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OLG Zweibrücken: Keine Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG bei Schaden durch Phishing-Mail wenn Überweisung mit Einverständnis des Alleingesellschafters erfolgte

OLG Zweibrücken
Urteil vom 18.08.2022
4 U 198/21

Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass keine Haftung des GmbH-Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG bei Schaden durch eine Phishing-Mail vorliegt, wenn die Überweisung auf das in der Phishing-Mail genannte Konto mit Einverständnis des Alleingesellschafters erfolgte.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Erstgerichts ist im Ergebnis richtig. Es fehlt bereits an der Verletzung einer Pflicht, die eine Organwalterhaftung der Beklagten nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu begründen vermöchte.

Zutreffend ist das Erstgericht im Ausgangspunkt von der Doppelfunktion des § 43 Abs. 1 GmbHG als Verschuldensmaßstab und Pflichtenquelle ausgegangen (ganz h.M.: vgl. nur MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 10).

Die Beklagte hat keine sie gerade aus ihrer Stellung als Geschäftsführerin der Klägerin treffende (spezifische) Pflicht als Organwalterin der Gesellschaft verletzt. Zwar hat die Beklagte bei den Überweisungen (leicht) fahrlässig gehandelt, da ihr bei Wahrung der im geschäftlichen Zahlungsverkehr bei der Überweisung höherer Geldbeträge erforderlichen Sorgfalt der „Buchstabendreher“ in den zu den jeweiligen Geldüberweisungen auffordernden Phishing-Mails hätte auffallen können und müssen. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG (1.). Die Beklagte haftet der Klägerin auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB oder nach § 823 BGB (2.).

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

1. Für eine Haftung des Organwalters nach § 43 Abs. 2 GmbHG ist nach Auffassung des Senats eine Verletzung einer - hier nicht zu bejahenden - spezifisch organschaftlichen Pflicht erforderlich.

Was unter den „Pflichten“ im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG im Einzelnen zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

a. Eine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der konkreten Fragestellung des § 43 Abs. 2 GmbHG besteht nach dem Verständnis des erkennenden Senats nicht. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 Rn. 38 = NJW 2008, 2437; Urteil vom 27.9.1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354 (357) (AG) = NJW 1956, 1753; so beispielhaft: MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43) verhalten sich jeweils nicht zu § 43 GmbHG, sondern betreffen eine Haftung nach § 826 BGB oder Spezialregelungen aus dem AktG.

b. Auch die obergerichtliche Rechtsprechung dazu ist nicht eindeutig.

aa. So hat sich der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken zu einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden letztlich nicht äußern müssen. Er konnte es insoweit dabei belassen, dass „bei der Bestimmung und Abgrenzung der einem Geschäftsführer obliegenden Pflichten … sich insoweit Schwierigkeiten (ergeben), als das Gesetz einerseits den Umfang dieser Pflichten nicht abschließend regelt, andererseits diese Pflichten grundsätzlich durch den Gesellschaftsvertrag, den Anstellungsvertrag oder durch einzelne Gesellschafterbeschlüsse erweitert bzw. eingeschränkt werden“ (PfOLG Zweibrücken, Urteil vom 22.12.1998, 8 U 98/98, NZG 1999, 506). Für die dortige Fallgestaltung (sog. Risikogeschäft) ist die Meinung in der Rechsprechung und Literatur auch einhellig (vgl. BGHZ 135, 244, 253; ThürOLG DStR 2001, 863, beck-online).

Um ein solches Risikogeschäft handelte es sich bei den Geldüberweisungen der Beklagten zum Zwecke der Bezahlung von Lieferantenrechnungen indes nicht.

bb. Das OLG Koblenz hat – ohne nähere Ausführungen zu der Problematik der Verletzung einer organschaftlichen Pflicht – eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG für einen Fall eines durch einen Geschäftsführer grob fahrlässig verursachten Verkehrsunfalls bejaht. Der Geschäftsführer habe in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (OLG Koblenz, Urteil vom 14. Mai 1998 – 5 U 1639/97 –, Rn. 14, juris).

