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AG Hanau: Antwort per Auto-Responder wonach E-Mail-Adresse nicht mehr verwendet wird steht Zugang der E-Mail nach § 130 BGB nicht entgegen

AG Hanau
Beschluss vom 03.03.2025
32 C 226/24


Das AG Hanau hat entschieden, dass eine Antwort per Auto-Responder, wonach die E-Mail-Adresse nicht mehr verwendet und gelesen wird, dem Zugang der E-Mail nach § 130 BGB nicht entgegen steht.

Aus den Entscheidungsgründen:
Unstreitig hat der Beklagte die Zustimmung zur Mieterhöhung vor Ablauf der Zustimmungsfrist per E-Mail erklärt.

Die Klägerin beruft sich nunmehr darauf, der Beklagte habe eine automatische Rückantwort erhalten, dass die Adresse von der Klägerin nicht mehr verwendet und die Nachricht auch nicht weitergeleitet werde. Daher sei auf den neueren Schreiben auch eine aktuelle E-Mail-Adresse aufgeführt.

Aufgrund des Vortrags der Klägerin steht fest, dass die E-Mail des Beklagten mit der Zustimmungserklärung bei dieser eingegangen ist, was nach überwiegenden Auffassung auch dazu führt, dass die in ihr enthaltene Erklärung der Klägerin gem. § 130 BGB zugegangen ist. Denn diese war für sie zumindest potenziell abrufbar (BGH, Urteil vom 6.10.2022 – VII ZR 895/21, MMR 2023, 136; OLG Hamm, Urteil vom 22.2.2024 – 22 U 29/23, MMR 2024, 1071; OLG Hamm, Beschluss vom 10.8.2023 – 26 W 13/23, GWR 2024, 162; OLG München, Beschl. v. 15. 3. 2012 − Verg 2/12, NZBau 2012, 460, LAG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12, BeckRS 2013, 66632; LG Hamburg, Urteil vom 7.7.2009 - 312 O 142/09, MMR 2010, 654; LG Berlin Urt. v. 20.7.2012 – 19 O 334/11, BeckRS 2013, 1463; AG Frankfurt a. M. Urt. v. 23.10.2008 – 30 C 730/08, BeckRS 2009, 5792). Uneinigkeit besteht lediglich hinsichtlich der – hier allerdings nicht relevanten Frage – ob der Zugang bereits mit Eingang der E-Mail oder erst dann eintritt, wenn mit tatsächlicher Kenntnisnahme zu rechnen ist, wobei der Bundesgerichtshof (ebenda) jedenfalls im Geschäftsverkehr auf den Eingang der E-Mail abstellt.

Die Klägerin muss sich diesen Zugang auch zurechnen lassen, weil die E-Mail-Adresse einen von ihr eröffneten Empfangsbereich darstellt, welchen sie zuvor im Rechts- und Geschäftsverkehr angegeben und damit eröffnet hat (Spindler/Schuster/Spindler, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, BGB § 130 Rn. 4).

Hieran ändert auch die Benachrichtigung der Klägerin an den Beklagten dahingehend, dass diese E-Mail-Adresse nicht mehr benutzt werde, nichts. Denn sie hält diese nach wie vor bereit, so dass E-Mails auf dieser eingehen und somit zugehen können. Das kann durch die erst hierauf erfolgte Rückmeldung an den Mieter nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Es kommt hierbei auch nicht darauf an, ob der Zugang sofort oder erst dann eintritt, wenn mit gewöhnlicher Kenntnisnahme zu rechnen ist. Denn diese Unterscheidung stellt nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme ab, sondern allein darauf, wann objektiv und somit auch für den Absender damit zu rechnen ist, dass Kenntnis genommen wird, wobei das in dem Moment des Eingangs der E-Mail, wie auch eines Briefes, bestimmt wird. Die nachträgliche Mitteilung, man werde die E-Mail nicht zur Kenntnis nehmen, kann dem also nicht entgegnen. Im Gegenteil, sie bestätigt gerade den Zugang der E-Mail, weil sie wie eine Abwesenheitsnotiz durch diese ausgelöst wird, und somit einer Lesebestätigung gleichkommt (OLG München, Beschl. v. 15. 3. 2012 − Verg 2/12, NZBau 2012, 460; Spindler/Schuster/Spindler, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, BGB § 130 Rn. 25; zum Zugangsnachweise durch Lesebestätigung, OLG Hamm, Beschluss vom 10.8.2023 – 26 W 13/23, GWR 2024, 162).

Allerdings hätte es dem Beklagten aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflichten oblegen, die Zustimmungserklärung auf anderem Weg abzugeben, so dieser zumutbar ist, oder sich sonst mit der Klägerin in Verbindung zu setzen. Denn die Berufung auf den Zugang einer E-Mail bei Rückerhalt einer Abwesenheitsnotiz oder wie hier Erklärung, diese werde nicht weitergeleitet, ist in der Regel treuwidrig gem. § 242 BGB, wenn zwischen den Parteien entsprechende Rücksichtnahmepflichten bestehen (OLG München, Beschl. v. 15. 3. 2012 − Verg 2/12, NZBau 2012, 460; differenzierend Spindler/Schuster/Spindler, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, BGB § 130 Rn. 84).

Ob der Beklagte, wie die Klägerin vorträgt, bereits Schreiben mit der neuen E-Mail-Adresse erhalten hat und ob sich hieraus auch ergibt, dass die bisherige nicht mehr verwendet werden könne, ist derzeit nicht ersichtlich. Der Beklagte war hingegen nicht gehalten, den auf der vorgedruckten Zustimmungserklärung aufgedruckten QR-Code zu benutzen. Unabhängig davon, ob dieser tatsächlich direkt verwendet werden kann, steht über diesem „Mein … App“, was zumindest suggeriert, dass der Mieter eine App der Klägerin installieren muss, was ihm grundsätzlich nicht obliegt.

Der Beklagte hätte jedoch die Zustimmung per Post an die Klägerin versenden müssen, nachdem er erfahren hat, dass die E-Mail auf einem nicht mehr genutzten Account eingegangen ist, was als Nebenpflicht geboten und zumutbar ist.

Das hat der Beklagte mit den Schriftsätzen vom 11.12.2024 auch behauptet, die Klägerin hat dieses jedoch bestritten. Der Beklagte war daher beweispflichtig für den Zugang des Briefs. Er hat zwar kein Beweisangebot erbracht, allerdings hätte das Gericht im weiteren Verfahren hierauf gem. § 139 ZPO hinweisen müssen. Ob und welche Beweise dann ggf. angeboten worden wären und wofür, ist derzeit nicht ersichtlich, ebenso wenig, wie eine sodann ggf. durchzuführende Beweisaufnahme ausgegangen wäre. Das führt im Rahmen der Entscheidung über die Kosten nach billigem Ermessen gem. § 91a ZPO dazu, dass diese gegeneinander aufzuheben sind.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BAG: Arbeitnehmer kann verpflichtet sein eine Weisung des Arbeitgebers per SMS auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen

BAG
Urteil vom 23.08.2023
5 AZR 349/22


Das BAG hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, eine Weisung des Arbeitgebers per SMS auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen

Leitsatz des BAG:
Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: E-Mail ist im unternehmerischen Geschäftsverkehr zugegangen wenn sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht

BGH
Urteil vom 06.10.2022
VII ZR 895/21
BGB §§ 779, 147 Abs. 2, § 130; ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1


Der BGH hat entschieden, dass eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr zugegangen ist, wenn sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht. Auf eine tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.

Leitsatz des BGH:
Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 - VII ZR 895/21 - KG Berlin - LG Berlin
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Hamburg: Filehoster muss rechtswidrige Inhalte und Dateien ab Inkenntnissetzung und nicht erst ab Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung löschen

LG Hamburg
Urteil vom 02.10.2014
310 O 464/13


Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Filehoster rechtswidrige Inhalte und Dateien ab Inkenntnissetzung und nicht erst ab tatsächlicher Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung löschen muss.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Für die Auslösung der Handlungspflichten des Betreibers eines Filehosting-Dienstes kommt es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht darauf an. wann sie den Hinweis auf die Rechtsverletzungen tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Eine solche Kenntnis des Betreibers eines Filehosting-Dienstes hielt auch der BGH in der diesbezüglich oben bereits zitierten Entscheidung (BGH. Urteil vom 15.08.2013. I 2R 79/12 .Prüfpflichten') für nicht erforderlich Vielmehr reicht es aus. dass der Antragsgegnerin der Hinweis im Sinne des § 130 BGB zugegangen ist Der Hinweis soll den Betreiber des Filehosting-Dienstes in die Lage zu versetzen, in der Vielzahl der ohne seine Kenntnis von Nutzern hochgeladenen Dateien diejenigen auffinden zu können, die Rechte Dritter verletzen.
"