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LG München: Weitergabe von Positivdaten an SCHUFA durch Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 verstößt gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO und ist rechtswidrig

LG München
Urteil vom 25.04.2023
33 O 5976/22


Das LG München hat entschieden, dass die Weitergabe von Positivdaten an die SCHUFA durch den Telekommunikationsanbieter Telefonica / O2 gegen Art. 5 und Art. 6 DSGVO verstößt und somit rechtswidrig ist.

Aus den Entscheidungsgründen:
Die streitgegenständliche Datenübertragung personenbezogener Daten (vgl. Anlage K 3) stellt eine Zuwiderhandlung gegen Art. 5, 6 DSGVO dar. Gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 DSGVO normierten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Übermittlung der sog. Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien, wie im Streitfall an die SCHUFA (vgl. Anlage K3), erfolgt ohne Rechtsgrundlage.

a. Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden. Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien.

Soweit ein solcher Vertragsschluss unter Weitergabe von Positivdaten schlicht weniger risikobehaftet ist, begründet dies nicht die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung im Rechtssinne.

b. Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.

aa. Die Kammer legt bei ihrer gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO zu treffenden Abwägung zugrunde, dass verschiedene Interessen grundsätzlich auch für die Übermittlung von sog. Positivdaten sprechen.

Allen voran ist insoweit die auch aus Sicht der Beklagten als Verantwortliche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO hervorgehobene Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung im zweistelligen Millionenbereich zu nennen, welche u. a. durch eine Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten bzw. die Verhinderung eines Identitätsdiebstahls durch den Abgleich mit Positivdaten erreicht werden soll.

Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten und einer frühzeitigen Kundenbindung sowie einer höheren Abschlussquote (wegen gesteigerter Annahmequoten) dient.

Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden.

Gleiches gilt für das wirtschaftliche Interesse von Dritten, hier der Auskunftei, deren Geschäftsmodell auf der Einmeldung von Daten im Gegenseitigkeitsprinzip basiert, an der Funktionsfähigkeit von Auskunfteien und der Genauigkeit von Scores.

Auch die von der Beklagten für die Betroffenen angeführten Interessen, etwa günstigere Vertragskonditionen durch eine Verbesserung des Scorewerts der Betroffenen, der Möglichkeit der besseren Gewichtung von Negativeinträgen, einem Schutz vor Überschuldung und einer (erweiterten) Möglichkeit zum Abschluss von Erstverträgen, können für die vorzunehmende Abwägung als gegeben unterstellt werden.

bb. Inwieweit die Meldung von Positivdaten als Mittel zur Wahrung der genannten Interessen tatsächlich geeignet ist, kann im Streitfall dahinstehen, denn zur Wahrung dieser Interessen wählt die Beklagte mit der Übermittlung der Positivdaten jedenfalls nicht das erforderliche und verhältnismäßige Mittel aus, sondern die aus ihrer Sicht effektivste Methode. Dies ist unzulässig.

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier:

EuGH-Generalanwalt: SCHUFA-Scoring ist Profiling im Sinne der DSGVO und zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus

EuGH-Generalanwalt
Schlussanträge vom 16.03.2023
C-634/21 SCHUFA Holding u. a. (Scoring)
und den verbundenen Rechtssachen
C-26/22 und C-64/22 SCHUFA Holding u. a. (Restschuldbefreiung)


Der EuGH-Generalanwalt kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass das SCHUFA-Scoring Profiling im Sinne der DSGVO ist. Zudem äußert sich der EuGH-Generalanwalt zur Speicherung der Restschuldbefreiung über 6 Monate hinaus durch Wirtschaftsauskunfteien.

Die Pressemitteilung des EuGH:
Generalanwalt Pikamäe: Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer Person, einen Kredit zu bedienen, ist ein Profiling im Sinne der DSGVO

Rechtsverbindliche Beschlüsse einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde müssten gerichtlich umfassend überprüfbar sein

Die Rechtssache C-634/21 betrifft einen Rechtsstreit zwischen einem Bürger und dem Land Hessen, vertreten durch den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (im Folgenden: HBDI), hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, die darin besteht, ihre Kunden mit Auskünften über die Kreditwürdigkeit Dritter zu versorgen, lieferte die SCHUFA Holding AG einem Kreditinstitut einen Score-Wert in Bezug auf diesen Bürger. Dieser Score-Wert diente als Grundlage für die Verweigerung des von diesem Bürger beantragten Kredits. Der Bürger forderte daraufhin die SCHUFA auf, die darauf bezogene Eintragung zu löschen und ihm Zugang zu den entsprechenden Daten zu gewähren. Die SCHUFA teilte ihm jedoch nur den entsprechenden Score-Wert und in allgemeiner Form die der Methode zur Berechnung des Score-Wertes zugrunde liegenden Grundsätze mit. Sie erteilte ihm aber keine Auskunft darüber, welche konkreten Informationen in diese Berechnung eingeflossen waren und welche Bedeutung ihnen in diesem Zusammenhang beigemessen wurde und begründete dies damit, dass die Berechnungsmethode dem Geschäftsgeheimnis unterliege.

Soweit der betroffene Bürger geltend macht, dass die Ablehnung seines Ersuchens durch die SCHUFA gegen Datenschutzrecht verstoße, wird der Gerichtshof vom Verwaltungsgericht Wiesbaden ersucht, über die Beschränkungen zu entscheiden, die die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der wirtschaftlichen Tätigkeit von Auskunfteien im Finanzsektor, insbesondere bei der Datenverwaltung, auferlegt, sowie über die Bedeutung, die dem Geschäftsgeheimnis zuzuerkennen ist. Der Gerichtshof wird auch den Umfang der Regelungsbefugnisse zu präzisieren haben, die dem nationalen Gesetzgeber durch einige Bestimmungen der DSGVO abweichend von dem mit diesem Rechtsakt verfolgten allgemeinen Harmonisierungszweck übertragen werden.

In seinen Schlussanträgen führt Generalanwalt Priit Pikamäe zunächst aus, dass die DSGVO ein „Recht“ der betroffenen Person verankere, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden.

Der Generalanwalt stellt sodann fest, dass die Voraussetzungen, denen dieses Recht unterliege, erfüllt seien, da:

1. das fragliche Verfahren ein „Profiling“ darstelle,
2. die Entscheidung rechtliche Wirkungen gegenüber der betroffenen Person entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige und
3. davon auszugehen sei, dass die Entscheidung ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhe.

Die Bestimmung der DSGVO, in der dieses Recht vorgesehen sei, sei somit unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens anwendbar.

Der Generalanwalt unterstreicht, dass die betroffene Person nach einer anderen Bestimmung der DSGVO das Recht habe, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht nur die Bestätigung zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden oder nicht, sondern auch andere Informationen wie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling, aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die Verpflichtung, „aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik“ bereitzustellen, dahin zu verstehen sei, dass sie hinreichend detaillierte Erläuterungen zur Methode für die Berechnung des Score-Wertes und zu den Gründen umfasst, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Generell sollte der Verantwortliche der betroffenen Person allgemeine Informationen übermitteln, vor allem zu bei der Entscheidungsfindung berücksichtigten Faktoren und deren Gewichtung auf aggregierter Ebene, die der betroffenen Person auch für die Anfechtung von „Entscheidungen“ im Sinne der Bestimmung der DSGVO, in der das Recht verankert sei, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung, einschließlich Profiling, beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, nützlich seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass bereits die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit einer betroffenen Person, künftig einen Kredit zu bedienen, eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhende Entscheidung darstelle, die der betroffenen Person gegenüber rechtliche Wirkung entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige, wenn dieser mittels personenbezogener Daten der betroffenen Person ermittelte Wert von dem Verantwortlichen an einen dritten Verantwortlichen übermittelt werde und jener Dritte nach ständiger Praxis diesen Wert seiner Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit der betroffenen Person maßgeblich zugrunde lege.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat zwei weitere Vorabentscheidungsersuchen zur DSGVO vorgelegt (Rechtssachen C-26/22 und C-64/22). Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Bürgern und dem Land Hessen, vertreten durch den HBDI, über Anträge dieser Bürger beim HBDI auf Löschung einer Eintragung betreffend eine Restschuldbefreiung bei der SCHUFA. Im Rahmen der diese Bürger betreffenden Insolvenzverfahren wurde ihnen mit gerichtlichen Beschlüssen eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt. Dieser Umstand wurde im Internet amtlich veröffentlicht, und der Eintrag nach sechs Monaten gelöscht. Die SCHUFA speichert solche veröffentlichten Informationen über vorzeitige Restschuldbefreiungen in ihrem Datenbestand, löscht sie aber erst drei Jahre nach der Eintragung. Die vom nationalen Gericht gestellten Fragen betreffen unter anderem die Rechtsnatur der Entscheidung der mit einer Beschwerde befassten Aufsichtsbehörde sowie den Umfang der gerichtlichen Kontrolle, die das Gericht im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine solche Entscheidung ausüben kann. Die Rechtssachen betreffen auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Speicherung personenbezogener Daten aus öffentlichen Registern bei Wirtschaftsauskunfteien.

In seinen Schlussanträgen weist Generalanwalt Pikamäe als Erstes darauf hin, dass sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung aus einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen ergeben müsse, wobei die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten überwiegen müssten. Die Aufsichtsbehörde, die nach der DSGVO jede etwaige Beschwerde der betroffenen Person wegen Verletzung ihrer Grundrechte zu behandeln habe, habe zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verarbeitung erfüllt seien. Sollte diese Person schließlich gemäß der DSGVO einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss der Aufsichtsbehörde einlegen, obliege es den nationalen Gerichten, eine wirksame gerichtliche Kontrolle sicherzustellen. Nach Ansicht des Generalanwalts unterliegt ein rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle in der Sache, wodurch die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs gewährleistet werde.

Als Zweites führt der Generalanwalt aus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nach der DSGVO unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig sei:

- erstens müsse von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem oder den Dritten, denen die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden,
- zweitens müsse die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und
- drittens dürften die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen.

Herr Pikamäe merkt an, dass die erheblichen negativen Folgen, die die Speicherung der Daten für die betroffene Person nach Ablauf des fraglichen Zeitraums von sechs Monaten haben werde, gegenüber dem geschäftlichen Interesse des privaten Unternehmens und seiner Kunden an der Speicherung der Daten nach diesem Zeitraum zu überwiegen scheinen. In diesem Kontext sei hervorzuheben, dass die gewährte Restschuldbefreiung dem Begünstigten ermöglichen solle, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken zu speichern, nachdem diese Daten aus dem öffentlichen Register gelöscht worden seien.

Der Generalanwalt kommt zu dem Schluss, dass die Speicherung der Daten durch eine private Wirtschaftsauskunftei nicht auf der Grundlage der Bestimmung der DSGVO, in der die oben genannten Voraussetzungen aufgeführt sind, rechtmäßig sein könne, wenn die personenbezogenen Daten über eine Insolvenz aus den öffentlichen Registern gelöscht worden seien. Was den Zeitraum von sechs Monaten betrifft, in dem die personenbezogenen Daten auch in öffentlichen Registern verfügbar seien, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, die angeführten Interessen und Auswirkungen auf die betroffene Person gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, ob die parallele Speicherung dieser Daten durch private Wirtschaftsauskunfteien auf dieser Grundlage rechtmäßig sei.

Als Drittes unterstreicht der Generalanwalt, dass die DSGVO vorsehe, dass die betroffene Person das Recht habe, zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten gelöscht werden, wenn sie Widerspruch gegen die Verarbeitung einlege und wenn diese Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien. Nach Ansicht des Generalanwalts hat die betroffene Person in einem solchen Fall daher das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es ausnahmsweise vorrangige berechtigte Gründe für die Verarbeitung gebe.


Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:
C634/21
C26/22 und C64/22

OLG Frankfurt: Unternehmen hat Unterlassungsanspruch gegen Ratingagentur bei unberechtigter schlechter Bewertung der Bonität - Scoring

OLG Frankfurt am Main
Urteil vom 07.04.2015
24 U 82/14


Das OLG Frankfurt hat völlig zu Recht einer Ratingagentur untersagt, einem Unternehmen eine schlechte Bewertung über die Bonität (Scoring) zu erteilen, wenn die Bewertung ohne sachliche Grundlage erfolgt. Das Unternehmen hat in einem solchen Fall einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Ratingagentur. Zudem besteht ein Anspruch auf Schadensersatz.

Die Pressemitteilung des OLG Frankfurt:

"Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte Ratingagentur zur Unterlassung schlechten Scorings eines Unternehmens

Mit einem am 07.04.2015 verkündeten und heute in schriftlicher Form vorliegenden Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) einer Ratingagentur untersagt, über ein im Rhein-Main-Gebiet ansässiges Unternehmen eine schlechte Bewertung (Scoring) zu erteilen.

Die Klägerin betreibt seit den 1990er-Jahren ein Unternehmen im Bereich der Luftfahrtindustrie. Eine Insolvenz oder Zahlungsausfälle sind bei ihr bisher nicht vorgekommen. Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei, in der sie Informationen und Analysen über Unternehmen sammelt und hieraus Bonitätsauskünfte erstellt, die auf Anfrage Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Die Klägerin wurde von der Beklagten mit dem "Risikoindikator 4", dem schlechtesten von vier Werten angegeben. Ferner heißt es in der Bewertung der Klägerin "Das Ausfallrisiko wird als hoch eingestuft" sowie "Sicherheiten empfohlen“.
Die Klägerin, die auf die schlechte Bewertung durch eine ihrer Kundinnen aufmerksam gemacht wurde, wandte sich durch einen Anwalt an die Beklagte und forderte Aufklärung. Die Beklagte stufte die Klägerin danach eine Stufe besser mit "3" und das Ausfallrisiko mit "überdurchschnittlich" ein.

Die Klägerin erhob hierauf Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, es zu unterlassen, gegenüber Dritten eine schlechte Risikoeinschätzung der Klägerin abzugeben und ihr Ausfallrisiko als hoch einzustufen.
Das in erster Instanz zuständige Landgericht folgte der Verteidigung der Beklagten und wies die Klage ab, weil es sich bei den Bewertungen lediglich um Werturteile handele, die - anders als Tatsachenbehauptungen - einer exakten Nachprüfung nicht zugänglich seien. Auf die hierauf von der Klägerin eingelegte Berufung kassierte das OLG das Urteil des Landgerichts und verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Zur Begründung führt das OLG aus: Die von der Beklagten abgegebene äußerst negative Bewertung der Kreditwürdigkeit der Klägerin sei ohne jegliche sachliche Basis. Das Vorgehen der Beklagten bei der Abgabe ihrer verschiedenen Bewertungen sei von einer verantwortungslosen Oberflächlichkeit geprägt und verletze das Recht der Klägerin, keine rechtswidrigen Eingriffe in ihren Gewerbebetrieb erleiden zu müssen. Maßstab für das Ratingagenturen erlaubte Verhalten sei § 28 b Bundesdatenschutzgesetz. Nach dieser Vorschrift dürfe ein "Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten erhoben oder verwendet werden, wenn die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind". Zwar seien die sog. "Scoreformeln" selbst sowie die Basisdaten nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.1.2014, VI ZR 156/13 als geschütztes Geschäftsgeheimnis der Ratingagentur anzusehen. Vorliegend erwecke die Beklagte bei ihren Kunden aus der Wirtschaft aber den Eindruck einer umfassenden Verwertung der verschiedensten Variablen über das bewertete Unternehmen. Genauer betrachtet stütze sie die schlechte Bewertung der Klägerin jedoch einzig und allein darauf, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Kapitalgesellschaft, sondern einen eingetragenen Einzelkaufmann handele. Das reiche nicht aus, da die Verwertung dieses Einzelfaktors dem Maßstab einer komplexen, auf statistischen und wissenschaftlichen Algorithmen beruhenden Bewertung nicht genüge.

Gegen die Entscheidung kann Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt werden.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 7.4.2015, Aktenzeichen 24 U 82/14 (vorausgehend: LG Darmstadt, Urteil vom 31.1.2014, Aktenzeichen 10 O 37/13)"