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OLG Nürnberg: Einmaliges Fordern einer überhöhten Vertragsstrafe führt nicht zum Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG

OLG Nürnberg
Urteil vom 18.07.2023
3 U 1092/23


Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das einmalige Fordern einer überhöhten Vertragsstrafe nicht zum Rechtsmissbrauch nach § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG führt.

Aus den Entscheidungsgründen:
b) Es liegt auch keine Vereinbarung oder Forderung überhöhter Vertragsstrafen i.S.v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG vor.

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung lag ein starkes Indiz für einen Missbrauch im Sinne einer im Vordergrund stehenden Einnahmeerzielungsabsicht vor, wenn der Abmahnende systematisch überhöhte Vertragsstrafen verlangt (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH, GRUR 2016, 961 Rn. 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon). Das Regelbeispiel übernimmt die Forderung nach „systematisch“ überhöhten Vertragsstrafen zwar nicht. Nach dem Wortlaut müssen aber (mehrere) „offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen“ vereinbart oder gefordert werden. Es bleibt also unter Geltung des neuen § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG dabei, dass eine einzige offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe einen Missbrauch nicht indiziert (Goldmann, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 8c Rn. 192).

Durch den in § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG verwendeten Begriff „offensichtlich“ soll verdeutlicht werden, dass nur eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fälle erfasst werden sollen und nicht Konstellationen, in denen dem Abmahnenden bloße Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind oder seine Forderung sich aus der Sicht e. noch im üblichen Rahmen hielt (Beschlussempfehlung, BT-Drs. 19/22238, S. 17).

bb) Im vorliegenden Fall fügte die Verfügungsklägerin der Abmahnung zum einen eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei, durch welche sich die Verfügungsbeklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zum einen unter Ausschluss der Einrede der natürlichen Handlungseinheit verpflichtete. Bei Vorliegen von natürlicher Handlungseinheit werden mehrere Verhaltensweisen zusammengefasst, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (BGH, GRUR 2009, 427 Rn. 13 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel).

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam, falls nicht besondere Umstände vorliegen, die die Unangemessenheit der Benachteiligung ausschließen (Bornkamm/Feddersen a.a.O. § 13a Rn. 27). Dagegen können die Parteien in einer Individualabrede vereinbaren, dass eine Zusammenfassung mehrerer oder aller Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder einer Handlung im Rechtssinne nicht erfolgen soll (BGH, GRUR 2009, 181 Rn. 39 – Kinderwärmekissen).

Vor diesem Hintergrund kann das Begehren der Verfügungsklägerin in der Abmahnung, dass die Verfügungsbeklagte auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit verzichten solle, nicht ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit darstellen. Zwar mag dieses Ansinnen dazu führen, dass die Verfügungsbeklagte eine derartige Vertragsstrafe gemäß § 13a Abs. 4 UWG nicht schulden würde. Die Schwelle zur Offensichtlichkeit einer überhöhten Vertragsstrafe ist hingegen nicht überschritten, da eine Individualvereinbarung, wonach mehrere Verstöße nicht zu einer Einheit zusammengefasst werden sollen, nicht per se unzulässig ist, zumal es nach der neueren Rechtsprechung für sich allein nicht ausreicht, wenn der Abmahnende einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs fordert (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 15 – Falsche Suchrubrik; a.A. BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang).

cc) Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin im Streitfall gefordert, dass im Fall von Dauerhandlungen, etwa durch eine Zuwiderhandlung im Internet, jede angefangene Woche der Zuwiderhandlung als einzelner Verstoß gilt.

(1) Für Rechtsmissbräuchlichkeit spricht, dass diese Forderung über den Verzicht auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit deutlich hinaus geht und einen erheblichen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken des Vertragsstrafenrechts darstellt. Denn in der Regel ist eine einheitliche Handlung anzunehmen, wenn dem Schuldner eine Handlung vorgeworfen wird, wie etwa das Einstellen einer Werbung in das Internet (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 224 Rn. 78 – Arzneimittelfamilie). Durch die ausdrückliche Vereinbarung, dass Dauerhandlungen als ein Verstoß pro Woche anzusehen sein sollen, kann ein potenziell mit leichter Fahrlässigkeit begangener Verstoß – z B. wegen einer versehentlich nicht gelöschten Werbeaussage – als eine Vielzahl von Verstößen mit einer Aufsummierung zu erheblichen Vertragsstrafen geahndet werden.

(2) Gegen Rechtsmissbrauch spricht hingegen, dass nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UWG bei der Festlegung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe die Art und das Ausmaß der Zuwiderhandlung maßgeblich sein sollen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Dauer der Verletzungshandlung, weshalb bei einer längeren Zuwiderhandlung im Internet die Vertragsstrafe höher angesetzt werden kann als bei nur kurzen Verstößen von lediglich einer Woche.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei der vorliegenden Vertragsstrafenvereinbarung gemäß § 315 Abs. 1 BGB der Verfügungsklägerin für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach ihrem billigen Ermessen überlassen bleiben sollte („Hamburger Brauch”) und nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eine gerichtliche Überprüfung der von der Verfügungsklägerin vorgenommenen Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe in der Vereinbarung vorgesehen war (vgl. BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 30 – Testfundstelle). Ihre Festsetzung muss daher insgesamt billigem Ermessen entsprechen (§ 315, § 316 BGB). Ist das nicht der Fall, ist die Festsetzung nicht verbindlich und unterliegt dann der gerichtlichen Bestimmung (§ 315 Abs. 3, § 319 BGB). Diese Art der Vertragsstrafenbestimmung kompensiert in einem gewissen Umfang die willkürliche Aufspaltung von Dauerverstößen pro Woche.

(3) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Aufspaltung einer Dauerhandlung in einzelne Zuwiderhandlungen pro Wocheneinheit den Rechtsmissbrauch indizieren kann. Denn der Verfügungsklägerin kann vorliegend allenfalls ein Fall der Forderung einer überhöhten Vertragsstrafe vorgeworfen werden kann. Und eine einzige (offensichtlich) überhöhte Vertragsstrafe ist kein Indiz für einen Missbrauch i.S.v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG.


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BGH: Erneute Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet Wiederholungsgefahr - erneutes Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch" genügt

BGH
Urteil vom 01.12.2022
I ZR 144/21
Wegfall der Wiederholungsgefahr III
Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 9, 17 Abs. 1, Art. 130 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass eine erneute Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung erneut die Wiederholungsgefahr begründet, die durch eine weitere strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann. Dabei genügt eon erneutes Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch".

Leitsätze des BGH:
a) Eine neue Markenrechtsverletzung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung begründet regelmäßig erneut die Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden kann. Einem Vertragsstrafeversprechen nach "Hamburger Brauch" wohnt eine solche höhere Strafbewehrung bereits inne. Es entfaltet mit der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe auch in zuvor nicht absehbarer Höhe festzusetzen, im Wiederholungsfall dem Schuldner gegenüber die notwendige Abschreckungswirkung, zumal der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen ist.

b) Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr genügt grundsätzlich der Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Dafür ist erforderlich, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung bis zu ihrer Annahme oder Ablehnung durch den Gläubiger bindend ist, damit dieser sie jederzeit annehmen und so die Vertragsstrafeverpflichtung begründen kann. Nur dann ist die erforderliche Abschreckungswirkung gegeben, die den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon mit Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung rechtfertigt.

c) Lehnt der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ab, scheitert der Abschluss des Unterlassungsvertrags und es fehlt ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung (Aufgabe von BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - I ZR 285/88,
GRUR 1990, 1051 [juris Rn. 16] = WRP 1991, 27 - Vertragsstrafe ohne Obergrenze).

BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 - I ZR 144/21 - OLG Braunschweig - LG Braunschweig

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BGH: Verjährungsfrist für Anspruch auf Vertragsstrafe aus Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch beginnt nicht vor Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe durch Unterlassungsgläubiger

BGH
Urteil vom 27.10.2022
I ZR 141/21
Vertragsstrafenverjährung
BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1, § 315 Abs. 1 und 2, § 339 Satz 2


Der BGH hat entschieden, dass die Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch nicht vor Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe durch den Unterlassungsgläubiger beginnt.

Leitsatz des BGH:
Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist.

BGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - I ZR 141/21 - LG Köln - AG Köln

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LG Frankfurt: Fliegender Gerichtsstand gilt auch für Vertragsstrafen aus Unterlassungserklärungen wegen Wettbewerbsverstößen

LG Frankfurt
Urteil vom 10.02.2016
2-06 O 344/15


Das LG Frankfurt hat entschieden, dass der Grundsatz des fliegenden Gerichtsstands auch für die Geltendmachung von Vertragsstrafen aus Unterlassungserklärungen wegen Wettbewerbsverstößen gilt. Diese Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung umstritten und noch nicht abschließend vom BGH entschieden.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Landgericht Frankfurt a.M. örtlich zuständig. Aus Kammersicht ist eine Klage auf Zahlung einer in einem Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrag wegen eines dem Schuldner zur Last gelegten Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) übernommenen Vertragsstrafe eine Klage "auf Grund dieses Gesetzes" i.S.d. § 14 UWG. Mit Blick darauf, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Verstoß über das Internet begangen hat, besteht auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 UWG auch für den Gerichtsbezirk Frankfurt a.M. eine örtliche Zuständigkeit.

1. Die Frage, inwiefern §§ 13 und/oder 14 UWG auch bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe gelten, die aus einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung resultiert, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings streitig und höchstrichterlich nicht geklärt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher offen lassen können (vgl. zuletzt BGH (B.v. 26.08.2014 - X ARZ 275/14), juris, Leitsatz 3. i.V.m. Rn. 10; BGH (U.v. 15.12.2011 - I ZR 174/10) -Bauheizgerät, juris, Rn. 22 ff. m.w.N. zum Streitstand; siehe auch die Übersicht bei OLG Schleswig-Holstein (U.v. 09.04.2015 - 6 U 57/13) - Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 19, LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 -20 46/15 - Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, Leitsatz i.V.m. Rn. 6 ff.).

a) Die Vorschriften der §§ 13, 14 UWG lauten (Hervorh. durch das Gericht):

§ 13 Sachliche Zuständigkeit

(1) Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, sind die Landgerichte ausschließlich zuständig. Es gilt § 95 Absatz 1 Nummer 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen zu bestimmen, wenn dies der Rechtspflege in Wettbewerbsstreitsachen, insbesondere der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, dienlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

§ 14 Örtliche Zuständigkeit

(1) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Hat der Beklagte auch keinen Wohnsitz, so ist sein inländischer Aufenthaltsort maßgeblich.

(2) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Satz 1 gilt für Klagen, die von den nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten erhoben werden, nur dann, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.

b) Die Befürworter der wohl nach wie vor mehrheitlichen Ansicht gehen unter Hinweis auf den Wortlaut der §§ 13, 14 UWG davon aus, dass Vertragsstrafenansprüche aus Unterlassungsverpflichtungsverträgen von vorgenannten Normen - jedenfalls von § 14 UWG - nicht erfasst seien (vgl. z.B. OLG Köln (Vorlagebeschluss v. 05.06.2014 - 8 AR 68/14), juris, Rn. 5; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 13 UWG Rn. 11, 19; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 14 Rn. 4). Zur Begründung führen sie an, eine Vertragsstrafenforderung werde nicht auf Grund des UWG, sondern aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung geltend gemacht, die - in Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses/-versprechens - gerade an die Stelle des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs getreten sei (vgl. z.B. OLG Rostock (B.v. 15.01.2014 - 2 AR 1/13) - Vertragsstrafe, juris, Leitsatz 2 i.V.m. Rn. 7 ff (9 f.) m.w.N.; OLG Rostock (B.v. 07.12.2004 - 2 UH 4/04), GRUR-RR 2005, 176M Rieble in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 339 Rn. 543).

