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OLG Schleswig-Holstein: Fehlen der Telefonnummer in der Widerufsbelehrung führt nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist

OLG Schleswig-Holstein
Urteil vom 18.11.2024
10 U 31/24


Das OLG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonnummer in der Widerufsbelehrung nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist führt.

Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Beklagte hat den Kläger nach Maßgabe des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet, obwohl in der von ihr erstellten und dem Kläger bei Vertragsabschluss erteilten Widerrufsbelehrung (Bestandteil der Anlage K 1) keine Telefonnummer mitgeteilt wird. Bei Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 1 BGB ist der Unternehmer gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu informieren. Das Landgericht hat diese Bestimmung zutreffend dahin ausgelegt, dass die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers nicht von diesen Informationspflichten umfasst ist, wenn er - wie hier - nicht von der in Abs. 2 S. 2 der Vorschrift eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Muster-Widerrufsbelehrung in der Anlage 1 zu verwenden.

Die von der Beklagten im Berufungsverfahren als Anlagen B 1 bis B 7 und Anlagenkonvolut B 12 vorgelegten obergerichtlichen Entscheidungen überzeugen ebenso wie das als Anlage B 8 erneut eingereichte Rechtsgutachten des Prof. Dr. Stürner (bereits mit der Klageerwiderung vorgelegt als Anlage B 1) und die Veröffentlichung von Prof. Dr. Schmidt-Kessel in der ZIP 2014, S. 272 ff.

a. Der Wortlaut des § 356 Abs. 3 S. 1 BGB und des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unternehmer dem Verbraucher in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer mitzuteilen hat und dass von dieser Angabe der Lauf der Widerrufsfrist abhängt.

Zu informieren ist nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB in der Widerufsbelehrung über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular in Anlage 2, welches der Verbraucher für seine eigene Erklärung verwenden kann, aber nicht muss. Die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers ist in der Norm nicht vorgeschrieben. Lediglich der Gestaltungshinweis [2] zur Muster-Widerrufsbelehrung in Anlage 1 sieht die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers vor, und zwar in der bis zum 27. Mai 2022 (also bei Vertragsabschluss) geltenden Fassung „soweit verfügbar“ und in der seit dem 28. Mai 2022 geltenden Fassung ohne einen solchen einschränkenden Zusatz. Da die Beklagte die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, sondern Formulierungen daraus um weitere Bestandteile ergänzt hat, war sie von dem Gestaltungshinweis nach dem Gesetzeswortlaut nicht betroffen.

Soweit in Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 a. F. EGBGB (jetzt Nr. 3 n. F.) die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers verlangt wird, verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB - die Vorschrift über den Beginn der Widerrufsfrist - darauf gerade nicht. Für den Fristbeginn ist nur die Erfüllung der widerrufsspezifischen Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 erforderlich, nicht aber die Erfüllung der allgemeinen Informationspflichten in Abs. 1.

Das nationale Recht steht insoweit im Einklang mit den Vorschriften der EU-Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU), wo ebenfalls zwischen der Erfüllung allgemeiner Informationspflichten (Art. 6 Abs. 1 lit. c) und den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 lit. h) unterschieden wird. Auf die Ausführungen auf S. 9 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

b. Die Ausführungen des Landgerichts zur Systematik der Vorschriften des nationalen Rechts treffen ebenfalls zu. Dass § 356 Abs. 3 S. 1 BGB für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB verweist und nicht auf die allgemeinen Informationspflichten in Abs. 1 der Vorschrift, beruht ersichtlich nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers. Für Verträge über Finanzdienstleistungen verweist § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nämlich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB, wonach dem Verbraucher die in Art. 246b § 1 Abs. 1 EGBGB genannten Informationen zu erteilen sind. Dort wird der Beginn der Widerrufsfrist also auch von der Erfüllung allgemeiner Informationspflichten abhängig gemacht, nicht aber im hier einschlägigen Bereich der Fernabsatzverträge.

Auch für Bauverträge mit Verbrauchern hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Angabe einer Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung vorzuschreiben und davon den Lauf der Widerrufsfrist abhängig zu machen (§ 356e BGB, Art. 249 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).

