Skip to content

Volltext BGH liegt vor: Spiegel Online durfte Auszug aus Buchmanuskript von Politiker Volker Beck im Internet veröffentlichen - Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG

BGH
Urteil vom 30.04.2020
I ZR 228/15
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 14 Abs. 1; UrhG §§ 50, 51 Satz 1, § 63 Abs. 1 und 2 Satz 1; Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 und Buchst. d, Abs. 5
Reformistischer Aufbruch II


Wir hatten bereits in dem Beitrag BGH: Spiegel Online durfte Auszug aus Buchmanuskript von Politiker Volker Beck im Internet veröffentlichen - Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG über die Entscheidung berichtet.

Leitsätze des BGH:

a) Das Eingreifen der Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG setzt nicht voraus, dass es dem Berichterstatter unmöglich oder unzumutbar war, vor der Berichterstattung die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen (Aufgabe von BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - I ZR 69/14, GRUR 2016, 368 Rn. 16 - Exklusivinterview).

b) Eine Berichterstattung über Tagesereignisse ist nur dann gemäß § 50 UrhG privilegiert, wenn sie verhältnismäßig ist, das heißt mit Blick auf den Zweck der Schutzschranke, der Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit, den Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) entspricht.

c) Bei der unionsrechtskonformen Auslegung des § 50 UrhG ist zu berücksichtigen, dass die Reichweite der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG geregelten Ausnahme oder Beschränkung nicht vollständig harmonisiert ist. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind deshalb die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 und 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechte des Grundgesetzes gegeneinander abzuwägen.

d) Die Privilegierung einer Berichterstattung über Tagesereignisse setzt voraus, dass sie den Anforderungen des Drei-Stufen-Tests des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2002/29/EG genügt.

e) Liegen die Voraussetzungen der Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG vor, ist auch ein Eingriff in das Erstveröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) gerechtfertigt.

BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 228/15 - Kammergericht - LG Berlin

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Spiegel Online durfte Auszug aus Buchmanuskript von Politiker Volker Beck im Internet veröffentlichen - Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG

BGH
Urteil vom 30.04.2020
I ZR 228/15
Reformistischer Aufbruch II


Der BGH hat entschieden, dass Spiegel Online Auszüge aus einem Buchmanuskripts des Politikers Volker Beck im Internet veröffentlichen. Es lag eine zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG vor.

Die Pressemitteilung des BGH:

Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit der Veröffentlichung von Buchbeiträgen eines Bundestagsabgeordneten durch ein Internet-Nachrichtenportal

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Buchbeiträgen eines Bundestagsabgeordneten auf einem Internet-Nachrichtenportal zulässig war.

Sachverhalt:

Der Kläger war in den Jahren 1994 bis 2016 Mitglied des Bundestags. Er ist Verfasser eines Manuskripts, in dem er sich gegen die radikale Forderung einer vollständigen Abschaffung des Sexualstrafrechts wandte, aber für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern eintrat. Der Text erschien im Jahr 1988 als Beitrag in einem Buch. Im Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber des Buchs, dieser habe ohne seine Zustimmung Änderungen am Text und an den Überschriften vorgenommen, und forderte ihn auf, dies bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen. In den Folgejahren wurde der Kläger mehrfach kritisch mit den Aussagen des Buchbeitrags konfrontiert. Er erklärte daraufhin wiederholt, sein Manuskript sei durch den Herausgeber im Sinn verfälscht worden, weil dieser die zentrale Aussage - die Abkehr von der seinerzeit verbreiteten Forderung nach Abschaffung des Sexualstrafrechts - wegredigiert habe. Spätestens seit dem Jahr 1993 distanzierte sich der Kläger vollständig vom Inhalt seines Aufsatzes.

Im Jahr 2013 wurde in einem Archiv das Originalmanuskript des Klägers aufgefunden und ihm wenige Tage vor der Bundestagswahl, für die er als Abgeordneter kandidierte, zur Verfügung gestellt. Der Kläger übermittelte das Manuskript an mehrere Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es seinerzeit für den Buchbeitrag verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er nicht zu. Stattdessen stellte er das Manuskript und den Buchbeitrag mit dem Hinweis auf seiner Internetseite ein, er distanziere sich von dem Beitrag. Mit einer Verlinkung seiner Internetseite durch die Presse war er einverstanden.

Vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetportal einen Pressebericht, in dem die Autorin die Ansicht vertrat, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Die Originaldokumente belegten, dass das Manuskript nahezu identisch mit dem Buchbeitrag und die zentrale Aussage des Klägers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Die Internetnutzer konnten das Manuskript und den Buchbeitrag über einen elektronischen Verweis (Link) herunterladen. Die Internetseite des Klägers war nicht verlinkt.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung der Texte eine Verletzung seines Urheberrechts. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Kammergericht hat angenommen, die Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Texte des Klägers ohne seine Zustimmung sei auch unter Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG) gerechtfertigt. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2017 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt (I ZR 228/15, GRUR 2017, 1027 - Reformistischer Aufbruch I; dazu Pressemitteilung Nr. 124/2017 vom 27. Juli 2017). Diese Fragen hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 29. Juli 2019 (C-516/17, GRUR 2019, 940 - Spiegel Online) beantwortet. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin das Revisionsverfahren fortgesetzt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat durch die Bereitstellung des Manuskripts und des Buchbeitrags in ihrem Internetportal das Urheberrecht des Klägers nicht widerrechtlich verletzt. Zu ihren Gunsten greift vielmehr die Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) ein.

Eine Berichterstattung über ein Tagesereignis im Sinne dieser Bestimmung liegt vor. Das Berufungsgericht hat bei seiner abweichenden Annahme nicht hinreichend berücksichtigt, dass es in dem in Rede stehenden Artikel im Schwerpunkt um die aktuelle Konfrontation des Klägers mit seinem bei Recherchen wiedergefundenen Manuskript und seine Reaktion darauf ging. Dies sind Ereignisse, die bei der Einstellung des Artikels ins Internetportal der Beklagten aktuell und im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des erneut als Bundestagsabgeordneter kandidierenden Klägers von gegenwärtigem öffentlichem Interesse waren. Dass der Artikel über dieses im Vordergrund stehende Ereignis hinausgehend die bereits über Jahre andauernde Vorgeschichte und die Hintergründe zur Position des Klägers mitteilte, steht der Annahme einer Berichterstattung über Tagesereignisse nicht entgegen.

Die Berichterstattung hat zudem nicht den durch den Zweck gebotenen Umfang überschritten. Nach der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG, deren Umsetzung § 50 UrhG dient und die bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten ist, darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, wenn die Berichterstattung über Tagesereignisse verhältnismäßig ist, das heißt mit Blick auf den Zweck der Schutzschranke, der Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit, den Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) entspricht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung unionsrechtlich bestimmten innerstaatlichen Rechts die Grundrechte des Grundgesetzes oder die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union maßgeblich sind, grundsätzlich darauf an, ob dieses Recht unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht ist (dann sind in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich) oder ob dieses Recht unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist (dann gilt primär der Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes). Im letztgenannten Fall greift die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13, GRUR 2020, 74 Rn. 71 - Recht auf Vergessen I). Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass er keine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung der Reichweite der in ihm aufgeführten Ausnahmen oder Beschränkungen darstellt, ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anwendung des § 50 UrhG danach anhand des Maßstabs der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes vorzunehmen.

Im Streitfall sind nach diesen Maßstäben bei der Auslegung und Anwendung der Verwertungsrechte und der Schrankenregelungen auf der Seite des Klägers das ihm als Urheber zustehende, durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung seiner Werke zu berücksichtigen. Außerdem ist das von seinem Urheberpersönlichkeitsrecht geschützte Interesse betroffen, eine öffentliche Zugänglichmachung seines Werks nur mit dem gleichzeitigen Hinweis auf seine gewandelte politische Überzeugung zu gestatten. Für die Beklagte streiten dagegen die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Die Abwägung dieser im Streitfall betroffenen Grundrechte führt zu einem Vorrang der Meinungs- und Pressefreiheit. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagten im Rahmen ihrer grundrechtlich gewährleisteten Meinungs- und Pressefreiheit die Aufgabe zukam, sich mit den öffentlichen Behauptungen des Klägers kritisch auseinanderzusetzen und es der Öffentlichkeit durch die Bereitstellung des Manuskripts und des Buchbeitrags zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild von der angeblichen inhaltlichen Verfälschung des Aufsatzes und damit von der vermeintlichen Unaufrichtigkeit des Klägers zu machen. Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend von einem hohen Stellenwert des von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit ausgegangen. Im Hinblick auf die Interessen des Klägers ist zu berücksichtigen, dass sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Manuskripts sowie des Buchbeitrags nur unwesentlich betroffen ist, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit einer weiteren wirtschaftlichen Verwertung des Aufsatzes nicht zu rechnen ist. Sein dem Urheberpersönlichkeitsrecht unterfallendes Interesse, zu bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird, erlangt im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Die Beklagte hat ihren Lesern in dem mit der Klage angegriffenen Bericht die im Lauf der Jahre gewandelte Meinung des Klägers zur Strafwürdigkeit des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger nicht verschwiegen, sondern ebenfalls zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht. Sie hat der Öffentlichkeit damit den in Rede stehende Text nicht ohne einen distanzierenden, die geänderte geistig-persönliche Beziehung des Klägers zu seinem Werk verdeutlichenden Hinweis zur Verfügung gestellt und seinem urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interesse hinreichend Rechnung getragen.

Vorinstanzen:

LG Berlin - Urteil vom 17. Juni 2014 - 15 O 546/13

Kammergericht - Urteil vom 7. Oktober 2015 - 24 U 124/14

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 50 UrhG

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.




EuGH: Bei Überwiegen von Informationsfreiheit und Pressefreiheit Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks in Berichterstattung über Tagesereignisse ohne Zustimmung des Urhebers

EuGH
Urteil vom 29.07.2019
C-516/17
Spiegel Online / Volker Beck


Der EuGH hat entschieden, dass bei Überwiegen von Informationsfreiheit und Pressefreiheit die Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks in der Berichterstattung über Tagesereignisse ohne Zustimmung des Urhebers möglich ist.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Die Nutzung eines geschützten Werks in der Berichterstattung über Tagesereignisse erfordert grundsätzlich keine vorherige Zustimmung des Urhebers

Außerdem kann das Zitat eines Werks mittels eines Hyperlinks erfolgen, sofern das zitierte Werk der Öffentlichkeit zuvor in seiner konkreten Gestalt mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers, aufgrund einer Zwangslizenz oder aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis zugänglich gemacht wurde.

Volker Beck, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestags, ist Verfasser eines Manuskripts, in dem es um die Strafrechtspolitik im Bereich sexueller Straftaten gegenüber Minderjährigen geht und das unter einem Pseudonym als Aufsatz in einem 1988 veröffentlichten Sammelband veröffentlicht wurde. Im Jahr 2013 wurde bei Recherchen in Archiven das Manuskript von Herrn Beck aufgefunden und ihm vorgelegt, als er für die Bundestagswahl in Deutschland kandidierte.

Herr Beck, der der Auffassung war, dass sein Manuskript vom Herausgeber des Sammelbands im Sinn verfälscht worden war, stellte es verschiedenen Zeitungsredaktionen als Nachweis für diesen Umstand zur Verfügung, ohne jedoch seiner Veröffentlichung durch die Redaktionen zuzustimmen.

Er veröffentlichte das Manuskript und den Aufsatz hingegen auf seiner eigenen Website und vermerkte auf diesen Dokumenten, dass er sich von ihnen distanziere.

Spiegel Online, die im Internet ein Nachrichtenportal betreibt, veröffentlichte einen Beitrag, in dem behauptet wird, dass entgegen der Darstellung von Herrn Beck die zentrale Botschaft in seinem Manuskript nicht verändert worden sei. Spiegel Online stellte in diesem Zusammenhang Hyperlinks bereit, über die ihre Leser die Originalfassung des Manuskripts und des im Sammelband veröffentlichten Aufsatzes herunterladen konnten.

Herr Beck ist der Ansicht, dass die Bereitstellung der Hyperlinks seine Urheberrechte verletze, und beanstandet sie daher vor den deutschen Gerichten als rechtswidrig.

Der Bundesgerichtshof befragt den Gerichtshof vor diesem Hintergrund u. a. über die Reichweite der in der Urheberrechtsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen für die Berichterstattung über Tagesereignisse bzw. für Zitate, die einen Nutzer von der Pflicht befreien, die Zustimmung des Urheberrechtsinhabers einzuholen.

Mit seinem heutigen Urteil entscheidet der Gerichtshof zunächst, dass die Richtlinie die Reichweite der Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf die ausschließlichen Rechte des Urhebers zur Vervielfältigung oder öffentlichen Wiedergabe seines Werks nicht vollständig harmonisiert. Den Mitgliedstaaten verbleibt daher für ihre Umsetzung und Anwendung ein erheblicher, wenn auch streng geregelter Gestaltungsspielraum.

Der Gerichtshof stellt sodann fest, dass die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, außerhalb der in der Richtlinie dafür vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen keine Abweichung von den ausschließlichen Rechten des Urhebers zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe rechtfertigen können.

Was die Abwägung angeht, die das nationale Gericht zwischen den ausschließlichen Rechten des Urhebers und dem Recht auf freie Meinungsäußerung vornehmen muss, hebt der Gerichtshof hervor, dass der Schutz des Rechts des geistigen Eigentums nicht bedingungslos ist und dass gegebenenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Art der betreffenden „Rede“ oder Information insbesondere im Rahmen der politischen Auseinandersetzung oder einer das allgemeine Interesse berührenden Diskussion von besonderer Bedeutung ist.

Zu der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Nutzung geschützter Werke in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse zu erlauben (soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird), entscheidet der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer solchen Ausnahme oder Beschränkung diese nicht davon abhängig machen dürfen, dass der Urheber zuvor um seine Zustimmung ersucht
wurde.

Insoweit ist es Sache des Bundesgerichtshofs, zu prüfen, ob die Veröffentlichung der Originalfassungen des Manuskripts und des Aufsatzes von 1988 im Volltext und ohne die Distanzierungsvermerke von Herrn Beck erforderlich war, um das verfolgte Informationsziel zu erreichen.

Hinsichtlich der von der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme für Zitate stellt der Gerichtshof fest, dass es nicht notwendig ist, dass das zitierte Werk – beispielsweise durch Einrückungen oder die Wiedergabe in Fußnoten – untrennbar in den Gegenstand eingebunden ist, in dem es zitiert wird. Vielmehr kann sich ein solches Zitat auch aus der Verlinkung auf das zitierte Werk ergeben.

Die Nutzung muss jedoch den anständigen Gepflogenheiten entsprechen und durch den besonderen Zweck gerechtfertigt sein. Folglich darf die Nutzung des Manuskripts und des Aufsatzes durch Spiegel Online für Zitatzwecke nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des mit dem Zitat verfolgten Ziels erforderlich ist.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Ausnahme für Zitate nur unter der Voraussetzung Anwendung findet, dass das fragliche Zitat ein Werk betrifft, das der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht wurde. Das ist der Fall, wenn das Werk der Öffentlichkeit zuvor in seiner konkreten Gestalt mit Zustimmung des Rechtsinhabers,
aufgrund einer Zwangslizenz oder aufgrund einer gesetzlichen Erlaubnis zugänglich gemacht wurde.

Es ist Sache des Bundesgerichtshofs, zu prüfen, ob dem Herausgeber bei der ursprünglichen Veröffentlichung des Manuskripts als Aufsatz in einem Sammelband durch Vertrag oder anderweitig das Recht zustand, die fraglichen redaktionellen Änderungen vorzunehmen. Sollte das nicht der Fall sein, wäre davon auszugehen, dass das Werk, wie es in dem Sammelband veröffentlicht wurde, mangels Zustimmung des Rechtsinhabers der Öffentlichkeit nicht rechtmäßig zugänglich gemacht wurde.

Bei der Veröffentlichung des Manuskripts und des Artikels von Herrn Beck auf dessen eigener Website wurden diese Dokumente hingegen nur insoweit der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht, als sie mit den Distanzierungsvermerken von Herrn Beck versehen waren.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:




VGH Bayern: Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte als unzulässiges zu Eigen machen - Unterlassungsverfügung durch Behörde berechtigt

VGH Bayern
Beschluss vom 05.01.2018
7 ZB 18.31


Der VGH Bayern hat entschieden, dass die Verlinkung auf rechtswidrige Inhalte ein unzulässiges zu Eigen machen der Inhalte darstellt. Das Gericht bestätigte eine Unterlassungsverfügung der zuständigen Behörde.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2013, mit dem diese ein von ihm verbreitetes Internetangebot aufgrund seines rechtsextremen Inhalts u.a. missbilligt und ihm die weitere Verbreitung und Zugänglichmachung einer Verlinkung auf seiner Webseite untersagt hat.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 23. Februar 2017 abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten sei, soweit sie mit diesem einen Beschluss der zuständigen Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) umgesetzt habe, nicht zu beanstanden.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weiche von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den vorgelegten Behördenakt verwiesen.
II.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.

1. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) ist nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise darlegt. Zur Darlegung ernstlicher Zweifel muss der Rechtsmittelführer nach Zustellung des vollständigen verwaltungsgerichtlichen Urteils fristgerecht einen tragenden Rechtssatz der Ausgangsentscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen nach seiner Auffassung ernstlichen Zweifeln begegnen (stRspr. z.B. BayVGH B.v. 14.7.2017 – 7 ZB 16.1220 – juris m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag des Klägers nicht. Das Verwaltungsgericht geht zutreffend und mit ausführlicher Begründung davon aus, der Kläger habe sich durch die erfolgte Verlinkung auch die indizierten Inhalte einer anderen Webseite zu Eigen gemacht. Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren, ihm seien die betreffenden Inhalte tatsächlich nicht bekannt gewesen bzw. er habe sich mittlerweile von diesen distanziert und die fragliche Verlinkung beseitigt, setzt sich mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit in keiner Weise auseinander und ist deshalb auch nicht geeignet, diese in Frage zu stellen.

Das Gleiche gilt für den Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe mehrere (als gefährdend eingeschätzte) Grafiken falsch beschrieben: Die vom Kläger im Zulassungsverfahren vorgelegten Grafiken zur Illustration „Nationalsozialistischer Wirtschaftsaufbau und seine Grundlagen“, die einen Mann im braunen Hemd vor einer Hakenkreuzflagge und weitere Motive zeigen, entsprechen genau der von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht vorgenommenen Beschreibung. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist insoweit nicht nachvollziehbar.

Und schließlich ist – entgegen der Auffassung des Klägers – auch die vorgenommene Gebührenfestsetzung ausreichend begründet worden. Insoweit nimmt das Gericht gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe (S. 38 f.) des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab

2. Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) wurde nicht in einer den gesetzlichen Erfordernissen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) genügenden Weise dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinn kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage voraus, außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll sowie die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit (BayVGH B.v. 20.4.2016 – 7 ZB 15.2774 – juris; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Dort wird bereits keine konkrete entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Vielmehr erschöpft sich das Vorbringen des Klägers in dieser Hinsicht in der Behauptung, die Rechtssache habe „grundsätzliche Bedeutung für die Frage der Haftung für „Hyperlinks“ im Internet“.

3. Der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht erfüllt und auch nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Hierzu muss ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter, inhaltlich bestimmter Rechtssatz aufgezeigt werden, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in Widerspruch steht (stRspr., z.B. BayVGH B.v. 30.10.2008 – Az. 19 ZB 08.1376). Derartige abstrakte Rechtssätze hat die Antragsbegründung jedoch nicht herausgearbeitet. Insbesondere reicht insoweit der Verweis auf einen Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November 1990 (1 BvR 402/87 – juris „Josefine Mutzenbacher“) nicht aus. Abgesehen davon, dass sich diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) bezieht und nicht auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang beanspruchte Meinungsfreiheit i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, genügt die nach Auffassung des Rechtsmittelführers fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung eines Rechtssatzes nicht den Zulassungsanforderungen an die Divergenzrüge (vgl. dazu auch: BayVGH B.v. 15.1.2009 – 7 ZB 06.3284 – juris)."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


Generalanwalt beim EuGH: Setzen eines Links allein stellte keine Urheberrechtsverletzung dar sofern die Inhalte im Internet frei zugänglich sind

Generalanwalt beim EuGH
C-160/15
GS Media BV gegen
Sanoma Media Netherlands BV and Playboy Enterprises International Inc. and Britt Geertruida Dekker


Der Generalanwalt beim EuGH hat sich heute in diesem Verfahren zur möglichen Haftung für die Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte (hier: Fotos ) geäußert und ausgeführt, dass das Setzen eines Links allein keine Urheberrechtsverletzung darstellt, sofern die Inhalte im Internet frei zugänglich sind. Ob die Fotos mit Zustimmung des Rechteinhabers auf der verlinkten Webseite veröffentlicht werden oder nicht, ist - so der Generalanwalt - nicht relevant. Auf die Motivation desjenigen, der den Link setzt, kommt es ebenso wenig an wie auf den Umstand, ob dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass die Veröffentlichung auf der verlinkten Webseite ohne Zustimmung des Urhebers erfolgt.

Die Pressemitteilung des EuGH:

Nach Auffassung von Generalanwalt Melchior Wathelet stellt das Setzen eines Hyperlinks zu einer Website, auf der ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers Fotos veröffentlicht worden sind, an sich keine Urheberrechtsverletzung dar.

Auf die Beweggründe der Person, die den Hyperlink setzt, und darauf, dass sie wusste oder hätte wissen müssen, dass die ursprüngliche Wiedergabe der Fotos auf anderen Websites ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, kommt es nicht an.

Nach einer Unionsrichtlinie bedarf jede Handlung der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers.

Sanoma, die Verlegerin der monatlich erscheinenden Zeitschrift Playboy, hatte eine Fotoreportage über Frau Britt Dekker in Auftrag gegeben. Frau Dekker tritt in den Niederlanden regelmäßig im Fernsehen auf. GS Media, die Betreiberin der Website GeenStijl, veröffentlichte Anzeigen und einen Hyperlink zu einer australischen Website, auf der die Fotos ohne Genehmigung von Sanoma zugänglich gemacht worden waren. Trotz entsprechender Aufforderungen durch Sanoma weigerte ich GS Media, den Hyperlink zu entfernen. Als die Fotos auf der australischen Website auf Verlangen von Sanoma entfernt wurden, wurde auf der Website GeenStijl eine neue Anzeige veröffentlicht, die wieder einen Hyperlink enthielt, und zwar zu einer anderen Website, auf der die Fotos zu sehen waren. Auch dort wurden die Fotos schließlich auf Verlangen von Sanoma entfernt. Die Internetnutzer, die das Forum von GeenStijl besuchten, setzten daraufhin neue Hyperlinks zu anderen Websites mit den Fotos.
Sanoma wirft GS Media eine Urheberrechtsverletzung vor. In einem Kassationsverfahren hat der Hoge Raad der Nederlanden (Kassationshof, Niederlande) dem Gerichtshof eine Frage hierzu vorgelegt. Er weist insbesondere darauf hin, dass die Fotos, bevor GS Media den Hyperlink gesetzt habe, zwar nicht überhaupt nicht, aber auch nicht leicht zu finden gewesen seien, so dass das Auffinden durch das Setzen des Hyperlinks enorm vereinfacht worden sei.

In seinen heutigen Schlussanträgen stellt Generalanwalt Melchior Wathelet zunächst klar, dass sich das Vorabentscheidungsersuchen nur auf die Hyperlinks auf der Website GeenStijl bezieht. Die Urheberrechtsverletzungen durch Zugänglichmachung der Fotos auf anderen Websites sind nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens.

Der Generalanwalt führt aus, dass Hyperlinks auf einer Website das Entdecken anderer Websites und der geschützten Werke, die dort zugänglich sind, zwar erheblich erleichtern und den Besuchern der Website damit einen schnelleren und direkteren Zugang zu den geschützten Werken bieten. Durch die entsprechenden Hyperlinks werden die geschützten Werke, sofern sie
bereits auf einer anderen Website frei zugänglich sind, aber nicht der Öffentlichkeit „zugänglich gemacht“, auch nicht wenn es sich um direkte Hyperlinks handelt. Mit den Hyperlinks wird lediglich die Entdeckung der geschützten Werke erleichtert. Die eigentliche „Zugänglichmachung“ ist durch die ursprüngliche Wiedergabe erfolgt.

Hyperlinks auf einer Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, können daher nicht als „Handlung der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie eingestuft werden. Das Tätigwerden des Betreibers der Website, der den Hyperlink setzt,hier der GS Media, ist für die Zugänglichmachung der Fotos für die Internetnutzer, auch die Internetnutzer der Website GeenStijl, nicht unerlässlich.

Insoweit kommt es auf die Beweggründe von GS Media und darauf, dass GS Media wusste oder hätte wissen müssen, dass die Fotos auf den anderen Websites ursprünglich ohne die Zustimmung von Sanoma wiedergegeben und auch nicht vorher mit Zustimmung von Sanoma für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren, nicht an.

Der Generalanwalt weist jedoch darauf hin, dass diese Schlussfolgerungen auf der Prämisse beruhen, dass die Fotos auf den Drittwebsites für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich waren. Es ist Sache des Hoge Raad, die Tatsachenfrage zu klären, ob ein Tätigwerden von GS Media unerlässlich war, um den Besuchern der Website GeenStijl die Fotos zugänglich zu machen.
Der Generalanwalt ist der Auffassung, dass jede andere Auslegung des Begriffs „Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit“ das Funktionieren des Internets erheblich beeinträchtigen und die Verwirklichung eines Hauptziels der Richtlinie, nämlich die Förderung der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Europa, gefährden würde.

Er führt insoweit aus, dass, auch wenn die Umstände im vorliegenden Fall besonders offenkundig sind, die Internetnutzer normalerweise nicht wissen, ob ein geschütztes Werk, das im Internet frei zugänglich ist, ursprünglich mit oder ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, und auch nicht in der Lage sind, dies herauszufinden. Liefen die Internetnutzer, wenn sie einen Hyperlink zu Werken setzen, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, Gefahr, gerichtlich wegen Verletzung von Urheberrechten belangt zu werden, würden sie noch mehr davor zurückscheuen, solche Links zu setzen, was dem guten Funktionieren des Internets, dessen Architektur als solcher und letztlich
der Entwicklung der Informationsgesellschaft abträglich wäre



BGH: Haftung des Webseitenbetreibers für wettbewerbswidrige Inhalte auf verlinkter Seite - Prüfungspflichten auf Grundlage der Störerhaftung

BGH
Urteil vom 18.06.2015
I ZR 74/14
Haftung für Hyperlink
UWG § 8 Abs. 1


Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst unter welchen Voraussetzungen ein Webseitenbetreiber für Wettbewerbsverstöße haftet, wenn dieser per Link auf eine andere Webseite mit wettbewerbswidrigen Inhalten verweist. Macht sich der Webseitenbetreiber die fremden Inhalte zu eigen, so haftet dieser wie für eigene Inhalte. Aber auch sonst kann ein Webseitenbetreiber unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung unter Umständen in Anspruch genommen werden. Ist der Rechtsverstoß erkennbar, so haftet der Verlinkende. Ist der Verstoß nicht leicht erkennbar, so kommt eine Haftung in Betracht, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte Kenntnis erlangt oder darüber informiert wird. Dann muss der Verlinkende auch nicht leicht erkennbare Verstöße auf ihre Rechtswidrigkeit überprüfen.

Leitsätze des BGH:

a) Eine Haftung für die Inhalte einer über einen Link erreichbaren Internetseite wird nicht allein dadurch begründet, dass das Setzen des Links eine geschäftliche Handlung des Unternehmers darstellt.

b) Wer sich fremde Informationen zu Eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Hyperlinks verweist, haftet dafür wie für eigene Informationen. Darüber hinaus kann, wer seinen Internetauftritt durch einen elektronischen Verweis mit wettbewerbswidrigen Inhalten auf den Internetseiten eines Dritten verknüpft, im Fall der Verletzung absoluter Rechte als Störer und im Fall der Verletzung sonstiger wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen aufgrund der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Anspruch genommen werden, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat.

c) Ist ein rechtsverletzender Inhalt der verlinkten Internetseite nicht deutlich erkennbar, haftet derjenige, der den Link setzt, für solche Inhalte grundsätzlich erst, wenn er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte selbst oder durch Dritte Kenntnis erlangt, sofern er sich den Inhalt nicht zu eigen gemacht hat.

d) Der Unternehmer, der den Hyperlink setzt, ist bei einem Hinweis auf Rechtsverletzungen auf der verlinkten Internetseite zur Prüfung verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um eine klare Rechtsverletzung handelt.

BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - I ZR 74/14 - OLG Köln - LG Köln