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OLG Celle: Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift hat bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung

OLG Celle
Beschluss vom 07.03.2023
13 W 3/23


Das OLG Celle hat entschieden, dass die Streitwertangabe für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche in der Klageschrift bei eindeutiger Sach- und Rechtslage keine indizielle Bedeutung hat.

1. In Verfahren über Ansprüche aus dem UWG bestimmt sich der Streitwert nach der aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 51 Abs. 2 GKG). Bei der Unterlassungsklage eines Wirtschaftsverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist dessen Interesse im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 4.8 mwN). Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens zu bestimmen und hängt von den Umständen ab (aaO, Rn. 4.6). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten, Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen, die Intensität der Wiederholungsgefahr, die sich nach dem Verschuldensgrad beurteilt, sowie die Nachahmungsgefahr (aaO).

2. Nach dieser Maßgabe sieht der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert von 5.000 € als angemessen an.

a) Das wirtschaftliche Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers ist im Streitfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände insgesamt als eher gering zu bewerten.

Es handelt sich um einen Verstoß von eher geringer Intensität. Die Beklagte hat nicht beachtet, dass aufgrund einer Änderung von § 3 Abs. 1 Satz 1 der Spielverordnung seit dem 10. November 2019 in Gaststätten nicht mehr drei, sondern nur noch höchstens zwei Geldspielgeräte zulässig sind. Für einen vorsätzlichen Verstoß ist insoweit nichts ersichtlich. Naheliegend ist vielmehr, dass die Beklagte die Änderung der Spielverordnung nicht bemerkt hatte. Zu Lasten der Beklagten ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie - trotz der Abmahnung durch den Kläger - das Gerät zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht entfernt hatte. Die Abmahnfrist war allerdings kurz bemessen (unter Berücksichtigung der Postlaufzeiten etwa eine Woche), sodass diese Nachlässigkeit noch nicht die Annahme eines schwereren Verstoßes rechtfertigt.

Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass durch den Verstoß bei einem gewichtigen Mitbewerber - etwa einem örtlichen Spielhallenbetreiber - ein größerer Schaden entsteht. Es ist wenig wahrscheinlich, dass das übliche Publikum einer Spielhalle in nennenswertem Umfang nicht mehr dort die Geldspielautomaten nutzt, sondern dafür das Café der Beklagten aufsucht, wenn dort nicht nur zwei, sondern drei Automaten vorhanden sind.

Bei der Bemessung des Streitwerts kann außerdem auch eine durch den Verstoß begründete Nachahmungsgefahr in Bezug auf andere Gastwirte berücksichtigt werden. Diese ist hier allerdings ebenfalls als eher gering zu bewerten, weil es wenig wahrscheinlich war, dass andere Gastronomen den nicht sonderlich auffälligen Verstoß der Beklagten zum Anlass nehmen, ebenfalls ein drittes Geldspielgerät anzubringen.

Der mit der streitgegenständlichen Regelung verfolgte Zweck der Suchtprävention wäre für die Bemessung des Streitwerts nur dann maßgeblich, wenn er sich gleichzeitig - über die vorstehend bereits berücksichtigten Umstände hinaus - auf die wirtschaftlichen Interessen des Mitbewerbers auswirken würde. Dies hat der Kläger weder dargetan noch ist es sonst ersichtlich.

b) Die Streitwertangabe in der Klagschrift (§ 63 GKG) führt zu keiner anderen Beurteilung.

Zwar trifft es zu und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass der Streitwertangabe eine indizielle Bedeutung zukommen kann (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22 - Rn. 12 unter Verweis auf den Beschluss vom 20. Mai 1977 - I ZR 17/76 - juris Rn. 3). Dies ist insbesondere der Fall, wenn angenommen werden kann, dass der betreffende Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich bei der Einreichung der Klage um eine realistische Einschätzung des Streitwerts bemühen, weil die Erfolgsaussicht der Klage noch ungewiss ist und der Kläger sich bei einem Unterliegen durch eine überhöhte Streitwertangabe im Ergebnis selbst belasten könnte. Wenn hingegen - wie im Streitfall - die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und für den Kläger kein erkennbares Prozessrisiko besteht, kann seiner Streitwertangabe nur eine entsprechend geringere indizielle Bedeutung zukommen.

Dies gilt insbesondere, wenn sich - wie hier - aus einer nachfolgenden Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers ergibt, dass seine Streitwertangabe nicht auf einer zutreffenden Berücksichtigung der für die Streitwertbemessung geltenden Rechtslage beruht. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers irrtümlich angenommen, bei der Bemessung des Streitwerts seien zusätzlich zu den wirtschaftlichen Interessen eines gewichtigen Wettbewerbers auch Suchtprävention und Spielerschutz zu berücksichtigen.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

OLG Frankfurt: Rechtsmissbräuchliche Serienabmahnung bei über 240 Abmahnungen im Jahr ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden

OLG Frankfurt
Urteil vom 12.11.2020
6 U 210/19


Das OLG Frankfurt hat abermals entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Serienabmahnung bei über 240 Abmahnungen im Jahr ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden vorliegt. Gegenstand der Abmahnungen war die fehlende Verlinkung auf die OS-Plattform.

Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:

Rechtsmissbrauch bei über 240 Abmahnungen im Jahr

Der Ausspruch von über 240 Abmahnungen in einem Jahr, die sich auf Verstöße ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden beziehen, spricht für ein missbräuchliches Vorgehen. Dem Abmahnenden stehen deshalb keine Ansprüche auf Erstattung der für die Abmahnungen entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.
Nr. 79/2020

Die Klägerin ist eine in Hamburg ansässige, 2017 gegründete GmbH. Der Beklagte betreibt ein Reisebüro und bietet seine Reisebürodienstleistungen über eine Webseite an. Die Webseite enthielt keinen Hinweis auf und keinen klickbaren Link zur sog. OS-Plattform (siehe Erläuterung). Die Klägerin mahnte den Beklagten deshalb erfolglos ab. Ihre Ansprüche auf Unterlassen des gerügten wettbewerbswidrigen Verhaltens sowie auf Ersatz entstandener Rechtsanwaltskosten wies das Landgericht ab. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Klage sei bereits unzulässig, urteilte das OLG. Die Rechtsverfolgung sei rechtsmissbräuchlich. Es sei unzulässig, Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung geltend zu machen, wenn dies vorwiegend dazu diene, “gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.“ Von einem Missbrauch sei auszugehen, wenn das „beherrschende Motiv ... sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind.“ Anhaltspunkt hierfür könne etwa sein, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe. Ein weiteres Indiz liege vor, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse habe.

Hier spreche bereits die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich in fast allen Fällen auf die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder auf die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Die Klägerin werde durch diese Verstöße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht unmittelbar berührt. Die Verstöße beträfen vielmehr vorrangig die Rechtsbeziehungen der abgemahnten Reiseunternehmen zu ihren Kunden, ohne dass der Marktzugang für die Klägerin dadurch erschwert würde. Zu berücksichtigen sei auch, „dass die Klägerin - wenn überhaupt - nur vorübergehend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlermarktes tätig ist,“ betont das OLG. Ihren eigenen Angaben nach befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren.

„Das Verhalten der Klägerin lässt daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen“, stellt das OLG abschließend fest.

Das Urteil ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.11.2020, Az. 6 U 210/19
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.8.2019, Az. 3-10 27/19)

Erläuterung
Bei der sog. OS-Plattform handelt es sich um eine europäische Streitschlichtungs-Plattform für Streitschlichtungen im Online-Handel. Eine Verlinkung zu dieser Plattform ist für alle Online-Händler Pflicht.


OLG Frankfurt: Rechtsmissbräuchliche Serienabmahnung wegen fehlendem Hinweis auf Streitschlichtungsplattform - OS-Plattform

OLG Frankfurt
Beschluss vom 25.09.2020
6 U 57/20


Das OLG Frankfurt hat in diesem Verfahren eine rechtsmissbräuchliche Serienabmahnung wegen fehlendem Hinweis auf die Streitschlichtungsplattform (OS-Plattform) angenommen.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, der Senat hätte Umstände, die das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien betreffen, nicht bei der Beurteilung des Rechtmissbrauchs berücksichtigen dürfen. Für die Frage des Rechtsmissbrauchs kommt es entscheidend darauf an, ob eine Serienabmahnung von sachfremden Motiven getragen ist. Dafür kann es sprechen, wenn der Abmahnende bei objektiver Betrachtung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße hat und die massenhafte Abmahnung von Mitbewerbern für seine Marktstellung nicht von Bedeutung ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.4.2018 - I ZR 248/16 = GRUR 2019, 199, Rn 21, 23 - Abmahnaktion II). Im Streitfall war daher zu berücksichtigen, ob sich die Beklagte und die Klägerin am Markt überhaupt begegnen. Es bleibt dabei, dass die Klägerin nur vage Angaben zu ihren angeblichen Aktivitäten auf dem Reisemarkt macht. Unterlagen, die ihre Reisevermittlungstätigkeit belegen sollen, möchte sie weiterhin nur in der Form vorlegen, dass die jeweiligen Vertragspartner und weitere Angaben geschwärzt bleiben. Eine ausreichende Überprüfung ist daher nicht möglich.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers setzt ein Rechtsmissbrauch bei einer Vielzahl von Abmahnungen nicht kumulativ voraus, dass kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung besteht und die Abmahnungen im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden mit einem existenzbedrohenden Verfolgungsaufwand verbunden ist. Insoweit missversteht die Klägerin die BGH-Entscheidung „Abmahnaktion II“ (Urteil vom 26.4.2018 - I ZR 248/16 = GRUR 2019, 199, Rn 23). Der BGH hat ausgesprochen, dass beim Vorliegen dieser beiden Indizien von einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung regelmäßig auszugehen ist. Keineswegs ist damit gesagt, dass ein Rechtsmissbrauch nur dann angenommen werden kann, wenn beide Indizien zusammenkommen. Vielmehr bedarf es stets einer Gesamtabwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls.Grundsätzlich kann eine hohe Anzahl von Abmahnungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums schon für sich genommen den Missbrauch indizieren. Das hat der BGH bei 150 Abmahnungen innerhalb eines Jahres angenommen (BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner). Im Streitfall kommt zu den 243 Abmahnungen innerhalb eines Jahres hinzu, dass die angegriffenen Verstöße über das Internet leicht ermittelbar waren und dass durch die Verstöße die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nicht nennenswert beeinträchtigt werden. Insoweit ist unerheblich, ob es sich um Informationspflichten handelt, die das Unionsrecht als „wesentlich“ einstuft (§ 5a Abs. 4 UWG).

3. Die Klägerin kann nicht mit dem Argument gehört werden, wenn viele Mitbewerber sich unlauter verhielten, müssten eben auch viele Abmahnungen ausgesprochen werden. Dieses Argument verfängt nicht, wenn das Marktbereinigungsinteresse nur vorgeschoben ist (OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2016, 358 - Vorgeschobene Marktbereinigung I). So liegt es im Streitfall. Die Klägerin hat keine Verstöße abgemahnt, die sie ersichtlich in ihrer Geschäftstätigkeit behindern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie nur gegen solche Unternehmen vorgegangen ist, mit denen sie - sachlich oder örtlich - in einem intensiven Wettbewerb steht. Insoweit kann auf die Gründe des Hinweisbeschlusses Bezug genommen werden.

4. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, sie habe in erheblichem Umfang auch andere Verstöße als solche gegen die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform abgemahnt, fehlt es ihrem Vorbringen an der Substanz. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Anlage K1 zum Schriftsatz vom 9.8.2019. Aus diesem Dokument geht in keiner Weise hervor, welche Verstöße abgemahnt wurden. Aus einer - ebenfalls als Anlage K1 bezeichneten - Anlage im Anlagenband geht hervor, dass zwischen dem 27.2.2018 und dem 14.2.2019 insgesamt 243 Abmahnungen ausgesprochen wurden, wobei über 90 % den Link zur OS-Plattform betrafen. Daneben wurden weitere Formalverstöße wie fehlende Datenschutzerklärungen oder fehlende Impressumsangaben abgemahnt. In dem Schriftsatz vom 9.8.2019 heißt es, es seien auch Verstöße gegen rechtswidrige AGB-Klauseln abgemahnt worden (S. 23). Mangels konkreter Angaben muss davon ausgegangen werden, dass es auch insoweit um formale Verstöße geht, die sich leicht über das Internet ermitteln ließen und die die Klägerin in ihrer Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

6. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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Vorausgegangen ist unter dem 02.09.2020 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit …

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

I.

Die Parteien streiten über wettbewerbsrechtliche Ansprüche. Die Beklagte betreibt ein Reisebüro und bietet über ein Internetportal die Vermittlung von Reisen an. Die Klägerin beanstandet, dass auf der Plattform nicht auf die Streitschlichtungsplattform der EU-Kommission (sog. OS-Plattform) hingewiesen wird. Sie verlangt Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es fehle an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis und damit an der Aktivlegitimation der Klägerin. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Klageanträge weiterverfolgt.

II.

Die zulässige Berufung kann keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Klage ist bereits unzulässig, da die Rechtsverfolgung durch die Klägerin rechtsmissbräuchlich ist.

a) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (BGH GRUR 2016, 961Rn 15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon. m.w.N.). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 - Abmahnaktion II).

b) Bereits die hohe Zahl von Abmahnungen, die die Klägerin zwischen Februar 2018 und Februar 2019 aussprechen ließ, spricht für ein missbräuchliches Vorgehen. Die Klägerin hat unstreitig über 240 Abmahnungen ausgesprochen, wobei es in fast allen Fällen entweder um die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder um die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbieten geht. Hierbei handelt es sich um leicht ermittelbare Verstöße, die durch ein systematisches Durchforsten des Internets auffindbar sind. Die Klägerin wird durch diese Verstöße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht unmittelbar berührt. Die Verstöße, namentlich die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform, betreffen die Rechtsbeziehungen der abgemahnten Reiseunternehmen zu ihren Kunden. Sie erschweren den Marktzugang für die Klägerin nicht. Zwar liegt es im Interesse eines lauter handelnden Unternehmens, dass auch Mitbewerber die Regeln des lauteren Wettbewerbs einhalten. Mit diesem Interesse lässt sich jedoch das massenhafte und flächendeckende Abmahnen von Bagatellverstößen innerhalb eines kurzen Zeitraums nicht erklären.

c) Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin - wenn überhaupt - nur vorbereitend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlungsmarkts tätig ist. Die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten befinden sich erst im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren. Dies gilt zum Beispiel für die seit Jahren geplante Hotelrenovierung ihrer Tochtergesellschaft A GmbH oder die angeblichen Kooperationen mit Unternehmen der Reisebranche. Soweit die Beklagte im Bereich der Vermittlung medizinischer Leistungen für russische Staatsbürger oder im Bereich der Vermittlung von Arbeitskräften in Gebiete der Ölförderung tätig werden möchte bzw. dies in der Vergangenheit plante, handelt es sich schon nicht um Leistungen, die mit jenen der Beklagten austauschbar sind. Auf die angebliche Zusammenarbeit mit einem bayrischen Reisebüro auf Basis des Kooperationsvertrages nach Anlage K9 kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, da der Vertrag nur geschwärzt vorgelegt wurde und das Reisebüro nicht namhaft gemacht wurde. Selbst wenn man auf Grundlage der vagen Angaben der Klägerin von einer geplanten Tätigkeit als Reisevermittlerin ausgehen wollte, lässt sich in diesem Stadium aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden die massenhafte Abmahnung von potentiellen Mitbewerbern nicht mit lauteren Interesse erklären. Kein kaufmännisch handelnder Unternehmer wird Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen existenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder Aktivprozessen eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat (BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 - Abmahnaktion II). Dies gilt ungeachtet der Behauptung der Klägerin, dass sie über erhebliche Mittel verfügt und hinsichtlich der Kostenrisiken Rückstellungen gebildet hat.

d) Das Verhalten der Klägerin lässt daher nur den Schluss darauf zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen, sei es durch die Generierung von Vertragsstrafeansprüchen oder durch das Generieren von Erstattungskosten hinsichtlich der Abmahnkosten. Sie handelt damit rechtsmissbräuchlich.


Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:


OLG Brandenburg: Indizien für eine rechtssmissbräuchliche Abmahnung

OLG Brandenburg
Urteil vom 26.06.2020
6 U 119/19


Das OLG Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung mit zahlreichen Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung befasst.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet. Die Klägerin kann gegenüber den Beklagten weder einen Unterlassungsanspruch noch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten durchsetzen, denn ihr fehlt für ihre rechtsmissbräuchlich erhobene Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Das landgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

1) Wird eine Klage rechtsmissbräuchlich erhoben, hat dies nicht nur die Unbegründetheit, sondern die Unzulässigkeit der Klage zur Folge, weil ein prozessuales Recht missbraucht wird (OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2014 - I-5 U 80/14, Rn 50; OLG Stuttgart Urteil vom 23.01.2002 - 20 U 54/01 Rn 45; so wohl auch BGH, Urteil vom 17.11.2005 - I ZR 300/02 - MEGA SALE Rn 15 in Bezug auf § 8 Abs. 4 UWG). Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gilt auch im Verfahrensrecht (BGHZ 172, 222 Rn 12 mwN). Er verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnisse. Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist die Ausübung solcher Befugnisse, wenn sie nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen, nicht notwendig unerlaubten, aber funktionsfremden und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient (vgl. BGH a.a.O.). Dieser Einwand ist von Amts wegen zu beachten und erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände unter Berücksichtigung des Verhaltens des Gläubigers bei der Verfolgung des streitgegenständlichen und anderer Verstöße, der Art und Schwere des inkriminierten Verhaltens sowie des Verhaltens des Schuldners nach dem Verstoß (BGH, Urteil vom 15.12.2011 – I ZR 174/10 Rn 15 zu § 8 Abs. 4 UWG). Bei der Bewertung können die Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden, allerdings sind die Anforderungen an die Annahme rechtsmissbräuchlicher Prozessführung in anderen Rechtsbereichen als dem des wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutzes höher anzusetzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2007 - 11 W 48/07, Rn 8). Dies gilt auch für mögliche Klagen, die - wie hier - auf einen vorgeblichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerichtet sind.

2) Bei der nach diesen Kriterien vorzunehmenden Würdigung aller Umstände, für die das Verhalten der Klägerin nicht nur im Verlauf des Klageverfahrens, sondern auch während des Abmahnverfahrens und des Verfahrens auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin mit der klageweisen Geltendmachung des Unterlassungsanspruches überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt, die sich als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung darstellen, nämlich zu Lasten der Beklagten und zu ihren, der Klägerin Gunsten Zahlungsansprüche zu generieren. Ob ihr - diese Motive hinweggedacht - materiell-rechtlich ein Anspruch auf Unterlassung des inkriminierten Verhaltens gegenüber den Beklagten tatsächlich zustehen könnte, bedarf keiner Entscheidung mehr, weil ihre sachfremden Motive und Zwecke, wie sie sich bei sorgfältiger Prüfung aus den äußeren Umständen erschließen, überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – MEGA Sale, a.a.O., Rn 16; OLG Hamm, Urteil vom 23.01.2014 - 4 U 118/13):

Die - noch auszuführende - Verfahrensgestaltung durch die Klägerin spricht für rechtsmissbräuchliches Vorgehen. Ob daneben auch die Vielzahl der von der Klägerin angestrengten Verfahren wegen Zusendung unerwünschter Werbung - die Klägerin selbst zitiert in der Klageschrift die von ihr zumindest bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) angestrengten Verfahren nach Aktenzeichen und Streitwert - für Rechtsmissbrauch sprechen könnten, muss hier nicht entschieden werden.

a) Bereits die für die Klägerin durch ihren anwaltlichen Vertreter ausgesprochene Abmahnung ist rechtsmissbräuchlich erfolgt. Art und Weise ihrer Gestaltung lassen erkennen, dass bei Ausspruch der Abmahnung ein Kostenbelastungsinteresse zu Lasten der Beklagten im Vordergrund stand. Ein maßgebliches Indiz dafür ist die Forderung nach überhöhter Vertragsstrafe unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2011 - I ZR 174/10 - Bauheizgerät, Rn 33), wie sie in der von der Klägerin vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vorgegeben ist: die Klägerin hat dort der Beklagten zu 1) und Herrn M... B... für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.001 € unterbreitet, obwohl im Hinblick auf das Gewicht des inkriminierten Verstoßes, nämlich der Versendung eines einzelnen Telefaxes mit Werbung, der für sich genommen geringfügig und leicht zu ermitteln ist, ein Betrag von 1.000 bis 1.500 € als angemessen anzusehen sein dürfte.
Mit der vorformulierten Erklärung hat die Klägerin ferner eine Verpflichtung der Beklagten dahin gefordert, ihr die Kosten der Inanspruchnahme ihres Rechtsanwalts aus einem Streitwert von 10.000 € zu erstatten mittels Überweisung binnen "1 Woche" nach Unterzeichnung der Erklärung, andernfalls die vorgenannte Vertragsstrafe verfalle.

Auch der Hinweis der Klägerin im Abmahnschreiben betreffend die vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, „Nur diese strafbewehrte Erklärung kann den Unterlassungsanspruch erledigen“, weist darauf, dass das eigentliche Motiv für die Abmahnung in der Generierung von Kostenerstattungsansprüchen liegt. Denn mit diesem Hinweis hat die Klägerin suggeriert, nur mit dem Wortlaut der vorformulierten Erklärung könne die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden, mithin sei auch die dort enthaltene Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des vorgerichtlich für die Klägerin auftretenden Rechtsvertreters für den Ausschluss der Wiederholungsgefahr zwingend. Zudem sollte nach der von der Klägerin den Inanspruchgenommenen unterbreiteten Formulierung die Vertragsstrafe, die zu zahlen sich die Beklagten zu verpflichten hatten, auch dann verfallen, wenn diese Rechtsanwaltskosten nicht fristgerecht auf dem Konto ihres Rechtsvertreters eingegangen waren, wobei die Klägerin eine – auffällig kurze – Zahlungsfrist von einer Woche setzte und die zu zahlenden Gebühren nicht konkret bezeichnete, sondern nur die Bemessungsgrundlagen nach RVG darstellte (1,3 Gebühr gemäß 2300 VV RVG zuzüglich Auslagen nach einem Streitwert von 10.000 €) und die Ermittlung des tatsächlich geschuldeten Betrages den Inanspruchgenommenen, juristischen Laien, überließ. Damit hat die Klägerin das Risiko der Inanspruchgenommenen, nicht fristgerecht den vollen Betrag zu zahlen und bereits deshalb die Vertragsstrafe zu verwirken, in deutlicher Weise erhöht, ohne dass dafür ein berechtigtes Interesse ihrerseits erkennbar wäre. Zudem hat sie den Inanspruchgenommenen für die Bemessung der Rechtsanwaltskosten einen unzutreffenden, überhöhten Gegenstandswert vorgegeben.

Der von der Klägerin mit der Abmahnung und später bei Erhebung der Klage angesetzte Gegenstandswert ist weit überhöht. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung im hier zu entscheidenden Rechtsstreit am 30.11.2018 war der Klägerin die Entscheidung des Senats vom 28.08.2018 (6 W 110/18) bekannt, wonach bei Streitigkeiten wegen Zusendung unerwünschter Werbung, an der nicht Mitbewerber im Sinne des UWG beteiligt sind, wie es hier der Fall ist, ein Gebührenstreitwert von 3.000 € anzunehmen ist und eine Vervielfachung des Streitwerts entsprechend der Anzahl der in Anspruch genommenen Gegner nicht in Betracht kommt. In diesem Beschwerdeverfahren, an dem die Klägerin selbst beteiligt war, hatte der Senat im Einzelnen die für die Wertbestimmung maßgeblichen Gründe ausgeführt und ferner, aus welchen Gründen eine Vervielfachung des Gegenstandswertes bei der Inanspruchnahme mehrerer Beklagter ausgeschlossen sei.

Der Umstand, dass der Abmahnung eine Vollmacht zu Gunsten des für die Klägerin auftretenden Rechtsanwalts nicht beigefügt, sie mithin nicht ordnungsgemäß war (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.2000 – 20 W 37/00), und die nachgereichte Vollmacht erst vom 22.06.2018 datierte, während die Abmahnung selbst bereits am 14.06.2018 ausgesprochen worden ist, begründet hier zudem weiter den Verdacht, der beauftragte Anwalt betreibe die Abmahnungen in eigener Regie jedenfalls als Geschäft (Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn 4.12 b).

Hinzu kommt, dass die Klägerin, wie dem Senat aus einer Reihe von gerichtlichen Verfahren bekannt ist und wie auch die Beklagten zutreffend monieren, ihre Abmahnschreiben und bei Gericht eingereichten Schriftsätze textbausteinähnlich aus abstrakten Ausführungen zusammensetzt und nur ganz vereinzelt auf den individuellen Vorwurf zuschneidet.

Zudem ist die in den Schriftsätzen gewählte Schriftgröße und der Zeilenabstand derart klein, dass das Lesen des jeweiligen Textes stark erschwert ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass durch diese Gestaltung der Leser in die Gefahr geraten soll, Wichtiges zu übersehen.

b) Die Klägerin hat zudem neben der Beklagten zu 1) als das Unternehmen, das die inkriminierte Werbung verantwortet, auch den Beklagten zu 2) als deren Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch genommen und hat dies mit einer (behaupteten) bundesweiten Rechtsprechung begründet unter Zitierung von Entscheidungen, die allerdings nicht zum Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergangen sind, sondern zu urheberrechtlichen Streitigkeiten bzw. zu solchen, welche die Verletzung absoluter Rechte betreffen. Diese Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen. Es liegt mithin nahe, dass die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) allein zu dem Zweck erfolgt ist, (unrichtigerweise) einen höheren Gegenstandswert zu begründen.

c. Ein weiteres Indiz für rechtsmissbräuchliches Vorgehen stellt der Umstand dar, dass die Klägerin bei Gericht mehrere relevante Dokumente weder mit der Klage-, noch mit der Antragsschrift im Einstweiligen Verfügungsverfahren vorgelegt hat, nämlich die von ihr vorformulierte und den Beklagten mit dem Abmahnschreiben als zwingend unterbreitete Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und die Erwiderung der Beklagten vom 22.06.2018 auf die Abmahnung der Klägerin zu Händen ihres Rechtsvertreters am selben Tag per email zugegangen. Dadurch hat sie gegenüber dem Gericht den aufgezeigten unberechtigten Inhalt der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verschleiert und zudem den falschen Eindruck erweckt, die Beklagten hätten auf ihre Abmahnung nicht reagiert. Dadurch hat sie das angerufene Gericht veranlasst, das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verkürzen, denn wegen des zwingend der Gegenseite einzuräumenden rechtlichen Gehörs wäre die von der Klägerin mit dem Antrag auf Einstweilige Verfügung begehrte Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nur zulässig gewesen, wenn die vorgerichtliche Erwiderung des Gegners zu dem inkriminierten Sachverhalt dem Gericht vollständig vorgelegen hätte (BVerfG, Kammerbeschluss vom 03.06.2020 - 1 BvR 1246/20; Kammerbeschluss vom 30.09.2018 - 1 BvR 1783/17, Rn 16).

d. Weiter hat die Klägerin die Entscheidung des Landgerichts über den Erlass einer Beschlussverfügung durch unzutreffende Angaben unredlich beeinflusst. Sie hat behauptet, die Beklagten seien ihr unbekannt, obwohl sie, wie sie dann im Verlauf des Klageverfahrens eingeräumt hat, in dem Zeitraum 2014 bis 2017 mehrfach bei ihr Bestellungen getätigt hatte. Diese unrichtige Sachdarstellung hat sie zunächst aber auch noch im Klageverfahren wiederholt.

e. Im Klageverfahren hat sie zudem - die Rechte der Beklagten weiter beeinträchtigend - die Rechtsanwälte, die sich bereits im Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung als Prozessbevollmächtigten für die Beklagten bestellt hatten, nicht als Prozessvertreter benannt.

f. In dem Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung hat die Klägerin schließlich mit Herrn M... B... einen unbeteiligten Dritten als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) in Anspruch genommen, obwohl sich aus dem Telefax, das Gegenstand des Verfahrens war, gut leserlich der Name des hiesigen Beklagten zu 2) als Geschäftsführer ergab. Nach Zustellung der Beschlussverfügung hat die Klägerin sodann zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert, und zwar neben der Beklagten zu 1) nunmehr als Geschäftsführer den hiesigen Beklagten zu 2), aber auch Herrn M... B.... Diesen hat sie, nachdem sie ihn im Einstweiligen Verfügungsverfahren fälschlich als Geschäftsführer in Anspruch genommen und diesen Irrtum dann offenbar erkannt hatte, zur Abgabe der Abschlusserklärung mit der - wiederum unrichtigen - Begründung aufgefordert, er sei „Unterzeichner des Werbefaxes“ vom 12.06.2018, tatsächlich weist dieses aber, wie die zur Akte gereichte Kopie zeigt, eine Unterschrift nicht auf. Die nachhaltige Inanspruchnahme eines dritten Unterwerfungsschuldners lässt sich wiederum nur mit einem sachfremden Kostenbelastungsinteresse erklären.

3) Aufgrund der Gesamtwürdigung aller dargelegten Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin mit ihrem Vorgehen gegen die Beklagten vordringlich das Ziel verfolgt hat, Zahlungsansprüche zu ihren eigenen Gunsten bzw. denen ihres Prozessbevollmächtigten auf Kosten der Beklagten zu begründen. Dieses Interesse ist nicht schutzwürdig, denn es steht mit der Abwehr unerwünschter Werbung nicht in Zusammenhang. Das durch sachfremde Motive bestimmte Vorgehen der Klägerin gegen die Beklagten ist deshalb als rechtsmissbräuchlich zu bewerten, ohne dass es noch darauf ankommt, ob die hohe Zahl der von der Klägerin initiierten gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) und bei weiteren Gerichten, z.B. dem Amtsgericht Fürstenwalde/Spree, ein Indiz dafür bilden, dass die Klägerin ihre formal bestehende Rechtsposition auch generell rechtsmissbräuchlich ausnutzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 149/18).


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BGH: Indiz für Abmahnungsmissbrauch wenn Rechtsanwälte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzung in eigener Regie und faktisch auf eigenes Risiko aussprechen

BGH
Urteil vom 28.05.2020
I ZR 129/19


Der BGH hat entschieden, dass ein Indiz für Abmahnungsmissbrauch vorliegt, wenn Rechtsanwälte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in eigener Regie und faktisch auf eigenes Risiko aussprechen

Aus den Entscheidungsgründen:

ee) Jedenfalls überwiegen im Rahmen der Gesamtbetrachtung bei zutreffender Gewichtung die vom Berufungsgericht festgestellten Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch das schützenswerte Interesse des Zedenten, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden.

(1) Zu den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen kommt maßgeblich hinzu, dass der Zedent seine Ansprüche kurz nach der Abmahnung an die Klägerin abgetreten hat. Hinsichtlich der zuletzt allein noch streitigen anwaltlichen Abmahnkosten macht die Klägerin somit ihre eigenen Vergütungsansprüche - auf eigenes Risiko - gerichtlich geltend. Dieser Umstand spricht zusammen mit der größeren Anzahl gleichlautender Abmahnungen vom selben Tag sowie dem vergleichbaren Vorgehen der Klägerin in Parallelfällen dafür, dass die Klägerin das Abmahngeschäft "in eigener Regie" und in erster Linie betreibt, um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu generieren. In diesem Zusammenhang kommt auch dem Umstand erhebliches Gewicht zu, dass die Partner der Klägerin Mitgesellschafter und Geschäftsführer der G. GmbH sind, die die Rechtsverletzungen ermittelt und ihrerseits je erfolgreicher Ermittlung Kosten in Höhe von 100 € in Rechnung stellt. Dabei ist auf die zulässige Verfahrensrüge der Beklagten gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - I ZR 202/14, GRUR 2016, 939 Rn. 31 = WRP 2016, 999 - wetter.de) auch der vom Berufungsgericht übergangene Vortrag zu berücksichtigen, wonach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung in den Parallelverfahren vor dem Landgericht Hamburg eingeräumt hat, dass die G. GmbH auf Grundlage eines Gesamtauftrags des Zedenten automatisch nach Rechtsverletzungen im Inland sucht, die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Prozessführung trägt und sie mit den Aufträgen des Zedenten letztlich Gebühren generieren kann. Diese Umstände sprechen klar und deutlich dafür, dass die überwiegende Motivation für die Abmahnungen nicht darin lag, weitere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, sondern Gebühreneinnahmen zu erzielen.

(2) Daneben ist im Streitfall die singuläre Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Deutschland ein weiteres Indiz für ein Vorgehen, das überwiegend von der Erzielung von Vergütungsansprüchen für die Klägerin motiviert ist. Die Verfolgung von Rechtsverletzungen nur auf dem deutschen Markt spricht unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls gegen ein überwiegendes, eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung ausschließendes Interesse des Zedenten an der Verteidigung seines Urheberrechts gegen rechtsverletzende Verwertungen.


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BGH: Rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung wenn im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden ein existenzbedrohender Verfolgungsaufwand und kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse mit den Ab

BGH
Urteil vom 26. April 2018
I ZR 248/16 Abmahnaktion II
UWG § 8 Abs. 4


Der BGH hat entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung vorliegt, wenn im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden ein existenzbedrohender Verfolgungsaufwand und kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse mit Abmahnungen verbunden sind. Ein Indiz liegt auch darin, wenn eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller eines unzuässigen Produkts erwirkt wurde und weiterhin Händler in großer abgemahnt werden.

Leitsätze des BGH:

a) Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG liegt grundsätzlich vor, wenn mit einer Vielzahl von Abmahnungen ein im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden existenzbedrohender Verfolgungsaufwand verbunden ist, und für ihn an der Rechtsverfolgung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse besteht.

b) Bei der für die Prüfung einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung durch Massenabmahnungen gegenüber Händlern erforderlichen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände kann zu berücksichtigen sein, dass der Abmahnende wegen der von ihm beanstandeten Werbeaussagen bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Hersteller erwirkt hat.

c) Fehlt jedes wirtschaftlich nennenswerte Interesse an der Rechtsverfolgung, so entfällt die Indizwirkung einer im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreichen Abmahntätigkeit für einen Rechtsmissbrauch nicht dadurch, dass der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.

BGH, Versäumnisurteil vom 26. April 2018 - I ZR 248/16 - OLG München - LG München II

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