Eine Subsumtion von Vertragsstrafenforderungen unter o.a. Normen sei nicht geboten, weil es bei Vertragsstrafenklagen nicht um die Feststellung eines UWG-Verstoßes, sondern allgemeine Fragen des Vertragsrechts, insbesondere um die Auslegung der Vereinbarung, gehe (OLG Rostock - Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 12).

Soweit eine Anwendung von § 13 UWG auf Vertragsstrafenansprüche - mit Blick auf das Ergebnis und die Triftigkeit der gegnerischen Begründung - partiell auch von den Vertretern dieser Meinung für wünschenswert gehalten wird, wird sie (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, wegen der identischen Formulierung ("auf Grund dieses Gesetzes") in §§ 13, 14 UWG müsste ansonsten auch § 14 UWG anwendbar sein, was mangels eines übertragbaren Rechtsgrundes unhaltbar sei (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kapitel 45 Rn. 5 f.).

c) Anderer Ansicht zufolge lassen sich Vertragsstrafenforderungen (jedenfalls) als "Anspruch auf Grund dieses Gesetzes" i.S.d. § 13 Abs. 1 UWG verstehen, zumal die Vertragsstrafe in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zumindest Erwähnung gefunden habe (vgl. z.B. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (U.v. 09.04.2015 - 6 U 57/13) -Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 17 ff.; Thüringer Oberlandesgericht (U.v. 01.09.2010 - 2 U 330/10) - Vertragsstrafeforderung, Leitsatz i.V.m. Rn. 7 ff.; LG Mannheim (U.v. 28.04.2015 -20 46/15) - Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 10 ff. (17); Schmitt-Gaedke/Arz, WRP2015, 1196, 1201 Rn. 42; Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 13 Rn. 2; Goldbeck, WRP 2ßß6, 37, 39 ff.). Das in der Gesetzesbegründung zu § 13 UWG zum Ausdruck gekommen Ziel des Gesetzgebers, die Amtsrichter mit einer streitwertunabhängigen, ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte (bzw. Kammern für Handelssachen), bei denen streitwertbedingt die Mehrzahl der UWG-Sachen anfalle und bei denen der Sachverstand und das Erfahrungswissen versammelt seien, von dem mit einzelnen UWG-Sachen - insbesondere "kleinen Wettbewerbsverfahren", bei denen es "nur" um den Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich der Abmahnkosten gehe -verbundenen "unverhältnismäßigen" Einarbeitungsaufwand zu entlasten (vgl. BT-Drucksache 15/1487, S. 36 zu § 13 UWG), gebiete eine sich auf Vertragsstrafenforderungen erstreckende Gesetzesauslegung.

Hierdurch würde zudem der vom Gesetzgeber gewünschte inhaltlichen Gleichklang mit §§ 140 Abs. 1 MarkenG, 27 Abs. 1 GebrMG, 143 Abs. 1 PatG, 15 Abs. 1 GeschmG (jetzt DesignG) und 6 Abs. 1 UKIaG erreicht (vgl. insofern BT-Drucksache 15/1487, a.a.O.; Thüringer Oberlandesgericht - Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 10; Goldbeck, WRP 2ßß6, 37, 39 f.).

d) Die Kammer schließt sich (auch) für den Anwendungsbereich des § 14 UWG der letztgenannten Ansicht an (tendenziell ebenso LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 -2 O 46/15) - Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 23 ff.).

aa) Die Vorschriften der §§ 13, 14 UWG sind wegen ihrer gleichlautenden Formulierung "auf Grund dieses Gesetzes" einheitlich auszulegen (ebenso z.B. LG Mannheim (B.v. 28.04.2015 -20 46/15) - Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, juris, Rn. 23; Thüringer Oberlandesgericht - Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 13; Teplitzky, a.a.O., Rn. 5; Schmitt-Gaedke/Arz, WRP2015, 1196, 1201 Rn. 42; vgl. auch Deichfuß (X. Zivilsenat), jurisPR-WettbE 3/2011 Anm. 3).

Eine differenzierte Auslegung beider Vorschriften ist zunächst einmal nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber mit der Einführung des § 13 UWG zwar eine Zuständigkeitskonzentration bei den Landgerichten schaffen wollte, diese Überlegung für die örtliche Zuständigkeit aber nicht verfängt (vgl. in diesem Zusammenhang auch Tepkitzky, a.a.O.).

Eine abweichende Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil § 13 Abs. 1 UWG von der Geltendmachung eines Anspruchs ("auf Grund dieses Gesetzes") spricht, während § 14 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 UWG eine Regelung zu Klagen ("auf Grund dieses Gesetzes") treffen. Ein "Anspruch" ist in § 194 Abs. 1 BGB legaldefiniert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Für Ansprüche kann von vornherein keine örtliche Zuständigkeit bestehen; eine solche ist nur für Klagen bzw. Rechtsstreitigkeiten, durch die bzw. mit denen ein Anspruch geltend gemacht wird, denkbar. Dafür, dass mit der abweichenden Wortwahl in §§ 13 Abs. 1, 14 UWG ein Bedeutungsunterschied verbunden wäre, fehlt jeder Hinweis.

bb) Die Formulierung "auf Grund diese Gesetzes" in §§ 13, 14 UWG ist ihrem Wortlaut nach auch nicht zwingend so zu verstehen, dass darunter nur Ansprüche bzw. Klagen fallen, die unmittelbar auf eine Norm des UWG gestützt sind. Unter die Gesetzesfassung können ebenso gut Klagen/Ansprüche fallen, die ihre Grundlage nur mittelbar im UWG haben, wie insbesondere wettbewerblich begründeten Vertragsstrafenversprechen ist (ebenso Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (U.v. 09.04.2015 - 6 U 57/13) - Kaiserin der Heilpflanzen, juris, Rn. 21 mit weiteren Ausführungen; LG Mannheim - Zuständigkeit bei Vertragsstrafe, a.a.O., Rn. 14).

Ausschließliche Zuständigkeitsvorschriften mögen mit Blick auf die grundgesetzlich verankerte Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) zwar grundsätzlich eng auszulegen sein, dies bedingt aber nicht, sie ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck möglichst wortlautnah zu interpretieren (vgl. z.B. auch Thüringer Oberlandesgericht - Vertragsstrafeforderung, a.a.O., Rn. 15). Wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 143 PatG illustriert (s.u.), ist gerade bei Zuständigkeitsvorschriften ein am Normzweck orientiertes Verständnis geboten.

Gegen das Argument, der Wortlaut der Vorschriften hindere eine Subsumtion von Vertragsstrafenforderungen/-klagen unter §§ 13, 14 UWG, spricht ferner, dass § 13 Abs. 2 UWG, wie oben wiedergegeben, eine Konzentrationsermächtigung vorsieht, die sich auf "Wettbewerbsstreitsachen" bezieht. Für die Bezirke mehrerer Landgerichte kann gemäß § 13 Abs. 2 UWG ein Gericht für "Wettbewerbsstreitsachen" bestimmt werden, insbesondere sofern dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienlich ist. Der Begriff der "Wettbewerbsstreitsachen" wird in diesem Kontext überwiegend weiter verstanden als die Formulierung eines Anspruchs bzw. einer Klage aufgrund des UWG. Ihm unterfallen nach wohl überwiegender Meinung auch Streitigkeiten aus Abmahnungen außerhalb des UWG, Vertragsstrafenforderungen sowie z.B. Schadenersatzansprüche gemäß § 945 ZPO. Für diese Streitigkeiten würde eine Gerichtsstandskonzentration auf Basis der Gegenansicht im Einzelfall unmittelbar zuständigkeitsbegründende Wirkung entfalten (vgl. z.B. Teplitzky, a.a.O., Rn. 7 f. m.w.N.).