c. Dafür, dass die Erfüllung der allgemeinen Informationspflichten nicht Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist, spricht ferner der Vergleich zwischen der seit dem 13. Juni 2014 zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie geltenden Fassung des deutschen Rechts und den zuvor geltenden Bestimmungen. Nach § 312d Abs. 2 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung begann die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 246 § 2, § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB a. F., also nicht vor Erteilung aller vertragsrelevanten Informationen. Dies ist nach den §§ 312d, 356 Abs. 3 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht mehr der Fall. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ausdrücklich ausgeführt, dass der Beginn der Widerrufsfrist mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen künftig nicht mehr von der Erfüllung der sonstigen Informationspflichten abhänge (BT-Drucks. 17/12637, S. 61). Auf die weiteren Ausführungen des Landgerichts zu den Gesetzesmaterialien auf S. 7 des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

d. Der Kläger kann sich des Weiteren nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Angabe der Telefonnummer eine Information über „das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts“ sei, so dass diese Angabe schon über Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zum Pflichtinhalt der Widerrufsbelehrung gehöre. Eine ordnungsgemäße Aufklärung über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufs ist erteilt, wenn der Verbraucher aufgrund der Belehrung weiß, was er für einen wirksamen Widerruf tun muss. Es bedarf eines Hinweises auf die in § 355 Abs. 1 S. 2 bis 5 BGB genannten Umstände (Schirmbacher in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage, Art. 246a EGBGB Rn. 118). Dem Verbraucher muss ein zumutbarer Weg aufgezeigt werden, den Widerruf zu erklären (Schirmbacher, a. a. O., Rn. 120). Diesen Anforderungen genügt die Widerrufsbelehrung der Beklagten, die den Verbraucher in die Lage versetzt, rechtzeitig gegenüber der richtigen Adressatin eine eindeutige Erklärung über die Ausübung des Widerrufs abzugeben, wobei verschiedene einfache und effektive Kontaktmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Angabe über die Telefonnummer des Unternehmers gehört hingegen nicht zu den Informationen über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Form des (in beliebiger Form erklärbaren) Widerrufs nach den gesetzlichen Vorschriften gerade nicht zu belehren, so dass die Angabe einer Telefonnummer nicht etwa als Belehrung über die Möglichkeit des telefonischen Widerrufs erforderlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers suggeriert das Weglassen eines Hinweises auf die Möglichkeit des telefonischen Widerrufs auch nicht, dass dies nicht möglich sei. Die Beklagte belehrt in ihrer Widerrufsbelehrung darüber, dass der Widerruf „mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)“ erfolgen müsse. Damit hat die Beklagte nur beispielhaft die Kommunikationswege genannt, die ein Verbraucher für den Widerruf in aller Regel wählen wird, weil diese Wege zugleich einfach und zur dauerhaften Dokumentation geeignet sind. Die Beklagte musste zum Beispiel nicht zusätzlich über die Möglichkeit belehren, wegen des Widerrufs persönlich bei ihr vorstellig zu werden bzw. ein entsprechendes Schreiben bei ihr abzugeben oder sich die Tesla-App zur Kommunikation herunterzuladen. Das Fehlen eines Hinweises darauf bedeutet nicht, dass diese für den Verbraucher komplizierteren Wege verschlossen sind. Ebenso wenig wird der Verbraucher durch das Fehlen eines Hinweises auf den telefonisch möglichen Widerruf davon abgehalten, den Widerruf unter der nach den eigenen Angaben des Klägers an mehreren Stellen auf der Internetseite der Beklagten angegebenen und leicht auffindbaren Telefonnummer zu erklären. Verbraucher werden von dieser Form der Übermittlung lediglich im eigenen Interesse in aller Regel Abstand nehmen, weil die Nutzung des Telefons für sie gerade keine Vorteile bietet, sondern - entgegen den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 - weniger beweissicher und wegen Wartezeiten zeitintensiver ist als eine E-Mail (vgl. Schmidt-Kessel, ZIP 2024, S. 277).

e. Zutreffend sind ferner die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass die individuelle Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht deshalb fehlerhaft ist, weil sie in Bezug auf die Telefonnummer nicht den Anforderungen des Gestaltungshinweises [2] zu der in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltenen Muster-Widerrufsbelehrung entspricht. Es ist zwar richtig, dass die Beklagte bei Verwendung der Musterbelehrung auch ihre Telefonnummer hätte angeben müssen. Aus den so genannten EIS-Entscheidungen des EuGH vom 14. Mai 2020 (C-266/19, juris) und des BGH vom 24. September 2020 (I ZR 169/17, juris) folgt, dass die im Internetauftritt der Beklagten genannte Telefonnummer „verfügbar“ im Sinne des Gestaltungshinweises in der bei Vertragsabschluss geltenden Fassung wäre. Die Beklagte hat jedoch nicht die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet.

Entgegen der Auffassung des Klägers normiert der Gestaltungshinweis zur Muster-Widerrufsbelehrung auch nicht etwa den Mindeststandard für individuelle Widerrufsbelehrungen. Die Muster-Widerrufsbelehrung hat den Zweck, durch die so genannte Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 4 der Verbraucherrechterichtlinie den Unternehmer vor Überforderung zu schützen (Schmidt-Kessel, ZIP 2024, S. 274). Wenn der Unternehmer die Musterwiderrufsbelehrung unter Einhaltung der Gestaltungshinweise nutzt, ist er sicher davor, dass aus dem nationalen Recht oder den Unionsvorschriften in irgendeinem Punkt noch höhere Anforderungen hergeleitet werden könnten. Der Detaillierungsgrad der Musterbelehrung ist der Preis der Gesetzlichkeitsfiktion, aber keine Orientierung für die Auslegung der Belehrungsanforderungen (Schmidt-Kessel, a. a. O., S. 275). Eine individuelle Widerrufsbelehrung ohne Angabe einer Telefonnummer ist gerade nicht - wie vom Kläger angenommen - als „Widerrufsbelehrung light“ anzusehen, sondern lediglich individuell am Maßstab des nationalen und des Unionsrechts auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen, ohne dass der Unternehmer durch die Gesetzlichkeitsfiktion privilegiert wird.

f. Schließlich ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass sich aus den so genannten EIS-Entscheidungen des EuGH und des BGH nicht die Anforderungen an eine individuell gestaltete Widerrufsbelehrung ergeben. Es mag zwar sein, dass die dort aufgestellten Grundsätze nicht nur für das Wettbewerbsrecht, sondern auch für das Verhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Kunden, der Verbraucher ist, gelten. Die Entscheidungen befassen sich aber ausschließlich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises [2] zu der in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB enthaltenen Muster-Widerrufsbelehrung „verfügbar“ ist. Die vom Kläger auf S. 9 der Berufungsbegründung vertretene Auffassung, der BGH habe im Leitsatz zu einem ansonsten nicht näher bezeichneten Urteil vom 21. Januar 2021 (gemeint wohl: Urteil zum Az. I ZR 17/18, juris) ausdrücklich die frei gewählte Widerrufsbelehrung eingeschlossen, trifft nicht zu. Der vom Kläger zitierte Leitsatz der Entscheidung vom 24. September 2020 befasst sich nur mit der Verfügbarkeit der Telefonnummer und nicht damit, dass der Gestaltungshinweis auch für individuelle Belehrungen gelten würde. Der EuGH und der BGH hatten in den so genannten EIS-Entscheidungen keinen Anlass, dazu Stellung zu nehmen, weil die entscheidungserheblichen Rechtsprobleme und damit auch die Vorlagefragen an den EuGH sich allein auf den Fall einer Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung bezogen. Soweit der BGH sich mit der Frage der Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes zu befassen hatte, stellt sich diese Frage hier dagegen nicht, weil ohne Verwendung der Musterbelehrung schon kein Verstoß vorliegt.

2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf neues Vorbringen im Berufungsverfahren berufen, wonach die Widerrufsbelehrung der Beklagten aus anderen Gründen nicht die Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB erfülle. Die zugrunde liegenden Tatsachen, insbesondere der Inhalt der im konkreten Fall verwendeten Widerrufsbelehrung und der sonstigen Vertragsbedingungen gemäß Anlage K 1, sind für sich zwar unstreitig, so dass der Senat sich auch insoweit mit der rechtlichen Einordnung der vermeintlichen Mängel der Belehrung zu befassen hat. Einen Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zeigt der Kläger aber mit seinem neuen Vorbringen nicht auf.

a. Es trifft nicht zu, dass die Beklagte den Kläger nicht hinreichend klar über die Erstattung auch der Bestellgebühr im Falle eines Widerrufs belehrt haben soll.

Der Vortrag auf Seite 3 der Berufungsbegründung und auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024 ist schon nicht auf den vorliegenden Einzelfall bezogen, sondern geht formularmäßig von der Zahlung einer Bestellgebühr „i. H. v. 100,00 EUR bzw. 250,00 EUR“ aus. Der bereits in der Berufungsbegründung angekündigte Screenshot findet sich nunmehr auf Seite 9 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024, hat aber keinen Bezug zum vorliegenden Fall und betrifft eine Bestellgebühr von 250,00 €, die für einen Fahrzeugkauf mit Finanzierung erhoben werden soll und im Falle der Ablehnung der Finanzierung rückerstattbar ist. Eine E-Mail, mit der der „Fahrzeugbestellvertrag“ (also die Anlage K 1) übersandt worden sein soll, nennt der Kläger, ohne sie vorzulegen. Die in der Berufungsbegründung und im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 zitierten Passagen aus dem Vertrag der Parteien lassen sich in der Anlage K 1 nicht auffinden.

Den als Anlage K 1 vorgelegten Unterlagen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger offenbar eine „Anzahlung für Bestellung“ von 100,00 € zu leisten hatte. In den AGB in der Fassung der Anlage K 1 heißt es unter „Bestellvorgang Model 3, Y und Vertragsbeendigung“ zwar, dass die Beklagte im Falle einer Stornierung durch den Kunden „womöglich eine von Ihnen bezahlte Bestellgebühr als pauschalierten Schadensersatz einbehalten“ könne, dies aber ausdrücklich „vorbehaltlich anderweitiger entgegenstehender gesetzlicher Regelungen“. Der vom Kläger auf Seite 3 unten in der Berufungsbegründung eingerückte Text aus Vertragsbedingungen der Beklagten weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass beim Vorliegen von gesetzlichen Widerrufs- und Rücktrittsrechten ein Rückerstattungsanspruch bestehe.

Vor allem aber hat die Beklagte den Kläger in der ihm erteilten Widerrufsbelehrung ausdrücklich darüber belehrt, dass sie dem Kunden im Falle eines Widerrufs „alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, ... zurückzuzahlen“ habe. Dies ist eindeutig und wird nicht dadurch relativiert, dass es gegenüber Kunden, die nicht Verbraucher sind, die Möglichkeit gibt, dass sie eine etwa geleistete Bestellgebühr im Falle der Vertragsstornierung - außerhalb des nur für Verbraucher geltenden Widerrufsrechts - nicht zurückerhalten könnten. Entgegen der Auffassung des Klägers (Seite 18 der Berufungsbegründung, Seite 10 des Schriftsatzes vom 25. Oktober 2024) hat die Beklagte auch nicht mehrere Widerrufsbelehrungen erteilt, sondern genau eine, die ordnungsgemäß auf den vollen Rückerstattungsanspruch hinweist.

b. Der Hinweis des Klägers auf die „Mindesthaltedauer“ in den AGB der Beklagten ist im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung nicht nachvollziehbar. Dem Kläger ist in den als Anlage K 1 eingereichten Unterlagen ersichtlich nicht suggeriert worden, er müsse das Fahrzeug sechs Monate lang halten, so dass deshalb kein Widerruf des Vertrages in Betracht komme. Die Klägervertreter zitieren auf Seite 4 der Berufungsbegründung (und wiederholend im Schriftsatz vom 25. Oktober 2024) zu dem Punkt „Kein Weiterverkauf“ schon nicht aus der Anlage K 1, sondern möglicherweise aus dem Vertrag eines anderen Mandanten. Eine Verpflichtung, „das Fahrzeug mindestens sechs Monate ab Auslieferung zu halten“ ist in der Anlage K 1 unter dem Punkt „Kein Weiterverkauf“ überhaupt nicht enthalten (22 eA I). Aus dem dort thematisierten Verbot des Weiterverkaufs lässt sich nicht im Ansatz herleiten, dass der Widerruf ausgeschlossen sein könnte.

c. Schließlich ist die Einleitung der Widerrufsbelehrung der Beklagten klar und verständlich und hat dem Kläger als Verbraucher kein Subsumtionsrisiko in Bezug auf seine Verbrauchereigenschaft und die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Vertragsabschluss aufgebürdet.

Letztere wird von der Beklagten ausdrücklich erläutert mit dem Zusatz „(wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.)“. Jeder normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher kann beurteilen, ob er den Vertrag mit diesen Mitteln abgeschlossen hat. Ein Kunde, der wie der Kläger den Kaufvertrag über die Internetseite der Beklagten abgeschlossen hat, kann nicht ernsthaft hinterfragen, dass es sich um einen Vertragsabschluss ausschließlich mit Fernkommunikationsmitteln handelt. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass sich bei ihm irgendwelche Zweifel ergeben hätten.

Auch die eigene Einordnung als Verbraucher ist für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Kunden einfach zu treffen, ohne dass er die Legaldefinition in § 13 BGB kennen muss. Der Hinweis auf den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts nur für Verbraucher verstößt nicht gegen das Klarheits- und Verständlichkeitsgebot (BGH, Urteil vom 9. November 2010, Az. I ZR 123/10, juris). Die Beklagte, die Verträge über die von ihr hergestellten Fahrzeuge sowohl mit Verbrauchern als auch mit Unternehmern schließt, kann hingegen nicht beurteilen, ob der jeweilige Kunde Verbraucher und über das Widerrufsrecht zu belehren ist oder ob es sich um einen Unternehmer handelt. Bei natürlichen Personen wie dem Kläger ist aus Sicht der Beklagten beides gleichermaßen möglich, während der Kläger wusste, dass er Verbraucher ist. Die Gefahr, dass ein Kunde wegen Zweifeln an seiner Eigenschaft als Verbraucher nicht von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, besteht auch abstrakt nicht, zumal die Zuordnung in aller Regel - wie hier - eindeutig ist, der Kunde sich bei gleichwohl auftretenden Zweifeln einfach über die Definition des Begriffs „Verbraucher“ informieren kann und ihm im Übrigen keine Nachteile entstehen, wenn er im Zweifel das Widerrufsrecht ausübt und möglicherweise später die Erkenntnis gewinnen muss, dass dies ins Leere geht.

3. Selbst wenn aus einem der vom Kläger genannten Gründe - insbesondere wegen Nichtangabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung - die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückbliebe (was nicht der Fall ist), wäre der Kläger jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB daran gehindert, sich auf den Widerruf des Kaufvertrages zu berufen. Die Ausführungen des OLG Celle in dem als Anlage B 4 im Berufungsverfahren vorgelegten Beschluss vom 12. Juni 2024 (Az. 16 U 12/24) sind überzeugend.

Selbst wenn die Widerrufsbelehrung einen Mangel aufweisen würde, wäre dieser derart geringfügig, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der Kläger sich auf eine daraus etwa entstehende formale Rechtsposition beruft. Dass ein etwaiger Mangel der Belehrung Auswirkungen auf das Verhalten des Klägers innerhalb der regulären Frist von zwei Wochen ab Übergabe des Fahrzeuges hatte, ist hier ausgeschlossen. Er hat den Widerruf noch fast ein Jahr später - selbstverständlich - in einer beweissicheren Form und nicht telefonisch erklärt, obwohl er die Verlängerung der Frist auf insgesamt 12 Monate und 14 Tage gerade mit dem Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung begründet hat. Nachdem der Kläger den Vertrag über die Internetseite der Beklagten abgeschlossen hat, war der Widerruf per E-Mail, auf den die Beklagte ausdrücklich hingewiesen hat, bei objektiver Betrachtung mit Abstand am einfachsten und am besten geeignet, während nichts für einen telefonischen Widerruf sprach. Die Telefonnummer wurde von der Beklagten auch nicht verborgen gehalten, sondern war gerade nach dem Vortrag des Klägers einfach auffindbar. Die Beklagte hatte kein Interesse, einen telefonischen Widerruf zu verhindern, da dieser Weg allein für den Kunden nachteilig wäre.

Der Zeitpunkt des Widerrufs - der nicht etwa wenige Wochen nach Ablauf der 2-Wochen-Frist, sondern kurz vor Ablauf der Höchstfrist erfolgt ist - verdeutlicht im Zusammenspiel mit dem allenfalls geringfügigen und für den Kläger unbedeutenden Mangel der Widerrufsbelehrung, dass die Kaufreue erst spät eingetreten ist und/oder es ihm darum geht, kostenlos für ein Jahr in den Genuss der Nutzung des neuen Fahrzeuges zu gelangen. Die Ausübung eines bestehenden Widerrufsrechts nach § 312g BGB bedarf zwar keiner Begründung, so dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen der Verbraucher den Widerruf erklärt. Dies können auch sachfremde Motive sein. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in erster Linie das Ziel verfolgt, die Beklagte zu schädigen. Gleichwohl wäre es treuwidrig, eine rein formal bestehende Position zu nutzen, um sich nachträglich einen erheblichen eigenen Vermögensvorteil zu sichern, nachdem der fristgemäße Widerruf unabhängig vom Inhalt der Widerrufsbelehrung nicht erfolgt ist.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Flensburg: Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führt nicht zur Verlängerung der Widerrrufsfrist sofern nicht die Muster-Widerrufsbelehrung verwendet wird

LG Flensburg
Urteil vom 12.07.2024
3 O 65/24


Das LG Flensburg hat entschieden, dass das Fehlen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht zur Verlängerung der Widerrrufsfrist führt, sofern nicht die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a EGBG verwendet wird.

Aus den Entscheidungsgründen:
Zwar steht dem Kläger ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB iVm § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB zu, da der streitgegenständliche Fahrzeugkaufvertrag einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB darstellt. Vorliegend kam der Vertrag ausschließlich durch Onlinebestellung auf der Homepage der Beklagten zu Stande. Die Durchführung einer Probefahrt mit einem Tesla-Performance-Modell steht der Annahme eines Fernabsatzgeschäftes nicht entgegen. Eine damit einhergehende Durchbrechung des Informationsungleichgewichts ist nicht ersichtlich.

Mit der Widerrufserklärung vom 08.08.2023 hat der Kläger jedoch die hier einzuhaltende gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht eingehalten. Da er das Fahrzeug am 05.11.2022 erhalten hat, begann die Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB am 06.11.2022 zu laufen (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB), somit am 19.11.2022 (§ 188 Abs. 1 BGB). Der am 08.08.2023 erklärte Widerruf war daher verfristet.

Auf eine Gesetzesfiktion der Ordnungsgemäßheit der Widerrufserklärung kann sich die Beklagte zwar nicht berufen, da sie nach eigenem Vortrag gerade eine individualisierte Widerrufserklärung verwendete, jedoch liegt auch kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vor, welche zu einem etwaigen verlängerten Fristenlauf nach § 356 Abs. 3 S.1 BGB führen hätten können. Insbesondere war die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügt trotz nicht erfolgter Angabe einer Telefonnummer den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB.

Der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschriften, § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, enthält keine Regelung, wonach auch die Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verweist nur auf die „Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2“. Aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. bzw. Nr. 3 nach n.F. (dort wird die Telefonnummer genannt) folgt kein anderes Ergebnis. Denn § 356 Abs. 3 S. 1 BGB verweist explizit nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 EGBGB.

Hätte der Gesetzgeber im Falle des § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zwingend gewollt, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch eine Telefonnummer nennt, so hätte er dies entsprechend geregelt. So setzt bspw. auch das in § 356e S. 1 BGB iVm Art. 249 § 3 EGBGB geregelte Widerrufsrecht bei Verbraucherbauverträgen eine Belehrung unter expliziter Nennung der Telefonnummer voraus.

Es entsteht nach dem Wortlaut der hier verwendeten für den Verbraucher auch nicht irreführend die Annahme, eine von der Beklagten im Rechtsverkehr verwendete Telefonnummer könne nicht zur Ausübung des Widerrufs genutzt werden.

Sofern der Kläger meint, dass es Rechtsprechung des BGH sei, dass bei fehlender Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzvertrag nach Ablauf der in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten Frist noch ein Widerrufsrecht bestünde, wenn die Telefonnummer auf der Website oder anderen Veröffentlichungen des Unternehmers als für den Kundenverkehr freigegeben angegeben wird, bezogen sich dort entschiedene Rechtsstreitigkeiten auf die Muster-Widerrufsbelehrungsformular in Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB. Dies trifft nicht auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit zu.

Sofern der Kläger auch auf die EuGH-Rechtsprechung verweist, gilt nichts anderes. Der EuGH stellte in seiner „Amazon“ Entscheidung vom 10.07.2019 (Az. C-649/17) klar, dass eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, unverhältnismäßig erscheint. Weiter führte der EuGH in seiner „EIS-Entscheidung vom 14.05.2020 (Az. C-266/19) aus, dass ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB verwendet und nach außen eine Telefonnummer für den Kundenverkehr zur Verfügung stellt, auch eine Telefonnummer in dieser Belehrung – entsprechend den Gestaltungshinweisen der Anlage 1 – angeben muss. Daran zweifelt das Gericht auch nicht. Vorliegend ist jedoch nicht das Muster-Widerrufsbelehrungsformular verwendet worden, weshalb sich eine Übertragung der Grundsätze verbietet.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

LG Frankenthal: Fehlendene Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führt nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung und nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist

LG Frankenthal
Urteil vom 13.12.2013
6 O 198/23


Das LG Frankentha hat entschieden, dass eine fehlendene Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung und nicht zur Verlängerung der Widerrufsfrist führt.

Aus den Entscheidungsgründen:
I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß §§ 357 Abs. 1, 355 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises, nachdem unabhängig von der Frage, ob aufgrund eines vorhergehenden Kontaktes zwischen den Parteien im Rahmen einer Probefahrt überhaupt von einem Fernabsatzgeschäft auszugehen ist und unabhängig von der Frage, ob der Kläger tatsächlich als Verbraucher handelte, ein dem Kläger möglicherweise zustehendes Widerrufsrecht nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Die im Fahrzeugbestellvertrag vom 16.03.2022 erfolgte Belehrung ist ordnungsgemäß und die Widerrufsfrist war daher (auch unter Berücksichtigung der Übergabe des Fahrzeuges am 10.11.2022) bei Erklärung des Widerrufs am 20.05.2023 abgelaufen.

Randnummer22
Gemäß § 356 Abs. 3 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen von Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB insbesondere über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB belehrt hat. Nachdem die Beklagten vorliegend offensichtlich nicht das gemäß Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 2 EGBGB mögliche Belehrungsmuster verwendet hat, sondern die erteilte Belehrung an zahlreichen Stellen vom Muster abweicht, ist deren Wirksamkeit nach allgemeinen Kriterien zu beurteilen. Die Beklagte kann ihre Informationspflichten auch durch eine Belehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 2 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. In einem solchen Fall trägt die Beklagte als Unternehmer allerdings das Risiko, dass ihre Information den allgemeinen Anforderungen an eine umfassende, unmissverständliche und nach dem Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers eindeutige Belehrung nicht genügt (BGH, NJW 2023, 1964).

1. Die Belehrung genügt nach Auffassung der Kammer den allgemeinen Anforderungen, nachdem hinreichend über die allgemeinen Bedingungen und Fristen belehrt worden ist, was der Kläger auch nicht ernsthaft in Zweifel zieht. Die Belehrung ist auch hinsichtlich des Verfahrens ausreichend. Insbesondere die einzige vom Kläger konkret gerügte Beanstandung einer fehlenden Telefonnummer führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Belehrung, nachdem deren Mitteilung nicht für eine ordnungsgemäße Belehrung über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufs erforderlich ist. Es ist lediglich erforderlich, aber auch ausreichend den Adressaten des Widerrufs zu benennen und einen möglichen Kontaktweg aufzuzeigen (vgl. Staudinger/Thüsing (2019) BGB § 312d, Rn. 47; BeckOK BGB/Martens, 68. Ed. 1.11.2023, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 28). Die in der Belehrung enthaltene Mitteilung des Adressaten einschließlich der Postadresse genügt diesen Anforderungen. Dem Wortlaut des Gesetzes kann nicht entnommen werden, dass sämtliche oder jedenfalls bestimmte Kontaktwege für einen Widerruf in der Belehrung genannt werden müssen, nachdem nur über die Bedingungen, das Verfahren und die Fristen, nicht aber über mögliche Formen des Widerrufs zu belehren ist. Hinzu kommt, dass eine grundsätzliche Pflicht zur Benennung sämtlicher Kontaktwege zu einer kaum zu rechtfertigenden Benachteiligung von Marktakteuren führen würde, die den Widerruf auch über eine Telefonnummer ermöglichen, obwohl sie zur Bereitstellung einer Telefonnummer zu diesem Zweck nach der Rechtsprechung des EuGH nicht verpflichtet sind (vgl. zur fehlenden Verpflichtung zur Einrichtung einer Telefonnummer zum Zwecke des Widerrufs, EuGH (1. Kammer), Urteil vom 10.7.2019 – C-649/17). Die gegenteilige Auffassung (vgl. BeckOGK/Busch, 1.7.2023, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 36; MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312d Rn. 55), wonach eine zum Widerruf bereitstehende Telefonnummer immer anzugeben ist, würde dazu führen, dass diejenigen Marktakteure, die eine Telefonnummer zur Verfügung stellen auch umfangreichere Belehrungspflichten haben, als diejenigen, die diesen (zusätzlichen) Weg zur Erklärung des Widerrufs nicht zur Verfügung stellen und so im Ergebnis einem nicht gerechtfertigten, größeren Risiko einer fehlerhaften Belehrung ausgesetzt wären.

Dieses Ergebnis gilt auch bei Würdigung der in der Anlage zum EGBGB zur Verfügung gestellten Musterwiderrufsbelehrung. Zum einen besteht keine Obliegenheit diese zu verwenden, sondern deren Verwendung bietet lediglich eine rechtssichere Belehrungsmöglichkeit für den Unternehmer (BGH, NJW 2023, 1964), sodass aus deren Inhalt nicht zwingend auf den Inhalt sämtlicher möglicher Belehrungen geschlossen werden kann. Zum anderen kann der bei Vertragsschluss geltenden Musterwiderrufsbelehrung einschließlich der damaligen Gestaltungshinweise nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass die Telefonnummer als möglicher Kommunikationsweg Bestandteil des in Art 246a § 1 EGBGB genannten Verfahrens ist, wenn dort bei den beispielhaft genannten Erklärungswegen lediglich der Brief und die E- Mail, jedoch nicht der telefonische Widerruf genannt werden und eine Telefonnummer nach den Gestaltungshinweisen nur angegeben werden muss, soweit diese verfügbar ist (vgl. mit ähnlichen Erwägungen, OLG Hamm Urt. v. 9.2.2023 – 18 U 125/22, BeckRS 2023, 3615 Rn. 55).

Eine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer ergibt sich auch nicht aus Art 10 Abs. 1 RL 2011/83/EU, wonach dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. h RL 2011/83/EU über sein Widerrufsrecht belehrt hat, die Widerrufsfrist erst 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist abläuft. Insofern ist entsprechend der Umsetzung in das deutsche Recht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. h RL 2011/83/EU ausdrücklich nur über das Bestehen eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und das Verfahren sowie das Muster-Widerrufsformular zu belehren. Jedenfalls ausdrücklich ist keine Mitteilungspflicht der in Art. 6 Abs. 1 lit. a RL 2011/83/EU genannten Telefonnummer oder über die möglichen Formen des Widerrufs normiert worden.

Ein Abgleich mit dem erforderlichen Inhalt der Widerrufsbelehrung eines Verbraucherbauvertrages spricht zusätzlich gegen das Erfordernis, eine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung von Fernabsatzverträgen angeben zu müssen, da eine Mitteilung für den Verbraucherbauvertrag gemäß § 356e BGB, Art. 249, § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB - anders als für Fernabsatzverträge - ausdrücklich normiert ist.

Aus der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH ergibt sich nichts Abweichendes, nachdem im dortigen Sachverhalt (nach den Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts) davon auszugehen war, dass anders als im vorliegenden Fall die Widerrufsbelehrung auf der Basis der Muster- Widerrufsbelehrung erstellt worden ist (BGH, Urteil vom 24.9.2020 – I ZR 169/17, MMR 2021, 328 Rn. 31) deren (damalige) Ausfüllhinweise das Einfügen einer Telefonnummer vorsahen, soweit diese verfügbar war. In der vorgenannten Entscheidung befasst sich der BGH (jedenfalls ausdrücklich) nur mit einer Nichtbeachtung der Gestaltungshinweise der Musterbelehrung. Die Kammer kann der Entscheidung keine konkreten Ausführungen dazu entnehmen, dass der BGH mit dieser Entscheidung zugleich eine Angabepflicht der Telefonnummer für die Fälle einer vom Unternehmer selbst - in Abweichung zur Musterwiderrufsbelehrung - erstellten Belehrung sieht.

2. Die Belehrung der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam, etwa weil sie den Eindruck erweckt, dass ein telefonischer Widerruf nicht zulässig wäre (vgl. BeckOK BGB/Martens, 68. Ed. 1.11.2023, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 28). Unzulässig ist eine Belehrung dann, wenn deren Inhalt oder Gestaltung die Gefahr begründet, dass der Verbraucher irregeführt und von einem rechtzeitigen Widerruf abgehalten wird (vgl. BGH NJW 2021, 3122 Rn. 15 und Rn. 22 f.). Dies ist beispielsweise für den Fall bejaht worden, dass eine verwendete Klausel zur Berechnung des Wertersatzes erheblich zum Nachteil des Verbrauchers von der zutreffend in der Belehrung dargestellten Regelung abweicht (BGH, NJW 2021, 3122 Rn. 15) oder für den Fall widersprüchlicher Angaben zum Adressaten eines Widerrufs, welche mit der Gefahr einer Irreführung über den Vertragspartner einhergeht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 28/22 –, Rn. 45, juris).

Eine Irreführung oder ein Abhalten vom rechtzeitigen Widerruf ist durch die vorliegende Belehrung, insbesondere die Nichtangabe einer Telefonnummer, nicht erfolgt. Insbesondere suggeriert die Belehrung nicht, dass ein Widerruf nur an die angegebene Anschrift und daher per Post oder an die angegebenen E- Mail – Adresse übersendet werden kann, obwohl keine anderen Kontaktmöglichkeiten genannt wurden. Mit der Passage, dass „z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail“ möglich sind, wird durch die Formulierung „z.B.“ zum Ausdruck gebracht, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist. Zusätzlich wird durch die ausdrückliche Erwähnung eines Widerrufs per Telefax verdeutlicht, dass die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme über die Post- und die E- Mail - Adresse nicht abschließend sind, wenn ein Widerruf per Telefax erwähnt, eine Telefaxnummer aber nicht genannt wird.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Telefonnummer ist "verfügbar" und damit in Widerrufsbelehrung anzugeben wenn Anbieter Eindruck erweckt Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen

BGH
Urteil vom 24.09.2020
I ZR 169/17
Verfügbare Telefonnummer
UWG § 3a; BGB § 312g Abs. 1, §§ 355, § 312d Abs. 1 Satz 1; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB


Der BGH hat in Umsetzung der einschlägigen EuGH-Entscheidung (siehe dazu EuGH, Urteil vom 14.05.2020 - ‑266/19) entschieden, dass eine Telefonnummer "verfügbar" und damit in der Widerrufsbelehrung anzugeben ist, wenn der Anbieter auf der Website für einen Durchschnittsverbaucher den Eindruck erweckt, die Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu verwenden.

Leitsätze des BGH:

a) Die in § 312d BGB und Art. 246a EGBGB enthaltenen Regelungen über die Informationen, die die Unternehmer den Verbrauchern in Fällen zu geben haben, in denen diesen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, stellen dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF
3a UWG) dar.

b) Eine Telefonnummer ist verfügbar und daher von einem Unternehmer bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen in einer Widerrufsbelehrung anzugeben, wenn sie dergestalt auf der Website des Unternehmers zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt.

BGH, Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17 - OLG Hamm - LG Arnsberg

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:



EuGH: Widerrufsbelehrung muss nur dann zwingend eine Telefonnummer enthalten wenn Anbieter Eindruck erweckt Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen

EuGH
Urteil vom 14.05.2020
C‑266/19
EIS GmbH gegen TO


Der EuGH hat entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung nur dann zwingend eine Telefonnummer enthalten muss, wenn der Anbieter den Eindruck erweckt, die Telefonnummer für Kontakte mit Verbrauchern zu nutzen.

Tenor der Entscheidung:

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass die nach dieser Bestimmung „gegebenenfalls“ anzugebende Telefonnummer eines Unternehmers in einer Situation, in der sie dergestalt auf seiner Website zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, als verfügbar anzusehen ist. In einem solchen Fall ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h und Abs. 4 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I Teil A dahin auszulegen, dass der Unternehmer, der einem Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag gebunden ist, die Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung stellt und hierbei auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A zurückgreift, die betreffende Telefonnummer darin angeben muss, damit der Verbraucher ihm seine etwaige Entscheidung, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, auf diesem Weg mitteilen kann.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: