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BMJV: Referentenentwurf – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet

Das BMJV hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet vorgelegt.

Die neue Vorschrift:

§ 127 StGB Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet

(1) Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne des Satzes 2 zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. Verbrechen
2. Vergehen nach

a) den §§ 147, 149, 152a, 152b, 176a Absatz 2, § 176b Absatz 2, § 184b Absatz 1 Satz 2, § 184c Absatz 1, § 184l Absatz 1 und 3 sowie den §§ 202a, 202b, 202d, 259, 263a, 275, 276, 303a und 303b,

b) § 95 Absatz 1 und 2 des Arzneimittelgesetzes,

c) § 29 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes,

d) § 19 Absatz 1 und 2 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,

e) § 52 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3 Nummer 1 des Waffengesetzes,

f) § 40 Absatz 1 und 2 des Sprengstoffgesetzes,

g) den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes sowie

h) den §§ 51 und 65 des Designgesetzes.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Tat im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 angedrohte Strafe.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die Tat gewerbsmäßig begeht.


Der bisherige § 127 wird § 128.



Internet World Business-Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann: Mitgehangen, Mitgefangen - Wer als Händler über eine Plattform verkauft ist für Rechtsverstöße des Plattformbetreibers mitverantw

In Ausgabe 6/20, S. 50-51 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Mitgehangen, Mitgefangen - Wer als Händler über eine Plattform verkauft ist für Rechtsverstöße des Plattformbetreibers mitverantwortlich."



Volltext BGH liegt vor: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung des Marketplace-Händlers auf Amazon für Produktbewertungen von Kunden

BGH
Urteil vom 20.02.2020
I ZR 193/18
Kundenbewertungen auf Amazon
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1; UWG § 3 Abs. 1, § 3a, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2; HWG § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung des Anbieters eines Produkts auf Amazon für Bewertungen des Produkts durch Kunden über die Entscheidung berichtet.


Leitsätze des BGH:

a) Den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts trifft für nicht von ihm veranlasste Kundenbewertungen keine wettbewerbsrechtliche Haftung, wenn er sich diese Bewertungen nicht zu eigen macht. Für die Beurteilung, ob eine wegen wettbewerbswidriger Werbung in Anspruch genommene Person sich fremde Äußerungen zu eigen macht, kommt es entscheidend darauf an, ob sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, sie identifiziere sich mit ihnen. Dieser Maßstab gilt auch im Heilmittelwerberecht.

b) Ob das Angebot auf der Online-Handelsplattform Amazon eine Garantenstellung mit der Rechtspflicht begründet, eine Irreführung durch Kundenbewertungen abzuwenden, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls und bedarf einer Abwägung.

c) Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Handelsplattformen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Bei einem Angebot von Arzneimitteln oder Medizinprodukten kann allerdings das Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit bei der Abwägung zu berücksichtigen sein.

d) Gibt der Anbieter eines auf einer Online-Handelsplattform angebotenen Produkts selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen ab, bezahlt er dafür oder können ihm die Kundenbewertungen aus anderen Gründen als Werbung zugerechnet werden, haftet er als Täter, gegebenenfalls Mittäter, eines Wettbewerbsverstoßes.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 - I ZR 193/18 - OLG Hamm - LG Essen

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



BGH: Keine wettbewerbsrechtliche Haftung des Anbieters eines Produkts auf Amazon für Bewertungen des Produkts durch Kunden

BGH
Urteil vom 20.02.2020
I ZR 193/18

Der BGH hat entschieden, dass Anbieter eines Produkts auf Amazon nicht aus wettbewerbsrechtlicher Sicht für Bewertungen des Produkts durch Kunden haften.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. Sie hat diese Produkte in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Beklagte bietet ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem - unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen - Produkt abgegeben wurden.

Am 17. Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise "schmerzlinderndes Tape!", "This product is perfect for pain…", "Schnell lässt der Schmerz nach", "Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" und "Schmerzen lindern" enthielten. Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab.

Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a* UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet.

Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern. Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes fehlen.

Vorinstanzen:

LG Essen - Urteil vom 30. August 2017 - 42 O 20/17

OLG Hamm - Urteil vom 11. September 2018 - 4 U 134/17

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 3a UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG

Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

§ 8 Abs. 1 UWG

Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG

Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.




OLG Hamburg: Auch bei Nicht-Luxuswaren dürfen Hersteller Online-Vertrieb bzw Vertrieb bei Amazon, eBay und Co. im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten

OLG Hamburg
Urteil vom 22.03.2018
3 U 250/16


Das OLG Hamburg hat entschieden, Hersteller auch bei Nicht-Luxuswaren den Online-Vertrieb bzw Vertrieb bei Amazon, eBay und Co. im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten oder einschränken dürfen.Vorliegend ging es um den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten bei eBay.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat auf der Grundlage ihrer Unternehmensrichtlinien, die sie über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K 5, dort Ziff. 1.) - wie auch unstreitig - in das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten einbezogen hat, den mit der Klage geltend gemachten Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten der Klägerin auf der Internethandelsplattform eBay. Kartellrechtlichen Einwände aus Art. 101 AEUV, § 1 GWB oder §§ 19, 20 GWB stehen dem nicht entgegen.