Letzteres scheint bedenklich. Es leuchtet nicht ein, weshalb eine (bloße) Konzentration von "Wettbewerbsstreitsachen" bei einzelnen Landgerichten eine den diesen Gerichten originär fehlende sachliche Zuständigkeit begründen können sollte. Nahe liegender ist die Annahme, dass das Gesetz im Rahmen der §§ 13, 14 UWG trotz uneinheitlicher Formulierungen dasselbe meint. Die Wendung "Klagen aufgrund dieses Gesetzes" in § 14 UWG ist demnach einheitlich im Sinne von "Wettbewerbsstreitsachen" zu verstehen. Hierunter fallen wiederum Streitigkeiten, bei denen sich spezifisch wettbewerbsrechtliche Frage stellen."


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Rechtstip: Unterlassungserklärung und Vertragsstrafe - was ist bei der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu bedenken

Risiko: Unterlassungserklärung und Vertragsstrafe
Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist immer mit dem Risiko verbunden später einer Vertragsstrafe zahlen zu müssen.

Ist eine Abmahnung begründet, so ist es regelmäßig sinnvoll eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, um gerichtliche Schritte und weitere Kosten zu vermeiden. Eine Unterlassungserklärung ohne ausreichendes Vertragsstrafeversprechen ist nicht geeignet die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Häufig sind die Vertragsstrafeversprechen mit einer festen Vertragsstrafe zwischen 5.000 und 10.000 EURO für jeden Fall der Zuwiderhandlung versehen. Bei mehreren und ggf. versehentlichen Verstößen kann so schnell eine enorme Summe zusammenkommen und direkt in die Insolvenz führen. Unterlassungserklärungen sollten daher nie leichtfertig abgegeben werden.

Vertragsstrafe begrenzt durch Treu und Glauben.
Der BGH hatte in seinem Urteil (BGH, Urteil vom 17. 7. 2008 - I ZR 168/05) eine Beschränkung auf eine angemessene Vertragsstrafe ausdrücklich abgelehnt. Grenze ist allein der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die geforderte Vertragsstrafe von 54 Millionen EURO für den Verkauf von 7000 Wärmekissen wurde vom BGH auf einen Betrag von 200.000 EURO begrenzt. Die Begrenzung hielt der BGH nach dem Grundsatz von Treu und Glauben für erforderlich. In der Unterlassungserklärung war eine Frist für den Abverkauf von Restbeständen vorgesehen, die aber vom Abgemahnten überschritten wurde. Entscheidend für die Herabsetzung war für den BGH der Umstand, dass lediglich die Abverkaufsfrist überschritten wurde. Andernfalls wäre die Vertragsstrafe deutlich höher ausgefallen.

Neuer Hamburger Brauch
Anstelle einer festen Vertragsstrafe ist der sog. „Neue Hamburger Brauch“ zu empfehlen, bei dem für jeden Fall schuldhafter Zuwiderhandlung eine angemessene Vertragsstrafe fällig wird, dessen Höhe in das Ermessen des Abmahners gestellt wird, welche dann auf Antrag des Abgemahnten von Gericht auf Angemessenheit überprüft werden kann. Auf diese Weise kann, anders als bei einer festen Summe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, eine Begrenzung auf eine angemessene Vertragsstrafe erreicht werden. Zudem setzten die Gericht bei versehentlichen einmaligen Verstößen häufig geringere Vertragsstrafen an, als die üblichen festen Vertragsstrafen vorsehen (z.B. 2000 EURO anstelle von 7500 EURO).

Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung
Um nicht Gefahr zu laufen aus Unachtsamkeit eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen, ist es wichtig die Unterlassungserklärung auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken. Die von Abmahnern vorformulierten Unterlassungserklärungen sind häufig zu weit, da diese so hoffen, zukünftig Vertragsstrafen zu kassieren. Bei Produktfotos richtet sich z.B. ein Unterlassungsanspruch nicht auf Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens aller vom Abmahnenden erstellten Fotos, sondern nur auf das konkrete Foto, welches ohne Lizenz verwendet wurde. Bei entsprechender Einschränkung der Verletzungshandlung in der Unterlassungserklärung wird verhindert, das bislang nicht erkannte Verstöße von der Unterlassungserklärung erfasst werden und so ggf. eine Vertragsstrafe fällig wird. Allerdings darf die Unterlassungserklärung auch nicht zu eng formuliert sein, da sonst die Wiederholungsgefahr fortbesteht.

Risiko: veraltete Inhalte im Suchmaschinencache, Archiven & Co.
Wer meint, mit Löschung streitgegenständlicher Daten vom Server auf der sicheren Seite zu sein, übersieht, dass einige Gerichte auch dann einen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung annehmen, wenn sich die rechtswidrigen Inhalte noch im Cache, Webarchiven, Bildersuchdiensten oder Produktsuchmaschinen befinden. Das Risiko lässt sich dadurch abfedern, dass man die Verantwortlichkeit für veraltete Inhalte im Datenbestand von Suchmaschinen, Cache oder Archiven ausschließt oder ggf. eine Schonfrist für die Löschung entsprechender Altlasten vereinbart. Leider akzeptiert nicht jedes Gericht eine derart eingeschränkte Unterlassungserklärung (z.B. LG Kiel, Beschluss vom 11.02.2009 - 15 O 19/09). Insofern gilt es abzuwägen, welche Risiken man bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung eingehen will.

Risiko: Alte Unterlassungserklärungen und Änderung der Rechtslage
Ändert sich die Rechtslage oder die höchstrichterliche Rechtsprechung, so ist umstritten, ob dadurch eine in der Vergangenheit nach alter Rechtslage abgegebene Unterlassungserklärung gegenstandslos wird. Nach herrschender Meinung ändert dies an der Wirksamkeit des Unterlassungsvertrages zunächst nichts. Allerdings besteht - so die wohl überwiegende Ansicht - die Möglichkeit, den Unterlassungsvertrag insoweit zu kündigen bzw. anzupassen. Daneben wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass sich der Unterlassungsschuldner auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Treu und Glauben berufen kann. Vorzuziehen ist es, das aufgezeigte Risiko bei der Formulierung der Unterlassungserklärung zu berücksichtigen und die Unterlassungserklärung unter dem Vorbehalt der Änderung der Rechtslage bzw. der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzugeben.

BGH: Einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fehlt es nicht an der Geschäftsgrundlage bei gleichzeitiger gerichtlicher Entscheidung

BGH
Urteill vom 17.09.2009
I ZR 217/07
Testfundstelle
BGB § 147 Abs. 2, §§ 315 Abs. 1, 339; ZPO § 890


Leitsätze des BGH:
a) Bei einer auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichteten Unterwerfungserklärung ist in der Regel davon auszugehen, dass der Schuldner sein Angebot unbefristet abgegeben hat mit der Folge, dass es vom Gläubiger jederzeit angenommen werden kann.

b) Erwirkt der Gläubiger vor Zugang und Annahme der vom Schuldner zur Vermeidung eines Rechtsstreits abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung eine einstweilige Verfügung und stellt sie zu, fehlt deshalb nicht die Geschäftsgrundlage des Unterlassungsvertrags.

c) Bei der Bemessung einer nach "Hamburger Brauch" vom Gläubiger gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen festzusetzenden Vertragsstrafe ist ein für dieselbe Zuwiderhandlung bereits gerichtlich verhängtes Ordnungsgeld zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 17. September 2009 - I ZR 217/07 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: