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OLG München: Keine Markenrechtsverletzung aber unzulässige vergleichende Werbung durch AdWords mit Bewerbung als Alternative ohne Bezugsparameter

OLG München
Beschluss vom 04.12.2020
29 W 1708/20


Das OLG München hat entschieden, dass zwar keine keine Markenrechtsverletzung aber eine unzulässige vergleichende Werbung durch AdWords mit Bewerbung als "Alternative" vorliegt, ohne dass die Bezugsparameter für den Vergleich genannt werden.

1. Der Antragstellerin steht der mit dem Hauptantrag geltend gemachte auf Markenrecht gestützte Unterlassungsanspruch nicht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1. Abs. 5 MarkenG zu.

a) Zwar hat die Antragsgegnerin mit der Buchung des Schlüsselwortes „...“, um die streitgegenständliche Anzeige auszulösen, ein mit der Marke der Antragstellerin identisches Zeichen für identische Waren, für die die Marke Schutz genießt, benutzt. Der Markeninhaber kann sich der Benutzung eines mit seiner Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort aber nur widersetzen und eine solche Benutzung nur verbieten, wenn sie eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 30 ff. - Interflora).

aa) Die herkunftshinweisende Funktion der Marke ist beeinträchtigt, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen (EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 44 - Interflora). Danach liegt keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält. Die Herkunftsfunktion der Marke kann allerdings auch bei einer Platzierung der Anzeige in einem deutlich abgesetzten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock beeinträchtigt sein, wenn die Werbeanzeige einen Hinweis auf das Markenwort oder den Markeninhaber oder die unter der Marke vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung angebotenen Waren oder Dienstleistungen enthält (BGH GRUR 2019, 165. Rn. 63 - keine-vorwerk-vertretung: BGH. GRUR 2013, 290 Rn. 26.28 - MOST-Pralinen).

Vorliegend war die streitgegenständliche Werbung deutlich als „Anzeige“ gekennzeichnet und erschien in einem Block mit weiteren Anzeigen vor der eigentlichen Trefferliste (vgl. Anlage ASt 4). Zwar enthält die streitgegenständliche Werbeanzeige die Marke der Antragstellerin, es ist aber gleichwohl für den informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer unschwer zu erkennen, dass die in der Anzeige beworbenen Waren nicht vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sondern von einem Konkurrenten („Shirtee“) stammen. Die Werbung ist gerade darauf gerichtet, dem Nutzer eine Alternative zu ... Produkten aufzuzeigen. Der angesprochene Kunde soll animiert werden, sich nicht für ...-Angebote, sondern für Angebote des Konkurrenten „Shirtee“ zu entscheiden. Dass die beworbenen Produkte nicht vom Inhaber der Marke „...“ oder einem mit diesem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen, ist in Anbetracht der Gestaltung der Anzeige offensichtlich.

Auch die Werbefunktion, die Investitionsfunktion und die Unterscheidungskraft der Marke der Antragstellerin werden durch die die Nutzung des Zeichens „...“ als Schlüsselwort nicht beeinträchtigt (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 54 - Interflora).

bb) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nicht aufgrund der Benutzung des Zeichens „...“ in der streitgegenständlichen Anzeige selbst gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1. Abs. 5 MarkenG begründet.

Zwar stellt die Benutzung eines mit der Marke eines Mitbewerbers identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Werbenden in einer vergleichenden Werbung zu dem Zweck, die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu identifizieren, eine Benutzung für die eigenen Waren oder Dienstleistungen des Werbenden dar (BGH GRUR 2015, 1136 Rn. 15: EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 53 - L’Oréal/Bellure) und vorliegend hat die Antragsgegnerin das mit der Marke der Antragstellerin identische Zeichen „...“ in der Anzeige benutzt, um die von ihr angebotenen Waren zu identifizieren. Die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer vergleichenden Werbung, auch wenn diese den Anforderungen des § 6 UWG nicht gerecht werden sollte, kann jedoch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1. Abs. 5 MarkenG nur untersagt werden, wenn durch diese eine Funktion der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigt werden könnte (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 65 - L’Oréal Bellure).

Die Herkunftsfunktion der Marke wird durch die Nutzung des Zeichens in der Anzeige nicht beeinträchtigt. Es ist klar ersichtlich, dass die beworbenen Produkte nicht aus dem Unternehmen des Markeninhabers stammen.

Auch die Werbefunktion der Marke wird nicht beeinträchtigt. Die Benutzung dient dazu, den Internetnutzern eine Alternative zu den Waren der Antragstellerin vorzuschlagen, und stellt damit eine Praxis dar, die zum Wettbewerb gehört (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 57, 58 - Interflora).

Eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion der Marke ist nicht ersichtlich.

2. Der Beschwerde war jedoch hinsichtlich des auf Lauterkeitsrecht gestützten Hilfsantrags stattzugeben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1. Abs. 3 Nr. 1. § 3. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Bei der streitgegenständlichen Anzeige handelt es sich um vergleichende Werbung i.S.d. § 6 Abs. 1 UWG. Gemäß § 6 Abs. 1 UWG ist vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Die streitgegenständliche Anzeige macht die Antragstellerin unmittelbar erkennbar.

Es handelt sich auch nicht um eine bloße Aufforderung zum Vergleich, sondern der Vergleich ist in der Anzeige bereits enthalten.

Ein Vergleich setzt voraus, dass der Werbende eine konkrete Aussage über das Verhältnis seines Angebots zum Angebot des Mitbewerbers macht. An einem Vergleich fehlt es daher grundsätzlich bei der bloßen Aufforderung, sich über das Angebot von Mitbewerbern zu informieren, um einen Vergleich vornehmen zu können. Es kommt darauf an, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Äußerung des Werbenden im konkreten Zusammenhang verstehen. Je konkreter die Werbung sich auf ein Produkt, seine Eigenschaften oder seinen Preis bezieht, desto eher wird in der Aufforderung zum Vergleich mit dem Angebot eines Mitbewerbers ein verkappter Vergleich liegen. Denn darin steckt die Behauptung, das eigene Angebot sei dem des Mitbewerbers überlegen oder doch gleichwertig (Köhler/Bornkamm/Feddersen. UWG. 38. Aufl., § 6 Rn. 56 w.w.N.).

Vorliegend bewirbt die Antragsgegnerin ihr eigenes Angebot als „Alternative“ zum Angebot der Antragstellerin und fordert die Nutzer auf, von der Antragstellerin zu ihr zu wechseln. Darin liegt die Behauptung, ihr eigenes Angebot sei (in welcher Hinsicht auch immer) zumindest gleichwertig, denn nur dann ist es eine echte „Alternative“ und der vorgeschlagene Wechsel kommt in Betracht.

Der Vergleich bezieht sich aber nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen und ist daher gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG unlauter. Aus der Werbung ist gerade nicht ersichtlich, in Bezug auf welche Kriterien die Produkte der Antragsgegnerin eine „Alternative“ zu den Produkten der Antragstellerin darstellen und einen „Wechsel“ begründen könnten.


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BGH: Täuschung über Identität des Anbieters auf Online-Handelsplattform nicht vom Schutzbereich des Markenrechts erfasst wenn nicht über Hersteller getäuscht wird

BGH
Urteil vom 15.10.2020
I ZR 210/18
Vorwerk
MarkenG § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3; UWG § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2


Der BGH hat entschieden, dass die Täuschung über die Identität des Anbieters auf einer Online-Handelsplattform nicht vom Schutzbereich des Markenrechts erfasst wird, wenn nicht über den Markeninhaber / Hersteller getäuscht wird.

Leitsätze des BGH:

1. Die Täuschung über die Identität eines Anbieters, die keine unzutreffende Vorstellung über die Herkunft eines mit der Marke beworbenen Produkts aus dem Betrieb des Markeninhabers verursacht, liegt außerhalb des Schutzbereichs der markenrechtlichen Herkunftshinweisfunktion.

2. Der Umstand, dass ein bestimmter Markenhersteller zum Kreis der auf einem Online-Marktplatz vertretenen Anbieter gehört, kann ein wesentliches Merkmal dieses Dienstleistungsangebots im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG darstellen.

BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 210/18 - OLG Köln - LG Köln

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OLG Frankfurt: Verknüpft Suchmaschinenbetreiber ohne Wissen des AdWords-Kunden Anzeige mit fremder Marke als Keyword kommt nur eine Störerhaftung in Betracht

OLG Frankfurt
Beschluss vom 19.03.2020
6 U 240/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass in dem Fall, wenn ein Suchmaschinenbetreiber ohne Wissen des AdWords-Kunden die AdWords-Anzeige mit einer fremden Marke oder einem fremden Unternehmenskennzeichen als Keyword, nur eine Störerhaftung des Anzeigenkunden in Betracht kommt.

Leitsätze des Gerichts:

1. Verknüpft ein Suchmaschinenanbieter ohne Wissen des Adwords-Kunden dessen Anzeige so, dass bei Eingabe eines Unternehmenskennzeichens als Suchwort die Anzeige erscheint, kommt von vorneherein nur eine Störerhaftung des Adwords-Kunden in Betracht.

2. Eine markenmäßige Benutzung kommt bei Adwords-Anzeigen in eindeutig abgegrenzten Bereichen in Fällen einer möglichen Zuordnung zu einem Vertriebsnetz nur in Betracht, wenn der Verkehr Kenntnis vom Vorliegen eines derartigen Vertriebsnetzes hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zu Recht aufgehoben, da dem Antragsteller kein Unterlassungsanspruch zusteht.

1.) Der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist auf eine Haftung des Antragsgegners als Störer beschränkt; die erstinstanzlich noch geltend gemachte Haftung der Antragsgegnerin als Täterin hat der Antragsteller auf Hinweis des Senats ausdrücklich nicht mehr zum Gegenstand der Berufung macht, so dass die Entscheidung des Landgerichts insoweit formell rechtskräftig geworden ist. Täter- und Störerhaftung stellen auch zwei Streitgegenstände dar (BGH GRUR 2010, 633, Rnr. 35, 37 - Sommer unseres Lebens).

Soweit sich der Antragsteller auch in zweiter Instanz mit einer möglichen Beauftragtenhaftung der Antragsgegnerin nach §§ 15 VI, 14 VII MarkenG befasst, wäre eine solche Störerhaftung daher nicht streitgegenständlich. Die Haftung für den Beauftragten nach § 15 VI MarkenG stellt nämlich eine Haftung als Täter dar. Im Übrigen erscheint es ausgesprochen fernliegend, dass die Fa. Google als größte Suchmaschinenanbieter der Welt im Sinne von §§ 15 VI, 14 VII MarkenG in die betriebliche Organisation der Antragsgegnerin derart eingegliedert ist, dass diese auf die Tätigkeit, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt, als Betriebsinhaberin einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hätte (zu diesen Voraussetzungen vgl. BGH GRUR 2009, 1167 Rn. GRUR Rnr. 21 - Partnerprogramm).

2.) Hinsichtlich der ersten im Screenshot enthaltenen Ad-Words-Anzeige kann dahinstehen, ob hierin eine markenmäßige Benutzung des Unternehmenskennzeichens des Antragstellers zu sehen ist, wie der Senat noch im Beschwerdeverfahren angenommen hatte. Es fehlt jedenfalls an einer Haftung der Antragsgegnerin als Störerin.

a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152 Rnr. 45 - Kinderhochstühle im Internet, m.w. Nachw.). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR 2001, 1038 - ambiente.de; BGH, GRUR 2004, 438, 442 - Feriendomizil I). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH GRUR 2001, 1038 - am-biente.de; BGH GRUR 2010, 633 - Sommer unseres Lebens).

b) In der vorliegen Konstellation kann daher eine Störerhaftung der Antragsgegnerin erst ab Kenntnis von der Tatsache in Betracht kommen, dass bei Eingabe des Unternehmenskennzeichens des Antragstellers als Suchwort eine Anzeige für das Vertriebssystem der Antragsgegnerin angezeigt wird. Eine derartige Kenntnis der Antragstellerin vor der Abmahnung durch den Antragsteller am 03.06.2019 hat der Antragsteller hier nicht vorgetragen. Frühestens mit Zugang der Abmahnung kommt daher eine Störerhaftung der Antragsgegnerin überhaupt in Betracht. Für die erste, vor der Abmahnung erschienene Adwords-Anzeige haftet daher die Antragsgegnerin nicht als Störerin.

3.) Hinsichtlich der beiden weiteren Ad-Words-Anzeigen am 31.07. und 03.08.2019 kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin als Störerin haften würde; es fehlt jedenfalls an der für einen Markenverletzung notwendigen markenmäßigen Benutzung des Unternehmenskennzeichens „B“.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Markenrecht - die für Unternehmenskennzeichenrecht ebenso anwendbar ist, da der Schutz des Unternehmenskennzeichenrecht nach § 15 II MarkenG eine kennzeichenmäßige Verwendung voraussetzt, worunter auch der markenmäßige Gebrauch fäll (BGH GRUR 2009, 685 - ahd.de) - liegt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in aller Regel keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält (vgl. BGH GRUR 2014, 182, Rnr. 20 ff - Fleurop; BGH, GRUR 2013, 290 Rnr. 26 - MOST-Pralinen, m. w. Nachw.).

Der verständige Internetnutzer erwartet in einem von der Trefferliste räumlich, farblich oder auf andere Weise deutlich abgesetzten und mit dem Begriff „Anzeigen“ gekennzeichneten Werbeblock nicht ausschließlich Angebote des Markeninhabers oder mit ihm verbundener Unternehmen. Ihm ist klar, dass eine notwendige Bedingung für das Erscheinen der Anzeige vor allem deren Bezahlung durch den Werbenden ist. Ihm ist zudem bekannt, dass regelmäßig auch Dritte bezahlte Anzeigen bei Suchmaschinen schalten. Er hat daher keinen Anlass zu der Annahme, eine bei Eingabe einer Marke als Suchwort in der Anzeigenspalte erscheinende AdWords-Anzeige weise allein auf das Angebot des Markeninhabers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmens hin.

Rechnet der Internetnutzer mit Angeboten, die nicht vom Markeninhaber oder von mit ihm verbundenen Unternehmen stammen, bedarf es daher keines Hinweises auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auszuschließen.

Den Rahmen dieser zulässigen, nicht kennzeichenmäßigen Verwendung des Unternehmenskennzeichens des Antragstellers verlassen die weiteren streitgegenständlichen Adwords-Anzeigen hier nicht.

In der Anzeige vom 31.07.2019 erscheint die Ad-Words-Anzeige, in einem räumlich abgegrenzten, durch „Anzeige“ deutlich gekennzeichneten Bereich. Gleiches gilt für die Anzeige vom 03.08.2019. Soweit am unteren Bildrand das Unternehmenskennzeichen des Antragstellers samt Bild erscheint, handelt es sich insoweit um ein generisches Suchergebnis, das von der Werbung abgegrenzt ist. Der Verkehr erkennt daher, dass ein Bezug zur Anzeige nicht existiert.

b) Unter besonderen Umständen ist allerdings ausnahmsweise auch in dem Fall, dass die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält, ein Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erforderlich, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke auszuschließen.

Der EuGH hat in der Sache „Interflora“ ausgeführt, es könne in Fällen, in denen das Vertriebsnetz des Markeninhabers aus zahlreichen Einzelhändlern zusammengesetzt sei, für den normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer besonders schwer sein, ohne Hinweis des Werbenden zu erkennen, ob dieser zu diesem Vertriebsnetz gehöre oder nicht (EuGH, GRUR 2011, 1124 Rnr. 52 - Interflora/M&S). Deshalb habe das nationale Gericht unter Berücksichtigung dieses Umstands und anderer Faktoren, die es als relevant erachte, zu beurteilen, ob ein solcher Internetnutzer, der in seinem Suchbegriff die Marke verwende, auf Grund der in der Werbeanzeige verwendeten Formulierungen erkennen könne, dass der Einzelhändler nicht zum Vertriebsnetz des Markeninhabers gehöre (EuGH, GRUR 2011, 1124 Rnr. 53 - Interflora). Die Rechtsprechung des EuGH ist zwar für das rein nationale Recht des Unternehmenskennzeichnung nicht bindend; indes verlangt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kennzeichenrechte bei der Anwendung originär dem Schutz geschäftlicher Bezeichnungen gewidmeter Normen die Berücksichtigung originär markenrechtlicher Wertungen (vgl. BGH GRUR 2001, 344, 345 - DB Immobilienfonds).

Unter diesen besonderen Umständen kann - vor dem Hintergrund der „Fleurop“-Rechtsprechung des BGH (GRUR 2014, 182, Rnr. 33 ff.) - eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion nur durch einen Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ausgeschlossen werden.

Diese besonderen Umstände liegen jedoch bei den Auszügen vom 31.07. und vom 03.08.2019 nicht vor, da für den Verkehr eine derartige Annahme eines Vertriebsnetzes nicht naheliegt. Der angesprochene allgemeine Verkehr wird nämlich schlicht keinerlei Kenntnis von dem Vertriebsnetz der Antragsgegnerin haben. Soweit der Senat dies im Beschwerdeverfahren angenommen hatte, lag dem eine besonders gestalte Ad-Words-Anzeige zugrunde, in dem durch den Verweis auf besonders „zertifizierte“ Kieferorthopäden für den Verkehr der Eindruck erweckt werden könnte, der Antragsteller gehöre zu diesen von der Antragstellerin Zertifizierten. Derartige Hinweise lässt sich den Anzeigen hier jedoch nicht entnehmen.

Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den beiden Anzeigen um typische Fälle einer zulässigen Adword-Werbung handelt, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, GRUR 2010, 445., Rnr. 83 f. - Google France und Google; EuGH, MMR 2010, 313, Rnr. 35 - BergSpechte; EuGH, GRUR 2010, 841, Rnr. 34 - Portakabin) und des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2013, 290 Rnr. 28 - MOST-Pralinen; BGH, GRUR 2018, 924, Rnr. 45 – ORTLIEB I; BGH GRUR 2019, 165, 172, Rnr. 63 - keine-vorwerk-vertretung) in ständiger Rechtsprechung für rechtmäßig erachtet wurde, da eine marken-/kennzeichenmäßige Verwendung nicht vorliegt.

4.) Auch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr kann ein Unterlassungsanspruch hier nicht begründet sein. Soweit die Antragsgegnerin die erste Adwords-Anzeige im Rahmen der Reaktion auf die Abmahnung noch als rechtmäßig angesehen hat, hat sie nach ihrem in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gehaltenen und nicht bestrittenen Vortrag nachfolgend das Unternehmenskennzeichen des Antragstellers auf die Blacklist setzen lassen. Durch diesen actus contrarius wäre eine bestehende Erstbegehungsgefahr wieder ausgeräumt gewesen (vgl. BGH GRUR 2008, 912 Rn. 30 - Metrosex; BGH GRUR 2009, 841 Rn. 23 - Cybersky). Im Gegensatz zur Wiederholungsgefahr ist bei einer Erstbegehungsgefahr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nämlich nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr in Falle einer Berühmung wie der hier vorliegenden die eindeutige Erklärung, dass die beanstandete Erklärung in Zukunft nicht mehr vorgenommen werde (BGH GRUR 2001, 1174 (1176) - Berühmungsaufgabe). Dies hat die Antragsgegnerin sowohl durch ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht als auch durch ihre Erklärung gegenüber Google getan.

Die Rechtsverteidigung im Prozess kann eine Erstbegehungsgefahr regelmäßig nicht begründen (BGH GRUR-RR 2009, 299 – Underberg).

5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichens oder einer fremden Marke für Adwords-Werbung bei Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion unzulässig

OLG Frankfurt
Beschluss vom 27.08.2019
6 W 56/19


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Verwendung eines fremden Unternehmenskennzeichens oder einer fremden Marke für Adwords-Werbung unzulässig ist, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Herkunftsfunktion des verwendeten Kennzeichens verletzt wird.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin der begehrte Unterlassungsanspruch aus §§ 15 Abs. 4 MarkenG zu. Die von der Antragsgegnerin verantwortete Adwords-Werbung verletzt das Unternehmenskennzeichenrecht des Antragstellers, da eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vorliegt.

1.) Die identische Verwendung des Unternehmenskennzeichens des Antragstellers in der Adwords-Anzeige verletzt die herkunftshinweisende Funktion des Unternehmenskennzeichens.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in aller Regel keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält (vgl. BGH GRUR 2014, 182, Rnr. 20 ff - Fleurop; BGH, GRUR 2013, 290 Rdnr. 26 - MOST-Pralinen, m. w. Nachw.).

Der verständige Internetnutzer erwartet in einem von der Trefferliste räumlich, farblich oder auf andere Weise deutlich abgesetzten und mit dem Begriff „Anzeigen“ gekennzeichneten Werbeblock nicht ausschließlich Angebote des Markeninhabers oder mit ihm verbundener Unternehmen. Ihm ist klar, dass eine notwendige Bedingung für das Erscheinen der Anzeige vor allem deren Bezahlung durch den Werbenden ist. Ihm ist zudem bekannt, dass regelmäßig auch Dritte bezahlte Anzeigen bei Suchmaschinen schalten. Er hat daher keinen Anlass zu der Annahme, eine bei Eingabe einer Marke als Suchwort in der Anzeigenspalte erscheinende AdWords-Anzeige weise allein auf das Angebot des Markeninhabers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmens hin.

Rechnet der Internetnutzer mit Angeboten, die nicht vom Markeninhaber oder von mit ihm verbundenen Unternehmen stammen, bedarf es daher keines Hinweises auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auszuschließen.

b) Im Streitfall liegen allerdings besondere Umstände vor, wonach es ausnahmsweise auch für den Fall, dass die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält, ein Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erforderlich ist, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke auszuschließen. Da die in Rede stehenden Werbeanzeigen einen solchen Hinweis nicht enthalten, ist die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt.

(1) Für den angesprochenen Verkehr liegt aufgrund des Vertriebssystems der Antragsgegnerin die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Unternehmen des Antragstellers um ein Partnerunternehmen der Antragsgegnerin handelt. Die Antragsgegnerin betreibt ein Vertriebssytem, das Online-Marketing für die Behandlung von Invisaling-Zahnschienen anbietet, die auch der Antragsteller - allerdings außerhalb des Systems der Antragsgegnerin - anbietet.

Diese Kenntnis von dem System der Antragsgegnerin kann der Verkehr - auch wenn er vorher keine Kenntnis hiervon hatte - der Anzeige unmittelbar entnehmen. Diese enthält nämlich die Angabe, „A“ (das System der Antragsgegnerin) gebe es „ausschließlich bei Invalisigns zeritfizierten Kieferorthopäden“. Damit wird für den Verkehr erkennbar, dass die Antragsgegnerin nur mit bestimmten Kieferorthopäden zusammenarbeitet, die von ihr zertifiziert werden. Zu diesen von der Antragsgegnerin zertifizierten Kieferorthopäden rechnet der Verkehr, der das Unternehmenskennzeichen des Antragsstellers in die Suche eingibt, bei Anblick der Anzeige dann auch dessen Unternehmen. Der Verkehr wird die Anzeige daher dahingehend verstehen, dass das Unternehmen des Antragstellers von der Antragsgegnerin zertifiziert ist und Teil des „A“-Systems ist.

(2) Unter diesen besonderen Umständen kann - vor dem Hintergrund der „Fleurop“-Rechtsprechung des BGH (GRUR 2014, 182, Rnr. 33 ff.) - eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion nur durch einen Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ausgeschlossen werden.

Der EuGH hat in der Sache „Interflora“ ausgeführt, es könne in Fällen, in denen das Vertriebsnetz des Markeninhabers aus zahlreichen Einzelhändlern zusammengesetzt sei, für den normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer besonders schwer sein, ohne Hinweis des Werbenden zu erkennen, ob dieser zu diesem Vertriebsnetz gehöre oder nicht (EuGH, GRUR 2011, 1124 Rdnr. 52 – Interflora/M&S). Deshalb habe das nationale Gericht unter Berücksichtigung dieses Umstands und anderer Faktoren, die es als relevant erachte, zu beurteilen, ob ein solcher Internetnutzer, der in seinem Suchbegriff die Marke verwende, auf Grund der in der Werbeanzeige verwendeten Formulierungen erkennen könne, dass der Einzelhändler nicht zum Vertriebsnetz des Markeninhabers gehöre (EuGH, GRUR 2011, 1124 Rdnr. 53). Die Rechtsprechung des EuGH ist zwar für das rein nationale Recht des Unternehmenskennzeichnung nicht bindend; indes verlangt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kennzeichenrechte bei der Anwendung originär dem Schutz geschäftlicher Bezeichnungen gewidmeter Normen die Berücksichtigung originär markenrechtlicher Wertungen (vgl. BGH GRUR 2001, 344, 345 - DB Immobilienfonds).

Zwar ist die hier vorliegende Konstellation zu der im Fleurop-Fall vorliegenden insofern abweichend, als nicht der Markeninhaber das Vertriebsnetz betreibt, sondern der Verantwortliche für die AdWords-Anzeige. Auch in dieser Konstellation kommt es jedoch dazu, dass der Verkehr keinen Aufschluss darüber erhält, ob eine wirtschaftliche Verbindung zwischen Markeninhaber und Nutzer der Marke besteht (vgl. EuGH GRUR 2011, 1124, Rnr. 49 - Interflora). Für eine Beeinträchtigung des Herkunftsfunktion ist ausreichend, dass die Ad-Words-Anzeige hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf Grund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder mit ihm wirtschaftlich verbunden ist (vgl. EuGH, GRUR 2010, 445 Rnr. 89 f. - Google France und Google; GRUR 2011, 1124 Rdnr. 45 - Interflora/M&S). Dieser Effekt tritt sowohl in der der Fleurop-Rechtsprechung zugrunde liegenden Konstellation eines Vertriebssystems auf der Markeninhaberseite als auch in dem hier vorliegenden, gleichsam „umgedrehten“ Fall vor.

(3) Die danach notwendige Klarstellung einer fehlenden wirtschaftlichen Verbindung der Antragsgegnerin zum Antragsteller erfolgte hier nicht. Alleine die Tatsache, dass im Text und durch die Domain www.(...).de auf die Herkunft der Anzeige, nämlich die Antragsgegnerin, hingewiesen wird, ist hierfür nicht ausreichend. Dies kann nämlich im Falle einer suggerierten wirtschaftlichen Verbindung die Verletzung der Herkunftsfunktion nicht ausschließen. Im Gegenteil wird diese hierdurch gerade erst begründet, da der Verkehr annimmt, der - offensichtlich mit dem Markeninhaber nicht identische - Werbende stehe mit diesem in wirtschaftlicher Verbindung.

2.) Die Antragsgegnerin ist als Geschäftsführerin der A GmbH für die Rechtsverletzung verantwortlich. Mag dabei - wie die Antragsgegnerin vorträgt - der Vorschlag des Adwords „Polzar“ vom Anbieter der Suchmaschine gekommen sein, so hat doch auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin diese durch die Auswahl der Adwords die Entscheidung getroffen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Markenrechtsverletzung durch Werbung eines Wiederverkäufers wenn Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt Unterscheidungskraft ausnutzt oder Ruf beeinträchtigt

BGH
Urteil vom 28.06.2018
I ZR 221/16
beauty for less
VO (EG) Nr. 207/2009 Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Art. 13, Art. 22 Abs. 3; VO (EU) Nr. 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 Buchst. a, Art. 15, Art. 25 Abs. 3


Der BGH hat entschieden, dass eine Markenrechtsverletzung durch Werbung eines Wiederverkäufers vorliegen kann, wenn die konkrete Gestaltung der Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, die Unterscheidungskraft ausnutzt oder Ruf beeinträchtigt.

Leitsätze des BGH:

a) Verwendet ein Wiederverkäufer eine Mehrzahl von Marken auf dem Versandkarton, in dem sich Produkte befinden, die nicht mit einer dieser Marken gekennzeichnet sind, so liegt der für die Erschöpfung des Rechts an diesen Marken erforderliche konkrete Produktbezug vor, wenn der Verkehr angesichts des Versandkartons annimmt, der Wiederverkäufer vertreibe Produkte aller dort genannten Marken, sofern dies tatsächlich der Fall ist.

b) Für das einer Erschöpfung des Markenrechts entgegenstehende berechtigte Interesse des Markeninhabers, sich der Werbung eines Wiederverkäufers zu widersetzen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Form dieser Werbung in der Branche des Wiederverkäufers unüblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die konkrete Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, ihre Unterscheidungskraft ausnutzt oder ihren Ruf beeinträchtigt.

BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 221/16 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Keine Funktionsbeeinträchtigung und keine Markenrechtsverletzung wenn Amazon bei Produktsuche nach Birkenstock auch Birki -Produkte vom selben Hersteller anzeigt

OLG Frankfurt am Main
Beschluss vom 11.04.2018
6 W 11/18


Das OLG Frankfurt hat entschieden keine Funktionsbeeinträchtigung und keine Markenrechtsverletzung vorliegt, wenn Amazon bei Produktsuche nach "Birkenstock" auch "Birki"-Produkte vom selben Hersteller anzeigt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Die deutschen Gerichte sind nach Art. 125 UMV international zuständig. Die Antragsgegnerin zu 2 verfügt über eine Niederlassung in Deutschland (Art. 125 I UMV). Im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1 ergibt sich die Zuständigkeit jedenfalls aus Art. 125 Abs. 4 Buchst. b UMV. Die Antragsgegnerinnen haben in ihrem Verteidigungsvorbringen die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht geltend gemacht (vgl. BGH GRUR 2018, 84 [BGH 09.11.2017 - I ZR 164/16] Rn. 22 - Parfummarken).

2. Der Antragstellerin steht jedoch kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch zu (Art. 9 II a, 129 I, 130 I UMV). Sie wendet sich im Kern dagegen, dass die Antragsgegnerinnen auf ihrer Handelsplattform unter dem Suchwort "Birki" Schuhwaren der Antragstellerin anbieten, die von dieser nicht unter der Marke "Birki", sondern unter der Bezeichnung "Birkenstock" in den Verkehr gebracht wurden.

a) Es besteht Doppelidentität. Die Antragsgegnerinnen haben im Quelltext ihres Angebots von "Birkenstock Classic-Schuhen" den Begriff "Birki" angegeben (; Anlage AS11). Hierbei handelt es sich um eine mit der Unionsmarke der Antragstellerin identische Bezeichnung. Sie wird für identische Waren (Schuhwaren) eingesetzt, für die die Marke Schutz genießt.

b) Der Markeninhaber kann einer Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens auch im Fall der Doppelidentität nur widersprechen, wenn dadurch eine der Funktionen der Marke beeinträchtigt werden kann (EuGH, GRUR 2009, 756Rn. 60 - L'Oréal/Bellure; GRUR 2010, 445 [EuGH 23.03.2010 - Rs. C-236/08; Rs. C-237/08; Rs. C-238/08] Rn. 76- Google France).

aa) Die Herkunftsfunktion als Hauptfunktion der Marke wird grundsätzlich bereits dann beeinträchtigt, wenn die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- und Leistungsabsatzes zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen verwendet wird. Bei Zeichenverwendungen, die das Auswahlverfahren von Internet-Suchmaschinen beeinflussen, gelten jedoch besondere Regeln. Eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist insoweit gegeben, wenn ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer auf diese Weise zu einer Internetseite des Verwenders zu führen (BGH GRUR 2010, 835 [BGH 04.02.2010 - I ZR 51/08] Rn. 43 - Power Ball). Nichts anderes gilt, wenn der Betreiber einer Internet-Handelsplattform seine interne Suchmaschine so programmiert, dass bei Eingabe der geschützten Marke Konkurrenzprodukte Dritter oder solche des Plattformbetreibers in der Trefferliste erscheinen (Senat, GRUR 2016, 620 Rn. 20 - Fatboy; Hacker in Ströbele/Hacker, 12. Aufl., § 14, Rn. 272). Hinzukommen muss bei dieser Benutzungsart allerdings, dass für den Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die Ware vom Markeninhaber oder von Dritten stammt (vgl. Presseerklärung des BGH in der Sache I ZR 138/16; BGH GRUR 2011, 828Rn. 23 - Bananabay II). Eine Beeinträchtigung soll also nur dann vorliegen, wenn mit der Trefferanzeige suggeriert wird, dass es sich um Waren des Markeninhabers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmens handelt.

bb) Mit seinem vom Landgericht zurückgewiesenen Antrag zu b) möchte die Antragstellerin das Erscheinen von solchen Angeboten unterbinden, die zwar Originalwaren aus dem Haus der Antragstellerin betreffen, die jedoch von der Antragstellerin nicht mit der Verfügungsmarke, sondern mit der Marke "Birkenstock" gekennzeichnet werden. Insoweit kann - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - eine Verletzung der Herkunftsfunktion nicht angenommen werden. Es kann dahinstehen, ob die beanstandete Verwendung der Marke als Metatag im Rechtssinne einzustufen ist oder als sog. Keyword. Nach Maßgabe der oben wiedergegeben Rechtsprechung kommt es darauf an, ob die angezeigten Treffer den unzutreffenden Eindruck erwecken können, die Ware stammt vom Markeninhaber. Ein solcher unzutreffender Eindruck entsteht im Streitfall schon deshalb nicht, weil auch die mit der Marke "Birkenstock" gekennzeichneten Schuhe von der Antragstellerin stammen.

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin für ihre abweichende Auffassung darauf, es komme bei dem Tatbestand der Doppelidentität nicht auf die "betriebliche Herkunft" der Ware an, sondern auf den Eingriff in die Verfügungsmacht des Markeninhabers. Insoweit zieht sie eine Parallele zur Rechtslage bei der Erschöpfung. Die Einrede der Erschöpfung wäre ihrer Ansicht nach überflüssig, wenn der Vertrieb von Originalware durch einen Händler schon nicht die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigen würde und es damit an einer markenmäßigen Benutzung fehlen würde. Tatsächlich ist in dem typischen Fall der Erschöpfung, also dem Vertrieb von Originalware durch einen Händler, ein Fall der Doppelidentität gegeben (Thiering in Ströbele/Hacker, 12. Aufl., § 24 Rn. 1). Die markenmäßige Benutzung leitet sich in diesen Fällen unmittelbar aus § 14 III Nr. 2 MarkenG ab. Danach ist es Dritten grundsätzlich untersagt, unter der geschützten Marke Waren anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Eine Ausnahme bildet die Erschöpfung. Der Anspruch besteht nicht, wenn die gekennzeichnete Ware erstmalig durch den Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde. Der Zweck der Erschöpfung besteht gerade darin, Ansprüche auszuschließen, wenn keine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion gegeben ist. Darüber hinaus gibt es jedoch auch andere Fälle, in denen die Herkunftsfunktion der Marke nicht beeinträchtigt wird. Insoweit ist erneut auf die oben zitierte Rechtsprechung zu den keyword-Fällen zu verweisen.

dd) Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die angegriffene Art der Benutzung die Werbefunktion nicht beeinträchtigt, auch wenn sie sich darauf auswirken mag. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird selbst durch die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens als "Keyword" für Konkurrenzprodukte im Rahmen einer Internetsuchmaschine die Werbefunktion nicht beeinträchtigt. Zwar könne eine solche Benutzung Auswirkungen auf die Möglichkeit haben, die Marke in der Werbung einzusetzen und zu einer Erhöhung des Werbeaufwands führen, um ihre Sichtbarkeit für den Verbraucher zu verbessern. Dieser Umstand lasse aber nicht ohne weiteres auf eine Beeinträchtigung der Werbefunktion schließen. Denn die Marke solle ihren Inhaber nicht vor Praktiken schützen, die zum Wettbewerb gehören (EuGH GRUR 2011, 1124Rn. 55-57 - Interflora m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn die Marke im Quelltext einer Internet-Handelsplattform so verwendet wird, dass bei Eingabe der geschützten Marke in die interne Suchfunktion Waren der Markeninhaberin oder verbundener Unternehmen in der Trefferliste erscheinen, die von dieser mit abweichenden Marken gekennzeichnet wurden.

ee) Auch die Garantiefunktion der Marke wird nicht beeinträchtigt. Die Qualitäts- oder Garantiefunktion wird typischer Weise durch das Inverkehrbringen veränderter oder verschlechterter Originalware beeinträchtigt (vgl. (BGH, Urt. v. 6.10.2011 - I ZR 6/10, Rn. 19 - Echtheitszertifikat; BGH GRUR 2005, 160, 161 - SIM-Lock). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zwar kann die Qualitätsfunktion grundsätzlich auch in anderer Weise beeinträchtigt werden, etwa dadurch, dass die Qualität einer Markenware in der Werbung falsch dargestellt wird (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, 12. Aufl., Einl. Rn. 43). Im Streitfall kann auch dies nicht angenommen werden. Für eine abweichende Güte oder Qualität der Waren ist nichts ersichtlich. Die Antragstellerin hat lediglich dargelegt, dass ihre Produkte unter der Marke "Birki" eine andere Zielgruppe ansprechen als ihre unter der Marke "Birkenstock" in den Verkehr gebrachten Produkte.

ff) Auch eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion ist nicht gegeben. Mit der "Investitionsfunktion" ist gemeint, dass eine Marke von ihrem Inhaber dazu eingesetzt werden kann, einen Ruf zu erwerben oder zu wahren, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden (EuGH GRUR 2011, 1124 Rn. 60 - Interflora). Sie ist von der Werbefunktion zu unterscheiden. Es sollen die Aufwendungen geschützt werden, die notwendig waren, um für die Marke einen Ruf zu erwerben (Hacker in Ströbele/Hacker, aaO, Rn. 45). Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Marke Bekanntheit genießt. Es genügt, dass sie bereits mit der Zielsetzung, Verbraucher zu binden, in Benutzung genommen wurde. Eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion wäre daher zu erwägen, wenn die Markeninhaberin mit der Marke "Birki" ein bestimmtes Markenimage aufbauen möchte, das sich von dem Image anderer Markenprodukte ihres Hauses deutlich abhebt, und so eine spezielle Zielgruppe ansprechen möchte. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie mit der Marke "Birki" - im Unterschied zu ihrer Bezeichnung "Birkenstock Classic" - Produkte kennzeichnet und vertreibt, die sich an eine jüngere Zielgruppe wenden (Anlage AS4). Diese Zielsetzung werde unterlaufen, wenn Händler die Marke zur Kennzeichnung von Angeboten verwenden, die gerade nicht auf diese Zielgruppe zugeschnitten sind. Die Antragstellerin hat jedoch den Aufbau eines speziellen, von der Marke "Birkenstock" abweichendes Markenimage nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerinnen haben demgegenüber dargelegt, dass die "Birki"-Produkte auf der Website "birkenstock.com" angeboten und vertrieben werden. Bei Eingabe der Domain "birki.de" wird man - wie der Senat auch selbst feststellen konnte - auf die Seite "birkenstock.com" weitergeleitet. Dort ist auf der Startseite keine eigene Rubrik "Birki" erkennbar. Die Antragstellerin stellt ihre "Birki"-Produkte also selbst in Zusammenhang mit "Birkenstock".

3. Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I, 3, 5 I, II UWG zusteht. Selbst wenn man annehmen wollte, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Fehlvorstellung besteht, bei Eingabe des Suchworts "Birki" werde nur das Erscheinen von "Birki"-Produkten ausgelöst, würde damit keine geschäftliche Entscheidung der Verbraucher veranlasst. Denn bei näherer Befassung mit dem angegriffenen Angebot erkennt der Verkehr, dass es sich bei dem angegriffenen Angebot um "Birkenstock Classic"-Schuhe handelt. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die geschäftliche Entscheidung bereits darin besteht, dass der Verbraucher - angelockt durch die Trefferliste - sich überhaupt näher mit dem Angebot der "Birkenstock Classic"-Schuhe befasst. Diese Argumentation wäre allenfalls dann stichhaltig, wenn die "Birkenstock"-Schuhe ein völlig anderes Produkt beträfen, das für einen anderen Bedarf gedacht ist. Dies ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin vertreibt ihre Birki-Produkte selbst auf einer "Birkenstock"-Website, ohne eine strikte Trennung der Produkte durchzuführen."



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