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LG Köln: Domainregistrar haftet wie ein Hostprovider als Störer für rechtswidrige Inhalte wenn er trotz Löschungsaufforderung untätig bleibt

LG Köln
Urteil vom 13.05.2015
28 O 11/15


Das LG Köln hat entschieden, dass auch der Domainregistrar wie ein Hostprovider nach den Grundsätzen der Störerhaftung für rechtswidrige Inhalte haftet, die über die Domain verbreitet werden, wenn dieser trotz Löschungsaufforderung untätig bleibt. Vorliegend ging es um die Verbreitung von persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten. Die Löschungsaufforderung muss dabei so konkret sein, dass die Rechtswidrigkeit der Inhalte nachvollzogen werden kann.

Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Antragsgegnerin zu 4 hat die inkriminierten Beiträge zwar weder verfasst noch hat sie sich diese zu Eigen gemacht. Sie hat für deren Veröffentlichung aber als Störerin einzustehen, weil sie deren Veröffentlichung als Domain-Registrar ermöglicht hat, ohne die ihr möglichen und zumutbaren Prüfpflichten zu erfüllen.

Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (vgl. BGH vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, a.a.O. Rn. 45 - Kinderhochstühle im Internet; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09 - Stiftparfüm). Indem die Antragsgegnerin zu 4 die streitgegenständliche Domain durch deren Eintrag in die Datenbank der Registrierungsstelle, durch die Mitwirkung bei der Konnektierung der Domain durch den Betrieb untergeordneter Name-Server sowie durch die Veranlassung des Hinterlegens von Verweisen auf den Name-Servern der Registrierungsstelle registriert hat, trägt sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen.

Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH vom 25.10.2011, VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 ff. – „Blog-Eintrag“).

Zu diesen Prüfpflichten hat der BGH im Urteil vom 25.10.2011, a.a.O., ausgeführt:

„Ein Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. BGH , Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 252 - Internet-Versteigerung I; Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 - Internet-Versteigerung II; Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 43 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 26 - Stiftparfüm). Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen Union und der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Betreibern eines Internet-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt haben (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, EuZW 2011, 754 - L’Oreal/eBay; BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, aaO Rn. 22 ff. - Stiftparfüm).

Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen lassen. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten:

Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.

Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.“

Diese Grundsätze sind nach Auffassung der Kammer auch auf den seitens der Antragsgegnerin zu 4 geleisteten Verursachungsbeitrag des Domain-Registrars zu übertragen. Zwischen den Parteien ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen, dass der Domain-Registrar – wie zuvor beschrieben - einen ursächlichen Beitrag dafür setzt, dass der Betreiber einer Domain auf dieser Inhalte über das Internet verfügbar machen kann, und dass der Registrar, solange die Domain bei ihm registriert ist, Zugriff auf die Domain in der Weise hat, dass er die weitere Veröffentlichung der betreffenden Inhalte über das Internet unterbinden kann. Die Antragsgegnerin zu 4 trägt vor (Bl. 99 des Anlagenheftes), ein Zugriff sei ihr nicht mehr möglich, nachdem die Domain „auf einen anderen Server umgezogen“ sei. Soweit mit – nicht nachgelassenem – Schriftsatz vom 11.5.2015 diese tatsächliche Grundlage nunmehr in Zweifel gezogen werden soll, kann das entsprechende neue tatsächliche Vorbringen der Antragsgegnerin zu 4 nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Kammer vermag vor diesem Hintergrund keinen sachlichen Grund zu erkennen, warum für die Antragsgegnerin zu 4 abweichende Verhaltenspflichten bestehen sollten. Die Antragsgegnerin zu 4 ermöglicht es durch ihre Tätigkeit als Domain-Registrar Dritten, sich über das Internet zu äußern. Es ist ihr möglich und zumutbar, solche Äußerungen zu entfernen, sobald sie Kenntnis davon erhält, dass diese Dritten andere Rechtssubjekte in ihren Rechten verletzen. Entsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Domain-Registrare unter der Annahme der weiteren Voraussetzungen der Störerhaftung durch die Bereitstellung rechtlicher Hilfestellung bei der Nutzung des Internet in die Haftung genommen werden können (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.10.2003, 6 U 112/03; KG, Beschl. vom 10.7.2014, 10 W 142/13, jeweils m.w.N.).

Voraussetzung für eine die Störerhaftung begründende Prüfpflicht der Antragsgegnerin zu 4 ist daher zunächst, dass der Betroffene die Antragsgegnerin zu 4 so konkret auf den Rechtsverstoß hinweist, dass dieser auf der Grundlage der Behauptungen der Antragsgegnerin zu 4 unschwer, also ohne tiefgreifende rechtliche und tatsächliche Prüfung, bejaht werden kann.

Dies ist vorliegend der Fall. Mit der Löschungsaufforderung ist die Antragsgegnerin zu 4 hinreichend konkret auf die beanstandeten Rechtsverstöße hingewiesen worden. Dabei reichte die nachvollziehbare Darlegung, dass es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen handelt. Belege musste die Antragstellerin in diesem Stadium nicht beifügen. Das ergibt sich daraus, dass der in Anspruch genommene Störer erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich nach Anhörung des Verantwortlichen u.U. eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und ggf. Nachweise für dessen Behauptung einer Rechtsverletzung anzufordern hat (BGH, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O. Rn. 27)."

Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier: