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OLG Frankfurt: Schadensersatz für Jörg Kachelmann gegen Ex-Geliebte wegen eines falschen Vergewaltigungsvorwurfs und dadurch verursachte Untersuchungshaft

OLG Frankfurt
Urteil vom 28.9.2016
18 U 5/14

Das OLG Frankfurt hat dem Wettermoderator Jörg Kachelmann Schadensersatz gegen seine Ex-Geliebte wegen eines falschen Vergewaltigungsvorwurfs und dadurch verursachte Untersuchungshaft zugesprochen


Die Pressemitteilung des Gericht:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main spricht Wettermoderator K. Schadenersatz wegen falschen Vergewaltigungsvorwurfs zu

Mit einem heute verkündeten Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) die beklagte Ex-Geliebte des bekannten Wettermoderators K. verurteilt, Schadenersatz für Kosten zu leisten, die K. dadurch entstanden sind, dass er aufgrund eines von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwurfs in Untersuchungshaft genommen wurde.

Zum Hintergrund

Die Beklagte hatte K. am 9.2.2010 mit der Behauptung angezeigt, sie am Tag zuvor in ihrer Wohnung vergewaltigt zu haben, indem er ihr ein Küchenmesser an den Hals gedrückt und unter Todesdrohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Infolgedessen erließ das Amtsgericht Mannheim Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen K., der hierauf am 20.3.2010 auf der Rückreise aus Kanada am Frankfurter Flughafen festgenommen wurde. Auf die Haftbeschwerde K.s hob das OLG Karlsruhe den Haftbefehl am 29.7.2010 auf. Bis dahin hatte sich K. knapp vier Monate in Untersuchungshaft befunden. In dem anschließenden Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim wurde K. im Mai 2011 freigesprochen, weil die von der Beklagten behauptete Vergewaltigung nicht bewiesen werden konnte.

Mit der vorliegenden Klage fordert K. von der Beklagten Ausgleich eines Teils des Schadens, der ihm durch die Untersuchungshaft entstanden ist. K. macht geltend, dass er zur Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren mehrere Sachverständige habe beauftragen müssen, um die Glaubwürdigkeit der Beklagten sowie die von ihr vorgezeigten Verletzungen zu entkräften. Insoweit hat K. mit der Klage zunächst Kostenerstattung in Höhe von rund 13.400 € verlangt. In der Berufung hat er die Klage bis auf rund 7.100 € zurückgenommen.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts

Das zunächst angerufene Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage durch Urteil vom 23.12.2013 ab. Zur Begründung führte es aus, zwar sei K. durch die Anzeigen der Beklagten in Untersuchungshaft genommen worden - die Beklagte habe ihn also der Freiheit beraubt, indem sie staatliche Organe zum amtlichen Eingreifen veranlasst habe. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft sei jedoch, dass es sich um eine wahrheitswidrige Anzeige gehandelt habe. Der Beklagten könnte aber nicht vorgeworfen werden, dass sie K. vorsätzlich wahrheitswidrig einer Vergewaltigung bezichtigt habe mit dem Ziel, diesen seiner Freiheit zu berauben. Es sei möglich, dass die Beklagte durch „nicht-intentionale Verfälschungs- und Verzerrungseffekte" subjektiv der festen Überzeugung gewesen sei, Opfer einer Vergewaltigung gewesen zu sein, obwohl dies objektiv nicht der Fall war.

Das Berufungsverfahren und die Entscheidung des OLG

Gegen die Klageabweisung hat K. Berufung zum OLG eingelegt. Das OLG hat eine Beweisaufnahme durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens angeordnet, insbesondere zu der Frage, ob sich die Beklagte die im Zuge der Strafanzeige festgestellten Verletzungen selbst zugefügt haben kann.

Mit dem heutigen Urteil hat das OLG die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und K. den begehrten Schadenersatz zugesprochen, soweit er die Klage nicht zurückgenommen hat. Zur Begründung führt das OLG aus:

Die Beklagte habe sich gegenüber K. schadenersatzpflichtig gemacht, weil sie wissentlich eine unwahre Strafanzeige erstattet und so - wie von ihr beabsichtigt - die Anordnung der Untersuchungshaft gegen K. herbeigeführt habe. Hierdurch habe sich die Beklagte der Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Die erlittene Freiheitsentziehung beruhe zwar unmittelbar auf dem Haftbefehl; die Beklagte müsse sich jedoch das staatliche Handeln im Wege der mittelbaren Täterschaft zurechnen lassen, da sie die Ermittlungsbehörden durch die wahrheitswidrige Anzeige und falsche Aussagen vorsätzlich getäuscht habe. Die Überzeugung, dass die Beklagte K. vorsätzlich der Wahrheit zuwider der Vergewaltigung bezichtigt habe, gründe sich auf das Ergebnis der in der Berufung durchgeführten Beweisaufnahme. Hiernach habe sich die Behauptung K.s bestätigt, die Beklagte habe sich die festgestellten Verletzungen selbst zugefügt.

So spreche das Verletzungsbild in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Schilderungen der Beklagten nach den Feststellungen des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main für eine Selbstbeibringung. Bedeutsam sei ferner, dass die Schilderungen der Beklagten zum angeblichen Vergewaltigungsgeschehen nicht mit den Verletzungen in Übereinstimmung zu bringen seien und ihre Aussagen für sich genommen erhebliche Plausibilitätsdefizite aufwiesen. Zudem habe die Beklagte im Ermittlungsverfahren unstreitig teilweise falsch ausgesagt.

Die Beklagte habe auch mit direktem Vorsatz gehandelt. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass es ihr gerade darauf angekommen sie, die Verhaftung des K. herbeizuführen.

Für ausgeschlossen hielt das OLG, dass bei der Beklagten eine "Autosuggestion" vorlag, die dazu geführt habe, dass sie nur glaubte, vergewaltigt worden zu sein. Die entsprechende Annahme des Landgerichts sei nicht nur spekulativ, sondern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach sich die Beklagte die Verletzungen selbst zufügte, auch widerlegt.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.9.2016, Aktenzeichen 18 U 5/14
(vorgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.12.2013, Aktenzeichen 2-18 O 198/12)


BGH-Entscheidung im Rechtsstreit Kachelmann gegen bild.de liegt im Volltext vor - Berichtertstattung über laufendes Strafverfahren

BGH
Urteil vom 19.03.2013
VI ZR 93/12
BGB § 823 Abs. 1 Db, G, § 1004 Abs. 1, GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1


Wir hatten bereits in dem Beitrag "BGH: Kachelmann gegen bild.de - Zur Zulässigkeit der Berichterstattung über laufendes Strafverfahren" über die Entscheidung des BGH berichtet.

Leitsatz des BGH:
Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens über Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf sexuelle Neigungen
ergeben.

BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


BGH: Kachelmann gegen bild.de - Zur Zulässigkeit der Berichterstattung über laufendes Strafverfahren

BGH
Beschlüsse vom 19. März 2013
VI ZR 106/12, VI ZR 107/12, VI ZR 108/12
Kachelmann ./. bild.de


Das BGH hat sich in diesen Entscheidungen in den Rechtsstreitigkeiten zwischen Jörg Kachelmann und bild.de mit der Zulässigkeit der Berichterstattung über laufende Strafverfahren geäußert. Aus der Pressemitteilung des BGH:

"In dem vom Bundesgerichtshof verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13. Juni 2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift "Magazin "Focus" veröffentlicht intime Details - Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht" in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.

Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung war die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig.

Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Infolgedessen ist die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger hat sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, sind nicht ersichtlich."




Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Kachelmann gegen bild.de - Zur Zulässigkeit der Berichterstattung über laufendes Strafverfahren" vollständig lesen