Ein Fall grob fahrlässigen Handelns der Beklagten ist vorliegend jedoch zu verneinen.

c. Im Schrifttum zu § 43 GmbHG wird die Frage unterschiedlich beantwortet.

aa. Teilweise wird vertreten, der Geschäftsführer hafte dafür, dass er „die allgemeinen Verhaltensanforderungen aus Abs. 1 verletzt hat, also seine Sorgfaltspflicht i.e.S. oder seine Legalitätspflicht - jeweils einschließlich der damit verbundenen Pflichten zur Überwachung der Geschäftsführerkollegen und nachgeordneten Mitarbeiter - oder auch seine organschaftliche Treuepflicht. Sie kann sich ferner aus der Verletzung spezieller Pflichten des Geschäftsführers ergeben, die das Gesetz dem Geschäftsführer in gesonderten Vorschriften zuweist“ (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 257). Für den Fall einer sich nicht aus der organschaftlichen Stellung ergebenden Pflichtverletzung schließe dies „aber nicht aus, dass sie auch bei Schädigungen eingreift, die in gleicher Weise von einer Person verursacht werden könnten, die nicht Geschäftsführer ist (z.B. Verkehrsunfall mit dem Dienstwagen). Im Schrifttum wird jedoch meist betont, dass in diesem Fall nicht der organspezifische Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1, sondern der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB gelte. Zu demselben Ergebnis gelangt man indes auch, wenn man Abs. 1 anwendet und in diesem Rahmen anerkennt, dass von einem ordentlichen Geschäftsleiter bei der Teilnahme am Straßenverkehr oder vergleichbaren nicht organspezifischen Tätigkeiten keine Anforderungen erwartet werden, die über den allgemeinen Maßstab des § 276 Abs. 1 BGB hinausgehen. Für eine Haftungsprivilegierung entsprechend den arbeitsrechtlichen Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich ist auch bei solchen nicht organspezifischen Handlungen kein Raum.“ (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 259).

Nach dieser Auffassung wäre hier eine Pflichtverletzung unter Anwendung der allgemeinen Sorgfaltspflichten (§ 276 BGB) zu bejahen.

bb. Nach anderer, wohl überwiegender Auffassung, der sich der erkennende Senat anschließt, sind „vier größere Pflichtenkreise zu unterscheiden: Erstens ist jeder Geschäftsführer gehalten, die im GmbH-Gesetz, der Satzung und der Geschäftsordnung niedergelegten Organpflichten zu erfüllen und die das Unternehmen betreffenden Rechtsvorschriften des allgemeinen Zivilrechts, des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts und des öffentlichen Rechts zu beachten (sog. Legalitätspflicht). Zweitens muss ein Geschäftsführer die ihm übertragene Unternehmensleitung innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Pflichtenrahmens umfänglich wahrnehmen und sein Amt mit der erforderlichen Sorgfalt führen (sog. Sorgfaltspflicht im engeren Sinne). Drittens obliegt es dem Geschäftsführer, sich in geeigneter Weise von dem recht- und zweckmäßigen Verhalten nachgeordneter Unternehmensangehöriger und seiner Geschäftsführerkollegen zu überzeugen (sog. Überwachungspflicht). Viertens hat sich in jüngerer Zeit aus der allgemeinen Überwachungspflicht eine besondere Pflicht herausgebildet, Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen schon im Vorfeld durch geeignete und zumutbare Schutzvorkehrungen zu verhindern (sog. Compliance-Pflicht ; MüKoGmbHG/Fleischer, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 43 Rn. 12).

In diese Richtung argumentiert auch Kleindiek, nach welchem § 43 Abs. 1 GmbHG „einen Verschuldensmaßstab (umschreibt), aber zugleich den Maßstab für die Konkretisierung der dem Geschäftsführer obliegenden Organpflichten (liefert), soweit sie nicht schon gesetzlich ausformuliert sind. Denn die Verhaltenspflichten gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 spricht von „Obliegenheiten“) lassen sich nur vor dem Hintergrund des in § 43 Abs. 1 umschriebenen Sorgfaltsmaßstabs eingrenzen. Auch wenn man § 43 Abs. 1 nicht schon unmittelbar die Funktion einer Pflichtenquelle zubilligen mag, wird in der Systematik des Gesetzes die Pflicht des Geschäftsführers zur ordnungsgemäßen (dem Standard der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ entsprechenden) Unternehmensleitung doch vorausgesetzt.“ (Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 43 GmbHG, Rn. 10).

Danach gelten für Tätigkeiten, die lediglich bei Gelegenheit der Geschäftsführung vorgenommen werden (zB das Fahren eines Geschäfts-Pkw) der Pflichten-, Sorgfalts- und Haftungsmaßstab aus den allgemeinen Regeln. Das Verhalten des Geschäftsführers ist in solchen Fällen „an §§ 280 ff., 823 BGB und am Sorgfaltsmaßstab des § 276 II BGB zu messen“ (Noack/Servatius/Haas/Beurskens, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 43 Rn. 6; ebenso: MHLS/Ziemons, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 43 Rn. 57; Henssler/Strohn GesR/Oetker, 5. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 3).

Ähnlich sieht es wohl Wicke, wenn er ausführt, der Anstellungsvertrag könne besondere Bedeutung „erlangen, wenn Vertragspflichten verletzt werden, die in keinem Zusammenhang zur Organstellung stehen, oder wenn der Anstellungsvertrag mit einem Dritten geschlossen wurde oder drittschützende Wirkung entfaltet (MüKoGmbHG/Fleischer Rn. 8; Henssler/Strohn/Oetker Rn. 3).“ (Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 43 Rn. 2), wenn er auch - inkonsequent - Haftungsmilderungen erwägt bei einer Tätigkeit, die nicht die Erfüllung typischer Geschäftsführerpflichten zum Gegenstand hat wie, zB bei einer Fahrt mit dem Dienst-PKW (Wicke, 4. Aufl. 2020, GmbHG § 43 Rn. 4).

Der erkennende Senat entscheidet dahin, dass der Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten, der in der Beauftragung von Geldüberweisungen aufgrund einer (gefälschten) Mitteilung einer geänderten Kontoverbindung des Empfängers W. bestand, nicht als Verletzung einer spezifisch organschaftlichen Pflicht anzusehen ist. Denn diese Tätigkeit wäre üblicherweise eine solche der Buchhaltung gewesen. Die der Beklagten als Geschäftsführerin übertragene Unternehmensleitung als solche ist hiervon nicht berührt, auch nicht in Form einer Verletzung von Überwachungspflichten.

Dieses Ergebnis findet nach Auffassung des Senats Bestätigung in § 93 AktG, dem § 43 Abs.2 GmbHG nachgebildet ist. Denn bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern nach § 93 AktG wird die vom Senat für zutreffend erachtete Auffassung übereinstimmend geteilt:

„Als Pflichtverletzungen iSd § 93 Abs. 2 kommen nur organbezogene Tätigkeiten in Betracht. Wo das Verhalten eines Vorstandsmitglieds in keinem Sachzusammenhang mit seinen dienstlichen Pflichten steht, scheidet eine Organhaftung aus. Dies gilt insbesondere für Tätigkeiten „bei Gelegenheit“ der Geschäftsführung, die ebenso gut von einem Dritten hätten vorgenommen werden können. Paradigmatisches Beispiel ist die Fahrt mit dem Dienstwagen. In solchen Fällen greift statt § 93 Abs. 1 der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB ein.“ (BeckOGK/Fleischer, 1.9.2021, AktG § 93 Rn. 240 mit weiteren Nachweisen).

Sonach scheidet eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz aus § 43 Abs. 2 GmbHG aus.

2. Auch eine Haftung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der sie aus dem Anstellungsvertrag als Geschäftsführerin treffenden Dienstpflichten oder aus § 823 BGB besteht nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob von der Beklagten nach dem Anstellungsvertrag die Sorgfalt verlangt werden kann, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 3 mit weiteren Nachweisen), was über den von jedermann zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab in § 276 BGB hinaus geht (BeckOK GmbHG/Pöschke, 49. Ed. 1.8.2021, GmbHG § 43 Rn. 287 unter Verweis auf OLG Koblenz aaO).

Denn die (wenn auch geringfügige) Abweichung der Absenderadresse bei den Phishing-Mails („film.com“ zu „flim.com“) hätte von der Beklagten bei einem höheren Maß an Aufmerksamkeit durchaus bemerkt werden können.

Unabhängig von der Verneinung einer spezifisch organschaftlichen Pflichtverletzung der Beklagten greift aber - die Klageabweisung selbständig tragend - im vorliegenden Fall zu Gunsten der Beklagten eine Haftungsmilderung in Anlehnung an die Grundsätze der Haftung von Arbeitnehmern im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit (dazu Wilhelmi, NZG 2017, 681, 686f; Fritz, NZA 2017, 673, 678f). Danach ist hier - unter weiterer Berücksichtigung gerade auch der von dem Senat als glaubhaft erachteten Angaben der Beklagten in ihrer formlosen Parteianhörung zu ihren faktisch beschränkten Entscheidungskompetenzen in dem Unternehmen der Klägerin - sowohl eine Haftung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag als auch nach § 823 BGB und auch eine solche nach § 43 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen.

Eine Haftungsmilderung kommt nach herrschender Meinung im Bereich der Organfunktion zwar nicht in Betracht (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 43 Rn. 5 mit Darstellung des Streitstandes). Eine Ausnahme wird teilweise als möglich erachtet, wenn der Geschäftsführer wie jeder beliebige Dritte am Rechtsverkehr teilnimmt. In diesen Fällen sei eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur innerbetrieblichen Schadensteilung je nach Umständen des Einzelfalls möglich, die umso eher ausscheidet, je autonomer der Geschäftsführer handeln kann, und umso mehr in Betracht kommt, je mehr er in seinem Handeln – etwa als Geschäftsführer einer konzernabhängigen GmbH – gebunden ist (vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301, 312, juris). Klassischer Beispielsfall ist die Beschädigung eines gesellschaftseigenen Dienstwagens durch den Geschäftsführer (Lutter, GmbHR 2000, 301, 312; aA OLG Koblenz, aaO).

Legt man - wie nach Auffassung des Senats geboten - diesen Maßstab an das Handeln der Beklagten an, scheidet ihre Haftung auf Schadensersatz aus, weil sie bei den Fehlüberweisungen bloß leicht fahrlässig gehandelt hat (vgl. auch BAG NZA 1999, 263):

So wurden bei den Phishing-Mails, mit welchen die Beklagte getäuscht wurde, lediglich eine geringfügige Änderung der korrekten E-Mail-Adresse des langjährigen Geschäftspartners der Klägerin W. vorgenommen. Es wurden von dem oder den Tätern keine Änderung von Namen bei den (angeblich) für W. handelnden Personen vorgenommen und zudem war zeitlich vor den Überweisungen in Betrugsabsicht eine Änderung von Kontoverbindungen angekündigt worden. Die übersandten Rechnungen in den E-Mails waren plausibel sowohl nach der Art der Darstellung als auch in ihrer Höhe. Hinzu kommt die Art des Phishing-Angriffs, der nicht einmalig, sondern durch fortgesetzten E-Mail-Kontakt erfolgte, wobei jeweils Bezug auf die bestehende Kommunikation genommen wurde (auch auf solche vor Beginn der Phishing-Attacke). Insgesamt ergibt sich daraus das Bild eines sehr professionellen Handelns durch den oder die Phishing-Täter, auf welches die Beklagte als Betrugsopfer „hereingefallen“ ist.

Hiergegen ließe sich letztlich nur einwenden, dass Summen ab einer bestimmten Größenordnung nur nach intensiver Überprüfung und unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips überwiesen werden sollten. Angesichts der von der Beklagten glaubhaft geschilderten Ausgestaltung der (von dem Alleingesellschafter vorgegebenen) tatsächlichen Abläufe im Unternehmen der Klägerin war eine solche Gegenkontrolle für die Beklagte allerdings nicht leistbar. Die im Einzelnen überwiesenen Summen waren zudem nach im Prozess vorgelegten Kontoauszügen nicht außergewöhnlich, sondern alltäglich.

Damit scheidet in Übertragung der Grundsätze der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers eine Haftung der Beklagten hier insgesamt aus.

3. Damit kann dahinstehen, ob einer Haftung der Beklagten weiter auch die Berücksichtigung des relativen Verschuldensmaßstabes des § 43 GmbHG entgegen steht.

Die Ausgestaltung des anzulegenden Verschuldensmaßstabes ist durch die besondere Lage des Einzelfalles geprägt (so BGHZ 129, 30 = NJW 1995, 1290 – offenlassend, ob die arbeitsrechtlichen Grundsätze gelten; BeckOK GmbHG/Pöschke, 49. Ed. 1.8.2021, GmbHG § 43 Rn. 290). Bei der gebotenen Berücksichtigung des Einzelfalls müssten die oben genannten Argumente Berücksichtigung finden. Danach wäre eine Haftung der Beklagten zu verneinen.

4. Letztlich scheidet eine Haftung der Beklagten auch wegen Kenntnis der Klägerin in der Person ihres Alleingesellschafters und Mitgeschäftsführers R. von den tatsächlichen Geschehnissen im Zusammenhang mit den durch Betrugshandlungen Dritter veranlassten Geldüberweisungen aus.

Aus den im Prozess vorgelegten E-Mails wird deutlich, dass der Alleingesellschafter R. von der Beklagten in deren Email-Kommunikation mit (vermeintlich) W. jeweils in CC gesetzt bzw. ausdrücklich über die (angeblich) geänderten Kontoverbindungen informiert wurde. Dennoch unterblieb – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – eine ausdrückliche Anweisung, keine Gelder zu überweisen oder die Geschäftsbeziehungen mit W. zu beenden. Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Whatsapp-Nachricht (Blatt 233 der eAkte erster Instanz). Damit liegt ein sog. informelles Einverständnis der Klägerin mit der Handlungsweise der Beklagten vor, das die Haftung der Beklagten entfallen lässt. Denn der Befolgung eines Gesellschafterbeschlusses steht es gleich, wenn Geschäftsführer ohne förmliche Beschlussfassung im - auch stillschweigenden - Einverständnis aller Gesellschafter handeln (Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 43 GmbHG, Rn. 265).

Auch danach ist eine Haftung der Beklagten zu verneinen, da die Überweisungen auf eine geänderte Kontoverbindung (insoweit nicht wegen Übersehen der veränderten E-Mail-Adresse) mit dem zumindest informellen Einverständnis des Allein-Gesellschafters erfolgten.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Hannover: Weiternutzung des Kontos ist keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung - entsprechende Klausel in AGB der Sparda-Bank Hannover unwirksam

LG Hannover
Urteil vom 28.11.2022
13 O 173/22


Das LG Hannover hat entschieden, dass die Weiternutzung eines Kontos keine Zustimmung zu einer Vertragsänderung darstellt. Eine entsprechende Klausel in den AGB der Sparda-Bank Hannover ist unwirksam. Auch die daraus folgende Geschäftspraxis der Bank ist wettbewerbswidrig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Karlsruhe: Münzgeldklausel in AGB einer Bank wonach für Bareinzahlung von Münzgeld 7,50 Euro anfallen gegenüber Verbrauchern unzulässig

OLG Karlsruhe
Urteil vom 26.06.2018
17 U 147/17


Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass eine sogenannte Münzgeldklausel in AGB einer Bank, wonach für Bareinzahlungen von Münzgeld 7,50 Euro anfallen, gegenüber Verbrauchern unzulässig ist.

Die Pressemitteilung des Gerichts:

„Münzgeldklausel“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam

Der unter anderem für das Bankrecht zuständige 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat entschieden, dass die Klausel

„BARTRANSAKTION

Bareinzahlung für Münzgeld 7,50 Euro.“

im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam und deren Verwendung damit zu unterlassen ist.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verbraucherschutzverband. Er fordert, dass die Bank die weitere Verwendung der Klausel in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis unterlässt. Das Landgericht Karlsruhe hatte der Klage stattgegeben.

Der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat die Berufung der Bank nunmehr zurückgewiesen und entschieden, dass die „Münzgeldklausel“ unwirksam ist.

Die angefochtene Klausel weicht von der gesetzlichen Regelung des § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB ab. Zwar regelt die Klausel mit der Bareinzahlung von Münzgeld auf ein Zahlungskonto einen Zahlungsdienst. Für Zahlungsdienste als vertragliche Hauptleistung kann die Bank grundsätzlich ein Entgelt verlangen. Jedoch erfasst sie auch den Fall, dass ein Kunde sein im Soll befindliches Girokonto durch die Bareinzahlung von Münzgeld wieder ausgleicht. Damit enthält sie eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt. Das vereinbarte Entgelt von 7,50 Euro geht entgegen § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB über die Kosten hinaus, die der Bank durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen. Damit ist die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 BGB).

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 26.06.2018, Az.: 17 U 147/17

Vorschriften (auszugsweise)



§ 312 a BGB



(4) Eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, ist unwirksam, wenn

1. für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht oder

2. das vereinbarte Entgelt über die Kosten hinausgeht, die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen.

§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen…

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist



BGH: Regelung über pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen in AGB von Banken und Sparkassen unzulässig

BGH
Urteile vom 12.05.2016 - Urteil vom 25. Oktober 2016
XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15


Der BGH hat entschieden, dass eine Regelung in den AGB von Banken oder Sparkassen, die ein pauschales Mindestentgelt für geduldete Kontoüberziehungen vorsieht, den Bankkunden unangemessen benachteiligt und somit unwirksam ist.

Die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof entscheidet über Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für geduldete Überziehungen

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB*) zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.

In dem Verfahren XI ZR 9/15 (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 156/2016) heißt es in den von der beklagten Bank verwendeten "Bedingungen für geduldete Überziehungen" auszugsweise wie folgt:

"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.

(…)

8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen."

Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligt, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch. Während die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, hat ihr das Berufungsgericht stattgegeben.

In dem Verfahren XI ZR 387/15 (vgl. Pressemitteilung Nr. 157/2016) begehrt der klagende Verbraucherschutzverein von der Beklagten, einer Geschäftsbank, die Unterlassung der Verwendung folgender Klausel:

"[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten."

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern unwirksam sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem Verfahren XI ZR 9/15 die Revision der beklagten Bank zurückgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 387/15 hat er auf die Revision des Klägers der Klage stattgegeben.

Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das pauschale "Mindestentgelt" für eine geduldete Überziehung unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und halten dieser nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die Klauseln sind nicht als sogenannte Preishauptrede einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen. Vielmehr handelt es sich um Preisnebenabreden, die einer Inhaltskontrolle unterliegen. Denn in den Fällen, in denen das Mindestentgelt erhoben wird, wird mit diesem unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbeitungsaufwand der Bank auf den Kunden abgewälzt. Die angegriffenen Klauseln weichen damit von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Denn der Preis für eine geduldete Überziehung, bei der es sich um ein Verbraucherdarlehen handelt, ist dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB folgend ein Zins und damit allein eine laufzeitabhängige Vergütung der Kapitalüberlassung, in die der Aufwand für die Bearbeitung einzupreisen ist.

Die Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten auch in unangemessener Weise, zumal sie gerade bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten zu unverhältnismäßigen Belastungen führen. Denn bei einer geduldeten Überziehung von 10 € für einen Tag und dem hierfür in Rechnung zu stellenden Betrag von 6,90 € in dem Verfahren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 € in dem Verfahren XI ZR 387/15 wäre ein Zinssatz von 25.185% p.a. bzw. von 10.767,5% p.a. zwischen den Parteien zu vereinbaren.

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O 345/12

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U 170/13

und

Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 387/15

LG Düsseldorf – Urteil vom 9. April 2014 – 12 O 71/13

OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Juli 2015 – 6 U 94/14

§ 505 BGB

Geduldete Überziehung

(1) Vereinbart ein Unternehmer in einem Vertrag mit einem Verbraucher über ein laufendes Konto ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall, dass er eine Überziehung des Kontos duldet, müssen in diesem Vertrag die Angaben nach Artikel 247 § 17 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche auf einem dauerhaften Datenträger enthalten sein und dem Verbraucher in regelmäßigen Zeitabständen auf einem dauerhaften Datenträger mitgeteilt werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Darlehensgeber mit einem Darlehensnehmer in einem Vertrag über ein laufendes Konto mit eingeräumter Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall vereinbart, dass er eine Überziehung des Kontos über die vertraglich bestimmte Höhe hinaus duldet.

(2) Kommt es im Fall des Absatzes 1 zu einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger über die sich aus Artikel 247 § 17 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten. Wenn es im Fall des Absatzes 1 zu einer ununterbrochenen Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durchschnittliche Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504a entsprechend. Wenn der Rechnungsabschluss für das laufende Konto vierteljährlich erfolgt, ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 der jeweilige Rechnungsabschluss.

(3) Verstößt der Unternehmer gegen Absatz 1 oder Absatz 2, kann der Darlehensgeber über die Rückzahlung des Darlehens hinaus Kosten und Zinsen nicht verlangen.

(4) Die §§ 491a bis 496 und 499 bis 502 sind auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zustande kommen, nicht anzuwenden.

§ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 488 Abs. 1 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) (…)

(3) (…)

BGH: An Bank gerichteter Boykottaufruf eines Tierschutzvereins gegen einen Tierzüchterverband kann von Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sein

BGH
Urteil vom 19.01.2016
VI ZR 302/15
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; GG Art. 2 Abs. 1


Der BGH hat entschieden, dass der an eine Bank gerichtete Boykottaufruf eines Tierschutzvereins gegen einen Tierzüchterverband von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sein kann. Das OLG Oldenburg hatte in der Vorinstanz noch anders entschieden (siehe OLG Oldenburg: Boykottaufruf im Internet regelmäßig nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt )

Leitsatz des BGH:
Die mit der Darstellung der Haltungsbedingungen von Tieren verbundene, an eine Bank gerichtete Aufforderung auf der Internetseite eines Tierschutzvereins, das Konto eines Interessenverbandes der Tierzüchter zu kündigen, kann ein mit
einer Meinungsäußerung verbundener zulässiger Boykottaufruf sein.

