen bei Personenkraftfahrzeugen einer bestimmten Marke darstellt, wird maßgeblich durch
die - tatrichterlich festzustellenden - Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten der Fahrzeugeigentümer bei der Inanspruchnahme solcher Leistungen bestimmt (Fortführung von BGH, Urteil vom 30. März 2011 - KZR 6/09, BGHZ 189, 94 - MAN-Vertragswerkstatt).

b) Nutzt ein Kraftfahrzeughersteller eine Umstellung seines qualitativ selektiven Systems der Vertragswerkstätten zu einer quantitativen Selektion, kann das damit verfolgte Interesse im Rahmen der Abwägung mit dem Interesse eines
bisherigen, von ihm unternehmensbedingt abhängigen Vertragspartners, auch nach der Systemumstellung weiterhin dem Netz der Vertragswerkstätten anzugehören, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 - KZR 41/14 - OLG Frankfurt am Main - LG Frankfurt am Main

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Zur Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Hersteller - Ermittlung des hypothetischen Marktpreises

OLG Frankfurt
Urteil vom 17.11.2015
11 U 73/11 (Kart)


Das OLG Frankfurt hat sich in dieser Entscheidung mit der Höhe des Schadensersatzes der Abnehmer bei kartellrechtswidrigen Preisen des Herstellers und der dafür notwendigen Ermittlung des hypothetischen Marktpreises befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Senat geht bei der Bestimmung des tatsächlich entrichteten Kartellpreises von folgenden Grundlagen aus:

Ausgangspunkt ist zugunsten der Klägerin der von ihr behauptete sog. Listen-/Rechnungspreis, welcher um alle gewährten Rabatte/Rückvergütungen zu reduzieren ist (unter (1)). Vom Kartellpreis zu eliminieren sind zudem die Frachtkosten (unter (2)) sowie der gewährte Skontoabzug (unter (3)). Da im Ergebnis keine Differenz zu Gunsten der Klägerin verbleibt, kommt es auf den Umstand, dass die Beklagte die Höhe des Durchschnittspreises bestritten und die vorgelegten Unterlagen als verspätet gerügt hat, nicht an.

(1)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der so genannte Listen-/Rechnungspreis von der Klägerin im Ergebnis nicht gezahlt wurde. Die Klägerin hat zum einen von der Abrechnungsfirma A GmbH sogenannte Rückvergütungen erhalten, die sie sich auf den Listenpreis anrechnen lässt (unter (a)). Der Listenpreis hat sich darüber hinaus jedoch durch weitere Faktoren verringert. Die Klägerin ist unstreitig in den Genuss von Gratislieferungen/Naturalrabatten gekommen; zudem haben die Baustoffhändler ihr teilweise zusätzliche Rabatte gewährt. Diese Positionen hält die Klägerin - mit Ausnahme einer Gratislieferung - im Rahmen ihrer Preisdarlegungen für nicht berücksichtigungsfähig. Wie vom Senat mehrmals im Rahmen der Hinweisbeschlüsse erwähnt (zuletzt Hinweisbeschluss 17.4.2015, Bl. 1021 der Akte), muss sich die Klägerin indes alle preisreduzierenden Faktoren, d.h. auch diese Beträge, anrechnen lassen (unter (b.)).

(a)

Hinsichtlich der so genannten Rückvergütungen legt der Senat die eigenen Angaben der Klägerin, sofern vorhanden, zu Grunde. Im Übrigen ist von einer pauschalen Rückvergütung in Höhe von 20 €/t auszugehen:

Die Rückvergütungen seitens der Abrechnungsstelle A GmbH setzten sich ausweislich des Vortrags der Klägerin sowie der zur Akte gelangten Abrechnungen jedenfalls aus monatlichen Zahlungen (Monatsrabatten) sowie Halbjahreszahlungen (Halbjahresrabatten) zusammen. Die Existenz dieser beiden Rabatt-Arten belegen auch die zur Akte gelangten Preisblätter der Beklagten (Bl. 208-210).

Die eigenen Berechnungen der Klägerin für die Jahre 2000-2001 berücksichtigen ausweislich Anlage K 116 für das Jahr 2000 eine durchschnittliche Rückvergütung in Höhe von 20,4 €/t und für das Jahr 2001 in Höhe von 23,11 €/t. Angaben für das Jahr 1999 fehlen. Der Senat hat insoweit bereits im Rahmen des Hinweisbeschlusses vom 24.4.2012 im Einzelnen ausgeführt, dass sich die Klägerin jedenfalls einen Rabatt in Höhe von pauschal 20 €/t anrechnen lassen muss. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die hier aufzuarbeitenden Vorgänge erhebliche Zeit zurückliegen und das Preissystem der Beklagten für die Klägerin nur aufwändig zu erfassen war. Der im Zivilprozess geltenden Darlegungs- und Beweislast entsprechend gehen jedoch insoweit verbleibende Unsicherheiten zulasten der Klägerin - wie vom Senat im Rahmen der Hinweisbeschlüsse auch im Einzelnen ausgeführt -, so dass in Ermangelung anderweitiger konkreter Angaben für das Jahr 1999 ein pauschaler Abzug von 20 €/t vorzunehmen ist.

Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den eigenen Angaben der Klägerin ergebe sich, dass teilweise sehr viel höhere Rückvergütungen gewährt worden seien, die bis zu 35 €/t betragen hätten, überzeugt dies nicht. Richtig ist zwar, dass sich aus den eigenen Angaben der Klägerin für das Jahr 2002 Rückvergütungen in einer Größenordnung von bis zu 35 €/t ausweislich Anlage K 116 ergeben. Diese sind jedoch für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht maßgeblich.

(b)

Über diesen Abzug hinaus sind alle weiteren preisreduzierenden Faktoren zu berücksichtigen - worauf die Klägerin mehrfach hingewiesen wurde (Hinweisbeschluss vom 24.4.2012, Bl. 689 der Akte, 17.4.2014, Bl. 1022 der Akte).

Dies bezieht sich zum einen auf die so genannten Baustoffhändlerrabatte, welche in der ganz rechten Spalte des Zementbuchs erwähnt werden:

Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach hat sie - auch bei einer Abwicklung der Käufe über Baustoffhändler/Spediteure - im Ergebnis die Preise gezahlt, die die Beklagte mit ihr ausgehandelt hatte.

Im Rahmen der Ermittlung des tatsächlich entrichteten Preises kommt es nicht auf die formalen Vertragsbeziehungen an, sondern darauf, ob dieser, unmittelbar von der Kartellantin festgesetzte Preis gezahlt wurde. Insoweit führt die Klägerin selbst durchgehend aus, keinerlei eigenständige Preisverhandlungen mit den Baustoffhändlern geführt zu haben (Bl. 914 d.A.). Diese hätten als Empfangsvertreter gehandelt und seien in die "Absatzstruktur" der Beklagten eingebunden worden (Bl. 1283 d.A.). Preisabsprachen hätten allein zwischen ihr und der Beklagten bestanden (Bl. 1296 d.A.) - mit Schreiben vom 8.12.2004 hat sie zudem eine Aufstellung von Gesprächsterminen zwischen der Beklagten und ihr in ihrem Hause erstellt (Bl. 113 der Akte). Wiederholt hat die Klägerin betont, immer unmittelbar mit Mitarbeitern der Beklagten und nicht mit den "pro forma" - so ihr Vortrag - zwischengeschalteten Baustoffhändlern verhandelt zu haben (Bl. 392 der Akte).

Die weiteren zur Akte gelangten Unterlagen sprechen ebenfalls für direkte Einwirkungen der Beklagten auf die von der Klägerin zu entrichtenden Endpreise: Die Beklagte selbst hat Unterlagen eingereicht, die unstreitig von ihr stammen und Preiskalkulationen konkret und individuell für die Klägerin ausweisen (Bl. 208-210). Unstreitig hat die Beklagte zudem die Klägerin unmittelbar über Veränderungen des Preises in Kenntnis gesetzt - entweder durch allgemein an ihre "Geschäftsfreunde" adressierte Briefe oder aber konkret an die Klägerin adressierte Schreiben (Bl. 17, 121, 123, 126, 875 der Akte). Nicht zuletzt spricht die eigene Formulierung der Beklagten (Bl. 900 d.A.), in welcher von Liefermengen der Beklagten an die Klägerin die Rede ist, dafür, dass jedenfalls faktische unmittelbare Beziehungen zwischen den Parteien bestanden.

Ausgehend hiervon wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, im Einzelnen näher darzustellen, dass die sog. Baustoffhändlerrabatte gänzlich unabhängig von dem Preissystem der Beklagten gewährt wurden. Dies ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Die Klägerin selbst verweist darauf, dass die Baustoffhändler bewusst und gesteuert von der Beklagten zwischengeschaltet worden seien. Soweit diese die Abnahme bestimmter Mengen mit weiteren Rabatten honoriert haben, ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorgang nicht mehr im Zusammenhang mit dem von der Klägerin betonten Gesamtkonzept der allein zur Beklagten bestehenden Preisabsprachen steht.

Unstreitig hat die Klägerin zum anderen Gratislieferungen erhalten, die sich bei der Preisgestaltung wie ein Naturalrabatt auswirken. So ergibt sich etwa aus den Anlagen B 7 bis B 9 (Blatt 211- 213), dass in unregelmäßigen Abständen Naturalrabatte bzw. Gratislieferungen unmittelbar an die Klägerin erfolgten. Die Preisblätter der Beklagten enthalten ebenfalls im Rahmen der tabellarischen Auflistung eine gesonderte Spalte für so genannte Naturalrabatte (Bl. 208 bis 210 d. Akte).

Da die Klägerin keine weitere schriftsätzliche Aufbereitung dieser zusätzlichen Rabatte vorgenommen hat, ist deren durchschnittliche Höhe gem. § 287 ZPO zu schätzen:

Hinsichtlich der Baustoffhändlerrabatte kommt als Grundlage der Schätzung allein das sog. Zementbuch in Betracht, dessen rechte Spalte allerdings nicht durchgehend lesbar erscheint. In den Jahren 1999-2001 wurden ihr demnach Beträge zwischen 6,90 und 9,40 DM/t, d.h. 4,70 €/t gutgeschrieben. Die Menge der rabattierten Lieferungen liegt nach stichprobenartiger Prüfung weit unter zehn Prozent des Jahresbezugs.

Konkrete Angaben der Klägerin zum Umfang der Gratislieferungen fehlen ebenfalls. Lediglich die durch Anlage B 9 (Bl. 213) belegte Gratislieferung über 28.38 t vom 24.8.2001 findet im Rahmen der Aufstellung Anlage K 116 Berücksichtigung. Aus Anlage B 8 folgt, dass im Jahr 1992 bereits für einen Zeitraum von drei Monaten (Oktober bis Dezember 1992) eine Gratislieferung gewährt wurde. Die Rechnung Nr. 1485 aus dem Jahr 2000 enthält ebenfalls eine Gratislieferung (Anlagenordner Schriftsatz 12.6.2012).

Berücksichtigt man, dass die Anlage B 9 vom Sommer 2001 stammt, erscheint jedenfalls die Annahme, dass die Klägerin zwei Gratislieferungen a ca. 29 t pro Jahr, d.h. 58 t p.a., erhalten hat, angemessen. Ausgehend von den für das Jahr 1999 und 2000 unstreitig gestellten Bezugsmengen in Höhe von rund 1.163 t erhielt die Klägerin durch die Gratislieferungen im Ergebnis einen Naturalrabatt Höhe von 5% des Gesamtbezugs.

Der Senat geht auf dieser Basis davon aus, dass zur Berücksichtigung dieser weiteren Rabatte überschlägig ein weiterer Abzug von 0,5 €/t angemessen, aber auch ausreichend ist."



Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Volltext BGH-Entscheidung zur kartellrechtlichen Zulässigkeit des zentralen Mandats der Vereinigung der Presse-Grossisten liegt vor

BGH
Urteil vom 06.10.2015
KZR 17/14
Zentrales Verhandlungsmandat
GWB § 30 Abs. 2a; AEUV Art. 106 Abs. 2


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Zentrales Mandat der Vereinigung der Presse-Grossisten für Verhandlungen mit den Verlagen über die Grosso-Konditionen verstößt nicht gegen Kartellrecht" über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) § 30 Abs. 2a GWB ist mit Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinbar.

b) Der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften ist eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Unionsrechts.

c) Der Gesetzgeber hat die Presseverlage und Presse-Grossisten sowie ihre Vereinigungen damit betraut, den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel sicherzustellen und damit unabhängig von den Kosten jede Zeitungs- und
Zeitschriftenverkaufsstelle zu beliefern, die darum nachsucht.

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2015 - KZR 17/14 - OLG Düsseldorf - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

Bundeskartellamt: Bußgeld vom 130.000 EURO gegen LEGO wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung bei Highlightartikeln

Das Bundeskartellamt hat gegen die LEGO GmbH wegen unzulässiger vertikaler Preisbindung bei Highlightartikeln ein Bußgeld von 130.000 EURO verhängt.

Die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes:

Bundeskartellamt sanktioniert vertikale Preisbindung bei LEGO

Das Bundeskartellamt hat ein Bußgeld in Höhe von 130.000 Euro gegen die LEGO GmbH wegen vertikaler Preisbindung beim Vertrieb von sog. „Highlightartikeln“ verhängt. Betroffen waren Händler in der Region Nord- und Ostdeutschland in den Jahren 2012 und 2013, die von Vertriebsmitarbeitern der LEGO GmbH zur Anhebung der Endverkaufspreise gegenüber den Kunden gedrängt wurden.

Die betroffenen Artikel sowie gezielt ausgewählte Händler wurden in regelmäßig aktualisierten Listen festgehalten. Zum Teil wurden den Händlern bei Unterschreitung der in den Listen festgeschriebenen Endverkaufspreise die Verknappung von Liefermengen bis hin zur Nicht-Belieferung angedroht. Teils wurde auch die Höhe des Preisnachlasses auf den Händlereinkaufspreis bei der LEGO GmbH mit der Einhaltung der Listenendverkaufspreise verknüpft.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „LEGO hat nach Einleitung des Verfahrens umfangreiche interne Ermittlungen durchgeführt und von Anfang an selbst maßgeblich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen. Es wurden auch entsprechende organisatorische und personelle Konsequenzen gezogen. Bei der Bußgeldfestsetzung wurde diese Kooperation und die einvernehmliche Verfahrensbeendigung, ein sog. Settlement, umfassend berücksichtigt.“

Das verhängte Bußgeld ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Bescheid kann Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet.



BGH: Zentrales Mandat der Vereinigung der Presse-Grossisten für Verhandlungen mit den Verlagen über die Grosso-Konditionen verstößt nicht gegen Kartellrecht

BGH
Urteil vom 06.10.2015
KZR 17/14


Der BGH hat entschieden, dass das zentrale Mandat der Vereinigung der Presse-Grossisten für Verhandlungen mit den Verlagen über die Grosso-Konditionen nicht gegen Kartellrecht verstößt.

Die Pressemitteilung des BGH:

"Bundesgerichtshof bestätigt Zentralverhandlungsmandat des Presse-Grosso

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass das zentrale Mandat der Vereinigung der Presse-Grossisten für Verhandlungen mit den Verlagen über die Grosso-Konditionen nicht gegen Kartellrecht verstößt.

Die Klägerin ist die Vertriebsgesellschaft der Bauer Media Group, einem der größten deutschen Verlagshäuser. Der Beklagte ist ein Branchenverband, dem alle verlagsunabhängigen Presse-Grossisten angehören. In Deutschland werden nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, die über den stationären Einzelhandel mit Ausnahme der Bahnhofsbuchhandlungen verkauft werden, im Großhandel von verlagsunabhängigen Grossisten oder Grossisten mit unterschiedlicher Verlagsbeteiligung vertrieben. Grundsätzlich versorgt jeweils nur ein Grossist ein bestimmtes Gebiet mit den Publikationen sämtlicher Verlage. Lediglich in vier Gebieten besteht ein sog. Doppelgrosso. Die Grossisten kaufen die Zeitungen und Zeitschriften von den Verlagen und verkaufen sie zu gebundenen Preisen an die Einzelhändler in ihrem Gebiet. Die Vergütung der Grossisten richtet sich nach den Handelsspannen, die zwischen ihnen und den Verlagen jeweils für mehrere Jahre vereinbart werden. Für die verlagsunabhängigen und regelmäßig auch für die verlagsverbundenen Grossisten werden diese Verhandlungen zentral vom Beklagten geführt. Infolgedessen galten bisher zwischen den Verlagen und den Grossisten einheitliche Preise und Konditionen. Die Klägerin möchte nunmehr die Vertragskonditionen individuell mit den einzelnen Grossisten aushandeln, wozu diese jedoch nicht bereit sind. Die Klägerin will dem Beklagten deshalb verbieten lassen, für Presse-Grossisten in Deutschland einheitliche Grosso-Konditionen mit den Verlagen zu verhandeln, zu vereinbaren oder Presse-Grossisten aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit der Klägerin über Grosso-Konditionen zu verweigern.

Die Vorinstanzen haben das zentrale Verhandlungsmandat als unzulässige Kartellabsprache angesehen und der Klage, gestützt auf das unionsrechtliche Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV), stattgegeben.

Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Ansprüche der Klägerin scheiden jedenfalls deshalb aus, weil Art. 101 Abs. 1 AEUV auf das zentrale Verhandlungsmandat des Beklagten nach Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. § 30 Abs. 2a GWB nicht anwendbar ist.

Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ist eine Anwendung des EU-Kartellrechts ausgeschlossen, wenn Unternehmen mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind und die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern würde. Die dem Beklagten angehörenden Presse-Grossisten werden durch § 30 Abs. 2a GWB mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, nämlich dem flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften betraut. Dass die Presse-Grossisten lediglich betraut werden, "soweit" sie eine der in § 30 Abs. 2a GWB genannten Branchenvereinbarungen abschließen, steht der Wirksamkeit des Betrauungsaktes nicht entgegen. Damit wird keine Bedingung formuliert, deren Eintritt ungewiss ist. Vielmehr ist der Gesetzgeber bewusst von den bestehenden Marktverhältnissen ausgegangen, die durch die seit Jahrzehnten bestehenden Branchenvereinbarungen geprägt sind. Diese gewährleisten einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb.

Die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union auf das zentrale Verhandlungsmandat des Beklagten würde die Erfüllung der den Presse-Grossisten übertragenen Aufgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV verhindern. Dafür reicht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU aus, wenn die Geltung der Wettbewerbsvorschriften die Erfüllung dieser Aufgaben gefährdet. Für diese Beurteilung ist eine komplexe Prognose dazu erforderlich, wie sich die Marktverhältnisse bei Anwendung der Wettbewerbsregeln entwickeln würden. Gibt es – wie hier – keine Gemeinschaftsregelung und bestehen große Prognoseunsicherheiten, steht dem nationalen Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Entsprechend ist der gerichtliche Prüfungsumfang beschränkt.

Danach ist die Einschätzung des Gesetzgebers, der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften werde bei Anwendung der Wettbewerbsregeln auf das zentrale Verhandlungsmandat gefährdet, unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das zentrale Verhandlungsmandat ist, wie die Vergangenheit zeigt, geeignet, einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb zu gewährleisten. Die Prognose des Gesetzgebers, dass es auch in Zukunft erforderlich ist, um diese Ziele zu sichern, ist plausibel. Es liegt nicht fern, dass bei einem Wegfall des zentralen Verhandlungsmandats große Verlage und Verlage mit auflagenstarken Titeln aufgrund ihrer Marktstärke sowie der großen Auflagen, deren Vertrieb sie nachfragen, bessere Preise und Konditionen durchsetzen können, so dass die Vertriebskosten für kleinere Verlage steigen werden. Es ist weiter plausibel, dass nach einem Aufbrechen der Gebietsmonopole mittels individueller Verhandlungen insgesamt höhere Vertriebskosten für den Pressevertrieb anfallen werden. In der Folge könnten sich für kleinere Verlage und unrentable Verkaufspunkte, vor allem in ländlichen Gebieten, schlechtere Vertriebskonditionen ergeben, so dass der Vertrieb von Nischenprodukten oder die Belieferung unrentabler Verkaufspunkte längerfristig gefährdet wird. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung einer pluralistischen und möglichst umfassend vertriebenen Presse ist die der Ausnahmevorschrift des § 30 Abs. 2a GWB zugrunde liegende Beurteilung des Gesetzgebers daher nicht zu beanstanden.

LG Köln – Urteil vom 14. Februar 2012 – 88 O (Kart) 17/11

OLG Düsseldorf - Urteil vom 26. Februar 2014 – VI-U (Kart) 7/12

Karlsruhe, den 6. Oktober 2015

Art. 101 AEUV Kartellverbot

(1)Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere

(a)die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

(b)…

(…)

Art. 106 AEUV Öffentliche Unternehmen; Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

(…)

(2)Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.

(…)

§ 30 GWB Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften

(…)

(2a)§ 1 gilt nicht für Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Unternehmen, die nach Absatz 1 Preise für Zeitungen oder Zeitschriften binden (Presseverlage), einerseits und Vereinigungen von deren Abnehmern, die im Preis gebundene Zeitungen und Zeitschriften mit Remissionsrecht beziehen und mit Remissionsrecht an Letztveräußerer verkaufen (Presse-Grossisten), andererseits für die von diesen Vereinigungen jeweils vertretenen Unternehmen, soweit in diesen Branchenvereinbarungen der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse-Grossisten, insbesondere dessen Voraussetzungen und dessen Vergütungen sowie die dadurch abgegoltenen Leistungen geregelt sind. Insoweit sind die in Satz 1 genannten Vereinigungen und die von ihnen jeweils vertretenen Presseverlage und Presse-Grossisten zur Sicherstellung eines flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertriebs von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel im Sinne von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut. … /em>


Bundeskartellamt: Kartellrechtswidrige Großkunden-Verträge der Deutschen Post AG - Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung im Bereich Briefdienstleistungen

Bundeskartellamt
Beschluss vom 02.07.2015
B 9 – 128/12


Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass diverse Großkunden-Verträge der Deutschen Post AG kartellrechtswidrig sind.

Aus dem Fallbericht des Bundeskartellamtes:

"Das Bundeskartellamt hat in einem Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Post AG (DPAG) festgestellt, dass die DPAG in der Vergangenheit ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich Briefdienstleistungen missbräuchlich ausgenutzt und dadurch Wettbewerber behindert hat. In der Entscheidung wurden zwei gesonderte Missbrauchstatbestände festgestellt: in vier Fällen eine sog. Preis-Kosten-Schere, in drei Fällen wurden die eingeräumten Konditionen zusätzlich davon abhängig gemacht, dass die Kunden einen hohen Prozentsatz ihres Bedarfes an Postdienstleistungen bei der DPAG decken. "

Den vollständigen Fallbericht finden Sie hier: