Leitsatz des Bundesverwaltungsgerichts:
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Diese Frage entzieht sich einer generellen Beantwortung, sondern ist nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.
Das BVerwG hat entschieden, dass Social Media-Auftritte der öffentlichen Verwaltung mit freigeschalteter Kommentarfunktion mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein können.
Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts: Soziale Medien mit Kommentarfunktion können mitbestimmungspflichtige Überwachungseinrichtungen sein
Betreibt eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle, kann wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, dort eingestellte Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten vorliegen, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält (teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern) im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten und Kanäle. Von ihr dort eingestellte Beiträge können Nutzer nach eigenem Belieben kommentieren und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisieren. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, aber dort nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bejaht hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht generell, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden kann. Nach der einschlägigen Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in der bis zum 14. Juni 2021 und inhaltsgleich nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG in der seither geltenden Fassung). Dieses Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll gewährleisten, dass Beschäftigte nicht durch eine technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter einen Überwachungsdruck geraten. Dieser Schutzzweck gebietet es entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn es birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass die Dienststelle diese Daten auch auswertet, wodurch ein Überwachungsdruck bei den Beschäftigten erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Beschäftigten "bestimmt" sein. Für ein solches Bestimmtsein reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist.
Ob das der Fall ist, hängt beim Betreiben der in Rede stehenden sozialen Medien wegen der ungewissen, nur möglichen Eingabe entsprechender Verhaltens- oder Leistungsdaten durch Dritte in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Hierfür ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien von Bedeutung. Berichtet die Dienststellenleitung beispielsweise selbst über konkrete Beschäftigte und ihr Tätigkeitsfeld und lenkt damit den Blick des Publikums auf das dienstliche Verhalten und die Leistung von Beschäftigten, können hierauf bezogene Nutzerkommentare erwartet werden. Demgegenüber wird von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung entsprechender Kommentare in der Regel nicht auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder etwa ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das tatsächliche Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es insbesondere erst im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Zahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine gegenüber der ursprünglichen Prognose andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines Überwachungsdrucks deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.
Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.
OVG Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 04.08.2021
OVG 62 PV 5/20
Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Einrichtung eines Social Media-Auftritts durch eine Behörde bei Facebook, Twitter und Instagram nicht der Mitarbeiterüberwachung dient und nicht mitbestimmungspflichtig ist.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die vom Beteiligten zu verantwortenden Auftritte in den sozialen Medien sind auch im Hinblick auf die den Nutzern ermöglichte Kommentierung nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Maßgeblich ist eine objektiv-finale Betrachtungsweise: Diejenigen technischen Einrichtungen unterliegen der Mitbestimmung des Personalrats, die nach ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen. Der Mitbestimmungstatbestand erstreckt sich auf solche technischen Einrichtungen, die zur Überwachung objektiv geeignet sind, ohne dass die Dienststellenleitung bei ihrer Einführung und Anwendung die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung). Daran hat die Gesetzesnovelle nichts geändert (vgl. die BT-Drs 19/26820 vom 19. Februar 2021, insbesondere S. 126 zu Nr. 21).
Die objektive Eignung zur Überwachung unterscheidet eine gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung von anderen technischen Einrichtungen, die sich lediglich zur technischen Hilfe eignen und nicht unter diesen Mitbestimmungstatbestand fallen (vgl. Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>). Beispielhaft seien Kommunikationsmittel (klassisch das Telefon), Arbeitshilfen (Taschenrechner, computergestützte Schreib- und Rechenprogramme) und Archiveinrichtungen (elektronische Akten) genannt. Die sich nach Anwendungsgebieten sowie nach dem Ausmaß ausdehnende Technisierung erweitert die Möglichkeiten und bietet so Rationalisierungschancen, birgt aber auch unterschiedliche Gefahren. Nach dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestands ist nicht schlechterdings jeder Technisierungsfortschritt mitbestimmungspflichtig. Stattdessen soll das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur sicherstellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit des Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungsdruck setzt und ihn in eine erhöhte Abhängigkeit bringt (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris Rn. 4).
Einhelliger Auffassung entspricht es, dass ein Überwachungsdruck, der sich durch eine womöglich kleinliche, jedenfalls engmaschige persönliche Kontrolle seitens der Vorgesetzten aufbaut, nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG unbeachtlich ist (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die Vorschrift dient nicht der Verwirklichung moderner Führungskonzepte. Die Kontrolle muss vielmehr mit Hilfe einer technischen Einrichtung erfolgen. Mit dem Merkmal der Technizität verbindet sich nach einer verbreiteten Ansicht nicht schon jedes Hilfsmittel, das eine den Überwachten verborgene Kontrolle erlaubt, etwa durch eine Beobachtung mittels Fernglas, Türspion oder einer einseitig durchsichtigen Fensterscheibe (Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 258). Die verdeckte Überwachung mit solchen Hilfsmitteln kann zwar, im Unterschied zur offenen, aufsuchenden Kontrolle durch Vorgesetzte, die Empfindung auslösen, jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden. Für den Mitbestimmungstatbestand ist hingegen spezifisch, dass die Überwachung gerade mit Hilfe einer als technisch zu bewertenden Einrichtung erfolgt. Sommer spricht insoweit von einer Kontrolle „durch technische Einrichtungen“, von einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten (in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 196a). Denn der Gesetzgeber reagierte in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Einführung von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG im Jahr 1972 und § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG im Jahr 1974 auf das verbreitete Unbehagen der Beschäftigten, das sich vornehmlich an elektronischer Datenverarbeitung festmachte. Die viel ältere Überwachungsmöglichkeit mittels optischer Instrumente stand nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Es liegt auf dieser Linie, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Überwachung „mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen“ so interpretiert hat, dass technische Einrichtungen Anlagen oder Geräte seien, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbständige Leistung erbrächten; dabei seien Anlagen zur elektronischen Datenverarbeitung dann zur Überwachung geeignet, wenn sie mit einem entsprechenden Programm versehen seien oder werden könnten (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 – 6 P 10.10 – juris Rn. 16; siehe auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 201a).
Die selbständige Leistung der technischen Einrichtung kann bei der Erhebung von Daten oder bei deren Auswertung zum Tragen kommen. Es reicht aus, wenn nur die Erhebung durch einen Automaten erfolgt und die Auswertung von Menschen durchgeführt wird (Überwachungskamera; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 – OVG 60 PV 19.05 – juris; unbeanstandet durch den Beschluss des BVerwG vom 26. September 2006 – 6 PB 10.06 – juris; ebenso Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 538). Umgekehrt lässt eine händische Eingabe den Mitbestimmungstatbestand nicht entfallen, wenn die Auswertung automatisiert ist (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 23). Dabei würde es für den Senat schon ausreichen, wenn automatisch eine Vorsortierung erfolgt, beispielsweise eine Auswahl von 10 aus 100 Datensätzen nach Schlüsselbegriffen, die von Personen weiter ausgewertet werden müsste. Wird hingegen sowohl die Eingabe leistungs- und verhaltensrelevanter Daten als auch deren Auswertung von Menschen vorgenommen, erbringt die Einrichtung keine selbständige Leistung.
Die selbständige Leistung zur Überwachung wäre nicht schon darin zu sehen, dass die Daten gespeichert werden. Für den Senat bedeutet es keinen Unterschied, ob die erhobenen Daten augenblicklich ausgewertet werden müssten, weil sie nicht gespeichert werden (Beispiel: die in einem mit Personal besetzten Kontrollraum zusammentreffenden Bilder aus laufenden Überwachungskameras), oder im Fall einer dauerhaften Aufzeichnung erst später, etwa nach Bedarf, ausgewertet werden könnten. Denn im Fall der Archivierung von Daten handelt es sich um nicht mehr als eine elektronische Akte (siehe dazu Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78).
Nach diesen Maßstäben sind die hier in Rede stehenden sozialen Medien auch im Hinblick auf die Kommentarfunktion keine technischen Einrichtungen im Sinn des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG, sondern technische Hilfsmittel, weil weder die Datenerhebung noch die Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolgt (ebenso Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG; so wohl auch Sommer in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 212b zum „reinen Betrieb einer Facebook-Seite“). Die womöglich mitbestimmungsrelevanten Daten werden von Nutzern händisch eingegeben. Und die Anbieter der sozialen Medien stellen den Seiteninhabern weder die Möglichkeit einer automatisierten (Teil-)Auswertung der Kommentare bereit noch sehen die Programme den nachträglichen Anschluss eines zur Auswertung bestimmten Programms vor. Es fehlt insgesamt eine selbständige Leistung der Einrichtung, ein datenverarbeitendes Programm im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts, das die Dienststelle zur Überwachung von Beschäftigten nutzen könnte. Eine automatisierte Auswertung von Daten durch die Anbieter der sozialen Medien wie auch die Möglichkeit einer Ausspähung durch Geheim- bzw. Nachrichtendienste sind für den Mitbestimmungstatbestand, der allein die Überwachung durch den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber der Beschäftigten in den Blick nimmt, unerheblich. Das gilt auch für das Datenschutzrecht (vgl. Ehmann, jurisPR-ArbR 16/2021 Anm. 8 lit. C). Die Kommentarfunktion eröffnet den Nutzern eine niederschwellige Möglichkeit für Eingaben und Nachrichten. Der elektronisch übersandte Kommentar gleicht nach der Versendungsart einer Email (Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>) und nach der Wirkung – bis zur Löschung – einem offenen Brief (Fuhlrott, EWiR 2017, 349 <350>).
Der erkennende Senat weicht insofern von der erstinstanzlichen Entscheidung und vom Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – ab. Das Bundesarbeitsgericht hielt es für genügend, dass die Informationen durch die Nutzer der Facebookseite aufgrund der dort vorhandenen Funktion eingegeben und mittels der von Facebook eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit zugeführt würden. Die Abweichung vom Bundesarbeitsgericht erklärt sich nicht dadurch, dass in dem dort entschiedenen Fall allein über die bei Facebook abstellbare Funktion „Besucher-Beiträge“ entschieden wurde und nicht über die unvermeidliche Kommentarfunktion. Bei der Eröffnung von Besucher-Beiträgen handelt es sich um eine attraktivere Kommentarfunktion, die sich in Bezug auf die Möglichkeit von leistungs- und verhaltensrelevanten Mitteilungen nicht von der grundlegenden Kommentarfunktion unterscheidet.
Das Bundesarbeitsgericht traf seine Entscheidung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift stimmt im Wortlaut praktisch mit § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG überein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind beide Vorschriften im Wesentlichen gleich auszulegen; die Interessenlage in privaten Betrieben und öffentlichen Behörden gleicht sich insoweit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987 – 6 P 32.84 – juris Rn. 19; ähnlich Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 536). Angesichts dessen wich das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2016 von der vorhergehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dadurch ab, dass es nicht auf eine selbstständige Leistung der Einrichtung, auf ein datenverarbeitendes Programm abstellte (vgl. auch Bieder, NZA-RR 2017, 225 <230>). Nach den Besprechungen dieses Beschlusses wich das Bundesarbeitsgericht zudem von seiner eigenen Rechtsprechung ab, insbesondere vom Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12 – (juris) zur Verwendung von GoogleMaps bei der Überprüfung von Reisekostenabrechnungen (Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>; Schiller in: Besgen/Prinz, Arbeiten 4.0 - Arbeitsrecht und Datenschutz in der digitalisierten Arbeitswelt, 4. Aufl. 2018, § 10 Arbeitsrechtliche Aspekte zu Social Media, Rn. 78). Ob der Beschluss vom 13. Dezember 2016 in der Rechtsprechung zum Betriebsverfassungsrecht eine Einzelfallentscheidung bleibt (so die Prognose von Wisskirchen/Schiller/Schwindling, BB 2017, 2105 <2107>), braucht hier allerdings nicht weiter zu beschäftigen.
Die in etlichen Anmerkungen kritisch kommentierte Ausdehnung der bisherigen Rechtsprechung, die letztlich zur Mitbestimmungspflicht bei jedweder Eröffnung elektronischer Kommunikationsmittel durch die Dienststellenleitung führt (Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>; siehe auch Mues, ArbRB 2017, 174 <175>; Prinz, SAE 2017, 92 <95>; Wahlers, jurisPR-ITR 11/2017 Anm. 5; dem BAG zustimmend Ley, BB 2017, 1213 <1215>; sich dem BAG unkommentiert anschließend Berg in: Altvater/Baden/Baunack u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019 § 75 Rn. 263; Kaiser/Annuß in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, BPersVG § 75 Rn. 545; Rehak in: Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., BPersVG, § 75 Rn. 680), mag das Bundesarbeitsgericht in seiner Facebook-Entscheidung veranlasst haben, seinem abstrakten Rechtssatz Folgendes hinzuzufügen: „Zudem sind diese Daten über die Facebookseite dauerhaft öffentlich zugänglich. Sie sind deshalb nicht – wie das Landesarbeitsgericht meint – mit einem an den Arbeitgeber gerichteten Beschwerdebrief vergleichbar.“ Die Verknüpfung dieser Sätze mit der vorangegangenen Würdigung durch die Konjunktion „zudem“ lässt zwar daran zweifeln, ob es entscheidend auf den zusätzlichen Aspekt ankommen soll oder ob er hinweggedacht werden könnte, ohne am Ergebnis des Bundesarbeitsgerichts etwas zu ändern. Immerhin eignet sich der zusätzliche Aspekt zur Eindämmung einer ansonsten nahezu umfassenden Mitbestimmungspflicht.
Der Aspekt führt allerdings einen neuartigen Gesetzeszweck in die Auslegung des Mitbestimmungstatbestands ein, der sich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht findet. War bislang von den Gefahren der Technisierung nur der erhöhte Überwachungsdruck relevant, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind, kommt nunmehr durch die Prangerwirkung öffentlich zugänglicher, womöglich unberechtigter oder tatsächlich haltloser Beschwerden über Beschäftigte, die einen Shitstorm und ähnlich gravierende Nachteile nach sich ziehen könnten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfassend in Betracht (vgl. Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333>). Auch wenn sich nach den Mitteilungen des Antragstellers und des Beteiligten seit der Eröffnung der Kommentarfunktionen nichts dergleichen ereignet hat, wären solche Vorkommnisse Anlass für die Dienststelle, im schutzwürdigen Interesse der Beschäftigten auf Abhilfe zu sinnen. Der Senat hält es allerdings für falsch, aus solchen Erwägungen heraus den Gesetzeszweck von § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Schutzgegenstand zu erweitern (ebenso Grimm/Kühne, jM 2017, 330 <333> zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) liegt vor."
Das VG Berlin hat entschieden, dass der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht hat, wenn Kommentarfunktion in sozialen Netzwerken Facebook, Instagram oder Twitter genutzt werden soll
BGH
Urteil vom 12.11.2009
I ZR 166=7
marions-kochbuch.de
UrhG §§ 72, 19a; TMG §§ 8 bis 10
Das Urteil des BGH zur Haftung eines Internetportalbetreibers für fremde Inhalte (marions-kochbuch.de) liegt nunmehr im Volltext vor. Wir hatten die Entscheidung bereits kurz kommentiert.
Leitsatz des BGH: Der Betreiber eines Internetportals, in das Dritte für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte (hier: Rezepte) stellen können, haftet für diese Inhalte nach den allgemeinen Vorschriften, wenn er die eingestellten Inhalte vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und sie sich damit zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn für die Nutzer des Internetportals erkennbar ist, dass die Inhalte (ursprünglich) nicht vom Betreiber, sondern von Dritten stammen. Ein Hinweis darauf, dass sich der Portalbetreiber die Inhalte zu eigen macht, liegt auch darin, dass er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen.
BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 166/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
BGH
Urteil vom 12. November 2009 I ZR 166/07
marions.kochbuch.de
Der BGH hat entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite für fremde Inhalte haftet, wenn er sich diese zu Eigen macht. In einem solchen Fall kann er sich nicht auf die Haftungsprivilegierung in den §§ 8-10 TMG berufen.
In der Pressemitteilung ds BGH heißt es dazu:
"Nach Ansicht des BGH betreibt die Beklagte nicht lediglich eine Auktionsplattform oder einen elektronischen Marktplatz für fremde Angebote. Sie habe vielmehr nach außen sichtbar die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Rezepte und Abbildungen übernommen. Die Beklagte kontrolliere die auf ihrer Plattform erscheinenden Rezepte inhaltlich und weise ihre Nutzer auf diese Kontrolle hin. Nicht zuletzt kennzeichne die Beklagte die Rezepte mit ihrem Emblem, einer Kochmütze. Der Verfasser des Rezepts erscheine lediglich als Aliasname und ohne jede Hervorhebung unter der Zutatenliste. Zudem verlange die Beklagte das Einverständnis ihrer Nutzer, dass sie alle zur Verfügung gestellten Rezepte und Bilder beliebig vervielfältigen und an Dritte weitergeben darf."
Die vollständige Pressemitteilung finden Sie hier:
Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 04.12.2007 - 324 O 794/07 entschieden, dass ein Blog-Betreiber für rechtswidrige Blog-Kommentare Dritter auch ohne vorherige Kenntnis von der Rechtsverletzung haften kann. Voraussetzung ist die Verletzung von Prüfungspflichten. Nach Ansicht des Gerichts muss ein Blog- oder Forenbetreiber die Beiträge jedenfalls dann einer Vorabkontrolle unterziehen, wenn die geführte Diskussion einen "grenzwertigen Verlauf" nimmt. "LG Hamburg: Haftung eines Blog-Betreibes für Kommentare - Vorabkontrolle" vollständig lesen