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 - VI ZR 302/15 - OLG Oldenburg - LG Osnabrück

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


LG Darmstadt: Kontoinhaber haftet für manipulierte Online-Überweisung mit Smart-TAN-plus-Verfahren nach Rechtsscheinsgrundsätzen

LG Darmstadt
Urteil vom 28.08.2014
28 O 36/14


Das LG Darmstadt hat entschieden, dass der Kontoinhaber für eine manipulierte Online-Überweisung mit dem Smart-TAN-plus-Verfahren nach Rechtsscheinsgrundsätzen haftet. Das Verfahren sei - so das Gericht dem Sachverständigengutachten folgende - ausreichend sicher.

"Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, der Folgendes feststellte:

Das Smart-Tan-plus-Verfahren weist eine hohe Systemsicherheit auf. Aus technischer Sicht ist es nach derzeitigem Stand so gut wie ausgeschlossen, dass bei Verwendung dieses Verfahrens tatsächlich erfolgte Online-Überweisungen nicht von dem Bankkunden selbst vorgenommen wurden.

Auf Grundlage der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen bestehen bei dem Smart-TAN-plus-Verfahren im konkreten Fall lediglich zwei in Betracht zu ziehende Manipulationsmöglichkeiten, wobei es sich bei beiden um sog. „Man-in-the-Middle-Angriffe“ handelt: Entweder wurde der Angriff durch eine sich auf dem Computer der Klägerin befindliche Schadsoftware (Trojaner) oder durch eine anderweitige Umleitung der Netzwerkpakete auf ein drittes System ermöglicht. Bei diesen beiden Szenarien gab der Geschäftsführer der Klägerin die Daten der von ihm jeweils beabsichtigten Überweisung an die A GmbH & Co. KG in die ihm auf dem PC-Bildschirm ersichtliche (manipulierte) Überweisungsmaske ein. Im Hintergrund – und damit für den Geschäftsführer nicht sichtbar – wurden die streitgegenständlichen Überweisung vorbereitet und deren Daten über die optische Schnittstelle des Bildschirms an den TAN-Generator übermittelt. Der TAN-Generator erzeugte jeweils eine TAN, die für die streitgegenständliche Überweisung bestimmt und auf diese bezogen war. Auf dem Display des TAN-Generators wurden – für den Geschäftsführer der Klägerin sichtbar – die Daten (Empfänger, dessen Kontonummer und BLZ bzw. IBAN und BIC sowie zu überweisender Betrag) der streitgegenständlichen Überweisungen angezeigt. Sodann drückte der Geschäftsführer der Klägerin trotz dieser Anzeige die O.K.-Taste und erzeugte damit die TAN für die streitgegenständlichen Überweisungen. Anschließend gab der Geschäftsführer der Klägerin die erzeugte TAN in die Online-Überweisungsmaske ein. Auf dieser war wegen des betrügerischen Angriffs nach wie vor die von ihm gewollte Überweisung an die A GmbH & Co. KG angezeigt. Der „Angreifer“ fing die derart am 12.11. und am 27.11 erzeugten TAN ab und nutzte sie sodann für die streitgegenständlichen Überweisungen.

Bei dieser Sachlage ist der Klägerin die Zustimmung zu den beiden streitgegenständlichen Überweisungen nach den entsprechend anwendbaren Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen."


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Oldenburg: Boykottaufruf im Internet regelmäßig nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt

OLG Oldenburg
Urteil vom 28.01.2014
13 U 111/13


Das OLG Oldenburg hat sich in dieser Entscheidung mit der Zulässigkeit eines Boykottaufrufs im Internet befasst. Das Gericht hat dem Deutschen Tierschützerbüro e.V. untersagt, eine Volksbank öffentlich aufzufordern, das Konto des Klägers, dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter e.V. zu kündigen.

Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg:

"Dieser Boykottaufruf gehe zu weit, so das Gericht. Der Beklagte sei zwar nicht gehindert, Protestaktionen zu starten und öffentlich seine Meinung zu verbreiten. Der hier gestartete Boykottaufruf stelle aber einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar."

Die Pressemitteilung des OLG Oldenburg finden Sie hier:


OLG Frankfurt: Geltendmachung von Abofallen-Forderungen durch Inkassounternehmen unlauter - Boykottaufruf an Bank durch Verbraucherschutzverband aber auch unzulässig

OLG Frankfurt
Urteil vom 26.03.2013
6 U 184/12


Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Geltendmachung von Abofallen-Forderungen durch ein Inkassounternehmen unlauter ist, sofern dieses Kenntnis von dem Sachverhalt hat.

Ein Boykottaufruf an eine Bank, wo das Inkassounternehmen ein Konto unterhält, durch einen Verbraucherschutzverband ist nach Ansicht des Gerichts jedoch jedenfalls dann unzulässig, sofern der Verband gerichtlich gegen das Inkassounternehmen vorgegangen ist.

Die vollständige Enstcheidung des OLG Frankfurt finden Sie hier:

BGH: Wer sein Konto leichtfertig für betrügerische Internetgeschäfte zur Verfügung stellt, muss Geschädigten Schadensersatz zahlen - Geldwäsche

BGH
Urteil vom 19.12.2012
VIII ZR 302/11


Wer sein Konto leichtfertig für betrügerische Internetgeschäfte zur Verfügung stellt, muss Geschädigten Schadensersatz zahlen.

Aus der Pressemitteilung des BGH:
"Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob auch derjenige, der sein Bankkonto leichtfertig für die Abwicklung betrügerischer Internetgeschäfte zur Verfügung stellt, den durch den Betrug Geschädigten zum Schadensrsatz verpflichtet ist.
[...]
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen der von der Beklagten begangenen leichtfertigen Geldwäsche zusteht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB). Denn der Straftatbestand der Geldwäsche bezweckt auch den Schutz des Vermögens der durch die Vortat – hier: den gewerbsmäßigen Betrug – Geschädigten und ist daher ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass die Beklagte dem Kläger den ihm entstandenen Schaden zu ersetzen hat."

Die vollständige Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

"BGH: Wer sein Konto leichtfertig für betrügerische Internetgeschäfte zur Verfügung stellt, muss Geschädigten Schadensersatz zahlen - Geldwäsche" vollständig lesen

BGH-Urteil zur Haftung des Bankkunden bei Pharming- und Phishing-Angriffen beim Online-Banking liegt im Volltext vor

BGH
Urteil vom 24.04.2012
XI ZR 96/11
BGB § 276 Cc


Die Entscheidung des BGH zur Haftung des Bankkunden bei Pharming- und Phishing-Angriffen beim Online-Banking liegt im Volltext vor. Wir hatten bereits über die Entscheidung berichtet.

Leitsatz des BGH:
Ein Bankkunde, der im Online-Banking Opfer eines Pharming-Angriffs wird, handelt
fahrlässig, wenn er beim Log-In-Vorgang trotz ausdrücklichen Warnhinweises gleichzeitig zehn TAN eingibt.

BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 96/11 - LG Düsseldorf - AG Düsseldorf

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

BGH: Bankkunden können gegenüber der Bank für Schäden durch Pharming oder Phishing beim Online-Banking haften

BGH
Urteil vom 24.04.2012
XI ZR 96/11

Der BGH hat entschieden, dass Bankkunden gegenüber der Bank für Schäden durch Pharming oder Phishing beim Online-Banking haften können. Im vorliegenden Fall war ein Schaden vom 5.000 EURO entstanden, nachdem ein Bankkunde auf einer gefälschten Online-Banking-Seite seine Daten nebst TAN-Nummern eingegeben hatte.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

"Der Kläger ist nach dem in seiner Strafanzeige vorgetragenen Sachverhalt Opfer eines Pharming-Angriffs geworden, bei dem der korrekte Aufruf der Website der Bank technisch in den Aufruf einer betrügerischen Seite umgeleitet worden ist. Der betrügerische Dritte hat die so erlangte TAN genutzt, um der Bank unbefugt den Überweisungsauftrag zu erteilen. Der Kläger hat sich gegenüber der Bank durch seine Reaktion auf diesen Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig gemacht. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem er beim Log-In-Vorgang, also nicht in Bezug auf einen konkreten Überweisungsvorgang, trotz des ausdrücklichen Warnhinweises der Bank gleichzeitig zehn TAN eingegeben hat. Für die Haftung des Kunden reicht im vorliegenden Fall einfache Fahrlässigkeit aus, weil § 675v Abs. 2 BGB, der eine unbegrenzte Haftung des Kunden bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorsieht, erst am 31. Oktober 2009 in Kraft getreten ist."


Die Pressemitteilung des BGH finden Sie hier: "BGH: Bankkunden können gegenüber der Bank für Schäden durch Pharming oder Phishing beim Online-Banking haften" vollständig lesen