1. Aus den Unternehmensrichtlinien der Klägerin ergeben sich spezifische Vorgaben hinsichtlich Umfang, Inhalt und Darstellung der Präsentation der Waren der Klägerin. Zutreffend hat das Landgericht, auf dessen Darlegungen im angegriffenen Urteil ergänzend verwiesen wird, angenommen, dass die Klägerin dem Beklagten die Nutzung der Handelsplattform eBay sowohl aufgrund der Richtlinien als Ganzes als auch nur nach Ziffer 26.1 j) jener Richtlinien untersagen kann. Dass die Richtlinien ein solches Verbot vorsehen, steht zwischen den Parteien zu Recht nicht im Streit. Ebenso ist unstreitig, dass der Beklagte die Produkte der Klägerin auf der Handelsplattform eBay angeboten hat (Anlage K 7) und deshalb von der Klägerin erfolglos abgemahnt worden ist (Anlage K 8). Die Parteien streiten allein darüber, ob ein solches Verbot kartellrechtlich zulässig ist oder nicht.

2. Die Unternehmensrichtlinien der Klägerin verstoßen weder gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV noch gegen § 1 GWB.

a) Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Dabei kann dahinstehen, ob im Streitfall - wie das Landgericht angenommen hat - tatsächlich ein grenzüberschreitender Binnenmarktbezug vorliegt. Der Bundesgesetzgeber verfolgt eine weitgehende inhaltliche Angleichung des § 1 GWB an den des unionsrechtlichen Kartellverbotstatbestandes (Begründung zum Regierungsentwurf der 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 22 f.; vgl. auch § 22 GWB). In jedem Fall fehlt es vorliegend an einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung. Das streitige Vertriebssystem entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Vereinbarungen innerhalb selektiver Vertriebssysteme.

b) Der Europäische Gerichtshof hat in seiner „Metro“-Entscheidung erstmalig entschieden und durch nachfolgende Entscheidungen bestätigt, dass die Organisation eines rein qualitativen selektiven Vertriebsnetzes nicht unter das Verbot in Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt (EuGH, Urteil vom 25.10.1977, C 26/76, GRUR Int 1978, 254, Rn. 27 - Metro II; Urteil vom 11. Dezember 1980, 31/80, Rn. 15 - L´oreal). Jedes Absatzsystem, das auf einer Selektion der Vertriebsstellen beruht, enthält nämlich, wenn es nicht sinnlos sein soll, notwendigerweise die Verpflichtung für die zu dem Netz gehörenden Großhändler, nur anerkannte Wiederverkäufer zu beliefern, und eröffnet dementsprechend dem betroffenen Hersteller die Möglichkeit, die Einhaltung dieser Verpflichtung zu überwachen. Solange die im Rahmen der Überwachung übernommenen Verpflichtungen nicht über das verfolgte Ziel hinausgehen, können sie nicht schon für sich genommen eine Beschränkung des Wettbewerbs darstellen, sondern ergänzen lediglich die Hauptpflicht, deren Einhaltung sie sichern helfen (EuGH, a.a.O., Rn. 27 - Metro).

Nach dieser Rechtsprechung sind selektive Vertriebssysteme vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, sofern die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien schließlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH, a.a.O., Rn. 24, 27 - Metro II; a.a.O., Rn. 15 - L´oreal; Urt. v. 06.12.2017, C-230/16, GRUR 2018, 211, Rn. 24 - Coty; Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen 2010/C 130/01, Nr. 175; BKartA, Hintergrundpapier, S. 12; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2015, 11 U 84/14 (Kart), WRP 2016, 515, juris Rn. 45 - Funktionsrucksäcke).

c) Diese Rechtsprechung hat Eingang in die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 (sog. Vertikal-GVO) und die Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen gefunden.

Nach Art. 101 Abs. 3 AUEV in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO sind Vertikalvereinbarungen grundsätzlich vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt. Gemäß Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO greift eine Freistellung allerdings bei einer Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems nicht. Maßgeblich ist hierbei der Charakter der konkreten selektiven Vertriebsvereinbarung. Nach Art. 1 Abs. 1 lit. e) Vertikal-GVO sind „selektive Vertriebssysteme“ Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder auch Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen bzw. zu erbringen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind.

Den Begriff des selektiven Vertriebssystems hat die Kommission in ihren Leitlinien für vertikale Beschränkungen spezifiziert. Selektive Vertriebssysteme können danach als rein qualitative Vertriebssysteme, aber auch als quantitative Vertriebssysteme ausgestaltet werden. Bei qualitativen Vertriebssystemen erfolgt die Auswahl der Händler anhand qualitativer Selektionskriterien, wie z. B. der Produktpräsentation, welche aufgrund der Eigenschaften des betroffenen Produkts erforderlich sind. Ebenso darf ein Anbieter verlangen, dass seine Händler für den Online-Vertrieb der Vertragsprodukte nur im Einklang mit den Normen und Voraussetzungen, die zwischen dem Anbieter und seinen Händlern für deren Nutzung des Internets vereinbart wurden, Plattformen Dritter nutzen (Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010 C 130/1, Rn. 54). Bei den quantitativen selektiven Vertriebssystemen beschränkt der Hersteller unmittelbar oder mittelbar die Anzahl der Händler, welche die qualitativen Kriterien erfüllen können (Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010 C 130/1, Rn. 175). Die Kommission sieht danach jede Verpflichtung als Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 4 lit. c) Vertikal-GVO an, die die Vertragshändler davon abhält, das Internet zu benutzen, um mehr und andere Kunden zu erreichen, indem ihnen Kriterien für Online-Verkäufe auferlegt werden, die insgesamt den Kriterien für Verkäufe im physischen Verkaufspunkt nicht gleichwertig sind (Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen 2010/C 130/01, Nr. 56).

d) Die angeführten Voraussetzungen für ein zulässiges selektives Vertriebssystem sind im Streitfall auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts erfüllt. Der Beklagte wehrt sich nicht gegen die Darlegungen der Klägerin zur Qualität ihrer Produkte, zum Aufbau eines entsprechenden Produktimages und zu den von der Klägerin gegen rechtsverletzende Warenpräsentationen ihrer Vertriebspartner im Internet ergriffenen Maßnahmen. Die dem Unterlassungsanspruch der Klägerin zugrunde liegenden Unternehmensrichtlinien sind auf dieser Grundlage erforderlich, diskriminierungsfrei und gehen nicht über das erforderliche Maß hinaus.

aa) Im Streitfall hat das Plattformverbot keinen quantitativen Charakter, da es an qualitative Kriterien anknüpft. Dem Verbot liegt eine Vorgabe zur Art der Produktpräsentation zugrunde. Das stellt die Klägerin in Ziffer 26.1 j) der Richtlinien ausdrücklich klar. Die Klägerin lässt den Internetvertrieb grundsätzlich zu und verbietet den Vertrieb über Handelsplattformen zunächst lediglich temporär, wie sich aus Ziffer 26. 1. j) („derzeit“) ergibt. Das unmittelbare Verbot des Vertriebs der klägerischen Produkte über die Handelsplattform eBay in Ziffer 26. 1 j) der Unternehmensrichtlinien enthält auch keine mittelbare quantitative Beschränkung, da es die Gruppe eines reinen eBay-Händlers nicht gibt. Auch sonst nimmt die Klägerin durch die streitige Vorschrift in ihren Unternehmensrichtlinien keine quantitative Beschränkung ihrer Vertriebspartner vor, denn sie stellt eigene Retail-Shops für den Internetvertrieb zur Verfügung, so dass der Vertrieb ihrer Waren über das Internet als solcher nicht ausgeschlossen ist.

bb) Die Eigenschaften der Produkte der Klägerin erfordern den selektiven Vertrieb.

(1) Der Europäische Gerichtshof hat insbesondere im Bereich der Herstellung von langlebigen, hochwertigen und technisch hoch entwickelten Verbrauchsgütern, in dem eine verhältnismäßig kleine Zahl von großen und mittleren Herstellern ein abgestuftes Angebot von - jedenfalls aus der Sicht des Verbrauchers - leicht austauschbaren Waren bereithält, unterschiedliche, den Eigenheiten der verschiedenen Hersteller und den Bedürfnissen der verschiedenen Verbrauchergruppen angepasste Vertriebswege für möglich erachtet (EuGH, a.a.O., Rn. 27 - Metro II; vgl. auch OLG Frankfurt, a.a.O., juris Rn. 46 - Funktionsrucksäcke). Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof auch bei einem bestimmten luxuriösen Produktimage die Einrichtung eines qualitativen selektiven Vertriebssystems und die damit verbundenen Beschränkungen hinsichtlich des Vertriebes als gerechtfertigt anerkannt (EuGH, Urteil vom 23. April 2009, C-59/08, WRP 2009, 938, Leitsatz 1 - Copad/Dior). Zur Begründung führt der Gerichtshof an, dass die Qualität von Prestigewaren häufig nicht alleine auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter ruht, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, so dass eine Schädigung der luxuriösen Ausstrahlung geeignet ist, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen (EuGH, a.a.O., Rn. 24ff. - Copad/Dior).

(2) Diese Grundsätze sind auch für den selektiven Vertrieb der im Streitfall betroffenen Produkte der Klägerin gültig. Der Einwand des Beklagten, dass es sich bei den streitigen Produkten im Unterschied zu den Produkten, mit denen sich die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs befasst haben, weder um mechanische bzw. technische oder langlebige Produkte noch um Luxusprodukte handele, bleibt ohne Erfolg. Für eine pauschale Unterteilung der Zulässigkeit selektiver Vertriebssysteme für technisch hochwertige Waren bzw. Luxuswaren einerseits und sonstige Waren andererseits gibt es keine hinreichenden Gründe. Es fehlt insoweit an eindeutigen Abgrenzungskriterien etwa zwischen Luxuswaren und solchen Waren, die - ohne Luxuswaren zu sein - ebenfalls von einer solchen Hochwertigkeit oder sonstigen Besonderheit sind, dass ihr Prestigecharakter einen Selektivvertrieb gerechtfertigt erscheinen ließe. Die Beschränkung eines Selektivvertriebs auf Luxuswaren oder technisch hochwertige Erzeugnisse, die im Gesetz keine Grundlage findet, ginge daran vorbei, dass auch für andere hochwertige oder sonst besondere Produkte ein selektives Vertriebssystem erforderlich sein kann, um etwa durch ein den Warenabsatz ergänzendes und begleitendes Dienstleistungsangebot nicht nur die Wertigkeit und/oder Besonderheit der Produkte gegenüber dem maßgeblichen Kundenkreis zu unterstreichen und deren Wertschätzung beim Kunden maßgeblich zu beeinflussen, sondern damit zugleich auch die hohe Qualität oder Besonderheit dieser Produkte zu erhalten. Auch der Vertrieb qualitativ hochwertiger Produkte kann es erforderlich machen, zur Positionierung der Produkte am Markt ein ergänzendes Präsentations- und Beratungsportfolio anzubieten, um dem angesprochenen Verkehr ein für den erfolgreichen Vertrieb der Produkte besonderes Image von qualitativer Hochwertigkeit und besonders positiven Eigenschaften des Produkts zu vermitteln.

(3) So liegt der Fall auf der Grundlage des unbestrittenen Parteivortrags hier. Nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts erlauben sowohl die hohe Qualität der klägerischen Waren als auch die den Warenvertrieb begleitenden Beratungs- und Betreuungsleistungen eine gewisse Preissetzungsmacht und tragen gegenüber dem Kunden zur Verdeutlichung eines in der Summe anspruchsvollen Endprodukts - etwa mit besonders positiven, auf der Qualität der Produkte fußenden Ernährungseigenschaften - bei. Es besteht kein Anlass, ein derartiges selektives Vertriebssystem der Klägerin allein deshalb für unzulässig zu erachten, weil es keine reinen Luxuswaren oder keine mechanischen bzw. technischen oder langlebigen Produkte zum Gegenstand hat. Ob die auf das Produkt gerichtete Beratungsintensivität tatsächlich gerechtfertigt ist oder nicht, muss dabei nicht im Einzelfall festgestellt werden. Die Erforderlichkeit eines selektiven Vertriebssystems bemisst nach der angeführten Rechtsprechung anhand der „besonderen Natur der betreffenden Erzeugnisse“. Dabei kann die Art und Intensität des Wettbewerbs je nach den in Betracht kommenden Waren oder Dienstleistungen und der wirtschaftlichen Struktur des betroffenen Marktsektors verschieden sein (EuGH, a.a.O., Rn. 20 - Metro II).

Die Waren der Klägerin können auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als solche von besonderer Natur im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angesehen werden, die einen Selektivvertrieb rechtfertigen. Das Geschäftskonzept der Klägerin ist neben dem Verkauf eigener hochwertiger Produkte auf eine umfassende und auf langfristige Kundenbindung gerichtete Beratung durch geschulte Personen angelegt. Insoweit ist festzustellen, dass das Geschäftskonzept der Klägerin unstreitig auch in dieser Weise greift. Die Kunden der Klägerin und ihrer Vertriebspartner sind bereit, den von der Klägerin verlangten, vergleichsweise hohen Preis zu zahlen. So kann sie Argi+ (Aminosäure L-Arginin plus Vitaminkomplex) für 67,50 € vertreiben, wohingegen andere Händler Arginin-Pulver-Produkte lediglich für Preise zwischen 13 € und 26 € anbieten. Die danach feststellbare Kundenbindung unterscheidet das Angebot der Klägerin von dem anderen Anbieter, etwa in Supermärkten. Es hebt sich von derartigen Angeboten ab und kennzeichnet die besondere Natur des Produkts. Schon deshalb geht der Einwand des Beklagten, für sämtliche Nahrungsergänzungsmittel, die in Deutschland vertrieben werden, müssten selektive Vertriebssysteme als zulässig anzuerkennen sein, fehl.

Die Klägerin hat sich mit ihrem Konzept auch ein marktspezifisches Image verschafft, aufgrund dessen es nachvollziehbar ist, dass die Klägerin ihr Vertriebssystem davor bewahren will und muss, dass ihre Vertriebspartner bezogen auf die angebotenen Produkte unzulässige irreführende oder krankheitsbezogene Aussagen verbreiten. Für die Klägerin besteht die Notwendigkeit, ihr beim Verkehr erworbenes Profil zu wahren und sich gerade auch weiterhin von den übrigen Anbietern abzuheben, damit der deutlich höhere Produktpreis beim Publikum als gerechtfertigt erscheint. Dem entspricht es, wenn nach Ziffer 26.1 b) der Unternehmensrichtlinie der Klägerin die Beratungsqualität durch die Tätigkeit nur geschulter Berater gewährleistet werden soll. Ebenso gehört dazu, dass nur vorgegebene offizielle Produkt- und sonstige Werbeaussagen wiedergegeben werden (vgl. Ziff. 26.1 c) der Richtlinien). Die Entscheidung der Klägerin, dass im Rahmen einer online geschalteten Verkaufsseite die komplette Produktpalette angeboten werden soll, damit der Verkehr eine die Beratung spiegelnde Sortimentsbreite angeboten bekommt, um ein für sich das passende Produkt zu finden, ist vor dem Hintergrund der speziellen Bedingungen des von Beratungsleistungen begleiteten klägerischen Produktangebots nicht zu beanstanden. Sie dient nachvollziehbar dazu, das Produktimage einschließlich der kundenbindenden Beratung zu wahren. Die Möglichkeit, die klägerischen Produkte auf der Handelsplattformen wie eBay in dieser Weise zu präsentieren, besteht derzeit nicht. Dort können nur einzelne Produkte abgebildet werden, wie bereits aus der Anlage K 7 hervorgeht. Darauf hat schon das Landgericht zu Recht hingewiesen. Der Einwand des Beklagten, der Verbraucher suche allein nach einem Produkt wie beispielsweise Argenin und benötige deshalb keine Beratung, verkennt, dass das funktionierende Geschäftskonzept der Klägerin nach ihrer ausführlichen Darlegung die vollständige Wiedergabe der Produktpalette und der jeweiligen Produkteigenschaften verlangt und das jenes Konzept ihre eigene unternehmerische Entscheidung ist.

cc) Zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Zusammenhang auch angenommen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13.10.2011 (C-439/09, GRUR 2012, 844 - Pierre-Fabre) der Annahme eines zulässigen selektiven Vertriebssystems nicht entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof hat in der angeführten Entscheidung zwar ausgeführt, dass die Notwendigkeit, den Prestigecharakter der dort betroffenen Kosmetika und Körperpflegeprodukte zu schützen, kein ein pauschales Verbot des Verkaufs dieser Waren im Internet rechtfertigendes Anliegen ist. Der EuGH hat aber inzwischen klargestellt, dass sich die Beurteilung der Rechtslage im Fall „Pierre-Fabre“ lediglich auf die Waren, die Gegenstand der Rechtssache waren, in der das Urteil ergangen ist, und auf die Vertragsklausel, um die es in dieser Rechtssache ging, bezogen war (EuGH, a.a.O., Rn. 34 - Coty). Es sei nicht der Grundsatz aufgestellt worden sei, dass der Schutz des Prestigecharakters eine Wettbewerbsbeschränkung, wie sie sich aus der Existenz eines selektiven Vertriebsnetzes ergebe, nunmehr für sämtliche Waren, insbesondere Luxuswaren, nicht mehr gerechtfertigt werden könne und dass damit die in bisher ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs habe geändert werden sollen (EuGH, a.a.O., Rn. 35f. - Coty). Auch soweit im Streitfall der Vertrieb u.a. von Kosmetika in Rede steht, ist deshalb durch die Rechtsprechung des EuGH entgegen der Annahme des Beklagten gerade nicht festgestellt, dass der selektive Vertrieb solcher Kosmetika generell keine Berechtigung hätte. Der Streitfall liegt zudem anders als im Fall „Pierre-Fabre“. Die Klägerin lässt unstreitig den Verkauf über das Internet zu und hält hierfür sogar eigens erstellte Retail-Shops gegen eine Nutzungsgebühr von 9,90 € bereit.

dd) Die Klägerin hat das Vertriebssystem auch diskriminierungsfrei angewendet. Nach den Feststellungen des Landgerichts ging die Klägerin 2014 lückenlos nach Kenntniserlangung gegen 37 Vertriebspartner vor, die versucht haben, Waren über die Handelsplattform eBay abzusetzen. 2015 verfolgte die Klägerin 54 solcher Fälle. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

ee) Das begehrte Verbot geht auch nicht über das erforderliche Maß hinaus.

Die Verhältnismäßigkeit ist dabei objektiv auch unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen zu prüfen (EuG, Urt. v. 02.12.1996, T-88/92, Slg 1996, II-1961-2039, Rn. 106 - Leclerc). Die Richtlinien der Klägerin dienen dem Zweck, die Kunden über die nicht unmittelbar erkennbaren Eigenschaften der Produkte zu beraten und den das hohe Preisniveau motivierenden hohen Qualitätsanspruchs zu sichern. Hier werden unmittelbar Verbraucherinteressen berührt, da der Verkehr, der die Produkte der Klägerin nachfragt, schon wegen der mit einer unangepassten Ernährung verbundenen Beeinträchtigungen oder gar Gefahren Wert auf eine transparente Darstellung der jeweiligen Produkteigenschaften legen muss. Das rechtfertigt die von der Klägerin für notwendig erachteten begleitenden Beratungsleistungen.

Der Einwand des Beklagten, ein pauschales eBay-Verbot wie es in Ziffer 26.1 j) der Unternehmensrichtlinien der Klägerin zur Geltung kommt, sei deshalb unverhältnismäßig, weil die Klägerin auch sog. eBay-Regelungen hätte treffen können, innerhalb derer sie spezifische Qualitätskriterien für einen Vertrieb von Produkten auf eBay oder vergleichbaren Plattformen aufstellt, greift nicht durch. Dagegen spricht bereits, dass der Beklagte selbst keine Tatsachen beziehungsweise Möglichkeiten vorträgt, wie die qualitativen Kriterien der Klägerin auf der Handelsplattform eBay faktisch umgesetzt werden könnten, etwa so, dass sie auch den für Retail-Shops der Klägerin geltenden Maßstäben genügten. Als „gerichtsbekannt“ kann das nicht vorausgesetzt werden. Mit dem Landgericht ist insbesondere festzustellen, dass die Unternehmensrichtlinien der Klägerin die Möglichkeit eines Verkaufs bei eBay gerade nicht endgültig ausschließen, sondern nur solange Gültigkeit haben, bis die Darstellungsmöglichkeiten bei eBay den an eine Internetpräsentation der klägerischen Produkte gestellten Anforderungen der Klägerin genügen. Dem entspricht die Formulierung in Ziffer 26.1j) der Richtlinien, nach der ausdrücklich („derzeit“) offen bleibt, ob künftig die Zulässigkeit eines Verkaufs über eBay bejaht werden kann.

3. Dem Klaganspruch stehen §§ 20 Abs. 1 GWB i.V.m. 19 II Nr. 1 GWB ebenfalls nicht entgegen.

a) Die Klägerin ist Normadressatin der Vorschriften, da zwischen ihr und dem Beklagten ein sortimentsbedingtes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Immerhin ist der Beklagte als Vertriebspartner auf das Sortiment der Klägerin angewiesen.

b) Zwar behindert das selektive Vertriebssystem den Beklagten, denn unter einer Behinderung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB fällt jedes Verhalten, dass die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachhaltig beeinflusst (Markert in Immenga/Mestmäcker, 5. Auflage 2014, § 19, Rn. 102; OLG Frankfurt, a.a.O., juris Rn. 36 - Funktionsrucksäcke). So liegt es im Streitfall, denn der Beklagte wird aufgrund des in den Unternehmensrichtlinien der Klägerin verankerten Verbotes, Waren über eBay zu vertreiben, in seinen Absatzmöglichkeiten eingeschränkt. Gleichwohl mangelt es an der Unbilligkeit der streitigen Beschränkung des Beklagten.

Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich nach einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes (BGH, Urt. v. 31.01.2012, KZR 65/10, NJW 2012, 2110, Rn. 29 m.w.N. - Werbeanzeigen). Ausgangspunkt dieser Abwägung ist im Streitfall, dass das Vertriebssystem der Klägerin schon keinen Wettbewerbsverstoß darstellt. Das die Internetplattform eBay betreffende Verbot der Klägerin ist nicht schon deshalb unbillig, weil die Auffindbarkeit und Wahrnehmbarkeit des Produktangebots des Beklagten im Internet bei Angeboten über einen von der Klägerin angebotenen Retail-Shop gegenüber dem Vertrieb der Produkte über Plattform eBay zurücktreten. Hier kommt vielmehr gerade die Natur selektiver Vertriebssysteme zum Tragen.

Dem sind die Interessen der Klägerin gegenüber zu stellen. Nach den Feststellungen des Landgerichts urteilten mehrere Oberlandesgerichte in den Jahren 2007 und 2008, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 2 UWG für das unlautere Verhalten ihrer Vertriebspartner selbst einzustehen habe. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass es ein legitimes Ziel der Klägerin ist, das eigene Haftungsrisiko weitgehend einzugrenzen. Sie hat Beschwerden von Kunden und Vertriebspartnern dargelegt. Ebenso hat sie zu den sie in der Vergangenheit belastenden wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten vorgetragen und auf die tausenden von Webseiten sowie die unzähligen damaligen eBay-Verkäufe verwiesen. Danach erscheint es gerechtfertigt anzunehmen, dass es der Klägerin entgegen der Annahme des Beklagten gerade nicht zumutbar ist, Kontrollmaßnahmen gegenüber ihren Vertriebspartnern auf einzelnen oder auch vielfältigen Internet-Plattformen durchzuführen, statt den einfacheren Weg einer Kontrolle durch die Beschränkung des Vertriebskanals zu wählen. Das hat die Klägerin insbesondere mit dem unstreitig hohen Gefährdungspotenzial, das Aufwendungen der Klägerin im mindestens siebenstelligen Euro-Bereich mit sich gebracht hat, hinreichend begründet.


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Neuer Beitrag in der Internet World Business von RA Marcus Beckmann - Alles, nur nicht online - Ein Hersteller darf den Vertrieb von Luxuswaren über eBay, Amazon und Co. verbieten

In Ausgabe 25/26/2017, S. 16 der Zeitschrift Internet World Business erschien ein Beitrag von Rechtsanwalt Marcus Beckmann mit dem Titel "Alles, nur nicht online - Ein Hersteller darf den Vertrieb von Luxuswaren über eBay, Amazon und andere Online-Handelsplattformen zur Wahrung des Luxusimages verbieten".

Siehe auch zum Thema EuGH: Luxuswaren-Hersteller dürfen Vertrieb bei Amazon, eBay und Co. im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten wenn dadurch Luxusimage aufrechterhalten wird

EuGH: Luxuswaren-Hersteller dürfen Vertrieb bei Amazon, eBay und Co. im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten wenn dadurch Luxusimage aufrechterhalten wird

EuGH
Urteil vom 06.12.2017
C‑230/16
Coty Germany GmbH gegen Parfümerie Akzente GmbH


Der EuGH hat entschieden, dass Luxuswaren-Hersteller den Vertrieb bei Amazon, eBay und Co. im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten dürfen, wenn dadurch das Luxusimage der Produkte aufrechterhalten wird und die Maßnahme im übrigen angemessen ist. Dabei ist u.a. auch erforderlich das die Vorgaben einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt werden sowie in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Dies muss das OLG Frankfurt nunmehr prüfen.

Der Tenor der Entscheidung:

1. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, mit der genannten Bestimmung vereinbar ist, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.

2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Vertragsklausel wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen, verbietet, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, wenn diese Klausel das Luxusimage dieser Waren sicherstellen soll, einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt wird sowie in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

3. Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, weder eine Beschränkung der Kundengruppe im Sinne von Art. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 330/2010 noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 Buchst. c der Verordnung darstellt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Ein Anbieter von Luxuswaren kann seinen autorisierten Händlern verbieten, die Waren im Internet über eine Drittplattform wie Amazon zu verkaufen

Ein solches Verbot ist geeignet, das Luxusimage der Waren sicherzustellen, und geht grundsätzlich nicht über das hierfür erforderliche Maß hinaus Coty Germany verkauft in Deutschland Luxuskosmetika. Einige ihrer Marken vertreibt sie, um
deren Luxusimage zu wahren, über ein selektives Vertriebsnetz, d. h. über autorisierte Händler.

Die Verkaufsstätten der autorisierten Händler müssen einer Reihe von Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung genügen. Die autorisierten Händler können die fraglichen Waren auch im Internet verkaufen, sofern sie ihr eigenes elektronisches Schaufenster verwenden oder nicht autorisierte Drittplattformen einschalten, wobei dies für den Verbraucher nicht erkennbar sein darf. Vertraglich ausdrücklich verboten ist es ihnen hingegen, die Waren im Internet über Drittplattformen zu verkaufen, die für die Verbraucher erkennbar in Erscheinung treten. Coty Germany erhob vor den deutschen Gerichten Klage gegen einen ihrer autorisierten Händler, Parfümerie Akzente, und beantragte unter Berufung auf das vertragliche Verbot, diesem Händler zu untersagen, ihre Produkte über die Plattform „amazon.de“ zu vertreiben. Da das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Zweifel daran hat, ob die Vertragsklausel mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar ist, hat es den Gerichtshof hierzu befragt.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zunächst fest, dass ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, nicht gegen das
unionsrechtliche Kartellverbot verstößt, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Auswahl der Wiederverkäufer muss anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß
hinausgehen.

Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Qualität von Luxuswaren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht. Diese Ausstrahlung ist ein wesentliches Element solcher Waren, da die Verbraucher sie dadurch von anderen ähnlichen Produkten unterscheiden können. Daher ist eine Schädigung der luxuriösen Ausstrahlung geeignet, die Qualität der Waren
selbst zu beeinträchtigen.

Des Weiteren stellt der Gerichtshof fest, dass das unionsrechtliche Kartellverbot einer Vertragsklausel nicht entgegensteht, die – wie hier – autorisierten Händlern eines selektiven

Der Gerichtshof hebt hervor, dass im Urteil Pierre Fabre Dermo-Cosmétique (C-439/09, vgl. auch Pressemitteilung Nr. 110/11) nicht – abweichend von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs – der Grundsatz aufgestellt werden sollte, dass der Schutz des Prestigecharakters eine Wettbewerbsbeschränkung, wie sie sich aus der Existenz eines selektiven Vertriebsnetzes ergibt, künftig für sämtliche Waren, insbesondere auch Luxuswaren, nicht mehr rechtfertigen könnte. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof entschieden, dass die Notwendigkeit, den Prestigecharakter der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Kosmetika und Körperpflegeprodukte zu schützen, kein berechtigtes, ein pauschales Verbot des Verkaufs dieser Waren im Internet rechtfertigendes Anliegen war.

Vertriebssystems für Luxuswaren, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen, verbietet, beim Verkauf der betreffenden Waren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Klausel soll das Luxusimage der betreffenden Waren sicherstellen, sie wird einheitlich
festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt, und sie steht in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel. Das Oberlandesgericht wird zu prüfen haben, ob dies der Fall ist. Der Gerichtshof hält die streitige Klausel, vorbehaltlich der vom Oberlandesgericht vorzunehmenden Prüfungen, für rechtmäßig.

Es steht nämlich fest, dass die Vertragsklausel das Luxus- und Prestigeimage der Waren von Coty sicherstellen soll. Außerdem geht aus den dem Gerichtshof unterbreiteten Akten hervor, dass das Oberlandesgericht die Klausel als objektiv und einheitlich ansieht und davon ausgeht, dass sie ohne Diskriminierung auf alle autorisierten Händler angewandt wird.

Zudem ist das von einem Anbieter von Luxuswaren an seine autorisierten Händler gerichtete Verbot, beim Internetverkauf dieser Waren nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, geeignet, das Luxusimage der Waren sicherzustellen.

Dieses Verbot dürfte auch nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um das Luxusimage der Waren sicherzustellen. Insbesondere kann es – mangels einer Vertragsbeziehung zwischen dem Anbieter und den Drittplattformen, die es dem Anbieter erlauben würde, von den Plattformen die Einhaltung der Qualitätsanforderungen zu verlangen, die er seinen autorisierten Händlern auferlegt hat – nicht als ebenso wirksam wie das streitige Verbot angesehen werden, wenn diesen
Händlern gestattet würde, solche Plattformen unter der Bedingung einzuschalten, dass sie vordefinierte Qualitätsanforderungen erfüllen.

Schließlich ist, falls das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die streitige Klausel grundsätzlich unter das unionsrechtliche Kartellverbot fällt, nicht ausgeschlossen, dass für die Klausel eine Gruppenfreistellung in Betracht kommt.

Unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls stellt nämlich das streitige Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, weder eine Beschränkung der Kundengruppe noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher dar. Solche Beschränkungen sind, weil sie zu schwerwiegenden wettbewerbswidrigen Auswirkungen führen könnten, von vornherein von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen.


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EuGH: Auch Betreiber realer Marktplätze müssen wie Betreiber von Handelsplattformen im Internet Maßnahmen zur Verhinderung von Markenrechtsverletzungen ergreifen

EuGH
Urteil vom 07.07.2016
C-494/15
Tommy Hilfiger Licensing LLC u. a. / Delta Center a. s.


Der EuGH hat entschieden, dasss auch Betreiber realer Marktplätze wie Betreiber von Handelsplattformen im Internet Maßnahmen zur Verhinderung von Markenrechtsverletzungen ergreifen müssen.


Die Pressemitteilung des EuGH:

Der Betreiber eines physischen Marktplatzes kann dazu gezwungen werden, von Händlern begangene Markenrechtsverletzungen abzustellen

Die in diesem Sinne erlassenen gerichtlichen Anordnungen unterliegen denselben Bedingungen wie jene für Betreiber von Online-Marktplätzen Die Gesellschaft Delta Center ist Mieterin des Marktplatzes „Pražská tržnice“ (Prager Markthallen). Sie hat die verschiedenen auf diesem Platz befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet.

Mehrere Hersteller und Vertreiber von Markenerzeugnissen haben festgestellt, dass Fälschungen
ihrer Erzeugnisse in den Prager Markthallen verkauft wurden. Sie beantragten daher bei den
tschechischen Gerichten, Delta Center aufzugeben, die Vermietung der Verkaufsflächen in diesen
Hallen an Personen, die solche Verstöße begangen haben, zu beenden. Die Richtlinie über
geistiges Eigentum1
ermöglicht es Markeninhabern nämlich, gerichtlich gegen Mittelspersonen
vorzugehen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung ihrer Marken in Anspruch
genommen werden.

Die Markeninhaber sind der Auffassung, dass der Betreiber eines physischen Marktplatzes ebenso wie Betreiber von Online-Marktplätzen, um die es im Urteil L’Oréal ging, gemäß der Richtlinie gerichtlich dazu gezwungen werden kann, die von den Händlern begangenen Markenrechtsverletzungen abzustellen und Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen.

Der im Wege der Kassationsbeschwerde angerufene Nejvyšší soud (Oberster Gerichtshof, Tschechische Republik) hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es tatsächlich möglich ist, dem Betreiber eines physischen Marktplatzes aufzugeben, die von den Händlern begangenen Markenrechtsverletzungen abzustellen und Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen.

In seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof fest, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Dritten eine Vermietungs- oder Untervermietungsdienstleistung von Flächen auf einem Marktplatz anbietet und so diesen Dritten die Möglichkeit bietet, dort gefälschte Waren feilzubieten, als „Mittelsperson“ im Sinne der Richtlinie qualifiziert werden muss. Der Gerichtshof hebt hervor, dass der Umstand, ob die Zurverfügungstellung von Verkaufsstellen einen Online-Marktplatz oder einen physischen Marktplatz betrifft, nicht von Bedeutung ist, weil der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht auf den elektronischen Handel beschränkt ist.

Folglich kann auch der Betreiber eines physischen Marktplatzes dazu gezwungen werden, von Händlern begangene Markenrechtsverletzungen abzustellen sowie Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen.

Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass die Voraussetzungen, denen eine Anordnung eines Gerichts an eine Mittelsperson, die eine Vermietungsdienstleistung von Verkaufsflächen in Markthallen anbietet, unterliegt, mit den Voraussetzungen identisch sind, die für Anordnungen an Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz gelten.

Daher müssen diese Anordnungen nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch gerecht und verhältnismäßig sein. Sie dürfen folglich nicht übermäßig kostspielig sein und auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten. Auch kann von der Mittelsperson keine generelle und ständige Überwachung ihrer Kunden verlangt werden. Hingegen kann die Mittelsperson gezwungen werden, Maßnahmen zu treffen, die dazu beitragen zu vermeiden, dass
erneute derartige Verletzungen durch denselben Händler auftreten. Zudem müssen die Anordnungen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und der Vermeidung von Schranken für den rechtmäßigen Handel sicherstellen.

BKartA: Amazon stoppt Preisparität auf Amazon Marketplace - Händler dürfen Produkte außerhalb von Amazon auch günstiger anbieten

Das Bundeskartellamt hat mitgeteilt, dass Amazon die Preisparität auf dem Amazon Marketplace gestoppt hat. Händler dürfen nunmehr ihre Waren außerhalb des Amazon Marketplace günstiger anbieten. Die entsprechende Klausel in den Amazon-AGB wurde geändert.

Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 27.08.2013:

Amazon kündigt an, Preisparität nicht mehr durchzusetzen

Bonn, 27. August 2013: Amazon hat dem Bundeskartellamt mitgeteilt, dass das Unternehmen beabsichtigt, die Preisparität auf dem Amazon Marketplace nicht mehr durchzusetzen. Danach müssen Händler jedenfalls auch bei Amazon den jeweils günstigsten Preis anbieten. Nach der Mitteilung sind die entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für einen Teil der Händler bereits geändert worden.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Das Bundeskartellamt bewertet derzeit, ob die Maßnahmen nach Form, Inhalt und Umfang ausreichen, das Verfahren gegen Amazon insoweit zu erledigen. Hierfür ist unter anderem erforderlich, dass das Unternehmen von der Preisparität endgültig Abstand nimmt und auch nach den Umständen keine Wiederholungsgefahr mehr besteht. All dies ist derzeit noch Gegenstand unserer Prüfung.“

AG Bochum: Kein Anspruch einer Dienstleistungs- und Handelsplattform für Unternehmer auf Zahlung von Mitgliedsbeitrag, wenn sich eine Privatperson anmeldet

AG Bochum
Urteil vom 16.04.2012
47 C 59/12


Das AG Bochum hat entschieden, dass der Betreiber einer Dienstleistungs- und Handelsplattform für Unternehmer keinen Anspruch auf Zahlung des Mitgliedsbeitrags hat, wenn sich eine Privatperson anmeldet und sie dieses bei der Anmeldung angibt. Laut AGB des Anbieters kann eine Anmeldung nur erfolgen, wenn der Nutzer ein Unternehmer ist.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Keine wettbewerbswidrige Irreführung durch Einstellen eines Gebrauchtwagenangebots in einer falschen Suchrubrik einer Internethandelsplattform

BGH
Urteil vom 06.10.2011 ­
I ZR 42/10


Der BGH hat entschieden, dass keine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn Gebrauchtwagenangebot in einer falschen Suchrubrik einer Internethandelsplattform eingestellt wird. Ob unter anderen Gesichtspunkten ein Wettbewerbsverstoß zu bejahen ist, hat der BGH offengelassen.

Aus der Pressemitteilung des BGH:
"Der Bundesgerichtshof hat die Klage auf die Revision der Beklagten abgewiesen. Zwar liegt in dem Angebot des Fahrzeugs in der unrichtigen Rubrik über die Laufleistung eine unwahre Angabe. Im konkreten Fall war die unzutreffende Einordnung aber nicht geeignet, das Publikum irrezuführen. Die richtige Laufleistung des Fahrzeugs ergab sich ohne weiteres bereits aus der Überschrift des Angebots, so dass eine Täuschung von Verbrauchern ausgeschlossen war. Die Frage, ob eine Einstellung in eine falsche Rubrik unter anderen Gesichtspunkten, etwa einer unzumutbaren Belästigung der Internetnutzer, wettbewerbsrechtlich unlauter ist, war nicht Gegenstand des Rechtsstreits."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:





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